Gebete für Israeliten

Für jeden Tag der Woche

Gebete für jeden Tag der Woche

Am Sonntag

Morgengebet

Eine neue Woche hast du, o gnadenvoller Vater, für mich erscheinen lassen, und eine neue Zeit schenkst du mir wieder, um für mein Wohl zu leben und zu wirken. O, so beseele mich denn mit Ernst und Freudigkeit, auf daß ich das Werk vollführe, das du mir angewiesen. Laß mich die neue Woche damit beginnen, daß ich die heiligen Vorsätze ausführe, die ich gestern gefaßt habe, laß es mir trotz meiner Schwäche gelingen, durch meine Fürsorge und Arbeit das Wohl meiner Brüder zu fördern und zum Wohle der menschlichen Gesellschaft mitzuwirken. Verleihe mir vor allem deinen Beistand, daß ich denen ein gutes Beispiel gebe, in deren Mitte ich wirke; stärke mich, daß ich auf reinen Wandel achte, jedes meiner Worte wohl bedenke und auf jede meiner Handlungen wohl aufmerksam sei, und in der Freude wie im Schmerze mich als ein gottesfürchtiges und gottergebenes Kind zeige, das stets deinen Willen zu erfüllen sucht. Stehe mir zur Seite bei den Mühen und Arbeiten dieser Woche, daß die Mühsal des Tages mir zum Segen werde, und die Freuden, die du mir bereitest, mich unaufhörlich erinnern an den Dank, den ich dir schulde. Stärke mich, daß ich die Widerwärtigkeiten und Unannehmlichkeiten duldend ertrage und selbst denen mich liebevoll erweise, die mich in dieser Woche zu betrüben suchen. Lehre mich deine Weisheit anbeten und deine Güte auch in der schmerzlichen Stunde preisen, die dein Wille mir auferlegen sollte, und jede glückliche, freudenreiche Stunde im Irdischen erinnere mich an die Ewigkeit, der ich entgegengehe. Herr!»laß mit jedem Morgen mich deine Gnade erfahren; denn auf dich hoffe ich; tue mir den Weg kund, den ich zu wandern habe, denn es sehnt sich mein Herz nach dir!« (Ps. 143, 8)

Amen!

Betrachtung über 1. Buch Moses 1, 3-4

וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים יְהִי אֹור וַֽיְהִי אֹֽור׃
וַיַּרְא אֱלֹהִים אֶת־הָאֹור כִּי טֹוב וַיַּבְדֵּל אֱלֹהִים בֵּין הָאֹור וּבֵין הַחֹֽשֶׁךְ׃

Allmächtiger, allweiser Schöpfer!

Am ersten Schöpfungstage nähert sich meine Seele dir und danket dir, daß du die Finsternis hast schwinden lassen und wiederum, wie einst, da du über die leblose Natur das:»Werde Licht!« riefst, mich von deinem Licht umstrahlt sein läßt, das allem um mich her Kraft spendet und Reiz verleiht. Ach Herr, mein Gott! du, der du so unendlich bist, der du dich hüllest in Licht wie in ein Gewand (Ps. 104), zerstreue du die Finsternis, die noch über so viele ausgebreitet ist, auf daß das Licht der Liebe die Herzen aller Lebenden erleuchte und erwärme! Hilf du mir, daß ich den Weg des Lichtes wandre, daß kein trüber Zweifel meine Seele umschleiere, keine Versuchung mich auf die dunkle Bahn des Lasters führe. Laß deine Gnade und Huld mir und den Meinigen zu teil werden, auf daß wir unser tägliches Brot finden und es in Freuden genießen. Erleuchte mich mit deinem Lichte und deiner Wahrheit, daß sie mich leiten, dich zu suchen, dir zu dienen mit allem, was ich in dieser Woche vornehme, daß keiner meiner Gedanken und keine meiner Taten das Licht des Tages zu scheuen nötig habe. Verschone mich und die Meinigen von großen Sorgen, die den Sinn beschweren, ihn niederdrücken und irre leiten. Und so zuweilen die Aussichten trübe sind, und Angst mein Herz beschleicht, dann laß mich eingedenk sein, daß du gnädig und barmherzig bist, und daß den Frommen ein Licht in der Finsternis aufstrahlt (Ps. 112); laß mich eingedenk sein, daß wir hienieden nicht das volle Licht schauen können, daß es aber in der Ewigkeit herrlich für diejenigen strahlen wird, die dich in Wahrheit anbeten. So nimm mich denn in deinen Schutz, und möge all mein Streben in dieser Woche dazu beitragen, daß ich einst würdig werde, dieses Licht zu schauen,—»sei mir gnädig, segne mich und laß das Licht deines Antlitzes mir leuchten!«

Abendgebet

Wiederum habe ich einen Tag verlebt, an welchem du mir so viele Beweise deiner väterlichen Fürsorge und deiner rettenden Gnade gegeben, daß ich tief fühle, was ich dir schulde, und es tief erkenne, wie wenig ich so viel Güte verdient habe. O! mein Gott, gehe nicht ins Gericht mit mir; denn vor dir ist kein Lebender gerecht, sondern vergib in deiner Langmut und Barmherzigkeit meine Sünden, meine Vergehen und Irrtümer, die ich mir im Laufe des Tages habe zu schulden kommen lassen. Erhöre meine Seufzer, die ich in Demut emporsende, auf daß ich getrost mich zur Ruhe legen, und nun zur Zeit, wo aller menschliche Beistand schlummert, auf deinen Schutz vertrauen kann. O du, vor dem die Nacht hell ist wie der Tag, sei du mein Beschützer in jeglicher Gefahr, das Licht meiner Seele in der schaurigen Finsternis, bewahre mich vor den Schrecknissen der Nacht, halte jegliche Krankheit von meinem Lager fern, und laß deinen Geist mich beseelen, auch wenn ich schlummere, auf daß ich neue Kraft gewinne, um die Kämpfe des Lebens zu bestehen, und gestärkt werde, deinen Willen zu erfüllen. Erbarme dich der Menschenkinder und laß bald die Nacht vor deinem himmlischen Lichte weichen, das Friede und Liebe auf der ganzen Erde verbreitet; halte deine Hand über die, die unter dem Dache meines Hauses schlafen, daß niemand sündige, niemand strauchle! Dir empfehle ich alle meine Lieben, nahe und ferne, laß mich in Frieden schlafen und wohl und gesund wieder erwachen, um dich zu loben und zu preisen, daß du warst die Hilfe meines Antlitzes, mein Schild, mein Gott.

