Schabbat Kapitel 23

Der Talmud, Traktat (Massechet) Schabbat in deutscher Übersetzung von Lazarus Goldschmidt:

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Blätter / Dapim

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i MAN DARF VON SEINEM NÄCHSTEN KRÜGE WEIN, ODER KRÜGE ÖL LEIHEN, NUR DARF MAN NICHT SAGEN: »BORGE MIR«; EBENSO EINE FRAU VON IHRER FREUNDIN BROTE. WENN ER IHM NICHT TRAUT, SO LASSE IHM DIESER SEINEN MANTEL UND RECHNE MIT IHM NACH ŠABBATH AB. EBENSO VERFAHRE MAN IN JERUŠALEM AM VORABEND DES PESAḤFESTES, DER AUF EINEN ŠABBATH FÄLLT: MAN LASSE SEINEN MANTEL [BEIM VIEHHÄNDLER] UND HOLE SICH EIN PESAḤLAMM, UND NACH DEM FESTE RECHNE MAN MIT IHM AB.

GEMARA. Raba b. R. Ḥanan sprach zu Abajje: Womit ist das Leihen anders als das Borgen1? Dieser erwiderte: Beim Leihen wird man nicht zum Anschreiben verleitet, beim Borgen wird man zum Anschreiben verleitet.

Aber auch am Wochentage sagt man ja oft »Leihe mir« statt »Borge mir«, ohne darauf zu achten, wobei man zum Anschreiben veranlaßt wird, somit könnte man ja am Šabbath ebenfalls zum Anschreiben verleitet werden!? Dieser erwiderte: Allerdings kann man am Wochentage, da es einerlei ist, ob man »Borge mir« oder »Leihe mir« sagt, ohne darauf achten zu müssen, zum Anschreiben veranlaßt werden, am Šabbath aber, wo die Rabbanan das Leihen erlaubt haben, das Borgen aber nicht, unterscheidet man es genau, und man wird zum Anschreiben nicht verleitet.

Raba b. R. Ḥanan sprach ferner zu Abajje: Merke, die Rabbanan sagten ja, daß man am Feste jede Arbeit, soweit dies möglich ist, auf ungewöhnliche Weise verrichte, weshalb befolgen es die Frauen nicht, wenn sie mit ihren Krügen Wasser schöpfen?

Weil es nicht möglich ist. Wie sollten sie es denn anders machen: sollten etwa, die gewöhnlich mit einem großen Kruge schöpfen, es mit einem kleinen tun, so würden sie ja mehr zu gehen haben; sollten etwa, die gewöhnlich mit einem kleinen Kruge schöpfen, es mit einem großen tun, so würden sie ja eine schwerere

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Last zu tragen haben; sollten sie etwa [über den Krug] ein Tuch ausbreiten, so könnten sie ja zum Ausdrücken verleitet werden; sollten sie ihn etwa mit einem Deckel zudecken, so könnten sie ja, wenn er sich ablöst, zum Anknoten verleitet werden. Es ist also anders nicht möglich.

Ferner sprach Raba b. R. Ḥanan zu Abajje: Wir haben gelernt, man dürfe am Feste nicht in die Hände klatschen, in die Hüften schlagen oder tanzen, und wir sehen ja, daß manche es tun, ohne daß man ihnen etwas sagtl?

Auch nach deiner Ansicht: Raba sagte ja, man dürfe sich nicht in die Mündung des Pfostens [einer Durchgangshalle] setzen, weil, wenn ihm ein Gegenstand fortrollt, man zum Heranholen verleitet werden könnte, und wir sehen ja, daß manche ihre Krüge absetzen und sich in die Mündung der Durchgangshalle setzen, ohne daß man ihnen etwas sagtl? Vielmehr lasse man Jisraél lieber unbewußt [übertreten], als daß sie es wissentlich tun. Er glaubte aus [seinen Worten] zu entnehmen, dies gelte nur von einem rabbanitischen [Verbote] und nicht von einem der Tora; dies ist aber nichts, es gibt hierbei keinen Unterschied, ob rabbanitisch oder nach der Tora. Bei der Hinzufügung zum Versöhnungstage2handelt es sich ja um ein Gebot der Tora, dennoch sehen wir manche bis zum Finsterwerden essen und trinken, ohne daß man ihnen etwas sagt.

EBENSO EINE FRAU VON IHRER FREUNDIN BROTE. Dies ist also nur am Šabbath verboten, am Wochentage aber erlaubt, somit wäre anzunehmen, daß unsere Mišna nicht die Ansicht Hillels vertritt. Wir haben nämlich gelernt: Ebenso sagte Hillel, eine Frau dürfe ihrer Freundin einen Laib Brot nur dann borgen, wenn sie ihn in Geld eingeschätzt hat, denn sie könnten sonst, wenn der Weizen im Preise steigt, zur Wucherei kommen.

Du kannst auch sagen, sie vertrete die Ansicht Hillels, denn das eine gilt von Orten, wo [die Brote] einen festen Preis haben, und das andere von Orten, wo sie keinen festen Preis haben.

WENN ER IHM NICHT TRAUT. Es wurde gelehrt: Das am Feste Verborgte ist, wie R. Joseph sagt, [gerichtlich] nicht einzufordern, und wie Rabba sagt, wohl einzufordern. R. Joseph sagt, es sei nicht einzufordern, denn wolltest du sagen, es sei wohl einzufordern, so könnte man zum Anschreiben verleitet werden. Rabba sagt, es sei wohl einzufordern, denn wolltest du sagen, es sei nicht einzufordern, so würde er ihm ja nichts borgen, wodurch dieser um die Festfreude käme.

Wir haben gelernt: Wenn er ihm nicht traut, so lasse ihm dieser seinen Mantel. Erklärlich ist es, daß er seinen Mantel lasse und mit ihm nach Šabbath abrechne, wenn du sagst, es sei nicht einzufordern; wozu aber braucht er ihm seinen Mantel zu lassen, wenn du sagst, es sei wohl einzufordern, jener kann es ja [durch Gericht] einfordern!?

Jener kann sagen, er wolle mit ihm nicht prozessieren. R. Idi b. Abin wandte ein: Wenn jemand eine Kuh schlachtet und sie am Neujahrstage aushökert, so wird die Schuld erlassen, falls der [vorangehende] Monat voll3 war, wenn aber nicht, so wird die Schuld nicht erlassen. Was ist da zu erlassen, wenn du sagst, sie sei überhaupt nicht einzufordern!?

Anders ist es da, wo es sich herausstellt, daß dieser Tag ein Wochentag4 war.

Komm und höre, aus dem Schlußsatze: Wenn aber nicht, so wird die Schuld nicht erlassen. Erklärlich ist es, daß er lehrt, die Schuld werde nicht erlassen, wenn du sagst, sie sei einzufordern; was aber ist da nicht zu erlassen, wenn du sagst, sie sei überhaupt nicht einzufordern!?

Wenn er ihm bezahlt, darf er nehmen.

Demnach ist es im Anfangssatze zu nehmen verboten, wenn er ihm bezahlen will!?

Im Anfangssatze muß er zu ihm sagen: »ich erlasse sie dir«, im Schlußsatze braucht er ihm nicht zu sagen: »ich erlasse sie dir«. Wir haben nämlich gelernt: Wenn jemand im Siebentjähre eine Schuld bezahlt, so sage jener: »ich erlasse sie dir«; erwidert dieser: »dennoch [bezahle ich sie]«, so nehme er an, denn es heißt:5dieses ist das Wort des Erlasses. R. Ivja nahm [in einem solchen Falle] ein Pfand. Rabba b. U͑la [forderte] durch List ein.

EBENSO AM VORABEND DES PESAḤFESTES. R. Joḥanan sagte: Man darf am Šabbath das Pesaḥopfer heiligen und am Feste das Festopfer.

Ihm wäre eine Stütze zu erbringen: Ebenso verfahre man in Jerušalem am Vorabend des Pesaḥfestes, der auf einen Šabbath fällt: man lasse seinen Mantel [beim Viehhändler] und hole sich sein Pesaḥlamm, und nach dem Feste rechne man mit ihm ab.

Dies gilt von dem Falle, wenn jemand andere an seinem Pesaḥlamme6 beteiligt; in diesem Falle war es schon vorher geheiligt.

Wir haben ja aber gelernt, man dürfe am Feste von vornherein keine Verhandlung über [die Beteiligung] an einem Vieh führen!?

Anders ist es hierbei, wo er mit ihm bekannt ist; es ist ebenso, als hätte er mit ihm bereits vorher verhandelt.

R. Hoša͑ja lehrte ja aber, man dürfe zu einem bekannten Hirten gehen, der ihm ein Lamm zum Pesaḥopfer gebe, das er heilige, und mit dem er sich seiner Pflicht entledige!?

Hier wird es ebenfalls als bereits geheiligt betrachtet, da er mit ihm bekannt ist.– Es heißt ja aber: das er heilige!?

Das Heiligen ist nur eine rabbanitische Verbesserung.

Kann R. Joḥanan dies denn gesagt haben, er sagte ja, die Halakha sei wie die geschlossene Mišna, und wir haben gelernt: Man darf nichts weihen, noch Schätzgelübde7 oder Banngelübde8 tun, noch die Hebe und den Zehnten abheben9; dies alles sagten sie bezüglich des Festes, und [durch einen Schluß] vom Leichteren auf das Schwerere ist es bezüglich des Šabbaths zu folgern!?

