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Die Synagoge

Das aus der altgriechischen Sprache herstammende Wort Synagoge (συναγωγή) bedeutet Zusammenkunft. Die hebräische Bezeichnung dafür lautet Bet Knesset, Haus der Zusammenkunft. Man versteht darunter seit über zweitausend Jahren ein Haus, in dem sich Juden treffen, um miteinander zu sprechen, zu lernen, zu feiern, vor allen Dingen aber um miteinander G’ttesdienste zu halten. Synagogen weisen typische Baumerkmale auf, die sich baugeschichtlich von den Vorgängern der Synagoge, dem Tempel und, davor, dem Stiftszelt herleiten.

Wintersynagoge im Komplex der Portugiesischen Synagoge Amsterdam – Foto von Chajm Guski, Alle Rechte vorbehalten.

Vor dem Stiftszelt

Während die anderen Menschen und Völker noch lange Zeit später die Gestirne und Naturkräfte oder aber einfach auch nur selbst gebaute Figuren als G’tter anbeteten, war nach Jüdischer Überlieferung Avraham (Abraham) der erste Mensch, der G’tt als den Einzigen, Allmächtigen, den Schöpfer allen Seins erkannte, ein unsichtbarer, unvorstellbarer G’tt. G’tt schloss mit Avraham einen ewig währenden Partnerschaftsbund, ebenso mit seinem Sohn Jitzchak (Isaak) und mit dessen Sohn Jaakow (Jakob), der nach einem Kampf mit einem Boten G’ttes, einem Engel, den Ehrennamen Jisrael (Israel) erhielt, das bedeutet Streiter G’ttes – einer, der mit G’tt kämpft und für G’tt streitet. Aus den zwölf Söhnen Jaakow, das ist Jisrael, gingen zwölf Stämme hervor, die später das Volk Jisrael, die Israeliten, bildeten, mit denen G’tt Seinen Bund am Sinai schloss. Im Verlauf der weiteren Geschichte gingen zehn der zwölf Stämme verloren. Übrig blieben der Stamm Yehudah (Juda) und der Stamm Lewi, die in der Folge gemeinsam als Juden bezeichnet wurden, wobei auch heute die Bezeichnung Israeliten die korrektere ist.

Das Stiftszelt

In der Zeit der Urväter Avraham, Jitzchak und Jaakow, die Hirten waren, die mit ihren Herden weite Strecken zurücklegten, war es üblich an besonderen Orten Altäre aus gesammelten unbehauenen Steinen zu errichten, auf denen der Dienst für G-tt, das Opfer, dargebracht wurde. Solche Orte waren oft durch eine Begebenheit ausgezeichnet und erhielten hiervon ihren Namen, mit dem sie teilweise bis heute noch benannt werden. Die errichteten Altäre wurden beim Weiterwandern aufgegeben, allenfalls bei der Rückkehr wieder verwendet. Im Lauf der Zeit waren die Nachkommen Israels nach Ägypten gekommen und dort in Knechtschaft und schwerste Erniedrigung gezwungen worden. Auf Geheiß und mit Hilfe G-ttes führte Masche (Moses) sie, die nun ein Volk aus zwölf Stämmen geworden waren, von dort heraus und in die Freiheit. Gemeinsam zogen sie weiter, und ein gemeinsames, ein einendes Heiligtum wurde erforderlich. Nach Anweisung G-ttes baute Mosche daraufhin das Stiftszelt, dessen grundlegender Aufbau seither die G-tteshäuser der Israeliten bestimmt. Das Stiftszelt sollte sein und wurde das Zentrum, um das sich die zwölf Stämme scharten, das sie in ihrer Mitte während ihres Wanderns trugen, – Je drei Stämme flankierten es in Jeder Himmelsrichtung – es war ein bewegliches, ein tragbares Heiligtum. Angefertigt war es aus wertvollsten Materialien und hatte im aufgebauten Zustand drei räumliche Unterteilungen Zunächst den großen Vorhof im Osten, in dem sich der kupferüberzogene Brandopferaltar und, westwärts davon, das große kupferne Wasserbecken befanden, wohin die Israeliten ihre Tiere zur Opferung brachten und wo die Opferschlachtungen vollzogen wurden.

