Gebete für Israeliten

Gebete für Schabbat

Die Hausfrau, wenn sie Chala nimmt

Wie du einst unsere Väter in der Wüste speistest und sie am Tage alles zum Unterhalte ihres Lebens finden ließest, dessen sie bedurften, so bist du, o mein Gott, mit meinem Gatten, (meines Hauses Versorger) gewesen und hast seinen Fleiß gesegnet, daß wir den Unterhalt unseres Lebens nicht entbehren. Bevor nun der heilige Tag beginnt, will ich nach Vorschrift auf bildliche Weise dir meinen Dank darbringen, und als ein echtes Weib Israels will ich unsern Glauben bekennen, daß selbst jeder sinnliche Genuß, den du uns gewährst, durch fromme Gedanken geheiligt werden soll. Denn du ließest es zum hohen Beruf des Weibes werden, den Segen des Glaubens in das schöne Heim zu bringen; ihr legtest du die Pflicht auf, das tägliche Brot zu heiligen. O, mein Gott, so laß es denn dir gedeckt sein, was ich bereite, und segne du unsers Lebens Brot.

Amen!

Die Hausfrau, wenn sie die Schabbatlichter oder die Festlichter anzündet

Freude soll alle Zeit in Israels Wohnungen leuchten; das israelitische Weib soll die Wolke der Bekümmernis zerstreuen, die sich zeitweilig über den Gatten ausbreitet und den häuslichen Kreis verdunkelt. Mit dem warmen und reinen Glauben in ihrer Brust soll sie trösten, ermuntern und erquicken. O! habe Dank, o Vater, daß ich jetzt wieder an meinen schönen und heiligen Beruf dadurch erinnert werde, daß ich die Schabbat-(Fest-)Lichter anzünde, durch aufopfernde Tätigkeit, Freude zu verbreiten und das Licht des Glaubens zu bewahren.

Der Schabbat

Am Schabbat-Morgen.

Jeden Morgen fühlte ich den Drang, mich dir, Allgütiger, zu nähern, mit jedem neu erscheinenden Tage habe ich dir mein Dankopfer dargebracht;—und je mehr ich dadurch zu einem Leben in dir und mit dir geheiligt worden, je mehr ich dadurch gelernt, mitten unter den täglichen Arbeiten mich festlich gestimmt zu fühlen, desto mehr wird mein Inneres auch in dieser heiligen Morgenstunde zu dir emporgehoben. Ja, wenn ich alle Tage der Woche den Dank meines Herzens ausgesprochen für die zeitlichen Güter, die du mir schenktest, um wie viel mehr muß ich diesen an diesem Tag verkünden, den du zum Heil und zur Heiligung unseres Geistes bestimmt und zur Erinnerung deines Namens eingesetzt hast, und den du dadurch geheiligt, daß du ihn ein Bundeszeichen nanntest zwischen dir, dem Unendlichen, und Israel, deinem treuen Diener. An diesem Tage kann und soll ich jegliches Erdenjoch von mir werfen, von jeder drückenden Last dieser Welt mich befreien und über jeglichen Kummer und Schmerz des Lebens mich erheben; an diesem Tag soll alles in mir von höherer Freude erfüllt sein, und alles um mich her himmlische Wonne atmen, ja in Wahrheit ein seliger Tag! Dazu hast du uns ja deine heilige Lehre (Thora) gegeben, daß wir darin an diesem Tage lesen und forschen, damit wir in Gotteserkenntnis wachsen und in allen guten Gesinnungen gestärkt werden, damit wir das Leben in dir erneuern und in deiner Wahrheit beharren. O, so verleihe mir deine Gnade und bewahre mich vor vorsätzlicher und unvorsätzlicher Entweihung dieses Tages, laß deinen Geist auf mir ruhen, auf daß ich all die Herrlichkeit deiner göttlichen Lehre schaue und begreife, und stärke mich, daß ich den Schabbat auf die rechte Weise feiere und auch im Herzen meines Bruders rechten Schabbatsinn erwecke!—Ich will in meinem eignen Hause unter meinen Hausgenossen zeigen, daß ich das himmlische Kleinod zu schätzen weiß, welches ich im Schabbat besitze, auf daß sie sehen, wie glücklich und froh es mich macht. Und diesen Sinn will ich in der andächtigen Versammlung der Gemeinde zu stärken suchen, wo dein Name für die Herrlichkeit dieses Tages gepriesen wird. O Ewiger, laß diesen Tag um mich her Frieden und Freude ausbreiten; laß ihn jeglichem Kranken Erquickung und allen Betrübten Trost bringen, laß ihn die Irrenden auf den Pfad der Seligkeit führen, und laß ihn mich in einen immer innigeren Verkehr mit dir bringen und mir Seelenruhe und himmlischen Frieden schenken, der dem gleicht, welchen diejenigen jenseits genießen, die nach einem frommen Wandel hienieden von dir in die Wohnung der Seligen gerufen werden.