Das ist kein Widerspruch; jenes gilt von Verpflichtungen, für die eine Zeit festgesetzt ist, und dieses gilt von Verpflichtungen, für die keine Zeit festgesetzt ist10.

ii MAN DARF SEINE GÄSTE UND SEINE LECKERGERICHTE MÜNDLICH ZÄHLEN, NICHT ABER VON GESCHRIEBENEM. MAN DARF BEI TISCH DIE PORTIONEN UNTER SEINE KINDER UND SEINE FAMILIENANGEHÖRIGEN DURCH DAS LOS VERTEILEN, NUR DARF MAN NICHT VORSÄTZLICH EINE GROSSE PORTION GEGEN EINE KLEINE SETZEN. MAN DARF AM FESTE ÜBER DIE OPFERSTÜCKE11DAS LOS WERFEN, NICHT ABER ÜBER DIE PORTIONEN.

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GEMARA. Aus welchem Grunde? R. Bebaj erklärte: Mit Rücksicht darauf, man könnte Streichungen vornehmen. Abajje erklärte: Mit Rücksicht darauf, man könnte profane Urkunden lesen.

Welchen Unterschied gibt es zwischen ihnen?

Einen Unterschied gibt es zwischen ihnen, wenn es hoch an der Wand geschrieben ist; hierbei ist nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf Streichungen, nichts zu befürchten, und nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf das Lesen [profaner Urkunden], wohl zu befürchten.

Aber auch nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf Streichungen, sollte man doch auch das Lesen [profaner Urkunden] berücksichtigen!? Und ist ferner [in diesem Falle] 12Streichung nicht zu befürchten, wir haben ja gelernt, man dürfe bei Lampenlicht nicht lesen, und hierzu sagte Rabba, selbst wenn es sich zwei Mann hoch befindet, selbst zwei Ochsenstecken hoch und selbst zehn Stockwerke übereinander, dürfe man nicht lesen13!?

Vielmehr, einen Unterschied gibt es zwischen ihnen, wenn es niedrig an der Wand geschrieben ist; hierbei ist nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf Streichungen, wohl zu befürchten, und nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf das Lesen [profaner Urkunden], ist hierbei nichts zu befürchten, weil man eine Wand mit einer Urkunde nicht verwechselt.

Aber auch nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf das Lesen [profaner Urkunden], sollte man doch auch Streichungen berücksichtigen!?

Vielmehr, einen Unterschied gibt es zwischen ihnen, wenn es in eine Platte oder in eine Schreibtafel eingegraben ist; hierbei ist nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf Streichungen, nichts zu befürchten, und nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf das Lesen [profaner Urkunden], wohl zu befürchten.

Aber auch nach demjenigen, welcher sagt, mit Rücksicht auf Streichungen, ist ja auch das Lesen [profaner Urkunden] zu berücksichtigen!? Wolltest du erwidern, man verwechsle nicht eine Platte oder Schreibtafel mit einer Urkunde, so wird ja gelehrt: Man darf von einem Verzeichnis an der Wand zusammenzählen, wieviel [Gäste] man innerhalb und wieviel man außerhalb zu setzen, und wieviel Portionen man ihnen vorzusetzen hat, nicht aber von einem Verzeichnis auf einer Platte oder Schreibtafel. In welchem Falle: wollte man sagen, wenn es geschrieben ist, so ist ja das eine nicht anders als das andere; doch wohl, wenn es eingegraben ist, und er lehrt, von einem Verzeichnis an der Wand, nicht aber von einem Verzeichnis auf einer Platte oder einer Schreibtafel!?

Vielmehr, tatsächlich, wenn es hoch an der Wand geschrieben ist, jedoch ist von der Lehre Rabbas nichts einzuwenden, denn über die Lehre Rabbas streiten Tannaím. Es wird nämlich gelehrt: Man darf seine Gäste und seine Leckergerichte mündlich zählen, nicht aber von Geschriebenem; R. Aḥa erlaubt es von einer Schrift an der Wand. In welchem Falle: wollte man sagen, wenn es niedrig geschrieben ist, so sind ja Streichungen zu berücksichtigen; doch wohl, wenn es hoch geschrieben ist. Hieraus, daß über die Lehre Rabbas Tannaím streiten. Schließe hieraus.

Diese Tannaím führen denselben Streit, wie die folgenden Tannaím. Es wird nämlich gelehrt: Man darf am Šabbath nicht in einen Spiegel14schauen; R. Meír erlaubt es, wenn der Spiegel an der Wand befestigt ist. An der Wand befestigt ist es wohl deshalb anders, weil man sich währenddessen15erinnert, und auch wenn er nicht befestigt ist, erinnert man sich ja währenddessen!?

Hier handelt es sich um einen Spiegel aus Metall, und nach [einer Lehre] R. Naḥmans im Namen des Rabba b. Abuha. R. Naḥman sagte nämlich im Namen des Rabba b. Abuha: Sie sagten deshalb, [die Benutzung] eines Metallspiegels sei verboten, weil man mit einem solchen die losen Haare zu entfernen pflegt.

Die Rabbanan lehrten: Man darf die Aufschriften unter Figuren und Gemälden am Šabbath nicht lesen; das Gemälde selbst darf man auch am Wochentage nicht betrachten, denn es heißt:16ihr sollt euch nicht den Götzen zuwenden.

Wieso geht dies daraus hervor? R. Ḥanina erklärte: Ihr sollt euch nicht dem, was ihr selber gefertigt, zuwenden17.

MAN DARF UNTER SEINE KINDER &C. DURCH DAS LOS VERTEILEN. Nur unter seine Kinder und seine Familienangehörigen, nicht aber unter Fremde. Aus welchem Grunde?

Nach einer Lehre R. Jehudas im Namen Šemuéls, denn R. Jehuda sagte im Namen Šemuéls: Tischgenossen18, die es miteinander genau nehmen, übertreten das Verbot des Messens, des Wiegens, des Zählens, des Leihens und des Bezahlens am Feste, und nach

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der Ansicht (der Schule) Hillels, auch des Wuchers19.

Demnach sollte dies auch von seinen Kindern und seinen Familienangehörigen gelten!?

Bei seinen Kindern und seinen Familienangehörigen ist es mit einer Lehre R. Jehudas im Namen Rabhs zu begründen. R. Jehuda sagte nämlich im Namen Rabhs: Man darf seinen Kindern und seinen Familienangehörigen auf Wucher borgen, um sie den Geschmack des Wuchers kosten zu lassen.

Demnach sollte doch auch eine große Portion gegen eine kleine erlaubt sein!? –Dem ist auch so, nur ist [unsere Mišna] lückenhaft und muß wie folgt lauten: Man darf bei Tisch Portionen unter seine Kinder und seine Familienangehörigen durch das Los verteilen, auch eine große Portion gegen eine kleine. Dies (aus dem Grunde) wegen der Lehre R. Jehudas im Namen Rabhs. Nur unter seine Kinder und seine Familienangehörigen, nicht aber unter Fremde. Dies (aus dem Grunde) wegen der Lehre R. Jehudas im Namen Šemuéls. Eine große Portion gegen eine kleine an Fremde ist sogar am Wochentage verboten.

Aus welchem Grunde?

Wegen Glücksspieles.

MAN DARF &C. DAS LOS WERFEN. Was heißt: nicht aber über die Portionen? R. Ja͑qob, Sohn der Tochter Ja͑qobs, erklärte: Nicht aber die Portionen vom vorherigen Wochentage am Feste.

Selbstverständlich!?

Man könnte glauben, auch die Portionen vom Wochentage, da es heißt: 20dein Volk ist wie die streitenden21Priester, so lehrt er uns.

Ferner sagte R. Ja͑qob, Sohn der Tochter Ja͑qobs: Durch wen sein Nächster bestraft worden ist, den läßt man nicht in den Kreis22des Heiligen, gepriesen sei er.

Woher dies: wollte man sagen, weil es heißt: 23Und der Herr sprach: Wer will Aḥáb betören, daß er [zur Schlacht] ziehe und in Ramoth Gilea͑d falle? Und der eine sagte dies, der andere das. Da trat der Geist hervor, stellte sich vor den Herrn und sprach: Ich will ihn betören &c. Er antwortete: Ich will ausgehen und zum Lügengeiste in aller seiner Propheten Mund werden. Er sprach alsdann: Ja, du wirst die Betörung vollbringen; geh hinaus und tue also. Und auf unsere Frage, was dies für ein Geist war, erwiderte R. Joḥanan, es war der Geist Naboths; und [die Worte] geh hinaus erklärte Rabh: geh aus meinem Kreise hinaus. Vielleicht aber das aus dem Grunde, weil es heißt: 24wer Lügen redet, soll nicht vor meinen Augen bestehen. Wollte man sagen, hieraus: 25du hast dich mehr an Schande gesättigt als an Ehre; trinke nun auch du und werde vorhäutig. Du hast dich mehr an Schande gesättigt, als an Ehre, dies bezieht sich auf Nebukhadneçar; trinke nun auch du und werde vorhäutig, dies bezieht sich auf Çidqija. Aber erstens bezieht sich der ganze Schriftvers auf Nebukhadneçar, und ferner war ja Çidqija ein Gerechter, was konnte er denn dafür26? R. Jehuda sagte nämlich im Namen Rabhs: Als jener Frevler dies auch an diesem Gerechten verüben wollte, ward sein Glied dreihundert Ellen lang.