Am Montag

Morgengebet

So bin ich denn wieder erwacht, ich rege mich und lebe in dir, du Lebensspender, allgütiger Gott! Ach, mit welch drückenden Gedanken begab ich mich zur Ruhe! Kaum hoffte und erwartete ich, von den mannigfachen Sorgen befreit zu werden, die auf meinem Herzen lasteten und meine Seele so unruhig machten; aber du bereitetest mir einen erquickenden Schlaf, und mit den Schatten der Nacht, die vor dem Lichte des Morgens weichen, war alles, was mich drückte, verschwunden. Nun fühle ich mich wie neu geschaffen und schaue mit Vertrauen auf zu deiner unendlichen Güte, die über mich wachet. Unschlüssig war ich und fürchtete den kommenden Tag; aber siehe, es ist als ob du im Laufe der Nacht Entschlossenheit meiner Seele eingegeben hättest, daß ich mit neuer Lust und freudigem Mute heute wieder an mein Werk gehe. O, möchte doch mein Vertrauen auf dich nie wanken, o, möchte es mich doch auch heute zu meinem Werke begleiten, daß ich, was mir auch heute begegne, doch stets eingedenk bleibe und mit ergebenem Sinne erkenne, daß du der Herr bist, und daß du tuest, was gut in deinen Augen ist! Verleihe mir aber auch die Kraft, in meinem Streben und Wirken würdig zu bleiben, das Auge zu dir erheben zu dürfen, daß ich stets auf deine väterliche Hilfe und auf deinen Schutz vertraue, daß kein falsches Vertrauen sich in mein Herz schleiche, und daß ich nicht durch unermüdliches Jagen nach den vergänglichen Dingen, durch Eigennutz, Genußsucht oder Eitelkeit das Glück und den Segen verscherze, den du allen denen verheißen, die ihre Hoffnung auf dich setzen. So stärke mich denn, daß ich arbeite, ohne zu ermüden, daß ich mit dankbarem Sinn jede Freude genieße, die du mir schenktest, und ich zum Segen wirke! Laß mich nie Ärgernis und Anstoß verursachen, sondern in der Zeit als einen leben, der die Ewigkeit vor Augen hat! O, du ewiger Gott, sei mir gnädig, segne und bewahre mich! Ja, ich will nicht verzagen; denn meine Hilfe kommt von dir, der du geschaffen Himmel und Erde.

Betrachtung über 1. Buch Moses 1, 6-8

וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים יְהִי רָקִיעַ בְּתֹוךְ הַמָּיִם וִיהִי מַבְדִּיל בֵּין מַיִם לָמָֽיִם׃
וַיַּעַשׂ אֱלֹהִים אֶת־הָרָקִיעַ וַיַּבְדֵּל בֵּין הַמַּיִם אֲשֶׁר מִתַּחַת לָרָקִיעַ וּבֵין הַמַּיִם אֲשֶׁר מֵעַל לָרָקִיעַ וַֽיְהִי־כֵֽן׃
וַיִּקְרָא אֱלֹהִים לָֽרָקִיעַ שָׁמָיִם וַֽיְהִי־עֶרֶב וַֽיְהִי־בֹקֶר יֹום שֵׁנִֽי׃

Allmächtiger Schöpfer, alliebender Gott! Ich danke dir, daß du mich wieder den zweiten Wochentag hast schauen lassen den Himmel, der sich noch über mir wölbt, wie du ihn einst am zweiten Schöpfungstage über die Erde ausgespannt hast. So leuchtete sofort deine Herrlichkeit über dem Staube, daß wir dadurch erinnert würden, daß die Seligkeit des Himmels das Ziel für den Erdenkampf sei, und in der Ruhe und in dem Frieden, der von dem sichtbaren Himmelsbogen widerstrahlt, spiegelt sich für den Menschen der selige Friede des unsichtbaren Himmels ab. Bei aller Not und Sorge des Lebens soll der Mensch zum Himmel empor schauen und dort die Tröstung und Erquickung suchen, die die Erde nicht zu gewähren vermag, und in den Versuchungen der Welt, in ihrem Kampf und Streit soll er von deinem Himmel Kraft und Freiheit holen. Aber darf auch ich wohl meinen Blick zum Himmel erheben?—
O, nur der kann freudig empor in die Höhe sehen, der das tut, was dir wohlgefällig ist! Hab ich dieses getan? War ich stets eingedenk, daß ich überall in deinem Heiligtum bin, da überall der Himmel über mir ausgebreitet ist, der deine Herrlichkeit Tag für Tag verkündet? Habe ich mich wohl auf Geistesschwingen zum Himmel gehoben, während mein Fuß zur Erde gestellt war—leuchtete ein Himmel der Liebe aus meinem Auge, wenn ich mit meinen Menschenbrüdern verkehrte? O Gott, sei mit mir heute, daß ich jede Versuchung besiege, jede sündige Lust bezwinge, und daß jeder meiner Gedanken, jedes meiner Worte und jede meiner Taten von der Klarheit des Himmels widerscheine, daß mein Wandel dir wohlgefalle, und die Liebe des Himmels mich einst verkläre bei dir, du, mein Gott, dessen Huld so erhaben ist, wie der Himmel über der Erde, du, der du meine Sünden vergibst und mich krönest mit Barmherzigkeit und Gnade(Ps. 103, 3).

Am Dienstag.

Morgengebet

Allgütiger Gott! Nimm das Morgenopfer meines Herzens als Dank entgegen für die neuen Beweise deiner Gnade, die du mir in der verflossenen Nacht gegeben. Ach, wie viele haben diese nicht in Unruhe und Kummer verbracht, und von wie vieler Lager wurde nicht der Schlaf durch Angst und Sorge verscheucht; ich aber wurde verschont, die Meinigen hast du beschirmt! o, wie wenig habe ich doch so viele Gnade verdient! So manchen Morgen erwachte ich nur mit neuen Wünschen und vergaß es, wie sehr du mich bereits gesegnet, und wie vielen Dank ich dir schulde; doch heute steht deine Güte mir vor Augen, und o, wie glücklich macht mich dieser Gedanke! Ach, wie wenige fühlen doch das Gute, das sie unablässig von deiner Hand empfangen, und wie innig muß ich dir nicht danken, daß du durch deine heilige Lehre in mir die Erkenntnis deiner Wohltaten geweckt hast! Und wenn ich ganz von deiner göttlichen Lehre erfüllt wäre, o wie glücklich würde ich mich dann noch fühlen, welch ein Born der Freude würde da unaufhörlich aus derselben für mich fließen, selbst dann, wenn Kummer und Sorgen mich umgeben, welche Seligkeit würde ich dann nicht aus jedem Gebote schöpfen, das ich erfülle! O, du Ewiger! laß diesen Tag mich dem großen Ziele näher bringen, dem ich nachstreben soll! Sei mit mir in all meinen Bestrebungen, hilf mir in meiner Schwäche, erleuchte mich in meiner Unwissenheit, umgürte mich mit der Kraft des Willens, laß meine Seele alles in Klarheit schauen, mein Herz alles Edle und Heilige mit Wärme umfassen! Rüste mich aus mit Standhaftigkeit und lege an diesem Tage reichen Segen in meine Arbeit. Bewahre du, Ewiger, meinen Ausgang und meinen Eingang, o, entziehe mir nicht deine Barmherzigkeit, sondern laß deine Gnade und Treue mich stets beschirmen!

