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Zizit

Abhandlung über die Schaufäden, enthaltend ein Gebot der Schrift, nämlich: Zipfeln an den Ecken des Kleides anzubringen; — die nähere Erklärung davon wird nun in folgenden Kapiteln gegeben.

Erstes Kapitel.

1) Der, am Saum des Kleides aus gleichartigem Stoffe verfertigte Zipfel, wird Zizit (Fransen) genannt, da er den Haarfransen gleicht, von welchen es heißt: »Und er ergriff mich an der Zizit meines Hauptes« (Jechezkel 8,3); dieser Fransen wird das Weiße genannt, weil wir nicht gehalten sind denselben zu färben; auch ist in der Torah keine Anzahl festgesetzt für die Fäden dieses Zipfels.

2) Man nehme einen Wollfaden von himmelblauer Farbe, und umwickle damit den Zipfel; — dieser Faden wird das Azur genannt. Auch für die Umwicklungen dieses Fadens ist in der Torah keine Zahl bestimmt.

3) Folglich haben wir in diesem Gebote zwei Abteilungen:

  1. dass man am Saume des Kleides einen Zipfel verlängern, und
  2. dass man um diesen Zipfel einen himmelblauen Faden wickeln solle, denn es heißt (4. B. M. 16,38): »Und sie sollen sich Fransen machen, und sollen über den Fransen des Kleidsaums einen azurnen Faden tun«.

4) Das Azur nun, ist nicht hinderlich rückwirkend auf das Weiße, wie auch umgekehrt, das Weiße nicht hinderlich rückwirkend auf das Azur ist; wer nämlich das Azur nicht hat, mache bloß das Weiße, oder, hat man Weiß und Azur angebracht, das Weiße aber sich losgerissen bis an den Saum des Kleides, so dass das Azur allein übrig blieb, so ist auch dieses hinreichend.

5) Obgleich diese beiden Fälle nicht hinderlich rückwirkend auf einander sind, so bilden selbige doch nicht zwei Gebote, sondern bloß ein einziges; — die ersten Weisen sagten: »Und dieses sei Euch zum Fransen«,— dieses will soviel sagen, als: Diese beiden bilden ein einziges Gebot. Wohl aber sind alle vier Fransen gegenseitig durch einander bedingt, indem sie alle vier unter demselben Gebote verstanden werden;— legt nun Jemand ein Kleid um, in welchem Weiß oder Azur, oder auch beides zusammen sich befindet, so hat er ein Gebot erfüllt.

6) Die Zizit werden auf folgende Weise verfertigt: Man beginnt bei einer Ecke des Kleides, welche das Ende des Gewebes bildet, und zwar in einer Entfernung von nicht mehr als drei Fingerbreiten nach oben, und nicht weniger als eine Daumennagelbreite vom Rande, bringe daselbst vier Fäden hinein, und schlage sie in einen Fransen zusammen, so, dass von der Ecke des Kleides acht gedrillte Fäden herabhängen,— die Länge dieser Fäden darf nicht weniger als vier Fingerbreiten betragen, wohl aber mehr, ja sogar bis zu einer oder zwei Ellen; — unter Fingerbreiten verstehen wir den Daumen;— von diesen acht Fäden nun, muss einer Azur und sieben weiß sein.

7) Man nehme nun einen Faden von dem Weißen, umwickele mit demselben alle Fäden ein Mal nahe beim Saum des Kleides, und lasse ihn dann hängen, —nehme den Azur- faden, schlage denselben zwei Mal unter die erste Umwickelung und mache darauf einen Knoten. Diese drei Umwicklungen werden ein Chulja (Wirbel) genannt; — dann lasse man einen kleinen Zwischenraum, bilde einen zweiten Chulja (Wirbel) bloß mit dem Azurfaden, lasse wieder einen Zwischenraum, und bilde einen dritten Chulja (Wirbel); — ebenso verfahre man mit dem vierten Chulja (Wirbel), nur dass man jetzt zwei Mal mit dem Azurfaden und das dritte und letzte Mal mit dem weißen Faden umschlage; — da man nämlich mit dem weißen Faden angefangen, und bei Heiligtümern wohl eine Steigerung, nicht aber eine Verminderung gestattet wird. Mit dem weißen Faden aber muss man deshalb beginnen, damit sich derselbe nahe am gleichartigen Stoffe des Kleidsaumes befinde; — auf diese Weise verfahre man an allen vier Enden.