Vielmehr hieraus:27Auch ist es dem Gerechten nicht gut, zu strafen. »Nicht gut«, heißt »schlecht«, und es heißt: 28denn du bist nicht ein Gott, der an Frevel Wohlgefallen hat; wer schlecht ist, darf bei dir nicht weilen. Du, Herr, bist ein Gerechter, in deiner Wohnung darf der Schlechte nicht weilen.

Woher ist es erwiesen, daß »Ḥalašim«29die Bedeutung »losen« hat?

Es heißt:30Wie bist du vom Himmel gefallen, du strahlender Morgenstern; wie bist du zu Boden gehauen, der du die Völker niederstrecktest [ḥoleš] &c. Hierzu sagte Rabba b. R. Hona: Dies lebrt, daß [Nebukhadneçar] zu losen pflegte, wer von den Großen der Reiche an diesem Tage zum männlichen Beischlaf zu verwenden sei. Es heißt:31alie Könige der Völker ruhten &c. Dies erklärte R. Joḥanan: Sie ruhten vom männlichen Beischlaf.

Ferner sagte R. Joḥanan: Während aller Tage dieses Frevlers war kein Lachen im Munde irgend eines Geschöpfes, denn es heißt:32es ruht, es rastet die ganze Welt, sie brechen in Jubel aus; bis dahin gab es demnach keinen Jubel.

Ferner sagte R. Jiçḥaq im Namen R. Joḥanans: Es ist verboten, im Hause dieses Frevlers zu stehen, denn es heißt:33und Bockteufel sollen dort umherspringen.

R. Jehuda sagte im Namen Rabhs: Als dieser Frevler dies auch an jenem Gerechten verüben wollte, ward sein Glied dreihundert Ellen lang und umgab die ganze Tischgesellschaft, denn es heißt: du hast dich mehr an Schande gesättigt als an Ehre, trinke nun auch du und werde vorhäutig; der Zahlenwert des Wortes A͑rel [vorhäutig] beträgt dreihundert.

Ferner sagte R. Jehuda im Namen Rabhs: Als dieser Frevler in die Hölle hinabstieg, wurden alle Höllenbewohner erschüttert; sie sprachen: Kommt er vielleicht, um über uns zu herrschen? Oder kommt er, gleich uns geschwächt zu werden? Denn es heißt: 34auch du bist schwach geworden wie wir, du bist uns gleich geworden. Da ertönte eine Hallstimme und sprach:35Vor wem hast du an Annehmlichkeit voraus? Fahre hinab und lasse dir bei den Unbeschnittenen betten. [Es heißt:]36wie hat der Bedrücker geendet, aufgehört hat Madheba. R. Jehuda erklärte im

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Namen Rabhs: Aufgehört hat diese Nation, die zu sagen pflegte: medod vehabe [miß und gib her]. Manche erklären: Die zu sagen pflegte: meod meod habe [recht viel gib her, ohne Maß].37Und noch größere Macht als zuvor wurde mir verliehen. R. Jehuda erklärte im Namen des R. Jirmeja b. Abba: Dies lehrt, daß er auf einem männlichen Löwen ritt und ihm [als Zügel] eine Schlange an den Kopf band. Zur Bestätigung des Schriftverses: 38Selbst die Tiere des Feldes gebe ich ihm, daß sie ihm dienstbar seien.

iii MAN DARF AM ŠABBATH KEINE ARBEITER MIETEN, AUCH DARF MAN SEINEN NÄCHSTEN NICHT BEAUFTRAGEN, FÜR IHN ARBEITER ZU MIETEN. MAN DARF NICHT DIE DUNKELHEIT AN DER GRENZE39ABWARTEN, UM ARBEITER ZU MIETEN ODER FRÜCHTE ZU HOLEN; MAN DARF ABER AN DER GRENZE DIE DUNKELHEIT ABWARTEN, UM DA FRÜCHTE ZU BEWACHEN, SODANN DARF MAN WELCHE IN DER HAND MITNEHMEN. ABBA ŠAÚL SAGTE EINE REGEL: WEGEN EINER SACHE, MIT DER ICH JEMAND BEAUFTRAGEN DARF, DARF ICH DIE DUNKELHEIT [AN DER GRENZE] ABWARTEN.

GEMARA. Selbstverständlich, welchen Unterschied gibt es denn zwischen ihm und seinem Nächsten!? R. Papa erwiderte: Wenn der Nächste ein Nichtjude ist. R. Aši wandte ein: Einen Nichtjuden zu beauftragen ist ja des Feierns wegen [verboten]!?

Du kannst auch sagen, wenn der Nächste ein Jisraélit ist, und er lehrt uns folgendes, daß man nämlich zu seinem Nächsten nicht sagen darf: »Miete für mich Arbeiter«, wohl aber [zum Arbeiter] sagen darf: »Wir wollen sehen, ob du dich abends bei mir einfinden wirst.« Unsere Mišna vertritt die Ansicht des R. Jehošua͑ b. Qorḥa, denn es wird gelehrt: Man darf nicht zu einem sagen: »Wir wollen sehen, ob du dich abends bei mir einfinden wirst.« R. Jehošua͑ b. Qorḥa sagt, man dürfe zu einem sagen: »Wir wollen sehen, ob du dich abends bei mir einfinden wirst.« Rabba b. Bar Ḥana sagte im Namen R. Joḥanans: Die Halakha ist wie R. Jehošua͑ b. Qorḥa.

Ferner sagte Rabba b. Bar Ḥana im Namen R. Joḥanans: Was ist der Grund des R. Jehošua͑ b. Qorḥa? Es heißt: 40deinen Geschäften nachzugehen und Gespräche zu führen; das [geschäftliche] Sprechen ist verboten, das Denken ist erlaubt. R. Aḥa b. R. Hona wies Raba auf einen Widerspruch hin: Kann R. Joḥanan denn gesagt haben, nur das Sprechen sei verboten, das Denken aber erlaubt, wonach das Denken nicht dem Sprechen gleicht, Rabba b. Bar Ḥana sagte ja im Namen R. Joḥanans, man dürfe überall [über Worte der Tora] nachdenken, nur nicht in der Badestube und im Aborte!?

Anders ist es da; es heißt: 41dein Lager soll heilig sein, was da nicht der Fall ist.

Es heißt ja aber auch:42es soll bei dir kein schändliches Wort sein!?

Dies ist wegen einer Lehre R. Jehudas nötig, denn R. Jehuda sagte: Es ist verboten, vor einem nackten Nichtjuden das Šema͑ zu lesen.

Wieso vor einem Nichtjuden, dies ist ja auch vor einem Jisraéliten verboten!?

Dies ist selbstverständlich. Vor einem Jisraéliten ist es selbstverständlich verboten; man könnte aber glauben, vor einem Nichtjuden sei es erlaubt, da es von ihm heißt:43deren Fleisch dem Fleische des Esels gleicht, so lehrt er uns.

Vielleicht ist es tatsächlich so!?

Die Schrift sagt:44und die Scham ihres Vaters sahen sie nicht45!?

Ist denn das Sprechen46verboten, R. Ḥisda und R. Hamnuna sagten ja beide, man dürfe am Šabbath Kalkulationen zu gottgefälligen Zwecken aufstellen!? Auch sagte R. Elea͑zar, man dürfe am Šabbath Gaben für die Armen festsetzen. Auch sagte R. Ja͑qob b. Idi im Namen R. Joḥanans, man dürfe sich am Šabbath mit der Lebensrettung und Gemeindeinteressen befassen. Ferner darf man Bethäuser besuchen, um für öffentliche Angelegenheiten Sorge zu tragen. Auch sagte R. Šemuél b. Naḥmani im Namen R. Jonathans, man dürfe am Šabbath Theater, Zirkusse und Basiliken besuchen, um für öffentliche Interessen zu sorgen. Und in der Schule Menašes wurde gelehrt, man dürfe sich am Šabbath um ein Mädchen bemühen, es zu verheiraten, ebenso um einen Knaben, ihm die Schriftkunde und ein Handwerk zu lehren.

Die Schrift sagt: deinen Geschäften nachzugehen und Gespräche zu führen; deine Geschäfte sind verboten, göttliche Geschäfte sind erlaubt.

R. Jehuda sagte im Namen Šemuéls: Kalkulationen, von [welchen man sagt:] »Was geht es dich an?«, oder »Was ist dabei?« sind am Šabbath erlaubt. Ebenso wird gelehrt: Kalkulationen über vergangene oder zukünftige Angelegenheiten sind am Šabbath verboten; solche aber von

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[welchen man sagt:] »Was geht dies dich an?«, oder »Was ist dabei?« sind erlaubt. Ich will auf einen Widerspruch hinweisen: Man darf am Šabbath unnötige Kalkulationen machen, jedoch keine nötigen. Zum Beispiel: Man darf zu seinem Nächsten sagen: »So und so viele Arbeiter habe ich für dieses Feld gemietet«, »So und so viele Denarien habe ich auf diese Wohnung gewendet«, man darf aber nicht sagen: «So und so viel habe ich bereits auf gewendet und so und so viel muß ich noch zuwenden«!?