Betrachtung über 1. B. M. 1, 9-13.

וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים יִקָּווּ הַמַּיִם מִתַּחַת הַשָּׁמַיִם אֶל־מָקֹום אֶחָד וְתֵרָאֶה הַיַּבָּשָׁה וַֽיְהִי כֵֽן׃
וַיִּקְרָא אֱלֹהִים ׀ לַיַּבָּשָׁה אֶרֶץ וּלְמִקְוֵה הַמַּיִם קָרָא יַמִּים וַיַּרְא אֱלֹהִים כִּי־טֹֽוב׃
וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים תַּֽדְשֵׁא הָאָרֶץ דֶּשֶׁא עֵשֶׂב מַזְרִיעַ זֶרַע עֵץ פְּרִי עֹשֶׂה פְּרִי לְמִינֹו אֲשֶׁר זַרְעֹו בֹו עַל־הָאָרֶץ וַֽיְהִי כֵֽן׃
וַתֹּוצֵא הָאָרֶץ דֶּשֶׁא עֵשֶׂב מַזְרִיעַ זֶרַע לְמִינֵהוּ וְעֵץ עֹֽשֶׂה פְּרִי אֲשֶׁר זַרְעֹו־בֹו לְמִינֵהוּ וַיַּרְא אֱלֹהִים כִּי־טֹֽוב׃
וַֽיְהִי־עֶרֶב וַֽיְהִי־בֹקֶר יֹום שְׁלִישִֽׁי׃

Wie könnte ich wohl am dritten Tage der Woche mein Auge der Herrlichkeit des Tages öffnen, ohne dir für deine unendliche Güte zu danken, mit welcher du die Erde erfüllt hast und sie mit jedem Morgen aufs neue erfüllst? An diesem Tage, so ließest du uns in der Schöpfungsgeschichte verkünden, riefst du Gras, Kräuter und Bäume hervor, die Frucht und Samen tragen, jegliches nach seiner Art. So hast du, allgütiger Gott, für jedes lebende Geschöpf seinen Bedarf bereitet, bevor es noch ins Dasein gerufen war, so hast du auch an mich gedacht, bevor ich noch das Tageslicht schaute, hast liebevolle Wesen bestellt, die für mich sorgten, die mich kleideten und ernährten, mich erzogen und leiteten, und die Erde, sie ist voll deiner Gaben. O, wie könnte ich da verzagen und bekümmert fragen: woher soll ich Brot für meinen Lebensunterhalt nehmen? O, getrost bete ich zu dir: Gib mir und den Meinigen unser tägliches Brot, daß wir nie der Gabe eines Menschen bedürfen, erhalte uns in Genügsamkeit, daß wir in bescheidenem und prunklosem Wandel uns glücklich fühlen, jeglicher in seinem Berufe und jeglicher in seinem Stande. Wache über die Bedürftigen und Notleidenden und gewähre mir die Seligkeit, ihnen wie ein herrlicher Baum zu sein, der Schutz und Erquickung über sie ausbreitet, ja, laß mich wie ein Baum sein, der an den Wasserbächen deines göttlichen Wortes gepflanzt, reiche Früchte trägt, und dessen Blätter nie welken. Laß, o Herr, mein Streben und Wirken dir wohlgefällig sein und auch meinen Mitmenschen. Möchte mein Sinn von dem Licht aus der Höhe erfüllt werden, und meine Rede wie stärkende, erquickende Nahrung jedem sein, der darauf hört.—O, du, der du nie den Gerechten verläßt und es ihm nie an Brot mangeln läßt, erhöre mich und laß mich heute stark im Guten sein, errette mich von jeglicher Sünde, auf daß du auch über mein Werk heute wie bei der Schöpfung sagen könntest: »es war gut(Buch Moses 1, 12)«, gut für das zeitliche und gut für das ewige Leben.

Abendgebet

Der Tag ist dahin gegangen, o, so schnell, so sehr schnell bei Arbeit und Freude und unter deinem beschirmenden Segen, allbarmherziger Gott und Vater! Und nun, da mein Tagewerk zu Ende ist, so kommt mir so vieles in den Sinn, was ich vornehmen wollte, aber zu tun vergessen, vieles, mit dem ich mich beschäftigt habe, aber nicht auf die rechte Weise, so manches Wort, das ich gesprochen, das ich entweder lieber gar nicht ausgesprochen haben möchte, oder doch nicht so, wie ich es getan, mancher Mensch, dem ich begegnet, aber ohne darauf zu achten, wie nützlich er für mich und ich für ihn hätte sein können. Ach ich muß gestehen, wenn ich auch nur an eitlen Gewinn und eitle Lust denken wollte:—könnte ich meinen Tag aufs neue beginnen, so würde ich meine Zeit anders einteilen, so würde ich ganz anders mich verhalten; vieles, was geschehen, würde ich ungetan lassen, vieles, was unterlassen ist, würde ich zur Ausführung bringen—und wie viel mehr erst, wenn ich an das Werk meines Seelenheils denke. O, muß ich nicht fürchten, daß es einst, wenn mein ganzer Lebenstag dahingeschwunden ist, für mich so sein wird, wie in dieser Stunde, muß ich nicht, weil es noch Zeit ist, bestrebt sein, daß mein Lebenstag nicht vergeudet werde? Darum nähere ich mich dir, mein Gott, mit dem Gebete:»tue mir kund den Weg, den ich gehen soll, lehre mich nach deinem Willen handeln, dein gütiger Geist führe mich Tag und Nacht auf die rechte Bahn!«(Ps. 143, 8. 9.) Laß mich auch in dieser Nacht deine Güte erfahren, bewache, erquicke und segne sowohl mich, als alle die Meinigen, und laß die Ruhe der Nacht aufs neue mir Kraft schenken, um gegen alles zu kämpfen, was im Streite ist mit der hohen Bestimmung meines Daseins, mit dem Werk, das ich zu vollführen habe.»Herr! dein will ich gedenken, wenn ich auf meinem Lager liege, über dich sinne ich in den Nachtwachen, meine Seele hängt an dir, deine Rechte unterstützt mich.« Amen!

