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Was ist ein Eruw?

Zu den 39 Arbeiten, die am Schabbat nicht erlaubt sind, zählt das »Tragen«. Dies bezieht sich nicht nur auf das tatsächliche Transportieren von Lasten, sondern tatsächlich auf jeden Gegenstand, sei er noch so klein, wie etwa ein Schlüssel. Entscheidend ist, dass ein Gegenstand von einem Bereich in einen anderen gebracht wird – wir sehen gleich, welche das sind. Also aus dem privaten Bereich in den öffentlichen. Bedeutet das also, man kann keine Gegenstände am Schabbat irgendwo hinbringen?
Hier hat sich die Halacha etwas einfallen lassen: Der Schlüssel kann zu einem Teil des Gürtels werden und so mit sich geführt werden.

Gleiches gilt für einen Tallit: Wer ihn mit zur Synagoge nehmen möchte, kann ihn anziehen. Doch da enden im Prinzip die Ausnahmen. Aber was ist, wenn man einen Siddur, einen Kinderwagen oder Spielzeug für die Kinder mitnehmen möchte? Das Problem erkannte man bereits zu Zeiten der Mischna und des Talmuds. Aus diesem Grund gibt es den Eruw. Im Traktat Eruwin werden nahezu alle Details diskutiert.

Die Halacha teilt die Welt in verschiedene Bereiche

Die Halacha teilt die Welt in verschiedene Bereiche: Es gibt den öffentlichen (Reschut HaRabim), den privaten (Reschut HaJachid), und es gibt einen Bereich »Karmelit«, der weder privat noch öffentlich ist.

Der öffentliche Bereich ist leicht zu erkennen:
Straßen, kleine Plätze, Wege aller Art und so weiter sind öffentliche Bereiche. Private Bereiche sind demgegenüber diejenigen, in denen man selbst lebt und wohnt und die von einem öffentlichen Bereich irgendwie abgegrenzt sind, in der Regel durch Mauern.

Um es ein wenig technisch zu formulieren, muss man sagen, dass »Tragen« definiert wird als Transfer eines Objekts von einem Bereich in den anderen. Man darf also keinerlei Gegenstand vom privaten in den öffentlichen Bereich übergeben und umgekehrt. Dies leitet sich übrigens aus dem 2. Buch Mose ab, in dem es heißt, dass man am Schabbat »seinen Ort« nicht verlassen dürfe (15, 25-29).

Zusätzlich ist der Transfer eines Gegenstands von einem privaten Bereich in einen anderen privaten Bereich nicht erlaubt. Das erklärt, warum auch das Schieben eines Kinderwagens als »Tragen« gilt.

Tragen wäre jedoch innerhalb eines privaten Bereichs erlaubt, und hier kommt der Eruw ins Spiel. Der Eruw wurde im Talmud als Struktur gedacht, die eine Ansammlung privater Bereiche mit öffentlichen Bereichen dazwischen durch eine gemeinsame Grenze herstellt. Die Menschen innerhalb dieses Bereiches gehören damit zu einem großen privaten Bereich und damit erklärt sich auch die Bedeutung des Wortes »Eruw«, was in etwa »zusammenbringen« oder »Mischung« bedeutet.

Der Eruw besteht meistens aus einem Draht, der Konstruktionen miteinander verbindet, die man als Türpfosten bezeichnen könnte. Miteinbezogen werden können aber auch bereits vorhandene Strukturen, die Grenzen markieren, wie etwa Mauern, Stromkabel oder Flüsse. Um eine Straße, oder einen Weg, der auf ein freies Feld mündet, geschlossen zu machen, wird ein Balken oder ein Draht über die offene Stelle gezogen. Diese ist dann als Tor zu betrachten. Auf diese Weise wäre es möglich, eine kleine Stadt zu einem geschlossenen Gebiet zu erklären.

Seen oder Friedhöfe können nicht in den Eruw eingeschlossen werden. Um diese müsste dann wiederum ein Eruw gelegt werden. Die Anzahl der einbezogenen Elemente bedeutet zugleich auch reichlich Aufwand zur Kontrolle, ob der Eruw auch lückenlos bleibt. Ist er beschädigt, muss überprüft werden, wer für das Element verantwortlich ist.

Häufig umfasst der Eruw eine große Fläche. In Wien ist er etwa 25 Kilometer lang und umfasst nahezu die gesamte Innenstadt – nicht nur den Bereich um die jüdische Gemeinde. Da gibt es viele Elemente zu überprüfen. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum man heute im deutschsprachigen Raum sonst nirgendwo einen Eruw findet.

Eruw chazerot

Wörtlich ist dies der »Eruw der Höfe«. Das ist die Vereinigung von Häusern um einen Hof zu einem Gesamthof. Zwar ist der Bereich möglicherweise baulich geschlossen, doch wohnen dort mehrere Haushalte, so dass es verschiedene Privatbesitzungen gäbe. Um alle Anwohner zu einem Haushalt zu vereinigen, lässt man alle etwas zu einem Brot beitragen. Dieses wird dann in einem Raum abgelegt, der allen zugänglich ist. Auf diese Weise können auch alle in einem Weg gelegenen Höfe zu einem Privatbezirk vereinigt werden. Diese Lösung wird schittufe mewo’ot genannt (Privatweg).

Eruw techumim

Das ist die »Vereinigung der Schabbatweggrenzen«. Die Grenze, bis zu der man sich am Schabbat von der Aussengrenze seines Wohnort aus zu Fuß entfernen darf, beträgt 2000 Ellen (alpajim amma, das sind etwa 1.000 Meter) im Radius, oder 4000 Ellen im Durchmesser. Soll der Weg weiter hinausführen, so muss man innerhalb der bezeichneten Grenze eine neue »Wohnstätte« oder »Niederlassung« (Schewita) schaffen, von der aus diese Grenze erneut gilt. Um dies zu tun, legt man vor Schabbat an einem geeigneten Punkt vor Schabbat mit einer speziellen Brachah (Segensspruch) ein wenig Speise ab. Dadurch wird die neue Wohnstätte markiert. Dies geht dann, wenn der Anlass dazu die Erfüllung einer Mitzwa ist.