Auch nach deiner Auffassung widerspricht sich ja jene Lehre47selbst; vielmehr gilt das eine, wenn der Lohn des Arbeiters noch bei ihm ist, und das andere, wenn der Lohn des Arbeiters nicht mehr bei ihm ist.

MAN DARF NICHT DIE DUNKELHEIT [AN DER GRENZE] ABWARTEN. Die Rabbanan lehrten: Einst passierte es einem Frommen, daß [der Zaun] seines Feldes einen Riß bekam, und nachdem er ihn auszubessern beschlossen hatte, erinnerte er sich, daß es Šabbath war. Da unterließ er es und besserte ihn nicht aus. Da geschah ihm ein Wunder, daß [an dieser Stelle] ein Kaperngesträuch hervorsproß, aus dem er den Unterhalt für sich und für seine Familienangehörigen zog.

R. Jehuda sagte im Namen Šemuéls: Man darf zu seinem Nächsten sagen: »Morgen gehe ich nach jener Stadt«, denn, wenn sich [auf dem Wege] Hütten48befinden, darf man sogar [am Šabbath] gehen.

Wir haben gelernt: Man darf nicht die Dunkelheit an der Grenze abwarten, um Arbeiter zu mieten oder Früchte zu holen. Allerdings nicht, um Arbeiter zu mieten, da man dies am Šabbath nicht darf, bezüglich des Holens von Früchten aber sollte man doch sagen: ist da eine Umzäunung, so darf man dies [auch am Šabbath]!?

Dies kommt bei Früchten vor, die noch [am Boden] haften.

R. Oša͑ja lehrte ja aber, man dürfe nicht die Dunkelheit an der Grenze abwarten, um Stoppeln und Stroh zu holen. Allerdings Stoppeln, wenn sie noch am Boden haften, wie kann dies aber bei Stroh vorkommen?

Wenn das Stroh verfault49ist.

Komm und höre: Man darf die Dunkelheit an der Grenze abwarten, um für die Interessen einer Braut oder eines Leichnams zu sorgen. Nur wegen der Interessen einer Braut oder eines Leichnams, nicht aber wegen anderer Angelegenheiten. Einleuchtend ist dies bezüglich einer anderen Angelegenheit, ähnlich der einer Braut, zum Beispiel eine Myrte50abschneiden; eine Angelegenheit aber ähnlich der eines Leichnams ist ja das Herbeiholen von Sarg und Totengewand, und er lehrt, nur für einen Leichnam, sonst aber nicht. Weshalb denn, man sollte doch sagen: ist da eine Umzäunung, so darf man dies [auch am Šabbath]!?

Beim Leichnam gilt dies vom Zuschneiden eines Totengewandes.

MAN DARF DIE DUNKELHEIT ABWARTEN. Obgleich man den Unterscheidungssegen noch nicht gesprochen51hat; aber R. Elea͑zar b. Antigonos sagte ja im Namen des R. Elie͑zer b. Ja͑qob, es sei verboten, seine Geschäfte zu verrichten, bevor man den Unterscheidungssegen gesprochen hat!? Wolltest du sagen, wenn man bereits den Unterscheidungssegen im Gebete gesprochen hat, so sagte ja R. Jehuda im Namen Šemuéls, wer den Unterscheidungssegen im Gebete gesprochen hat, müsse ihn auch über den Becher sprechen!? Wolltest du sagen, wenn man ihn über den Becher gesprochen hat: wo gibt es denn einen Becher auf dem Felde!? R. Nathan b. Ami erklärte es vor Raba: Dies gilt von dem Falle, wenn man sich zwischen den Keltern52befindet. R. Abba sprach zu R. Aši: Im Westen sprachen wir nur: »Der zwischen Heilig und Profan unterscheidet«, dann verrichteten wir unsere Geschäfte. R. Aši erzählte: Als wir im Hause R. Kahanas waren, sprach er: »Der zwischen Heilig und Profan unterscheidet«, dann spalteten wir Holz.

ABBA ŠAÚL SAGTE EINE REGEL: WEGEN &C. Sie fragten: Worauf bezieht sich Abba Šaúl? Wollte man sagen, auf den Anfangssatz, man dürfe die Dunkelheit nicht an der Grenze abwarten, um Arbeiter zu

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mieten oder Früchte zu holen, wieso sagt er demnach: wegen einer Sache, mit der ich jemand beauftragen darf, darf ich die Dunkelheit abwarten, er müßte ja sagen: wegen einer Sache, mit der ich einen anderen nicht beauftragen darf, darf ich die Dunkelheit nicht abwarten!? Und wollte man sagen, auf den Schlußsatz: man dürfe die Dunkelheit an der Grenze abwarten, um da Früchte zu bewachen, sodann dürfe man sie mit der Hand mitnehmen, so müßte er ja sagen: mit einer Sache, wegen der ich die Dunkelheit abwarten darf, darf ich jemand beauftragen!?

Tatsächlich auf den Schlußsatz, Abba Šaúl bezieht sich aber auf folgende Lehre: R. Jehuda sagte im Namen Šemuéls: Man darf zu seinem Nächsten sagen: »Bewache du meine in deinem Gebiete befindlichen Früchte, und ich werde deine in meinem Gebiete befindlichen bewachen.« Hierauf bezugnehmend sprach Abba Šaúl zum ersten Tanna: Auch du pflichtest wohl bei, daß man zu seinem Nächsten sagen darf: »Bewache du meine in deinem Gebiete befindlichen Früchte, und ich werde deine in meinem Gebiete befindlichen bewachen.« Wegen einer Sache, mit der ich jemand beauftragen darf, darf ich auch die Dunkelheit abwarten.

Was schließt die Regel ein?

Sie schließt folgendes ein, was die Rabbanan gelehrt haben: Man darf nicht die Dunkelheit an der Grenze abwarten, um ein Ter heimzubringen; befindet es sich außerhalb des Gebietes, so rufe man es, damit es herankomme. Abba Šaúl sagte eine Regel: Wegen einer Sache, mit der ich jemand beauftragen darf, darf ich die Dunkelheit abwarten. Man darf die Dunkelheit abwarten, um für die Interessen einer Braut oder für die Interessen eines Leichnams zu sorgen, für ihn Sarg und Totengewand zu holen. Man darf auch zu einem sagen: »Geh nach diesem Orte, und wenn du in diesem Orte nicht bekommst, hole aus jenem Orte; bekommst du nicht für eine Mine, so hole für zweihundert53. R. Jose b. R. Jehuda sagt: Nur darf man ihm einen bestimmten [zu zahlenden] Preis nicht nennen.

iv MAN DARF DIE DUNKELHEIT AN DER GRENZE ABWARTEN, UM FÜR DIE INTERESSEN EINER BRAUT ODER FÜR DIE INTERESSEN EINES LEICHNAMS ZU SORGEN, FÜR IHN SARG UND TOTENGEWAND ZU HOLEN. WENN EIN NICHTHUDE AM ŠABBATH FLÖTEN GEBRACHT HAT, SO DARF SIE DER JISRAÉLIT [NIE] ZUR TRAUER BENUTZEN, ES SEI DENN, SIE SIND AUS EINEM NAHEN ORTE54GEBRACHT WORDEN. HATTE MAN [AM ŠABBATH] FÜR [EINEN NICHTJUDEN] EINEN SARG GEFERTIGT ODER EIN GRAB GEGRABEN, SO DARF EIN JISRAÉLIT DARIN BEERDIGT WERDEN; WENN ABER FÜR DEN JISRAÉLITEN, SO DARF ER NIE DARIN BEERDIGT WERDEN.

GEMARA. Was heißt »naher Ort«? Rahh erklärte: Wörtlich, aus einem nahen55Orte. Šemuél erklärte: Man nehme an, daß sie sich über Nacht nur außerhalb der Stadtmauer befunden56haben.

Aus unserer Mišna ist die Ansicht Šemuéls zu entnehmen, denn diese lehrt, daß, wenn man für ihn einen Sarg gefertigt oder ein Grab gegraben hat, ein Jisraélit darin beerdigt werden dürfe. Demnach ist es in einem Zweifel57erlaubt, ebenso ist es auch hierbei in einem Zweifel erlaubt. Und es gibt eine Lehre übereinstimmend mit Rabh: Wenn in einer Stadt, in der Jisraéliten und Nichtjuden wohnen, eine Badeanstalt vorhanden ist, die am Šabbath in Betrieb ist, so darf man, falls die Mehrheit aus Nichtjuden besteht, abends sofort baden, falls aber die Mehrheit aus Jisraéliten besteht, erst nach einem Zeiträume, in dem das Wasser heiß werden kann; wenn Hälfte gegen Hälfte, so ist es verboten, und man muß einen Zeitraum abwarten, in dem das Wasser heiß werden kann. R. Jehuda sagt, in einer kleinen Wanne58dürfe man, wenn da Vornehmheit ist, [abends] sofort baden.