Blick auf das Stiftszelt

Westwärts davon stand das Stiftszelt, auch Offenbarungszelt (Ohel Mo’ed) genannt, betretbar durch einen Vorhang in seiner Ostwand. Es war unterteilt einerseits in das Heiligtum (Qodesch), in dem der goldüberzogene Rauchopferaltar und, an der Nordwand, der goldüberzogene Tisch mit den zwölf Ohaloth, den Schaubroten, die in zwei Schichten, mit Weihrauch bestreut, lagen, und diesem gegenüber, an der Südwand, der massiv goldene siebenarmige Leuchter standen, dessen Leuchter die ganze Wacht hindurch brannten, was für alle Zeiten so bleiben sollte, ein Ewiges Licht.

An der Westwand fand sich ein weiterer Vorhang, hinter dem sich schließlich der dritte Raum, das Allerheiligste (Qodesch haQodaschim), befand, der Raum, in dem die Bundeslade, die die heiligen Tafeln barg, niedergestellt war, und der vom Hohenpriester nur zu ganz besonderen Anlässen, so einmal im Jahr, am Versöhnungstag, betreten werden durfte.

Der Tempel

Als die Israeliten nach Ende der langen Wüstenwanderung sich im verhießenen Land niedergelassen hatten, und König David die Bundeslade nach Jerusalem, in die Davidsstadt hatte bringen lassen, da entstand in ihm das Bedürfnis das Stiftszelt durch ein prächtiges festes Haus, einen Tempel, zu ersetzen. Doch sollte sein Sohn Schlomo (Salomo), der nach ihm König wurde, erst dieses Werk vollbringen. Auf dem Berg Moriyah, auf der Tenne des Arnan, oberhalb der Davidsstadt, wurde der Tempel erbaut, 480 Jahre nach dem Auszug aus Agypten, etwa im Jahr 957 v.d.Z. Der Tempel, dessen Eingang wiederum im Osten lag, bestand aus einer Vorhalle (Ulam), die sich zum Vorhof öffnete, einem westwärts davon gelegenen Hauptraum (Hekhal) und dem Allerheiligsten (Dvir oder Qodesch haQodaschim). Der Hauptraum hatte Fenster. Um den Hauptraum und das Allerheiligste lagen niedrige Kammern in drei Stockwerken.

Der Tempel war außerordentlich prächtig, so war der Hauptraum im Innern unter anderem mit schnitzwerkverziertem Zedernholz ausgetäfelt, das Allerheiligste mit Gold ausgekleidet. Im Allerheiligsten stand die Bundeslade mit den beiden Steintafeln. Sie wurde überwölbt von zwei großen, aus Olivenholz angefertigten, mit Gold überzogenen Engelsgestalten (Kerubim). Im Hauptraum stand der goldüberzogene Altar, an den Seitenwänden fanden sich je fünf goldene Leuchter, außerdem zweimal fünf Tische für die Schaubrote. Vor dem Hauptraum waren zwei kunstvoll gestaltete Säulen errichtet. An der Nord- und Südseite standen kupferne Kessel auf fahrbaren Gestellen, die für die Waschungen im Zusammenhang mit den Brandopfern bestimmt waren. Der Brandopferaltar im Vorhof war gleichfalls aus Kupfer. Im Südosten wurde außerdem ein riesiges kupfernes Becken aufgestellt, das Meer genannt, das den Priestern für ihre Waschungen diente. Dieser Tempel, der sich in seiner Schönheit tief in die Erinnerung Israels eingegraben hat, wurde im Jahr 586 v.d.Z. von dem Babylonier Nebukadnezar zerstört. Die jüdische Bevölkerung des Landes wurde in die Gefangenschaft nach Babylon geführt.

