Pessach

Pessach – das Fest des neuen Menschen

„Denn sieh, der Winter ist vergangen,
der Regen hat aufgehört, ist vorüber,
Blumen zeigen sich am Boden,
die Zeit des Singens ist gekommen,
der Ruf der Turteltaube ertönt in unserm Lande.“
,,So steh auf meine Freundin,
meine Schöne, und komm!“
,,Laß mich sehen deine Gestalt,
laß mich hören deine Stimme!
Denn süß ist deine Stimme
und deine Gestalt schön.“
,,Wohin ging dein Liebster,
Schönste unter den Frauen?
Wohin wandte dein Liebster sich,
daß wir mit dir ihn suchen?“
,,Ich gehöre meinem Liebsten,
und mein Liebster gehört mir,
der in den Lilien weidet.“

Mit diesen Worten drückt das Hohe Lied Schlomohs (Salomos), das Lied der Lieder, das wir an Pessach lesen, das ganze Pessach- Geschehen aus:

Wir waren damals noch eine unbedeutende, gestaltlose Menschenmasse, ohne Bewußtsein. Wir waren arm, waren Fremde in der Fremde. Man hatte uns zur unerwünschten Person erklärt, hatte uns erniedrigt und zu rechtlosen Sklaven gemacht und war dabei, uns systematisch auszurotten. Unser einziges Vermögen war das Verdienst unserer Urväter und Urmütter, das wir als Vermächtnis in uns bewahrt hatten.

Da holte uns G’tt aus den Orten der Vernichtung heraus, gegen den Willen unserer Peiniger, mit großen Zeichen und starker Macht. In der Nacht, als Er sie schlug, errettete er uns zum Leben. In Eile zogen wir aus, nahmen mit, was jene uns zu geben vermochten, ließen das Land unseres Auszugs verarmt zurück. Durch die Wasser des Meeres führte Er uns hindurch, da waren wir zu freien Menschen geworden, – vor unseren Augen versank in den Fluten unser altes Dasein. Wir waren noch ungeformt und ursprünglich; der Teig, von dem wir uns ernährten, war noch nicht zu Sauerteig geworden. Wir hatten noch kein Verständnis, keine Weitsicht, waren furchtsam, kleinmütig, schwach. Aber wir waren bereit Ihm zu folgen, der uns gerufen hatte. Der uns liebt und in Treue auf uns wartet bis wir im Stande sind, als Seine Partnerin vor Ihm zu stehen.

Nie sollen wir vergessen, wer wir waren und woher wir kamen und wer uns zu dem gemacht hat, was wir sind

Immer aufs Neue sollen wir es nacherleben, alle Tage unseres Lebens, und unseren Kindern davon berichten.

Wir reinigen unser Haus und uns selber, entfernen alles, was uns zur Gewohnheit und bequem geworden ist und uns an unseren bisherigen Zustand bindet, das Gesäuerte. Wir läutern uns im lebenden Wasser des Tauchbads (Miqweh) und kleiden uns in neue weiße Gewänder. Und zu Beginn der Frühlingsvollmond-Nacht, in der Nacht zum 15. Nissan, finden wir uns zusammen, bereit zum Aufbruch, wie die Thorah es uns aufträgt: ,,gegürtet, mit den Wanderschuhen an den Füßen und dem Wanderstab in der Hand“ dieses Gefühl sollte uns an diesem Abend erfüllen !

Wir setzen uns zusammen um nachzuvollziehen, was G’tt an uns vollbracht hat. Auf einem Teller liegen die Zeichen der Sklaverei Das Salzwasser unserer Tränen, der beißend-scharfe Meerrettich für die erlebte Bitternis (Maror), die herbe Frucht der Erde (Karpas), zu der wir herabgedrückt waren, der lehmfarbene, weingetränkte Nussbrei (Charosseth) für die Ziegel, die wir herzu-stellen gezwungen worden waren. Daneben liegen auf dem Teller die Zeichen der Errettung zu neuem Leben: Das Knöchlein des Lammes, durch dessen Opferung wir in der Todesnacht ausgelöst wurden, und das Ei, das Zeichen des ewigen Lebens.

In einer Tasche liegen übereinander drei ungesäuerte Brote (Mazzoth), die den dreigliedrigen Leib ganz Israels (Kohen, Lewi, Israel) verkörpern. Dazu gehört der Wein für den Kelch des Heiles, von dem wir in dieser Nacht vier mal trinken, ein Sinnbild für die stufenweise Errettung Israels. Ein besonderer Weinkelch steht bereit für den Propheten Eliyahu (Elias), den Vorboten des Maschiach (Messias), den wir in der Hoffnung auf die endgültige Erlösung in dieser Nacht einladen. Wir sitzen bequem angelehnt, wie nur Freie es können. Nach Entzünden der Lichter und Heiligung der Versammlung (Kiddusch) versetzen wir uns zunächst noch einmal zurück in den Zustand des Sklaventums und laden alle, die mitkommen wollen, ein mit uns zu kommen auf den Weg in die Freiheit. Danach fragt das jüngste der anwesenden Kinder, was diese ,lacht denn von allen anderen Nächten unterscheidet. Die Antwort darauf beginnt mit den Werten, die für all das bisher gesagte stehen: „Sklaven waren wir einst dem Pharao in Ägypten, da führte uns der Ewige, unser G’tt, von dort heraus mit starker Hand und aus-gestrecktem Arm.“ Wir erzählen die Befreiungsgeschichte so, daß sowohl das kleine Kind als auch der Gelehrte die Errettung nacherleben können. Zugleich essen wir in festgelegter Ordnung (Seder) die genannten Speisen um so den Weg auch körperlich zu erleben. Danach folgt die Festmahlzeit, die mit dem Tischgebet und Lobpreisungen abgeschlossen wird. Sieben Tage lang feiern wir die Errettung und erleben unser neues Dasein indem wir nichts Gesäuertes essen. Sieben mal sieben Tage zählen wir vom Tag der Befreiung, – wir zählen diese Tage nach dem Maß Gerste (Omer), das zur Zeit des Tempels in diesen Tagen täglich in das Heiligtum gebracht wurde bis zu dem Tag, an dem G’tt uns an den Sinai führte, uns die Thora zu geben.

Und da wir uns meist eingestehen müssen, daß wir zwar errettet, aber doch noch nicht ganz erlöst sind, so wünschen wir uns ,,Das kommende Jahr in Jerusalem ! “