Was heißt Vornehmheit? R. Jehuda erklärte im Namen R. Jiçḥaqs, des Sohnes R. Jehudas: Wenn da ein vornehmer Mann ist, der zehn Sklaven hat, die ihm zehn Kessel [Wasser] mit einem Male aufwärmen, so ist es in einer kleinen Wanne [abends] sofort zu baden erlaubt.

HATTE MAN [AM ŠABBATH] FÜR IHN EINEN SARG GEFERTIGT ODER EIN GRAB GEGRABEN &C. Wieso denn, man sollte doch auch hierbei einen Zeitraum abwarten, in dem man dies machen kann!? U͑la erwiderte: Wenn [das Grab] sich auf offener Straße befindet59.

Allerdings ein Grab, wie ist es aber bezüglich des Sarges zu erklären!? R. Abahu erwiderte: Wenn [der Sarg] sich am Grabe befindet.

v,1 MAN DARF ALLE ERFORDERNISSE DES LEICHNAMS VERRICHTEN: MAN DARF IHN SALBEN UND SPÜLEN, NUR KEIN GLIED AN IHM RÜHREN; MAN DARF FERNER DAS UNTER IHM BEFINDLICHE POLSTER HERAUSZIEHEN UND IHN AUF DEM SANDE LIEGEN LASSEN, DAMIT ER UNVERSEHRT BLEIBE; FERNER DARF

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MAN IHM DAS KINN FESTBINDEN, NICHT UM ES ZU HEBEN, SONDERN DAMIT ES NICHT WEITER [SINKE]. EBENSO DARF MAN EINEN GEBROCHENEN BALKEN MIT EINER BANK ODER EINEM SEITENBRETTE EINES BETTES STÜTZEN, NICHT UM IHN ZU HEBEN, SONDERN DAMIT ER NICHT WEITER[BRECHE].

GEMARA. R. Jehuda erzählte ja aber im Namen Šemuéls: Einst folgte ein Schüler R. Meírs ihm in die Badestube und wollte für ihn [den Boden] abspülen; da sprach dieser: Man darf nicht abspülen. Als jener den Boden [mit Öl] bestreichen wollte, sprach dieser: Man darf nicht bestreichen60!?

Ein Boden mit einem Boden61ist zu verwechseln, ein Leichnam mit einem Boden ist nicht zu verwechseln.

Was schließt [das Wort] »alle« ein?

Dies schließt folgendes ein, was die Rabbanan gelehrt haben: Man darf kühlende Geräte und Metallgeräte holen und ihm auf den Bauch legen, damit er nicht aufdunse; ferner darf man ihm die Öffnungen verstopfen, damit keine Luft eindringe. Auch Šelomo sprach in seiner Weisheit:62Ehe noch der silberne Strick zerreißt: das ist das Rückenmark. Und die goldene Schale zerbricht: das ist das Zeugungsglied. Und der Eimer am Born zertrümmert: das ist der Bauch. Und das Rad am Brunnen zerbricht: das ist der Mist, wie es heißt:63und ich werde euch den Mist ins Gesicht streuen, den Mist euerer Feste. Hierzu sagte R. Hona, manche sagen, R. Ḥaga: Das sind die Leute, die die Tora lassen und ihre Tage zu Festen machen. R. Levi sagte im Namen R. Papis im Namen R. Jehošua͑s: Nach drei Tagen platzt ihm der Bauch und wirft ihm [den Mist] aufs Gesicht, indem er spricht: Nimm, was du in mich hineingetan hast.

v,2 MAN DARF AM ŠABBATH NICHT EINEM TOTEN DIE AUGEN ZUDRÜCKEN; EINEM STERBENDEN AUCH NICHT AM WOCHENTAGE. WER EINEM STERBENDEN DIE AUGEN ZUDRÜCKT, IST EIN BLUTVERGIESSER.

GEMARA. Die Rabbanan lehrten: Wer einem Sterbenden die Augen zudrückt, ist ein Blutvergießer. Dies ist ebenso, wie wenn jemand seinen Finger auf ein ausgehendes Licht legt, wodurch es sofort erlischt. Es wird gelehrt: R. Šimo͑n b. Elea͑zar sagte: Wünscht jemand, daß die Augen des Toten sich schließen, so blase er ihm Wein in die Nase, tue etwas Öl zwischen seine Wimpern und fasse seine großen Zehen an, sodann schliessen sie sich von selbst.

Es wird gelehrt: R. Šimo͑n b. Gamliél sagte: Man entweihe den Šabbath wegen eines einen Tag alten lebenden Kindes, man entweihe aber den Šabbath nicht wegen des toten David, des Königs Jisraéls64. Man entweihe den Šabbath wegen eines einen Tag alten lebenden Kindes, denn die Tora sagt, daß man seinethalben einen Šabbath entweihe, damit es viele Šabbathe halte. Man entweihe den Šabbath nicht wegen des toten David, des Königs Jisraéls, denn sobald der Mensch tot ist, ist er von den Geboten frei. Das ist es, was R. Joḥanan gesagt hat:65Mit den Toten frei; sobald der Mensch gestorben ist, ist er von den Geboten frei. Ferner wird gelehrt: R.Šimo͑n b. Elea͑zar sagte: Ein einen Tag altes lebendes Kind braucht man vor Maulwürfen und Mäusen nicht zu bewachen, den toten O͑g, König von Bašan66, müßte man vor Maulwürfen und Mäusen bewachen, denn es heißt:67euere Furcht und euer Schrecken sei über alle &c. Solange der Mensch lebt, fürchten ihn die Tiere, sobald er stirbt, hört die Furcht auf. R. Papa sagte: Es ist uns überliefert, daß ein Löwe zwei Personen nicht anfällt68.

Wir sehen ja aber, daß er wohl anfällt!?

Dies nach Rami b. Abba, denn Rami b. Abba sagte: Ein Tier gewinnt nur dann Macht über einen Menschen, wenn er ihm wie ein Vieh erscheint, denn es heißt:69und der Mensch in Herrlichkeit hat nicht Bestand; er wird beherrscht, wenn er wie ein Vieh erscheint.

R. Ḥanina sagte: Man darf nicht in einem Hause allein schlafen, und wer in einem vereinzelt stehenden Hause schläft, wird von der Lilith70 überfallen.

Ferner wird gelehrt: R. Šimo͑n b. Elea͑zar sagte: Übe [Wohltat], so lange du Gelegenheit und Mittel hast und es noch in deiner Macht steht. Auch Šelomo spricht in seiner Weisheit:71Und gedenke deines Schöpfers in deiner Jugend, ehe denn die bösen Tage kommen, das sind die Tage des Greisenalters; und die Jahre herannahen, von denen du sagen wirst: sie gefallen mir nicht, das sind die messianischen Tage, in denen es weder Verdienst noch Verschuldung gibt. Er streitet somit gegen Šemuél, denn Šemuél sagte: Es gibt keinen anderen Unterschied zwischen dieser Welt und den messianischen Tagen, als die Knechtschaft der Regierungen, denn es heißt:72nie wird der Dürftige im Lande aufhören.

Es wird gelehrt: R. Elea͑zar ha-Qappar sagte: Stets flehe der Mensch wegen dieser Sache73um Erbarmen; ist er selbst nicht [in diese Lage] gekommen, so kann sein Sohn kommen, ist sein Sohn nicht gekommen, so kann sein Sohnessohn kommen, denn es heißt:74egen dieser Tat, und hierzu wurde in der Schule R. Jišma͑éls gelehrt: Es ist ein um die Welt sich drehendes Rad75. R. Joseph sagte: Es ist uns überliefert, daß ein Gelehrter nicht verarmt.

Wir sehen ja aber, daß er wohl verarmt!?

Wenn er auch verarmt, betteln geht er aber nicht. R. Ḥija sprach zu seiner Frau: Wenn ein Armer kommt, bringe ihm Brot entgegen, damit man auch deinen Kindern Brot entgegenbringe. Da sprach sie zu ihm: Du verfluchest sie! Er erwiderte: Es ist ein Schriftvers: wegen dieser Tat, und hierzu wurde in der Schule R. Jišma͑éls gelehrt: Es ist ein um die Welt sich drehendes Rad.

Es wird gelehrt: R. Gamliél Berabbi sagte:76Und er wird dir Erbarmen geben und sich deiner erbarmen; wer sich seiner Mitmenschen erbarmt, dessen erbarmt man sich im Himmel, und wer sich seiner Mitmenschen nicht erbarmt, dessen erbarmtman sich auch nicht im Himmel.

77Ehe sich noch die Sonne verfinstert und das Licht, das sind die Stirn und die Nase; und der Mond, das ist die Seele; und die Sterne, das sind die Wangen; und die Wolken nach dem Regen wiederkehren, das ist das Augenlicht des Menschen, das nach dem Weinen schwindet.

Šemuél sagte: Bis zu vierzig Jahren kommt die Träne wieder, später nicht mehr. R. Naḥman sagte: Bis zu vierzig Jahren schärft das Stibium [das Augenlicht], später erhält es dasselbe nur, erweitert es aber nicht, selbst wenn [der Spritzenkolben] dick wie ein Weberrohr ist.

Was lehrt er uns damit?

Je dicker der Spritzenkolben ist, desto wirksamer ist es.