Beim Ausheben der Thora am Schabbat.

Dein, o Herr, ist alle Größe; was unser Auge und unser Gedanke durchmessen kann, ist nichts vor dir. Dein, o Herr, ist alle Macht; alle Wesen und alle Welten sind von deinem Willen abhängig, dir dienen alle Kräfte der Natur und gehorchen deinem Winke. Dein, o Herr, ist alle Herrlichkeit; der Himmel und die Erde und alles, was sie schmücket, ist dein Werk. Dein, o Herr, ist alle Majestät, die sich offenbaret in den Wolken droben, auf der Feste der Erde und in den Fluten des Meeres. Du bist König, dein ist die Herrschaft von Ewigkeit zu Ewigkeit. Erhebet den Ewigen, unsern Gott, und beuget euch zum Staube vor ihm; denn er ist heilig. Erhebet den Ewigen, unsern Gott, und beuget euch vor dem Berge seiner Herrlichkeit; denn heilig ist der Ewige, unser Gott.

O Vater der Barmherzigkeit! Erbarme dich des Volkes deiner Treuen, gedenke deines Bundes mit den festen Säulen der Glaubenstreue. Hüte unsere Seele vor bösen Stunden; laß an uns nicht herannahen böse Begierde und Versuchung, sei immerdar unser Retter aus Gefahren und erfülle die Wünsche unseres Herzens, so sie dir angenehm sind.

Bei der Verkündigung des Neumondes

Gott, Schöpfer und Herr der Welt! Gib, daß der kommende neue Monat uns langes Leben und Segen, Ruhe und Friede, Glück und Wohlfahrt bringe. Gewähre uns Nahrung und Unterhalt aus deiner vollen, offenen und milden Hand und bewahre uns vor jeder Sorge und jeder Not. Erhalte uns in Liebe und Anhänglichkeit zu dir, und lasse uns größer werden an Tugend und Weisheit. Behüte uns in deiner Gnade vor allen bösen Zufällen, und erfülle die frommen Wunsche unseres Herzens, wenn sie zu unserm Heile sind.

Ein anderes Gebet bei der Verkündigung des Neumondes

Mein Gott! Laß mich den Anfang und das Ende des kommenden Monats erleben in Kraft und Gesundheit! Sende mir (meinen Eltern) deinen Beistand, daß ich (sie) an ihm für meine (ihre) Bedürfnisse zu sorgen vermag (vermögen) in Redlichkeit und Ehren! Halte fern von mir und den Meinigen Gefährdung und Beschämung! Mögen die Wünsche meines Herzens in ihm erfüllet werden, so sie dir, o Herr, wohlgefallen. Dein Reich der Wahrheit und der Liebe werde im Laufe desselben gefördert, auf daß die Zeit der frohen Verheißung immer näher an uns heranrücke: ein Vater im Himmel, eine Bruderfamilie auf Erden!

Am Schabbat-Nachmittag

Laß mich abermals dir danken, o du Allgütiger, für diesen schönen Tag, den du der Ruhe geweiht hast, und an dem meine ganze Seele in dir Ruhe finden soll. Keine Sorge und kein Schmerz beunruhigen mich; denn dieser Tag erinnert mich ja daran, daß du die Welt aus nichts erschaffen, und er verkündigt mir deine Allmacht und deine Weisheit: wie sollte ich da mich nicht getrost deiner Leitung und Führung überlassen?—Du bist ja mit mir, was sollte ich da fürchten? Und kann nicht auch das mich über den Sklavensinn der Welt emporheben, daß ich gedenke, daß du uns aus dem Sklavenjoche Ägyptens befreit hast, auf daß wir deine Diener wurden? Ja, in dir soll meine Seele Ruhe finden, und sie soll aus der Fülle deiner Liebe schöpfen, auf daß ich einen jeden hoch schätzen lerne, der in deinem Bilde geschaffen worden, daß auch seine Seele heute Erquickung finde. Ja, selbst die vernunftlosen Tiere sollen heute Ruhe genießen. In dir ruhen soll meine Seele, und du hast mich ja selbst gelehrt, wie deine Ruhe recht gefeiert werde; denn am Schabbat ertönte ja dein Wort vom Sinai, durch welches das Reich des Lichtes weithin über die Erde sich ausbreitete. Ja, und wenn ich auch heute nichts an irdischen Schätzen gewinne, welch ein großer Reichtum ist mir doch im Schabbat zuteil geworden! Ist er es ja, der meine Seele von der Mühe des Lebens befreit, ein wahres Bild des ewigen Schabbats, an dem der Geist eine heilige, himmlische Ruhe in dir genießen soll.—O, mein Dank steige zu Gott empor! und du mein Gott,»durchforsche mich und prüfe meine Gedanken, und bin ich auf schlechtem Wege, so leite du mich auf den rechten Pfad hin«, auf daß ich dir in aller Ewigkeit danke. Gepriesen werde dein Name, Hallelujah!