8) Wie viele der Chulja (Wirbel) muss man also an jedem Ende machen? — Nicht weniger als sieben, und nicht mehr als dreizehn; dieses jedoch ist nur der Pünktlichkeit halber, hat man aber nur einen Chulja (Wirbel) gemacht, so ist es auch genügend; — ist der größte Teil des Zipfels mit dem Azurfaden umwickelt worden, so ist er zwar zulässig, jedoch gehört es zur Schönheit desselben, dass alle Chulja (Wirbel) zusammen nur ein Drittel der gedrillten Fäden einnehmen, und zwei Drittel frei herabhängen; diese herabhängenden Fäden müssen auseinander geriffelt werden, so dass sie wie ein Fransen Haare am Kopf aussehen.

9) Macht man den ganzen Zipfel weiß, ohne Azur, so nehme man einen von den acht Fäden, und schlage damit Ringe um die übrigen, bis auf ein Drittel ihrer Länge, so dass zwei Drittel frei herabhängen; — diese Umwickelung kann ebenfalls Chulja (Wirbel)weise, ganz wie mit dem Azurfaden veranstaltet werden, wie es auch bei uns Sitte ist; will man jedoch die Umwickelung ohne Chulja (Wirbel)zahl machen, so ist auch dieses gestattet. Hauptsächlich aber ist darauf zu achten, dass die Umwickelung selbst nur ein Drittel, die herabhängenden Fäden aber deren zwei ausmachen. Manche beobachten selbst dieses nicht bei bloß weißen Fäden; was aber die Zulässigkeit der Zipfel betrifft, so kommt es nicht darauf an, ob die, mit dem Weißen geschlagenen Ringe den größten Teil der Faden einnehmen, oder ob nur ein Chulja (Wirbel) geschlagen worden.

10) Es kommt ganz auf den Verfertiger der Zizit selbst an, — sei es mit Azur oder nicht, — ob er die Fäden drehen will. — Selbst wenn der Faden achtfältig, jedoch so gedreht ist, dass er wie ein einzelner Faden aussieht, — so wird er dennoch jedenfalls nur als ein Faden betrachtet.

11) Die Fäden der Zipfel, — ganz gleich, seien sie weiß oder azurfarben, — müssen eigens dazu gesponnen sein, auch darf man dieselben nicht aus der Wolle machen, welche an Dornen hängen blieb, während die Schafe dazwischen lagerten, noch von den Haaren, die einem Vieh ausgerissen werden, auch nicht von den Endfäden eines Gewebes, sondern von reiner Wollschur, oder aus Flachs; — eben so wenig dürfen selbige aus geraubter Wolle, noch aus solcher verfertigt werden, die einer, zum Götzendienste verführten Stadt angehört, ebenfalls nicht aus Wolle, die zu heiligem Gebrauche bestimmt war; — sind die Zipfel aus solcher Wolle gemacht worden, so sind selbige unzulässig. Wenn Jemand ein Vieh abgöttisch verehrt, so wird die Wolle dieses Viehs zu Zizit unzulässig, — abgöttisch verehrter wachsender Flachs dagegen, ist zulässig, weil er später seine Gestalt verändert.

12) Schäufäden, die ein Heide verfertigt, sind unzulässig, denn es heißt: (4. B. M. 15, 38) »Rede zu den Kindern Israel…, dass sie sich Zizit machen«.— Waren selbige von einem Israeliten, wenn auch ohne Andacht, gemacht, so sind sie dennoch zulässig; — solche Zizit dagegen, die von bereits im Gebrauch gewesenen verfertigt werden, sind unzulässig.

13) Wenn man z. B. die Ecke eines Kleides, woran bereits ein Zipfel angebracht ist, an ein anderes Kleid näht, selbst wenn diese Ecke eine Quadrat-Elle groß ist, so bleibt selbige immer unzulässig, denn es heißt »Und sie sollen sich Zizit machen« nicht also, aus bereits gemachten welche benutzen, denn dieses wäre ja so viel wie von selbst entstanden;— dagegen ist’s erlaubt, die Schaufäden aus einem Kleide zu lösen, und sie bei einem anderen anzubringen, seien es nun weiße, oder azurfarbene.