Dem R. Ḥanina starb eine Tochter, und er weinte über sie nicht. Da sprach seine Frau zu ihm: Du scheinst eine Henne aus deinem Hause fortgebracht zu haben!? Er erwiderte: Beides noch, Kinderlosigkeit und Blindheit!? Er hält also mit dem, was R. Joḥanan im Namen des R. Jose b. Qeçarta gesagt hat: Es gibt sechs Arten Tränen, von denen drei zuträglich und drei schädlich sind: vom Rauch, vom Weinen und vom

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[schmerzhaften] Stuhlgang sind sie schädlich; vom Gewürze, vom Lachen und von [scharfen] Früchten sind sie zuträglich.

78Zur Zeit, wo die Hüter des Hauses zittern, und &c. krümmen. Zur Zeit, wo die Hüter des Hauses zittern, das sind die Flanken und die Rippen; und die starken Männer sich krümmen, das sind die Schenkel; und die Müllerinnen müßig stehen, das sind die Zähne; und finster werden, die durch die Fenster sehen, das sind die Augen.

Der Kaiser sprach zu R. Jehošua͑ b. Ḥananja: Weshalb bist du nicht in das Abidanhaus gekommen? Dieser erwiderte: Der Berg ist mit Schnee bedeckt, seine Umgebung voll Reif, seine Hunde bellen nicht, und seine Müller mahlen nicht79mehr. In der Schule Rabhs sagten sie: Ich suche bereits, was ich nicht verloren80habe.

Es wird gelehrt: R. Jose b. Qisma sagte: Besser sind zwei als drei81; wehe, daß das eine fortgeht und nie wiederkehrt.

Was ist das? R. Ḥisda erwiderte: die Jugend. Als R. Dimi kam, sagte er: Die Jugend ist ein Rosenkranz, das Alter ist ein Weidenkranz82. Im Namen R. Meírs wurde gelehrt: Mahle mit den Zähnen, so findest du es in den Schritten, denn es heißt:83da hatten wir Brot genug, und befanden uns wohl und erlebten kein Unheil. Šemuél sprach zu R. Jehuda: Scharfsinniger, öffne deinen Sack und tue Brot hinein. Bis vierzig Jahren ist das Essen zuträglich, von da ab ist das Trinken zuträglich.

Einst sprach ein Eunuch zu R. Jehošua͑ b. Qorḥa: Wie weit ist es von hier nach Qorḥina84? Dieser erwiderte: Wie von hier bis Gozneja85. Der Minäer sprach ferner: Einen kahlen Bock um vier [Geldstücke], Dieser erwiderte: Ein kastrierter Hammel um acht. Als jener bemerkte, daß er keine Schuhe anhatte, sprach er: Zu Pferd der König, auf einem Esel der Edelherr, mit Schuhen an den Füßen der gewöhnliche Mann; besser als einer, der weder dies noch jenes hat, ist derjenige, der verscharrt und begraben ist. Dieser erwiderte: Eunuch, Eunuch, dreierlei sagtest du mir und dreierlei sollst du hören: die Zierde des Antlitzes ist der Bart, die Freude des Herzens ist die Frau,86ein vom Herrn verliehener Besitz sind Kinder; gepriesen sei Gott, der diesem Manne dies alles vorenthalten hat. Jener sprach: Zänkischer Glatzkopf!

Dieser erwiderte: Kastrierter Hammel, es ist eine Zurechtweisung.

Rabbi sprach zu R. Šimo͑n b. Ḥalaphta: Weshalb konnten wir dich am Feste nicht begrüßen, wie deine Vorfahren von meinen Vorfahren begrüßt zu werden pflegten? Dieser erwiderte: Die [kleinen] Felsen sind hoch geworden, die naheliegenden sind von einander entfernt worden, aus zweien sind drei87geworden, und der Friedensstifter des Hauses88hat seine Tätigkeit eingestellt.

89Und die Tür nach der Straße verschlossen wird &c., das sind die Öffnungen am [Körper des] Menschen; indem das Geräusch der Mühle abnimmt, wo der Magen nicht mehr verdaut; und man aufsteht beim Laute eines Vogels, wo selbst ein Vögelchen ihn aus dem Schlafe weckt; und alle Sängerinnen niedergebeugt sind, wo selbst die Laute der Sänger und Sängerinnen ihn niederdrücken90. Auch Barzilaj aus Gilea͑d sprach zu David:91Achtzig Jahre bin ich jetzt alt; könnte ich da noch Gutes und Schlechtes unterscheiden? Hieraus, daß bei den Greisen die Sinne sich verändern. Oder würde dein Knecht einen Geschmack von dem haben, was ich esse und trinke? Hieraus, daß bei den Greisen die Lippen schlotterig werden. Oder könnte ich noch der Stimme der Sänger und Sängerinnen lauschen? Hieraus, daß bei den Greisen die Ohren abgestumpft werden. Rabh sagte: Barzilaj aus Gilea͑d war ein Lügner; im Hause Rabbis war eine zweiundneunzigjährige Magd, die noch den Topf zu kosten pflegte. Raba sagte: Barzilaj aus Gilea͑d frönte der Wollust, und wer der Wollust frönt, den überfällt [frühzeitiges] Alter.

Es wird gelehrt: R. Jišma͑él b. R. Jose sagte: Die Schriftgelehrten nehmen, je älter sie werden, an Weisheit zu, wie es heißt:92bei Greisen ist Weisheit, langes Leben ist Einsicht; die Leute aus dem gemeinen Volke nehmen, je älter sie werden, an Torheit zu, wie es heißt:93entzieht Wohlbewährten die Rede und beraubt Greise des gesunden Verstandes.

94Auch fürchtet man sich vor Anhöhen, selbst ein kleines Hügelchen erscheint ihm als gewaltiger Berg; und Schrecknisse auf dem Wege, wenn er auf dem Wege geht, ist er voller Beunruhigung; und es blüht der Mandelbaum, das ist das Hüftbein; und es schleppt sich die Heuschrecke, das sind die Hinterbacken; und es versagt der Reiz, das ist die Leidenschaft. R. Kahana las95Bibelabschnitte vor Rabh, und als er an diesen Vers herankam, seufzte dieser und stöhnte. Da sprach er: Es scheint, daß bei Rabh die Leidenschaft aufgehört hat. R. Kahana sagte: Es heißt:96denn er gebot, da geschah es, das ist die Frau; er befahl, da stand es da, das sind die Kinder. Es wird gelehrt: Die Frau ist ein Schlauch voll Unrat; ihre Öffnung ist voll Blut, dennoch läuft jeder ihr nach.

97Denn der Mensch geht zu seinem ewigen Hause hin. R. Jiçḥaq sagte: Dies lehrt, daß man jedem Gerechten eine seiner Ehre gebührende Wohnung errichtet. Ein Gleichnis. Wenn ein König [aus Fleisch und Blut] mit seiner Dienerschaft in die Stadt kommt, treten sie alle in ein Tor ein, beim Übernachten aber gibt man jedem eine seiner Ehre gebührende Wohnung.

Ferner sagte R. Jiçḥaq: Es heißt:98denn die Jugend und die Schwärze des Haares sind eitel. Die [schlechten] Dinge, die der Mensch in seiner Jugend tut, verschwärzen ihm das Gesicht im Alter.

Ferner sagte R. Jiçḥaq: Schmerzhaft ist der Wurm dem Fleische des Toten, wie eine Nadel dem Fleische des Lebenden, denn es heißt:99solange sein Fleisch auf ihm, schmerzt ihn. R. Ḥisda sagte: Die Seele des Menschen trauert über ihn sieben Tage, denn es heißt:100und seine Seele trauert über ihn, und es heißt:101und er veranstaltete für seinen Vater eine siebentägige Trauer.

R. Jehuda sagte: Wenn ein Toter keine Leidtragenden102hinterläßt, so müssen zehn Leute hingehen und sich auf seinen Platz103hinsetzen. Einst starb jemand in der Nachbarschaft R. Jehudas und hinterließ keine Leidtragenden; da brachte R. Jehuda an jedem [der sieben] Tage je zehn

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Leute, die auf seinem Platze saßen. [Nach sieben Tagen] erschien er R. Jehuda im Traume und sprach zu ihm: Mögest du Befriedigung finden, wie du mir Befriedigung verschafft hast.

R. Abahu sagte: Der Tote weiß alles, was man, bevor der Rollstein104sich schließt, vor ihm spricht. Hierüber streiten R. Ḥija und R. Šimo͑n b. Rabbi: Einer sagt, bis der Rollstein sich schließt, und einer sagt, bis das Fleisch verwest ist. Einer sagt, bis das Fleisch verwest ist, denn es heißt: solange sein Fleisch auf ihm, schmerzt ihn, und seine Seele trauert über ihn. Und einer sagt, bis der Rollstein sich schließt, denn es heißt: 105und der Staub zur Erde zurückkehrt, wie er gewesen &c.