Fünfzig Jahre später gestattete der Perser Koresch (Kyrus II.), der Sieger über Babylon, den Juden wieder heimzukehren und erneut einen Tempel zu erbauen. Unter Serubbavel wurde der Tempel, kleiner und weniger prächtig, im Jahr 515 v.d.Z. an der alten Stelle wieder errichtet. Es gab jetzt einen äußeren Hof und einen inneren. Im inneren lag der eigentliche Tempel mit dem Heiligtum und dem Allerheiligsten. Die von Nebukadnezar geraubten Tempelgeräte hatten die Juden weitgehend zurückerhalten. Nur die Bundeslade blieb verschollen. Das Allerheiligste blieb leer.

Dieser Tempel wurde im Jahr So v.d.Z. von dem Edomiter Herodes erheblich erweitert und umgebaut. Im Osten fand sich nun ein großer Frauenhof, an den sich westwärts ein Hof anschloß, der den männlichen Laien zugänglich war, schließlich der Priesterhof, in dem der Brandopferaltar stand. Der Tempel selbst hatte einen Vorraum, das Heiligtum und das Allerheiligste. Vor dem Vorhang zum Allerheiligsten standen ein Leuchter, ein Tisch mit den Schaubroten und der Räucheraltar. Der Raum hinter dem Vorhang, das Allerheiligste, blieb weiterhin leer. Dieser zweite Tempel, von manchen als dritter bezeichnet, wurde im Jahr 70 n.d.Z. von dem Römer Titus zerstört.

Das Ende des Tempels – Versammlungshäuser – Synagogen

Bereits während der Zeit des ersten Tempels waren erste mahnende Stimmen aufgetreten, die die blutigen Schlachtrituale der Tieropfer als unangemessenen G-ttesdienst verwarfen und statt dessen eine g-ttesfürchtige Gesinnung und Lebensführung forderten. Die Zerstörung des ersten Tempels mit dem nachfolgenden babylonischen Exil zwang die Juden neue Formen des G-ttesdienstes zu entwickeln.

Versammlungshäuser entstanden, die nicht den Anspruch eines zentralen Heiligtums hatten, in denen die Menschen aber die Heilige Schrift studierten und diskutierten, – es waren erste Synagogen, wie sie fortan überall in der Diaspora, nach der Rückkehr aus dem Exil aber auch im Heiligen Land, parallel zum zweiten Jerusalemer Tempel überall entstanden. Diese Synagogen waren Mehrzweckgebäude, Gemeindezentren in denen die Ortsverwaltung,die Gerichtsbarkeit, Unterricht, G-ttesdienst, Handel und einiges mehr unter einem Dach vereint waren. Während der wieder errichtete Tempel erneut zum zentralen Heiligtum geworden war, in dem die Tieropfer stattfanden, entwickelte sich in den Synagogen, nicht in Konkurrenz zu ihm, aber doch parallel, eine G-ttesdienstform, die ausschließlich Gebets- und Wortg-ttesdienst war, in der an die Stelle der Schlachtopfer die Thorahlesung getreten war, die am Schabbath, außerdem an Montagen und Donnerstagen, den damaligen Markttagen, den Mittelpunkt des G-ttesdienstes bildete. Dieser Gebets- und Wortg-ttesdienst in den Synagogen überdauerte die Zerstörung des zweiten Tempels, die nicht nur dem Tierschlachtopferkult sondern auch der Priesterschaft ein Ende setzte. Damit gewann die laizistische Form des G-ttesdienstes, das Gebet, an Bedeutung. Da die Zerstörung des Tempels jedoch als gewalttätig erlittener Verlust empfunden wurde, hatte man nicht nur das Bedürfnis wenigstens die Ordnung der Tempelg-ttesdienste in der Ordnung der Synagogeng-ttesdienste zu erhalten, wie selbstverständlich orientierte sich auch der zunächst ganz und gar nicht festgelegte Bau der Synagogen dann zunehmend am Idealbau des Tempels. Und der Ort des ehemaligen Tempels kennzeichnete schon von Anfang an auch die Gebetsrichtung, das ist auch die Ausrichtung des Synagogengebäudes, also in einer Gegend westlich vom Heiligen Land in Richtung Osten, nördlich davon in Richtung Süden, jeweils nach Jerusalem gewandt. Dabei war anfangs oft der Eingang in die Synagoge in der nach Jerusalem gerichteten Wand, so daß beim Beten durch die geöffnete Tür Richtung Jerusalem geblickt werden konnte. Ab dem 4. Jahrhundert nach der Zeitenwende erhielt der Thorahschrein, der bis dahin möglicherweise beweglich, trag- oder fahrbar, war, seinen festen Platz an der nach Jerusalem gerichteten Wand. Dieser Schrein, der die Thorahrollen mit der Weisung G-ttes birgt, trat nun an die Stelle des Allerheiligsten, wie dieses vom übrigen Heiligtum durch einen Vorhang getrennt. Die Hüllen der Thorahrollen, der Schrein, der Vorhang wurden nach dem Vermögen der Gemeinde so kunstvoll als möglich gestaltet.