Am Mittwoch

Morgengebet

»Wenn ich auf meinem Lager bin, so denke ich an dich, o Gott, und wenn ich erwache, spreche ich von dir, denn du bist mir eine Hilfe, und im Schatten deiner Flügel fühle ich mich so sicher«(Ps. 63, 7. 8.), früh suche ich darum dich, und meine Seele dürstet nach dir, mein Gott. Ach, möchte doch meine Seele dir anhängen, und möchte deine Rechte mich unterstützen den ganzen Tag und mich leiten und aufrecht halten, wo ich auch wandre, und mit wem ich auch verkehre. Ich möchte so gern mit Milde und Sanftmut unter meinen Brüdern wandern, aber feindlich Gesinnte, Haßerfüllte, Lieblose, denen ich begegne, könnten so leicht meinen Zorn aufflammen lassen; ich möchte so gerne einen innigen, festen Glauben an den Tag legen, aber Leichtsinnige und Gleichgültige könnten meinen Eifer kühlen, und Scheinheilige all meinem frommen Streben in den Weg treten; es wird so schwer, die heilige Flamme auf dem Altar des Herzens vom Morgen bis zum Abend rein und jedes fremde Feuer fern zu halten; es wird so schwer, einen schuldfreien und heitern Sinn zu bewahren; die Freuden, die deine Güte uns bereitet, so zu genießen, daß keine sündhafte Neigung oder Lust in die Seele dringe, und daß diejenigen, welche auf uns sehen, nicht in ihrem Urteile über uns irre geleitet werden; es ist so schwer, Freundlichkeit und Ernst, Nachsicht und Duldung mit unerschütterlicher Festigkeit im Glauben zu vereinen. Wie leicht artet nicht ein freundlicher, nachgiebiger Sinn zu einer eitlen Lust aus, den Menschen zu gefallen! Wenn ich den Beifall der Welt ernte, so macht es mich so hochmütig und stolz, und weniger vermag ich ihre Kälte, ihren Spott oder ihre Geringschätzung zu ertragen, sie erbittert meinen Geist und lähmt meine Kraft, und doch soll ich im Kampfe nicht schwanken und nicht verzagen. Sieh! darum bitte ich: Herr, lehre mich deine Wege erkennen und leite mich auf die rechten Pfade, nicht nur meiner selbst wegen, sondern auch derentwegen, die auf mich schauen, und mit denen ich heute verkehre, ja meiner Freunde und Verwandten und meiner Hausgenossen wegen. Möchte ich in der Freude sowohl als im Schmerze, den du in deiner Weisheit mir zusendest, mich als echter Israelit bewähren, der dein göttliches Gebot in seinem Herzen trägt, daß all mein Wirken auf Erden ein himmlisches Gepräge an sich trage und Zeugnis gebe von meinem Streben, an deinem Reiche zu bauen. Laß einen freundlichen himmlischen Strahl sowohl meine Lust als meine Arbeit beleuchten, laß den Tau des Himmels auch bei der Mühe und Hitze des Tages mich erquicken, in dem Kampfe des Lebens mich stärken und zu jeglicher Zeit mein Herz erfreuen! O, so verlaß mich nicht, mein Gott, sondern segne mich und die Meinen heute, laß mich nicht verzagen, wenn du mich väterlich züchtigest; sondern lege in meine Seele das rechte kindliche Vertrauen zu dir, und gib, daß mein Wandel der Lobgesang wird, womit ich unablässig dich preise.

Betrachtung über 1. Buch Moses 1, 14-19.

וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים יְהִי מְאֹרֹת בִּרְקִיעַ הַשָּׁמַיִם לְהַבְדִּיל בֵּין הַיֹּום וּבֵין הַלָּיְלָה וְהָיוּ לְאֹתֹת וּלְמֹועֲדִים וּלְיָמִים וְשָׁנִֽים׃
וְהָיוּ לִמְאֹורֹת בִּרְקִיעַ הַשָּׁמַיִם לְהָאִיר עַל־הָאָרֶץ וַֽיְהִי כֵֽן׃
וַיַּעַשׂ אֱלֹהִים אֶת־שְׁנֵי הַמְּאֹרֹת הַגְּדֹלִים אֶת הַמָּאֹור הַגָּדֹל לְמֶמְשֶׁלֶת הַיֹּום וְאֶת־הַמָּאֹור הַקָּטֹן לְמֶמְשֶׁלֶת הַלַּיְלָה וְאֵת הַכֹּוכָבִֽים׃
וַיִּתֵּן אֹתָם אֱלֹהִים בִּרְקִיעַ הַשָּׁמָיִם לְהָאִיר עַל־הָאָֽרֶץ׃
וְלִמְשֹׁל בַּיֹּום וּבַלַּיְלָה וּֽלֲהַבְדִּיל בֵּין הָאֹור וּבֵין הַחֹשֶׁךְ וַיַּרְא אֱלֹהִים כִּי־טֹֽוב׃
וַֽיְהִי־עֶרֶב וַֽיְהִי־בֹקֶר יֹום רְבִיעִֽי׃