Die Rabbanan lehrten:106Und der Geist kehrt zu Gott zurück, der ihn gegeben hat. Gib ihn ihm zurück, wie er ihn dir gegeben hat, [wie er dir] in Reinheit, ebenso du ihm in Reinheit. Ein Gleichnis. Einst verteilte ein König aus Fleisch und Blut unter seine Diener königliche Gewänder; die Klugen wickelten sie zusammen und legten sie in die Truhe, die Toren aber verrichteten in diesen ihre Arbeit. Als nach Tagen der König nach seinen Gewändern verlangte, gaben die Klugen sie ihm sauber zurück, die Toren aber gaben sie ihm schmutzig zurück. Da freute sich der König über die Klugen, über die Toren aber zürnte er. Darauf ordnete er bezüglich der Klugen an: Die Gewänder sind in die Schatzkammer zu bringen, und diese mögen in Frieden nach Hause gehen. Bezüglich der Toren aber ordnete er an: Die Gewänder sind zum Wäscher zu bringen, und diese sperre man ins Gefängnis. Ebenso spricht auch der Heilige, gepriesen sei er, über den Leib der Gerechten: 107Er komme in Frieden, sie mögen auf ihren Lagerstätten ruhen. Und von ihrer Seele heißt es:108so möge die Seele meines Herrn in das Bündel des Lebens eingebunden sein. Über den Leib der Frevler aber spricht er: 109Keinen Frieden, spricht der Herr, gibt es für die Frevler. Und von ihrer Seele heißt es:110und die Seele deiner Feinde möge er in de Schleuderpfanne fortschleudern.

Es wird gelehrt: R. Elie͑zer sagte: Die Seelen der Gerechten werden unter dem Throne der Herrlichkeit verwahrt, wie es heißt: so möge die Seele meines Herrn in das Bündel des Lebens eingebunden sein; die der Frevler werden hin- und111hergeschleudert. [Ein Engel steht an einem Ende der Welt und ein anderer Engel am anderen Ende der Welt und sie schleudern einander ihre Seelen zu,] wie es heißt: und die Seele deiner Feinde möge er in der Schleuderpfanne fortschleudern. Rabba sprach zu R. Naḥman: Wie ist es mit den Mittelmäßigen? Dieser erwiderte: Wäre ich tot, so würde ich euch dies nicht gesagt haben. Šemuél sagte, die einen und die anderen werden dem Duma übergeben; die einen haben Ruhe, die anderen haben keine Ruhe. R. Mari sagte (zu ihm): Auch die Gerechten werden dereinst in Staub verwandelt, denn es heißt:112und der Staub zur Erde zurückkehrt, wie er gewesen.

Einst gruben Gräber auf einem Grundstücke R. Naḥmans, und R. Aḥaj b. Jošija113schnaubte sie an. Da kamen sie zu R. Naḥman und sprachen zu ihm: Ein Mann schnaubte uns an. Hierauf ging er hin und sprach: Wer ist der Herr? Jener erwiderte: Ich bin Aḥaj b. Jošija. Dieser sprach: Sagte etwa nicht R. Mari, daß auch die Gerechten dereinst in Staub verwandelt werden!? Jener erwiderte: Was ist das für ein Mari, den ich nicht kenne? Da sprach dieser: Die Schrift sagt ja: und der Staub zur Erde zurückkehrt, wie er gewesen. Jener erwiderte: Wer dich [das Buch] Qoheleth lehrte, lehrte dich nicht [das Buch] der Sprüche. In diesem heißt es:114der Neid ist eine Fäulnis der Knochen; wer Neid in seinem Herzen trägt, dessen Knochen verfaulen, wer keinen Neid in seinem Herzen trägt, dessen Knochen verfaulen nicht. Hierauf betastete ihn dieser und bemerkte an ihm etwas Faßbares. Da sprach er: Möge doch der Meister ins Haus kommen! Jener entgegnete: Du hast nun bekundet, daß du auch die Propheten nicht gelesen hast, denn es heißt; 115damit ihr erkennet, daß ich der Herr bin, wenn ich euere Gräber öffne.

Es heißt ja aber:116denn Erde bist du, und zu Erde mußt du wieder werden!? Jener erwiderte: Dies erfolgt eine Stunde vor der Auferstehung der Toten.

Ein Minäer sprach zu R. Abahu: Ihr sagt, die Seelen der Gerechten werden unter dem Throne der Herrlichkeit verwahrt, wieso konnte demnach die Totenbeschwörerin den Šemuél117durch Nekromantie heraufsteigen lassen? Dieser erwiderte: Es war innerhalb der zwölf Monate. Es wird nämlich gelehrt: Zwölf Monate bleibt der Körper erhalten, und die Seele steigt auf und ab; nach zwölf Monaten verwest der Körper, und die Seele steigt hinauf, ohne wieder herabzukommen.

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R. Jehuda, Sohn des R. Šemuél b. Šila, sagte im Namen Rabhs: Aus der Trauerrede über einen Menschen ist zu ersehen, ob er ein Kind der zukünftigen Welt ist oder nicht.

Dem ist ja aber nicht so. Rabh sagte ja zu R. Šemuél b. Šila: Halte die Trauerrede [über mich] mit Wärme, denn ich bin da anwesend118!?

Das ist kein Einwand; das eine, wenn die Wärme [auf die Hörer] einwirkt, das andere, wenn sie nicht einwirkt. Abajje sprach zu Rabba: Wer wird beispielsweise den Meister mit Wärme betrauern, den ja ganz Pumbeditha haßt119!? Dieser erwiderte: Es genügt, wenn du und Rabba b. R. Ḥanan es tun.

R. Elea͑zar fragte Rabh: Wer ist ein Kind der zukünftigen Welt? Dieser erwiderte:120Und deine Ohren werden hinter dir den Ruf vernehmen: Das ist der Weg, in dem ihr wandeln sollt! Wenn ihr nach rechts oder nach links abbieget. R. Ḥanina sagte: Mit dem seine Lehrer zufrieden sind.

121Und auf der Straße gehen die Klagenden umher. Hierzu sagen die Galiläer: Übe Taten aus, die man dir vor deiner Bahre nachsagen kann. Die Judäer sagen: Übe Taten aus, die man dir hinter deiner Bahre nachsagen kann. Sie streiten aber nicht; diese nach ihrem Brauche, und jene nach ihrem122Brauche.

Dort haben wir gelernt: R. Elie͑zer sagte: Tue Buße einen Tag vor deinem Tode. Die Schüler sprachen zu R. Elie͑zer: Weiß denn der Mensch, an welchem Tage er sterben wird? Dieser erwiderte: Um so mehr muß er heute Buße tun, vielleicht stirbt er morgen; es ergibt sich also, daß er all seine Tage in Buße verbringt. Ebenso sagte Šelomo in seiner Weisheit:123Zu jeder Zeit mögen deine Kleider weiß sein, und deinem Haupte mangele es nie an Öl. R. Joḥanan b. Zakkaj sagte ein Gleichnis: Einst lud ein König seine Diener zur Mahlzeit und setzte ihnen keine Zeit fest. Die Klugen schmückten sich und setzten sich vor die Tür des Königs, indem sie sprachen: Fehlt denn etwas124im Hause des Königs? Die Toren dagegen gingen zur Arbeit fort, indem sie sprachen: Gibt es denn eine Mahlzeit ohne Vorbereitung? Als der König plötzlich nach seinen Dienern verlangte, traten die Klugen geschmückt ein, die Toren dagegen traten in ihrem Schmutze ein. Da freute sich der König über die Klugen und zürnte über die Toren und sprach: Diese da, die sich zur Mahlzeit geschmückt haben, mögen sich setzen und essen und trinken; jene aber, die sich zur Mahlzeit nicht geschmückt haben, mögen stehen bleiben und zuschauen. Der Schwiegersohn R. Meírs sagte im Namen R. Meírs: Auch jene könnten noch wie Diensttuende aussehen. Vielmehr sollen diese und jene sitzen; diese jedoch werden essen, jene aber hungern, diese werden trinken, jene aber dürsten, wie es heißt: 125Der Herr spricht also: Siehe, meine Knechte werden essen, ihr aber sollt hungern; siehe, meine Knechte werden trinken, ihr aber sollt dürsten; siehe, meine Knechte werden vor Fröhlichkeit jubeln, ihr aber sollt vor Herzensweh aufschreien. Eine andere Erklärung: Zu jeder Zeit mögen deine Kleider weiß sein, das ist das Çiçithgewand; und deinem Haupte mangele es nie an Öl, das sind die Tephillin.


