Krankheit - Sterben - Tod

Krankheit und das Warum des Leidens

Grundsätzlich betont das Judentum das Leben: „Nicht die Toten loben Gott, und alle nicht, die sinken in Grabesstille“ (Ps. 115,17) „Und wahret meiner Satzungen und meiner Vorschriften, die der Mensch tue, dass er lebe durch sie …“ (Lev. 18,5). Laut Interpretation des Talmud bedeutet dies: der Mensch soll nicht an den Geboten zugrunde gehen.(Joma 85b), und alle Gesetze der Religion, außer Götzendienst, Unzucht und Mord (Sanhedrin74a) betreffend, haben keine Gültigkeit bei Lebensgefahr, auch nicht am Schabbat. „Unsere Meister lehrten: Man sei am Schabbat um Lebensrettung besorgt, und zwar, je eifriger, desto lobenswerter ist es …“ (Joma 84b).

Trotzdem sind aber Sterben und Tod im Bewusstsein verankert: „Denn Staub bis du und zum Staube zurück kehrst du“ (Gen. 3,19) „.und zurück kehrt der Staub zur Erde, so wie er gewesen, und der Geist kehrt zu Gott, der ihn gegeben“ (Pred. 12,7). Der Tod selbst bedeutet an sich nichts schreckliches: „Gesegnet ist der, der in der Thora erzo-gen wurde, der mit der Thora sich abmüht und so handelt, daß er seinem Schöpfer wohl gefällt. Und er ist mit einem guten Namen aufgewachsen und mit einem guten Namen davongegangen“ (Berachot 17a). Schrecklich ist der Tod auch deshalb nicht, weil die Welt als „Vorzimmer“ zu einer anderen Welt gilt, somit der Glaube an ein Weiterleben besteht.

Im Judentum existieren verschiedene Auffassungen über das, was nach dem Tod kommen wird:

>Seele und Körper sterben, aber eine leibliche Auferstehung erfolgt, wenn der Messias kommt (Dan 12,2/Sanhedrin10,1)

>die Seele verlässt den Körper und lebt unabhängig von ihm weiter (Unsterblichkeit der Seele; Prov. 12,28/Schabbat 152b)“

>Vermischung beider o. g. Ansichten.

Die Frage nach dem „Warum“ des Leidens

Tragisch und damit vom Verständnis her problematisch ist aber z. B. eine schwere Krankheit oder der Tod eines „unschuldigen“ Kindes oder eines „gerechten“ Menschen (durch Verkehrsunfall, Krebserkrankung usf.). Hier stellt sich nun die Frage nach dem Grund des Leidens. Man sollte sich darüber im Klaren sein, daß es nicht die „Patent-Antwort“ gibt, sondern viele Erklärungen möglich sind. Zwei Bedingungen müssen allerdings erfüllt sein:

1. Hilft die Antwort der/dem Betroffenen?

2. Ist sie innerhalb des Judentums zu finden?

Denkbar wären folgende Antworten:

Das Leid basiert auf dem Hintergrund von Lohn und Strafe (Ex. 20,5, Lev. 14,1-9). Wie verhält es sich dann aber mit dem Tod eines Kindes oder eines „Gerechten“?

Die Ursache des Leidens liegt in einer Kollektivschuld, d. h. Generationen vorher zeigten Fehlverhalten. Ist es aber möglich, daß ein jetzt „Gerechter“ mit bestraft wird, heißt es doch in Gen. 18,25: „Fern sei von dir, solches zu tun, zu töten den Gerechten mit dem Frevler. Fern sei es von dir. Der Richter der ganzen Erde sollte nicht üben Gerechtigkeit?“

Das Leid soll den Stolz des Menschen brechen und seine Demut fördern. Ist Gott ein Lehrer, der Menschen für seine Zwecke instrumentalisiert?

Das Leid geschieht, und nur Gott, nicht wir Menschen mit unserem begrenzten Verstand, kennt seine Bedeutung, welche sich erst später offenbaren wird, bzw. die kommende Welt bringt die ausgleichende Gerechtigkeit

Das Leid ist ein normaler Bestandteil des Lebens, genauso wie das „Gute“, das „Schöne“ im Leben. Dieser Erklärungsversuch unterscheidet sich von den o. g. dadurch, dass Gott zwar gegenwärtig ist und mit leidet (Jes. 63,9) -Gott ist aber nicht mehr das verantwortliche Zentrum, von dem das Leid ausgeht.