Herr, allweiser, allgütiger Schöpfer! Ich danke dir, daß du mich diesen vierten Tag der Woche hast erleben lassen, den Tag, der aus der Schöpfungszeit Zeugnis gibt von deiner unendlichen Weisheit und Macht, mit welcher du die Gestirne auf ihren Bahnen leitest, die Sonne, den Mond und die zahllosen leuchtenden Welten, daß sie mit himmlischem Glanze für uns leuchten, die Erde erwärmen und befruchten und in den dunklen Nächten Wege auf dem öden Meere zeigen, ja daß sie uns dienen, um unsere Wanderungstage zu zählen und unsere festlichen Zeiten zu bestimmen. Sieh, du hast ihnen Ziel und Grenze gesetzt, daß sie nicht von ihren Bahnen weichen, sondern jeder Himmelskörper seinem vorgeschriebenen Gesetz folgt und nicht hinein schreitet in den Kreis eines andern; wenn er verschwunden zu sein scheint, so leuchtet er in einer anderen Welt oder beginnt aufs neue seinen Lauf, um deine Herrlichkeit an dem unermeßlichen Himmelsgewölbe zu verkünden. O, mein Gott!»wenn ich anschaue den Himmel, deiner Hände Werk, den Mond und die Sterne, die du geschaffen, —was ist ein Sterblicher, daß du sein gedenkst und der Menschensohn, daß du auf ihn achtest?«(Ps. 8, 4. 5.) Und doch bin ja auch ich von dir bestimmt, ein Glied in der Kette des All zu sein, und auch meiner Bahn hast du Gesetz angeordnet, dem ich folgen soll, und das ich nicht überschreiten darf. Ach, wie oft habe ich gerade den Weg verlassen, der mir vorgezeichnet ward, wie oft unternahm ich nicht gerade das, wozu ich nicht berufen war, und durchkreuzte da die Bahn eines andern und richtete da Verwirrung an, wo ich über Gottes Ordnung und Gesetz wachen sollte! O! ich will darum zum Himmel empor schauen und zu seinem strahlenden Heere, daß ich von ihnen lerne, für meine Brüder zu leuchten, und sie mit der vollen Liebe meines Herzens zu erwärmen; daß ich vom Monde lerne, Erquickung, Trost und Friede in trübe und angstvolle Seelen zu bringen, von der Sonne, die für alle, auch für die Ungerechten aufgeht, lerne auch Sündern Mitleid zu zeigen und sie auf den rechten Weg zurückzubringen! Aber, o mein Gott! was vermag ich ohne deinen Beistand? Darum bitte ich dich: stärke mich in meinem Vorsatz, hilf mir, männlich gegen alle Versuchungen zu kämpfen, stehe mir bei, daß ich unermüdlich in der Erfüllung meines Berufes sei! Dein Geist und Wort zerstreue, der Sonne gleich, jede Wolke, die meine Umgebung verdunkeln will! Ja, all mein Tun und Wirken sei so, daß ich hoffen darf, einst, wenn ich meinen Lauf hienieden vollendet, einzugehen in das wahre himmlische Licht bei dir in der Ewigkeit.

Abendgebet

Allbarmherziger Vater! Auch diesen Tag habe ich unter deinem Schutz und Segen glücklich zu Ende gebracht und deiner Obhut meine Seele und meinen Leib anempfohlen; ja, in meinem Nachtgebet habe ich, wie es dem Israeliten geziemt, bevor ich mich zur Ruhe begab, mich zu dir zu erheben gesucht. Aber ach, je mehr ich mich selbst durchforschte, desto mehr werde ich innerlich betrübt, indem ich mich des Gedankens nicht erwehren kann, meine Aufgabe nicht erfüllt zu haben; denn ich habe das heilige Bekenntnis des Israeliten abgelegt:»daß du der einzige, ewige Gott bist«; aber habe ich auch heute dies in der Tat und in der Wahrheit bewiesen, daß es das Bedürfnis meines Herzens war, dir für alles zu danken, was mich erquickt, und deinen Namen zu preisen, und dich als den Einzigen, Alliebenden anzubeten, bei allem, was mir widerfahren? Und ich habe die Grundlage für die heiligsten Verpflichtungen meines Lebens ausgesprochen,»daß ich dich lieben soll mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen, mit all meinem Vermögen«, aber wie oft hat nicht die Liebe zur Welt mich dich vergessen lassen, und wie wenig war ich bereit, aus Liebe zu dir alles zu opfern? Ja, in unerschütterlicher Liebe zu dir soll ich meinen Nächsten lieben; aber wie schwach glühte doch eine solche Liebesflamme in meinem Innern! Selbst wenn ich mich liebevoll gegen meine Mitmenschen zeigte, war es doch zuweilen eine Scheinliebe und nicht die heilige Flamme, die unaufhörlich auf dem Altar des Herzens brennen soll. Durch mein Wort und mein Beispiel soll ich den Meinigen (meinen Kindern, meinem Hausgesinde, meinen Freunden und meinen Angehörigen) dein Wort einschärfen, aber bald wurde ich durch Eitelkeit und Hochmut irre geleitet, bald verschloß Geiz, Zorn oder Neid das Herz und die Hand; denn das Feuer der Leidenschaft brennt in meiner Brust und betört meinen Geist. Und wenn ich sehe, wie wenig noch die Welt dich, den Einzigen, kennt und anbetet, und wie wenig Liebe zu dir in der Menschen Brust lebt, wie wenig sie sich in gegenseitiger Liebe äußert, ach, da muß ich fast verzagen; ich gedenke meiner Sünden und der Schlaf weicht von meinem Lager. Woher, o Gott, soll ich Kraft nehmen, um im Kampfe zu bestehen? Und doch—mein Nachtgebet hat mich ja belehrt, daß ein zerknirschtes Herz dir wohlgefällig ist, hat mich auch belehrt, auf wen ich meine Hoffnung setzen soll: Herr, auf dich allein! »Du stehst zu meiner Rechten: Wer wie du!( מיכאל Michael) so barmherzig, du bist meine Stärke( גבריאל Gavriel) du bist mein Licht(אוריאל Uriel) und du bist mein Arzt( רפאל Rephael) sowohl für Leib als Geist; deine Herrlichkeit umschwebt mich. Zuversichtlich spreche ich darum:»auf deine Hilfe hoffe ich, ja, ich warte in Geduld auf deine Hilfe und beuge mich in Demut vor dir, o Herr( לישועתך) ljschu’atcha (Auf deine Hilfe u. s. w.), der du über mich wachen und mich wecken wirst

Amen!

Am Donnerstag

Morgengebet

Herr, mein Gott und Vater! »Du erneuerst jeden Morgen deine Güte gegen mich, und deine Barmherzigkeit ist unendlich.« Darum erhebe ich in der frühen Morgenstunde dankend meine Stimme zu dir, indem ich fühle und erkenne, daß deine wachende Vorsehung in den Stunden der Finsternis meinen Geist bewacht und mich aus dem Schlummer der Nacht zu neuem Leben geweckt hat. O! möchte doch auch mein besseres Wesen mit jedem Morgen sich erneuern, und möchte ich bei meinem Tagewerk nie verzagen, sondern es vollenden, ohne zu ermatten; möchte ich doch jeden Tag mit neuer Lust auf dein göttliches Wort lauschen und aus deiner heiligen Lehre Seligkeit schöpfen; möchten doch alle guten Kräfte, die du in mich gelegt, jeden Morgen sich erneuern, so daß ich nie müde werde, meinem Bruder zu helfen, ihn zu erquicken, zu trösten und zu unterstützen, nie müde werde, Sanftmut und Geduld gegen meine Freunde zu zeigen, und nie aufhöre, Gutes denen zu erweisen, die mich hassen, und diejenigen zu segnen, die mir fluchen; möchte doch ein liebevoller Geist jeden Tag in mir erneuert werden, daß ich demütig und liebevoll gegen die Armen, mild und nachsichtig gegen meine Diener mich zeige; ja, laß mich auch heute aufs neue Kraft gewinnen, um gegen die Sünde, meinen ärgsten Feind, zu kämpfen! Möge sich stets auch mein kindliches Vertrauen erneuern, mit dem ich meinen Weg deiner väterlichen Fürsorge empfehle! O, erhöre mich denn, Allgütiger! wenn ich dich bitte, mir die Ausführung dieses meines heiligen Vorsatzes zu erleichtern. Laß keine drückende Sorge mir die Freudigkeit in meinem täglichen Berufe rauben; stärke meinen Körper, daß meine Seele sich frei zu dir erheben kann;»entbiete mir deine Engel, mich zu behüten auf meinen Wegen, daß mein Fuß nicht strauchle;« laß in jeder zeitlichen Freude sich für meine Seele die ewige, selige Wonne abspiegeln und laß mich froh sein mit den Frohen! Segne, o Gott, Volk und Land, segne alle, die mir lieb und teuer sind! Leite mich nach deinem Rat, und nimm mich einst auf zur ewigen Seligkeit.

