Jüdischer Alltag

Schnee und Judentum

Schnee ist für Kinder faszinierend, für Pendler meist extrem ärgerlich, für Wintersportler eine traumhafte Kulisse. Sollte das Judentum auch irgendeine Haltung zum Schnee haben?

Auch in Tanach und Talmud begegnet uns der Stoff, aus dem man hierzulande häufig Schneemänner oder Schneebälle baut. Er begegnet uns als Material, das »weiß« ist, was ja naheliegend ist.
So befiehlt G-tt dem Mosche (2. Buch Mose 4,6) bei seiner Begegnung am Dornbusch, er solle seine Hand ins Gewand stecken.
Als Mosche sie wieder herauszieht, »war sie voller Aussatz, weiß wie Schnee«, und in den Tehillim, den Psalmen (147,16), wird gesagt, G’tt gäbe »Schnee wie Wolle«.

Legendär ist auch die Geschichte von Hillel, der sich als Schüler den Eintritt ins Lehrhaus nicht leisten konnte und dem Unterricht vom Dach aus folgte – und dort eingeschneit wurde.

Doch Schnee liegt nicht nur herum und sieht sehr, sehr weiß aus, sondern er verändert die Umwelt in einer Art und Weise, die aus halachischer – also religionsgesetzlicher – Sicht nicht uninteressant ist: Wer sich im Schnee bewegt, hinterlässt Spuren. Das klingt unspektakulär, könnte aber am Schabbat eine Rolle spielen.

Darf man am Schabbat seine Fußabdrücke in den Schnee drücken? Den Rabbiner von Chelm hat man getragen, damit er im Schnee keine Fußspuren hinterlässt und sich dieser Frage nicht stellen muss.

In der Realität jedoch ist das Laufen auf Schnee, auch wenn man dabei Fußspuren hinterlässt, am Schabbat nicht verboten. Sogar dann, wenn auf den Schuhsohlen etwas geschrieben steht und dieser Text sich im Schnee einprägt. Damit haben sich schon der Schulchan Aruch ((320,13)) und die Mischna Brura beschäftigt.

Anders verhält es sich, wenn es ums Anfassen, Bewegen oder Aufheben von Schnee geht. Rabbiner Mosche Feinstein (1895–1986) hat in seiner Responsensammlung Igrot Mosche ((Orach Chajim 5,22)) einen Unterschied gemacht zwischen Schnee, der bereits liegt, und Schnee, der erst am Schabbat gefallen ist. Dieser dürfe am Schabbat nicht bewegt werden. Diesen Unterschied wiederum kennt Rabbiner Jisrael Meir Kagan (1838–1933) in seiner Mischna Brura nicht ((338,30)). Dem Umgang mit diesem Schabbes-Schnee stünde also nichts im Wege. Lediglich das absichtliche Verwandeln von Schnee in Wasser sei keine Tätigkeit, die man am Schabbat unternehmen dürfe, so heißt es jedenfalls im Schulchan Aruch ((320,9)).

Wir sehen, für viele Tätigkeiten, die mit Schnee zu tun haben und am Schabbat stattfinden, gibt es vollkommen verschiedene Sichtweisen. So verbieten einige rabbinische Entscheider das Formen von Schneebällen, andere, wie Rabbiner Mosche Stern (1914–1997), erlauben es ((Be’er Mosche 6,30)). Rabbiner Schlomoh Auerbach (1910–1995) ist zwar dagegen, er ist sich aber einig mit Rabbiner Stern, wenn es um einen Schneemann am Schabbat geht: Egal wo und aus welchem Schnee dürfte dieser nicht gebaut werden. Denn er besteht aus mehreren Bestandteilen, die zusammengebaut werden müssen. Dieses sei »bauen«, und das ist am Schabbat natürlich nicht erlaubt.

Der Halachah ist nichts fremd, wie wir jetzt sehen werden – denn was ist mit der Herstellung von gelbem Schnee? Sie wissen schon.
Ist ebenfalls erlaubt, wenn es keinerlei andere Optionen gibt und es wirklich sehr sehr eilig ist. Das sagt jedenfalls der Schulchan Aruch ((Orach Chajim 320,14)).

Vielleicht ist der Schabbat der einzige Tag der Woche, an dem wir den Schnee genießen können. An allen anderen Tagen hindert er uns eher daran, den engen Tagesplan einzuhalten.

Literaturhinweis

Die umfangreichste Sammlung von Halachot zum Thema Schnee stammt von J. Meiselmann:

  • J. Meiselman, Ha-Noten Scheleg, Be-Injanei ha-Scheleg weha-Kerach be-Halacha, Holon, 2001