Am Neumondstage

Du Gnadenreicher! Den ersten Tag eines jeden Monats hast du — wie unsere frommen Väter uns gelehrt — zur Sündenvergebung bestimmt, und ehemals, als noch auf Zion der heilige Tempel prangte, wurden an diesem Tage Sühnopfer dargebracht, und der Reumütige fand Vergebung. Der Tempel steht nicht mehr, und Opfer sind nicht mehr der Ausdruck unserer Reue und Hingebung, aber unser Gebet ist uns geblieben, der Dienst des Herzens, der an allen Orten dir wohlgefällig ist. So nimm denn das Opfer meines Herzens wohlgefällig auf, erhöre das Flehen, womit ich mich am heutigen Tage reuevoll dir nahe, und vergib mir meine Sünden, die ich im verflossenen Monat gegen dich und meine Nebenmenschen begangen habe. Ich erkenne, o Herr! daß ich von meiner Bestimmung abgewichen bin, wenn ich gefehlt habe; ich sehe es ein, daß früher oder später Vorwurf und Kummer mein ganzes Leben verbittern müßten, und fasse darum den festen Vorsatz, mit dem neuen Monate meinen Lebenswandel ganz so einzurichten, wie es dein heiliges Gesetz befiehlt. O Vater, der du an Reue und Buße Wohlgefallen hast, stehe mir bei, daß ich jederzeit über mein Herz wache, daß ich immer mehr Wahrheit und Tugend erstrebe und alle meine Gedanken und Handlungen richte auf das eine Ziel: heilig zu werden, wie du heilig bist. —Wache über mich und alle meine Angehörigen auch in diesem Monate, auf daß er uns werde zur Freude und Wonne, zum Segen und Frieden.

Schabbat-Ausgang

Alliebender Vater! Der herrliche Tag, mit welchem die Woche schließt, ist zu Ende, und ehe ich mich zur Ruhe niederlege, um wieder zur Arbeit der kommenden Woche gestärkt zu werden, durchforsche ich nun mein Inneres, ob der heutige Tag auch heilige Eindrücke auf mich zurückgelassen und mich in Wahrheit dir näher gebracht hat. O! du hast mich heute so mannigfaltig gesegnet, an Leib wie an Geist, und deine Güte hat mir sowohl irdisches als himmlisches Manna bereitet! Ich schöpfte ja aus dem Quell deiner Liebe durch alles, was ich von der milden Hand der Natur empfangen, durch alles, was ich in dem Kreis meines eigenen Hauses genossen, durch das festliche Mahl und noch mehr in der Andachtsstunde durch dein göttliches Wort. Aber ach, mein Gott! habe ich dir in Wahrheit all meinen Dank gezollt? Wie manchen Vorwand habe ich benutzt, um mich allem zu entziehen, wozu mich der Tag rufen sollte; wie ließ ich doch kleinliche Sorgen und Freuden mich davon abhalten, dich und dein Haus aufzusuchen; warum hatte ich Zeit zu allem, und nicht zu dem, was der Schabbat mir auferlegt? Und selbst im Verkehr mit dir—wie lau war gleichwohl meine Andacht, wie zerstreut waren meine Gedanken, während ich deinen Namen anrief; wie wenig wurde ich beim Hören deiner Worte entflammt! Verzeihe mir, o ewiger Vater, und entziehe mir deine Gnade nicht! Auch den frommen Vorsatz rechnest du ja dem schwachen Menschen als Tugend an, auch der gute Wille gilt ja vor dir als eine wohlgefällige Tat! Gib du mir Kraft, diese zu vollführen, erneue in mir mit der neuen Woche einen festen Geist, und lege eine neue liebreiche Gesinnung in mein Herz, ein neues inniges Verlangen, dir anzugehören! Bewahre mich und die Meinigen in dieser Nacht und stärke mich, daß ich morgen neu gestärkt zu dem Werk eile, das du mir angewiesen für die Tage meiner irdischen Wallfahrt, laß deine Huld und Gnade mir zuteil werden, daß ich mich vorbereite zu einem seligen Ende.

Amen!

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Rabbiner Abraham Alexander Wolffs Gebetbuch (geboren am 29. April 1801 in Darmstadt und gestorben am 3. Dezember 1891 in Kopenhagen) ist ein orthodoxes Gebetbuch mit zusätzlichen Gebeten in deutscher Sprache. 1856 erschien die dänische Ausgabe und erst später die deutsche Übersetzung. Die vorliegende Ausgabe präsentiert die Texte Wolffs mit einigen hebräischen Ergänzungen, in einer anderen Ordnung und mit einigen zusätzlichen Texten aus der gleichen Zeit.