Betrachtung über 1. Buch Moses 1, 20-23.

וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים יִשְׁרְצוּ הַמַּיִם שֶׁרֶץ נֶפֶשׁ חַיָּה וְעֹוף יְעֹופֵף עַל־הָאָרֶץ עַל־פְּנֵי רְקִיעַ הַשָּׁמָֽיִם׃
וַיִּבְרָא אֱלֹהִים אֶת־הַתַּנִּינִם הַגְּדֹלִים וְאֵת כָּל־נֶפֶשׁ הַֽחַיָּה ׀ הָֽרֹמֶשֶׂת אֲשֶׁר שָׁרְצוּ הַמַּיִם לְמִֽינֵהֶם וְאֵת כָּל־עֹוף כָּנָף לְמִינֵהוּ וַיַּרְא אֱלֹהִים כִּי־טֹֽוב׃
וַיְבָרֶךְ אֹתָם אֱלֹהִים לֵאמֹר פְּרוּ וּרְבוּ וּמִלְאוּ אֶת־הַמַּיִם בַּיַּמִּים וְהָעֹוף יִרֶב בָּאָֽרֶץ׃
וַֽיְהִי־עֶרֶב וַֽיְהִי־בֹקֶר יֹום חֲמִישִֽׁי׃

Mein Gott und Vater! Nimm mit Wohlgefallen meinen kindlichen Dank dafür entgegen, daß ich diese Nacht sicher unter deinem Schutz geruht habe und mich wieder umgeben sehe von deinen Wohltaten, von den unzähligen Geschöpfen, die du ins Leben gerufen, deren Anblick Ruhe in die geängstigte Seele mir senkt und mein Herz mit Bewunderung erfüllt. Heute ist ja der Tag, an dem in der Schöpfungszeit das Weltmeer mit einem unzähligen Gewimmel kleiner und großer Tiere sich füllte und die Luft mit dem zahllosen Geflügel, das unter der Wölbung des Himmels fliegt.»Alle erwarten ihre Nahrung von dir, und du sättigst sie mit allem Guten(Ps. 145, 15.).« O, wie kann ich da noch fürchten, daß du mich vergebens um deine guten Gaben vom Himmel beten lassen solltest, wenn ich nur treu arbeite, um sie zu gewinnen! Sieh‘, wie zahllos und wie mannigfaltig sind nicht die lebendigen Geschöpfe des Himmels und des Meeres, und doch bilden sie alle einen großen Einklang, um deine Herrlichkeit zu verkünden; ist nicht das geringste bunte Würmchen eben so wundervoll wie das starke Tier im Walde, und preisen nicht die Millionen Geschöpfe im Wassertropfen eben so sehr deine Allmacht und Wahrheit wie der Wallfisch im Meere? O, sollte ich da verstummen und nicht beständig meinen Lobgesang darbringen, sollte ich nicht durch mein Leben, durch mein Tun deine Herrlichkeit verkünden? Ach Herr! segne du mich, daß meine Gedanken geläutert werden, und meine Taten dir gefallen. Sieh, der Fisch schwimmt so lebensfroh im Meere, aber, wenn im nächsten Augenblick ein Fischer ihn heraufzieht, da erlischt das Leben, so weiß auch ich, daß der Fischer stets sein Netz und seine Angel nach den Menschenkindern auswirft, um sie von dir, der Quelle alles Lebens, fort und hin in den Tod zu führen; ach möchte ich doch der Lockspeise der Welt Widerstand entgegenzusetzen stark genug sein und mich von den lebenden Wassern nähren, die aus deiner himmlischen Lehre strömen! Laß mich deiner Liebe eingedenk sein, die meine Väter auf »Adlerfittigen«, getragen, und wenn die Sorge meinen Sinn umwölkt, wenn Leiden mich treffen und Feindschaft mich verfolgt, oder wenn Verführungen mich umringen, o, laß mich da auf die Vögel des Himmels sehen, die ihre Zeit kennen, und laß mich von ihnen lernen, daß der Tag kommen wird, wo ich dorthin zurückwandern werde, wo eine wärmere Sonne scheint, und Freude, Wonne und Herrlichkeit weilt bei dir in aller Ewigkeit.

Abendgebet.

Durch deinen Beistand, allgütiger Gott, habe ich wiederum meinen Tag zu Ende gebracht, und wie deine Güte mich heute vor jedem Unglück bewahrt hat, so wirst du mir auch Erquickung in meiner nächtlichen Ruhe verleihen. Im Schlaf will ich alle Mühe und Beschwerden, jeden Kummer und jeden Schmerz vergessen. So wird deine ewige Liebe nicht müde, mir Gutes zu erweisen, und doch erkenne ich dies so wenig. Ja, muß ich nicht in dieser Stunde deiner Güte danken, daß, während du die Stille der Nacht um mich her verbreitest und meinem müden Körper Ruhe schenkst, du auch alles Toben der Leidenschaft und der Angst und Sorge in meiner Brust verstummen läßt und meiner Seele Ruhe gibst? O »so wehet dein schützendes Panier in Liebe über meinem Haupte(Hohelied 2, 4.)«, und nur im Vertrauen auf diese Liebe wage ich es, dich zu bitten, mir Ruhe und Erholung in dieser Nacht zu schenken. Denn sollte ich Rechenschaft über das Werk des verschwundenen Tages ablegen, o, dann müßte ich ausrufen: »Herr! gehe nicht ins Gericht mit mir!«—Ach, die Stille auf Erden sagt mir:»Du wachest in deiner Wohnung!« Je weniger das Irdische meinen Geist zerstreut und meine Gedanken verwirret, desto tiefer fühle ich meinen Abstand von dir, doch ich weiß, du gedenkst, daß ich Staub bin und erbarmst dich über mich wie ein liebender Vater, ich weiß, daß du gern den Seufzer deines reuigen Kindes hörst und das erfüllst, was es begehret. O, so verlaß mich nicht, du Israels Hüter, in dieser Nacht. Breite aus das Banner deiner Liebe über mich (meine Gattin, meine Kinder, meine Eltern u. s. w.); bewahre unsere Stadt vor allen Schrecken, und erquicke mich mit einem ruhigen Schlafe, daß ich morgen mit erfrischter Kraft erwache zu deiner Ehre. Nimm auch deinen Geist nicht von mir, und lass mich noch lange Zeugnis ablegen, dass deine Gnade, o Herr, von Ewigkeit zu Ewigkeit währt denen, die dich fürchten, und deine Huld ihren Kindeskindern«.