Der erhöhte Platz vor dem Thorahschrein heißt Duchan und entspricht dem Ort, von dem aus die Priester zur Zeit des Tempels das Volk segneten, – es ist der Ort, von dem aus die Nachkommen der Priester (Kohanim) auch heute noch an den Hohen Feiertagen den Priestersegen sprechen, die einzige noch verbliebene priesterliche Funktion.Wie selbstverständlich trat das auf erhöhtem Platz (Bimah, auch Almemor genannt) stehende Lesepult für die Thorahrollen an die Stelle des Altars im Tempel, auf dem nun nicht mehr Priester die Opfer vollziehen, sondern Laien die Offenbarung G-ttes hörbar machen. Der Almemor, der zweitwichtigste Raumteil der Synagoge, ist gleichfalls oft in besonderer Weise geschmückt, zumindest mit einem kunstvollen Geländer. In Erinnerung an die Leuchter im Tempel stehen auch heute noch vor dem Thorahschrein rechts und links oft siebenarmige oder ähnlich gestaltete Leuchter, während das Ewige Licht die Gestalt eines kleinen Lämpchens angenommen hat, das meist mittig vor dem Thorahschrein hängt. Den Tisch mit den Schaubroten gibt es jedoch nicht mehr, – an die zwei Reihen von Broten erinnern nur noch die zwei Chaloth, über die nach dem G-ttesdienst, nach dem Segen über den Wein der Segen über das Brot gesprochen wird, und die mit Salz gegessen werden gemäß den Worten der Thorah: ,,Alle deine Speiseopfer sollst du mit Salz bestreuen; das Salz, das Bündnis mit deinem G-tt, darfst du … nicht fehlen lassen.“

Der ursprünglich dritte Teil des Stiftszeltes und des Tempels, der Vorhof, findet sich wieder in dem Teil der Synagoge, in dem die Betenden sitzen, der heute mit Sitzbänken ausgestattet ist, was, insbesondere im Orient, nicht ursprünglich der Fall war. Dabei sitzen Männer und Frauen traditionell, jedoch unterschiedlich stark voneinander getrennt. An das große Wasserbecken, das den Priestern für ihre Waschungen diente, erinnert schließlich noch das Waschbecken, das sich heute meist im Übergangsraum zum Gemeinderaum befindet. Dort wäscht man sich die Hände bevor, nach dem G-ttesdienst, im Gemeinderaum dann der Kiddusch, die Worte der Heiligung, über Wein und Brot gesprochen wird, und die gemeinsame Mahlzeit beginnt. So bewahrten die Israeliten über Jahrtausende und alle Wirren, Zerstörungen und Verfolgungen hindurch die Mosche von G-tt am Sinai offenbarte bauliche Ordnung des Raumes der Begegnung mit G-tt.