Kapitel 9
Die Arten von Segenssprüchen
1. Ebenso, wie der Mensch weder Speisen noch Getränke genießen darf, bevor er den Segen gesprochen hat, darf er auch keinen angenehmen Geruch genießen, bevor er einen Segen gesprochen hat. Wie spricht man den Segen über einen angenehmen Geruch? Wenn das, was den Geruch verströmt, Holz ist oder vom Holz stammt, spricht man: „… der wohlriechende Hölzer schafft”. Wenn es ein Gras ist oder vom Gras stammt, spricht man: „… der wohlriechende Gräser schafft”. Wenn es weder vom Baum noch von der Erde stammt, wie etwa Mor (laut Maimonides ist das nicht die Myrrhe, Anm. d. Übers.), welches von einem Wild stammt, spricht man „… der wohlriechende Arten schafft”. Wenn es eine zur Speise taugliche Frucht ist, wie etwa der Etrog oder der Apfel, spricht man: „… der den Früchten angenehmen Geruch verliehen hat.” Hat man in jedem Fall „… der wohlriechende Arten schafft” gesagt, hat man seine Pflicht erfüllt.
2. Man spricht den Segen über die Duftkohle erst, sobald der Rauch aufgestiegen ist. Wie spricht man den Segen? Handelt es sich beim wohlriechenden Material, welches brennt, um ein Holz, sagt man „… wohlriechende Hölzer …“; handelt es sich um ein Gras, sagt man „… Gräser …”; handelt es sich um ein Wild oder etwas Vergleichbares, sagt man „… der wohlriechende Arten schafft”.
3. Über Afarßemon-Öl und Vergleichbares spricht man den Segen „… der angenehmes Öl schafft.” Aber über das Öl von Oliven, die derartig eingemacht oder gepresst sind, dass ihr Duft aufsteigt, sagt man „… der wohlriechende Hölzer schafft.” Über Öl, das man nach Art des Salböls angemischt hat, spricht man „… der wohlriechende Arten schafft.” Hat man vor sich Öl und eine Myrte, spricht man den Segen über die Myrte, womit man das Öl befreit, weil sie einen gemeinsamen Segen haben, nämlich „… wohlriechende Hölzer …“.
4. Hat man vor sich wohlriechendes Holz und wohlriechendes Gras, befreit der Segen des einen nicht das andere, sondern man muss auf das eine wie das andere den Segen für sich sprechen. Hat man Wein und Öl vor sich, nimmt man den Wein in die Rechte und das Öl in die Linke, spricht den Segen über den Wein und trinkt. Sodann spricht man den Segen über das Öl und riecht an ihm und streicht ihn an den Kopf des Dieners. Ist der Diener aber ein Gelehrten-Schüler, streicht man ihn an der Wand.
5. Besteht ein Zweifel, ob das Material hölzernen oder gräsernen Ursprungs ist, sagt man „… der wohlriechende Arten schafft.” Über einen Duft, den der Krämer aus verschiedenen Materialien angemischt hat, spricht man „… der wohlriechende Arten schafft.” Betritt man das Geschäft eines Dufthändlers, das verschiedene Arten führt, spricht man „… der wohlriechende Arten schafft”. Verweilt man dort den ganzen Tag, braucht man den Segen nur einmal zu sprechen. Geht man aber ein und aus, muss man jedes Mal den Segen wiederholen.
6. Über Lilie (möglicherweise Rose, Anm. d. Übers.) und Rosmarin (unsicher, Anm. d. Übers.) sagt man „… der wohlriechende Hölzer schafft”. Über Narzissen: vom Garten „… der wohlriechende Hölzer schafft”; vom Feld „… der wohlriechende Gräser schafft”. Über Rose, Rosenwasser, Weihrauch, Mastix und Ähnliches „… der wohlriechende Hölzer schafft.”
Gerüche ohne Segensspruch
7. Über drei Arten von angenehmen Gerüchen spricht man keinen Segen, und zwar: (a) über einen verbotenen Wohlgeruch; (b) über einen angenehmen Geruch, der einen üblen Geruch überdecken soll; (c) über einen angenehmen Geruch, der nicht zum daran Riechen bestimmt ist.
8. Wie verhält sich das? Über Gewürze von Götzendienst oder Parfüms auf einer der verbotenen Personen spricht man keinen Segen, weil man an ihnen nicht riechen darf. Über die Gewürze bei Toten, Duftmittel der Aborte und wohlriechendes Reinigungsmittel spricht man keinen Segen, weil sie einen üblen Geruch überdecken sollen. Über Duftkohlen, mit denen man Geräte oder Kleidung räuchert, spricht man keinen Segen, weil die Duftkohlen nicht unmittelbar zum daran Riechen bestimmt sind. Auch wenn man an geräucherter Kleidung schnuppert, spricht man keinen Segen, weil die eigentliche Gewürzquelle dort nicht vorhanden ist, sondern nur ein bloßer Duft ohne Quelle.
9. Über die Gewürze einer Versammlung von Nichtjuden spricht man keinen Segen, weil eine nicht weiter bestimmte Versammlung von Nichtjuden Götzendienst bezweckt. Wenn man außerhalb der Ortschaft unterwegs ist und einen angenehmen Geruch wahrnimmt, wobei die Mehrheit der Stadt aus Nichtjuden besteht, spricht man den Segen nicht; sind es aber Juden, spricht man den Segen. Vermengt sich ein Duft, über den man den Segen spricht, mit einem, über den man den Segen nicht spricht, hält man sich an die Mehrheit.
Die Übersetzung von Alexander Adler ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.