Am Freitag

Morgengebet

»Preise meine Seele den Herrn und vergiß nicht alle seine Wohltaten!« so will ich heute, am letzten Arbeitstage der Woche, den Dank meines Herzens vor dir, Alliebender, aussprechen. Denn du hast mich diese Morgenstunde schauen lassen, und die ganze Woche hindurch habe ichs erfahren, daß»du mir am Tage deine Güte entbietest und deine Liebe über mich des Nachts wacht«; ja! ein Tag bezeugt es dem andern, und die Nacht verkündet es der Nacht.—Jede Tat, die mir gelungen, jedes Wort, das mich erfreut, jede Kraft zur Arbeit, die ich in mir gefühlt, und jeder Lohn, den ich empfangen, war ein unverdienter Segen aus deiner Hand, und selbst dann, wenn meine Seele in Sorge, Mißmut und in Bekümmernis eingehüllt war, wenn ich seufzte über andere und über mich selbst klagte, über Mangel an Kraft in der Stunde der Sorge, die du über mich verhängt, oder die ich mit meinem trauernden Bruder trug, selbst dann warst du, o Gott! mir ja nahe mit deinem Trost, und ich fühlte deinen Geist, wie er bei mir weilte, und die Nacht mit all ihrer Dunkelheit schien dem hellen Tage gleich für meine Seele, die von deiner unendlichen Liebe berührt wurde. O Ewiger! wie soll ich dir für alles dieses danken, nun da die Woche bald zu Ende ist? Muß nicht das Bewußtsein, daß ich nicht in deinen Augen gewesen, was ich sein sollte, schwer auf meinem Herzen lasten? Ja, so schnell schwand die Woche hin,»eine kurze Spanne Zeit sind meine Tage vor dir, und mein Leben ist wie nichts«, so schnell schwand die Woche hin, daß ich meine Vergänglichkeit fühlen und die Pilgerzeit auf Erden, die du mir zugemessen, benutzen muß. Ja, Herr, ich setze meine Hoffnung auf dich; befreie mich von all meinen Sünden, leite du mich, daß ich am letzten Arbeitstage der Woche zu deinem Wohlgefallen lebe, daß ich heute demütig ergeben und dankbar gegen dich sei, liebevoll und versöhnlich gegen meinen Nächsten mich zeige und mich als treuer und fleißiger Arbeiter in deinem Dienst bewähre, wie es dem ziemet, der nach deinem Namen genannt ist. (5. B. M. 28, 10.) Ja, möchte ich mit Recht noch Jude genannt werden, daß das Zepter nicht aus meiner Hand weiche, ich vielmehr Herrschaft über alle bösen Mächte gewinne, die um mich her ihr Lager aufschlagen, so daß die Gleichgültigkeit der Welt mich nicht schlaff und lässig in deinem Dienst mache, und ihr Widerstand oder ihr Spott mich nicht in meinem Glauben erschüttern; o, laß mich die Woche damit schließen, daß ich den Kampf gegen den Verführer in meiner eigenen Brust bestehe, daß der Name Israelit, Kämpfer für das Göttliche, mir mit Recht gegeben sei, und mir seliger Lohn werde, wenn ich vom Kampfplatz der Erde zu ewiger Schabbatruhe im Himmel abgerufen werde.

Betrachtung über 1. Buch Moses 1, 24-31

וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים תֹּוצֵא הָאָרֶץ נֶפֶשׁ חַיָּה לְמִינָהּ בְּהֵמָה וָרֶמֶשׂ וְחַֽיְתֹו־אֶרֶץ לְמִינָהּ וַֽיְהִי־כֵֽן׃
וַיַּעַשׂ אֱלֹהִים אֶת־חַיַּת הָאָרֶץ לְמִינָהּ וְאֶת־הַבְּהֵמָה לְמִינָהּ וְאֵת כָּל־רֶמֶשׂ הָֽאֲדָמָה לְמִינֵהוּ וַיַּרְא אֱלֹהִים כִּי־טֹֽוב׃
וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים נַֽעֲשֶׂה אָדָם בְּצַלְמֵנוּ כִּדְמוּתֵנוּ וְיִרְדּוּ בִדְגַת הַיָּם וּבְעֹוף הַשָּׁמַיִם וּבַבְּהֵמָה וּבְכָל־הָאָרֶץ וּבְכָל־הָרֶמֶשׂ הָֽרֹמֵשׂ עַל־הָאָֽרֶץ׃
וַיִּבְרָא אֱלֹהִים ׀ אֶת־הָֽאָדָם בְּצַלְמֹו בְּצֶלֶם אֱלֹהִים בָּרָא אֹתֹו זָכָר וּנְקֵבָה בָּרָא אֹתָֽם׃
וַיְבָרֶךְ אֹתָם אֱלֹהִים וַיֹּאמֶר לָהֶם אֱלֹהִים פְּרוּ וּרְבוּ וּמִלְאוּ אֶת־הָאָרֶץ וְכִבְשֻׁהָ וּרְדוּ בִּדְגַת הַיָּם וּבְעֹוף הַשָּׁמַיִם וּבְכָל־חַיָּה הָֽרֹמֶשֶׂת עַל־הָאָֽרֶץ׃
וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים הִנֵּה נָתַתִּי לָכֶם אֶת־כָּל־עֵשֶׂב ׀ זֹרֵעַ זֶרַע אֲשֶׁר עַל־פְּנֵי כָל־הָאָרֶץ וְאֶת־כָּל־הָעֵץ אֲשֶׁר־בֹּו פְרִי־עֵץ זֹרֵעַ זָרַע לָכֶם יִֽהְיֶה לְאָכְלָֽה׃
וּֽלְכָל־חַיַּת הָאָרֶץ וּלְכָל־עֹוף הַשָּׁמַיִם וּלְכֹל ׀ רֹומֵשׂ עַל־הָאָרֶץ אֲשֶׁר־בֹּו נֶפֶשׁ חַיָּה אֶת־כָּל־יֶרֶק עֵשֶׂב לְאָכְלָה וַֽיְהִי־כֵֽן׃
וַיַּרְא אֱלֹהִים אֶת־כָּל־אֲשֶׁר עָשָׂה וְהִנֵּה־טֹוב מְאֹד וַֽיְהִי־עֶרֶב וַֽיְהִי־בֹקֶר יֹום הַשִּׁשִּֽׁי׃