  1. Das Leihen (שאלה) erfolgt auf kürzere Zeit, das Borgen (הלואה) auf längere Zeit; ferner hat nach dem Sprachgebrauche bei ersterem die Rückgabe in natura zu erfolgen, bei letzterem aber ist gleichwertiger Ersatz zu leisten.↩︎

  2. Am Vorabend des Versöhnungstages.↩︎

  3. Cf. Sb. Abschn. X, Anm. 3.↩︎

  4. Da der Tag zum vorangehenden Monat gehört.↩︎

  5. Dewarim 15,2.↩︎

  6. Cf. Schemot 12,4.↩︎

  7. Cf. Wajikra 27,2ff.↩︎

  8. Cf. Lev, 27,28.↩︎

  9. Da man die Früchte vorher nicht essen darf und sie dadurch zum Genüsse brauchbar macht.↩︎

  10. Für das Pesaḥ- bezw. Festopfer, von denen RJ. spricht, ist ein bestimmter Tag festgesetzt, die angezogene Lehre aber spricht von der Weihung anderer Opfer.↩︎

  11. Bei der Verteilung an die Priester.↩︎

  12. Wenn es ganz hoch geschrieben ist.↩︎

  13. Obgleich in diesem Falle das Auslöschen nicht zu befürchten ist.↩︎

  14. Weil man verleitet werden könnte, sich vergessentlich das Haar zu schneiden.↩︎

  15. Während man Messer od. Schere holt.↩︎

  16. Wajikra 19,4.↩︎

  17. So nach Raschi; nach anderer Erklärung liest er die Präposition אל (zu) wie אל (Gott) u. תפנו als Pie͑l: ihr sollt Gott nicht aus euerem Sinne entschwinden lassen.↩︎

  18. Die am Feste an einem Tische speisen, jeder seines.↩︎

  19. Cf. supra Blatt 148b.↩︎

  20. Hoschea 4,4.↩︎

  21. Um Streit unter den Priestern zu vermeiden, sei dies erlaubt.↩︎

  22. Wörtl. in die Umzäunung, in die Abgrenzung.↩︎

    1. Melachim 22,20–22.
    ↩︎
  23. Tehillim 101,7.↩︎

  24. Chabakuk 2,16.↩︎

  25. Nach einer rabbinischen Sage, auf die der hier folgende Ausspruch Bezug nimmt, trieb Nebukhadneçar mit den von ihm besiegten Königen Päderastie, was ihm aber bei Çidqija nicht gelungen war.↩︎

  26. Mischlej 17,26.↩︎

  27. Ps.5,5.↩︎

  28. Das in der Mišna gebrauchte Wort für Lose werfen.↩︎

  29. Jeschajahu 14,12.↩︎

  30. Ib. V. 18.↩︎

  31. Ib. V. 7.↩︎

  32. Ib. 13,21.↩︎

  33. Ib. 14,10.↩︎

  34. Jechezkel 32,19.↩︎

  35. Jeschajahu 14,4.↩︎

  36. Daniel 4,33.↩︎

  37. Jirmejahu 27,6.↩︎

  38. Dh. man darfnicht den Ausgang des Šabbaths an der äußersten Grenze des Šabbathgebietes abwarten, um die genannten Arbeiten sofort verrichten zu können.↩︎

  39. Jeschajahu 58,13.↩︎

  40. Dewarim 23,15.↩︎

  41. Dewarim 23,15.↩︎

  42. Jechezkel 23,20.↩︎

  43. Bereschit 9,23.↩︎

  44. Noa war Nichtjude.↩︎

  45. In geschäftlichen Angelegenheiten, wie Kalkulationen udgl.↩︎

  46. Anfangs heißt es, über vergangene Dinge sei es verboten, später aber, gleichgültige seien erlaubt.↩︎

  47. In kleinen Abständen, wodurch beide Städte vereinigt werden.↩︎

  48. Solches darf man am Šabbath überhaupt nicht fortbewegen.↩︎

  49. Diese wird bei der Hochzeitsfeier verwendet.↩︎

  50. Darf man die am Šabbath verbotene Arbeit sofort beginnen.↩︎

  51. Wo man einen Becher bei der Hand hat.↩︎

  52. Sc. Denare; die gewöhnliche Mine, Geldbetrag, möglicherweise geprägte Goldmünze, in der Bibel als Gewicht bekannt, hat 100 Denare.↩︎

  53. Innerhalb des Š.gebietes.↩︎

  54. Dh. nur wenn dies sicher ist; bei etwaigem Zweifel ist es verboten.↩︎

  55. Jedoch innerhalb des Š.gebietes; bei etwaigem Zweifel ist es erlaubt.↩︎

  56. Schon die Tosaphoth weisen darauf hin, daß diese Mišnastelle garnicht von einem Falle des Zweifels spricht; sie streichen diesen ganzen Passus.↩︎

  57. Von der man abends annehmen kann, sie sei erst eben gewärmt worden.↩︎

  58. Es ist offenbar, daß es nicht für den Jisraéliten bereitet wurde.↩︎

  59. Wenn man es nicht bewegen darf, darf man es auch nicht zum Streichen benutzen.↩︎

  60. Er hat es ihm nicht wegen des Fortbewegens verboten, sondern wegen des Glättens des Bodens, obgleich beim gepflasterten Boden eines Badehauses das Ebnen von Vertiefungen nicht zu berücksichtigen ist, weil man ihn mit einem anderen Boden verwechseln könnte.↩︎

  61. Kohelet 12,6.↩︎

  62. Mal. 2,3.↩︎

  63. Cf. Blatt 30b.↩︎

  64. Tehillim 88,6.↩︎

  65. Nach der jüd. Sage hatte dieser König eine fabelhaft riesige Größe; cf. Ber. Blatt 54b.↩︎

  66. Bereschit 9,2.↩︎

  67. Die Schrift spricht in der Mehrzahl.↩︎

  68. Tehillim 49,13.↩︎

  69. Nachtgespenst (von לםלה Nacht), ähnlich den Harpyien in der altgriechischen Sage. Ganz gegen die Konstruktion u. gegen die ausdrückliche Erklärung des Sohar Bd.III ep. fol. 45a ist die übliche Übersetzung: wer allein in einem Hause schläft.↩︎

  70. Kohelet 12,1.↩︎

  71. Dewarim 15,11.↩︎

  72. Wegen der Armut.↩︎

  73. Dewarim 15,10.↩︎

  74. נלל wegen, gl. נלנל Rad, Kreis.↩︎

  75. Dewarim 13,18.↩︎

  76. Kohelet 12,2.↩︎

  77. Ib. V. 3.↩︎

  78. Anspielung auf seine Altersschwäche u. Gebrechlichkeit.↩︎

  79. Der Gebrechliche geht so, als suche er etwas.↩︎

  80. Im Alter muß man einen Stab als Stütze haben.↩︎

  81. Nach anderer Erklärung Dornenkranz.↩︎

  82. Jirmejahu 44,17.↩︎

  83. Zu Deutsch ungefähr: Glatzstadt, Anspielung auf den Namen Qorḥa, dh. Glatze.↩︎

  84. Ungefähr: Eunuchia; ein solcher Ortsname ist sonst unbekannt, wahrscheinlich erdichtet.↩︎

  85. Tehillim 127,3.↩︎

  86. Im Alter muß man einen Stab als Stütze haben.↩︎

  87. Das Zeugungsglied; das Ganze gibt eine bildliche Darstellung von der Gebrechlichkeil des Körpers.↩︎

  88. Kohelet 12,4.↩︎

  89. Wörtl.: ihm als Grube [nach Handschriften, als Plauderei] erscheinen.↩︎

    1. B. Schmuel 19,36.
    ↩︎
  90. Ijow 12,12.↩︎

  91. Ib. V. 20.↩︎

  92. Kohelet 12,5.↩︎

  93. Wörtl. teilte; פסיק, wohl derivativ von פסוק (Bibelvers), Bibelverse lesen.↩︎

  94. Tehillim 33,9.↩︎

  95. Kohelet 12,5.↩︎

  96. Kohelet 11,10.↩︎

  97. Ijow 14,22.↩︎

  98. Bereschit 10,10.↩︎

  99. Bereschit 10,10.↩︎

  100. Wörth Tröstende, dh. solche, die der Tröstung benötigen.↩︎

  101. Wo er starb.↩︎

  102. Vor die Öffnung der in den Felsen gehauenen Gräberhöhle (חקבר oder נת חקבר cf. Ah. XV,8), von der aus man in die Gräber oder Grüfte (כוכין) gelangte, wurde außer dem eigentlichen in die Öffnung geschobenen Verschlußsteine noch ein großer schwerer Stein herangerollt; ursprünglich rund und zum Rollen eingerichtet, daher die Bezeichnung Rollstein (גולל). Damit dieser Stein nicht von selber fortrollte, hatte er an einer oder beiden Seiten eine Stütze, genannt דופק der Schlagende, weil sie gegen den Stein schlug.↩︎

  103. Kohelet 12,7.↩︎

  104. Kohelet 12,7.↩︎

  105. Jeschajahu 57,2.↩︎

    1. B. Schmuel 25,29.
    ↩︎
  106. Jeschajahu 48,22.↩︎

    1. B. Schmuel 25,29.
    ↩︎
  107. So sinngemäß; das im Texte gebrauchte Wort וזממזת wird verschieden erklärt (eingescnlossen, gebunden, baumelnd, schmutzig), u. etymologisch abenteuerlich begründet.↩︎

  108. Kohelet 12,7.↩︎

  109. Der auf dieser Stelle bestattet war.↩︎

  110. Mischlej 14,30.↩︎

  111. Jechezkel 37,13.↩︎

  112. Bereschit 3,19.↩︎

  113. Cf. 1. B. Schmuel Kap.28.↩︎

  114. Dies war also auch bei einem so bedeutenden Manne erforderlich.↩︎

  115. Die Leute von P. waren Diebe und Betrüger (cf. Hul. 127a), und er mußte sie oft zurechtweisen.↩︎

  116. Jeschajahu 30,21.↩︎

  117. Kohelet 12,5.↩︎

  118. In G. pflegten die Klagenden vor, in J. dagegen hinter der Bahre zu gehen.↩︎

  119. Kohelet 9,8.↩︎

  120. Die Tafel kann zu jeder Zeit beginnen.↩︎

  121. Jeschajahu 65,13,14.↩︎