Dir, ewiger Quell des Lebens, dir danke ich am letzten Arbeitstage dieser Woche, daß du mich so wunderbar erschaffen, und daß du mich bis zu dieser Stunde so treu und sicher bewahrt hast! Dieser Tag war es ja, an dem du in der Schöpfungszeit alle lebenden Tiere auf der Erde geschaffen und zuletzt den Menschen, daß er herrsche über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und alles, was da lebt und sich regt auf Erden. Ja, du hast den Menschen verherrlicht, indem du kund getan, daß er nach deinem Bild und dir ähnlich geschaffen ist;»nur um ein Geringes hast du ihn den Engeln nachgesetzt, und mit Ehre und Würde hast du ihn gekrönt(Ps. 8, 6.).« Von dir erhielt ich die Kraft des Geistes, mich über die Vergänglichkeit zu erheben und die Macht, mir die Erde untertänig zu machen, sie zu verschönen und zu verherrlichen, aber auch Macht, um die irdischen Begierden und die wilden Lüste des Fleisches in mir zu bezwingen. O, mein Gott, ich kann Herrscher sein über den rauhen, widerstrebenden Erdboden, über die wildesten Tiere, die in der Wüste rasen, über die zügellosen, lieblosen Naturen in der Menschenwelt und über die unbändigen Leidenschaften, die hier in meiner eigenen Brust sich regen! Ja, ich bin in deinem Bilde geschaffen, ich kann denken, glauben und beten und im Geiste mich zu dir emporschwingen; ich kann die Macht der Begierden brechen, mit Liebe jeden widerstrebenden Geist besiegen, mit Selbstverleugnung und Versöhnlichkeit jede lieblose Gesinnung bezwingen, und mit Gedanken der Ewigkeit, die in meine Seele—dein Ebenbild—niedergelegt sind, kann ich Ruhe und Frieden in angstvollen Stunden und unter schweren Schicksalen gewinnen.—Aber, o mein Gott! je höher du mich erhöhet hast, desto tiefer werde ich gedemütigt, und sehe beschämt auf alles, was ich in der verflossenen Woche getan und gedacht habe. Nicht war ich in meinem Denken, Sprechen und Streben so wie es dem geziemt, der in deinem Bilde geschaffen; ich habe es ausgelöscht, so daß es kaum noch kenntlich, daß kaum noch in mir wahrzunehmen ist, daß ich das Meisterwerk deiner Schöpfung bin. O, möge dieser Gedanke neue Kraft meinem Geiste verleihen, und sei du selbst mit mir, daß ich als Ebenbild des ewigen Vaters aller Geister nicht meinen Sinn auf eitles Streben richte, nicht an den leeren Freuden der Erde hänge und nicht von zeitlichen Bekümmernissen geängstigt werde! Möchte ich mit echter Liebe die heiligen Bande, die mich mit meiner Familie (meinem Gatten, meiner Gattin, meinen Freunden usw.) vereinen, noch fester knüpfen, daß ich sanftmütig und geduldig unter meinen Mitmenschen wandere. Laß mich eingedenk sein, daß das Leben, wie der heutige Tag, nur eine Vorbereitung zur Schabbatruhe, jener seligen Ruhezeit bei dir, ist, und daß daher von mir unermüdliche, beständige Arbeit und Wachsamkeit gefordert wird. Und wenn ich zweifeln sollte, weil ich nicht die Frucht des Fleißes und den Segen der frommen Tat schaue, o, dann laß mich erkennen, daß der Lohn erst nach vollendeter Arbeit genossen werden soll, wenn der Schabbat sich einstellt. O du, der du mich geschaffen hast zu deiner Verherrlichung, hilf du mir auch, daß ich dir aufrichtig diene und mein Lebenswerk vollende, und daß ich vorwärts schreite von Kraft zu Kraft, bis ich einst gewürdigt werde, zu schauen dein Antlitz in der Ewigkeit.

Abendgebet

Alliebender Vater! Schau wieder auf dein Kind, das seinen Dank stammeln will, daß du es diesen heiligen Abend hast erleben und diesen herrlichen Tag hast sehen lassen, der das Ziel der sechs Schöpfungstage war, daß dein vollendetes Werk von uns geschaut, und deine Allmacht von dem Wesen angebetet werden sollte, das du in deinem Ebenbild geschaffen. Und so der Mensch im Laufe der Woche dieses dein Bild entheiligt hat, suche er an diesem Tage es wieder zu heiligen und Seelenfrieden und Ruhe nach der Anstrengung der Tage zu finden, und hebe seinen Blick vom Staube empor zu dir! O, mein Gott! Wie soll ich alle deine Güte preisen und von deiner Gnade sprechen, die über mir gewaltet hat? Wer bin ich, und was ist mein Haus, daß du mich der Schabbatfeier teilhaftig werden läßt, die du zur Heiligung des Menschen eingesetzt hast! O, möchte ich doch mit dem rechten Geist erfüllt werden, den heiligen Tag nach deinem Willen zu feiern. Schenke mir und den Meinigen volle Erquickung diese Nacht, daß wir sicher ruhen, und daß unsre Seele gestärkt werde, die himmlische Wonne zu genießen, die aus dem beseligenden Quell des Schabbats strömt, daß unsre Seele Ruhe und Frieden finde in dir, o Gott und Erlöser.

Kategorie: Gebete für Israeliten

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Rabbiner Abraham Alexander Wolffs Gebetbuch (geboren am 29. April 1801 in Darmstadt und gestorben am 3. Dezember 1891 in Kopenhagen) ist ein orthodoxes Gebetbuch mit zusätzlichen Gebeten in deutscher Sprache. 1856 erschien die dänische Ausgabe und erst später die deutsche Übersetzung. Die vorliegende Ausgabe präsentiert die Texte Wolffs mit einigen hebräischen Ergänzungen, in einer anderen Ordnung und mit einigen zusätzlichen Texten aus der gleichen Zeit.