14) Wenn man zwei Ecken eines Kleides durch Fäden dergestalt verbunden, dass, nachdem jedes einzelne Ende des Kleides mit Zizit zubereitet worden, man die Fäden in der Mitte auseinander geschnitten, um die, auf diese Weise auf ein Mal zubereiteten zwei Zizit zu trennen, so ist dieses unzulässig; denn so lange beide Enden durch die Fäden vereinigt waren, sind sie ja als widersetzlich in der Form unzulässig, und, — wurden sie gleich durch den Schnitt zu zwei Zipfeln, so sind dadurch gleichsam aus bereits Gemachten entstanden, und deshalb wiederum unzulässig.

15) Hat man Zizit auf Zizit angebracht, so kommt es darauf an, ob man dabei sogleich die Absicht gehabt hierdurch die ersten aufzuheben, — in welchem Falle man nur die ersten zu lösen oder wegzuschneiden braucht, wodurch die neuen zulässig werden. — War die Absicht aber dabei die, dadurch eine Zugabe zu bewerkstelligen, so bleiben beide unzulässig, selbst wenn man später eine davon wegschnitt; denn durch die Zugabe wurden beide unzulässig,— löst oder schneidet man nun eine ab, so ist das Übrige, als aus bereits Gemachten verfertigt zu betrachten, da die erste Anbringung bereits gleichsam ungesetzlich wurde.

16) Ebenso,— wenn man Zipfel an einem dreieckigen Kleide angebracht hat, das Ganze später zu einem Vierecke umgestaltet, und an das vierte Ende noch einen vierten Zipfel gemacht, so bleibt auch dies Ganze immerhin unzulässig: denn es heißt: »Du sollst machen«, nicht aber von bereits Gemachten.

17) Man darf das Kleid nicht zu einem Vierecke Zusammenlegen, und dann in die vier Ecken des so doppelt Zusammengelegten, Zizit anbringen, außer etwa wenn das Kleid vorher so zusammengenäht worden, und wäre es auch nur an einer Seite.

18) Riss die Ecke, an welchem der Zipfel angebracht war, höher als drei Fingerbreit vom Saum, ab, so ist es erlaubt dieselbe an derselben Stelle wieder zusammenzunähen; geschah der Riß aber tiefer, so ist dies nicht gestattet.— Wurde die Kante des Kleides, welche sich zwischen dem Ende des Gewebes befindet, ausgeriffelt, so bleibt sie dennoch zulässig, wäre auch noch so wenig davon übrig geblieben,— gleichfalls, wenn die Fäden der Zizit von selbst sich abgenutzt, und nur noch so viel von denselben übrig geblieben, um einen Knoten bilden zu können, so sind sie dennoch zulässig; wurden die Fäden aber dicht an der Wurzel abgerissen, und wäre es selbst nur einer derselben, so wird die Zizit dadurch unzulässig.

Zweites Kapitel.

1) Die Azurfäden, deren in der Torah überall Erwähnung geschieht, sind Wolle, gefärbt in einer Mischung von Augenschminken, die wie das Himmelblaue aussieht, welches sich bei Sonnenschein, an unbewölkten Stellen des Himmels zeigt, die Azurfäden der Zizit müssen mit einer solchen ächten Farbe gefärbt werden, die ihren vollen Glanz beibehält, ohne auszubleichen; — Alles, was nicht mit einer solchen Farbe gefärbt ist, — mag es auch immer wie himmelblau aussehen, — darf nicht als zulässig zur Verfertigung der Zizit angesehn, werden, wie z. B. Fäden welche mit Isatis (Indigo), Schwärze, oder irgend unhaltbaren Farbstoffen gefärbt worden.— Die Wolle eines, von einer Ziege geworfenen Schafes, ist ebenfalls zu Zizit unzulässig.

2) Die Azurfäden zu den Zizit werden folgendermaßen gefärbt: Man weiche die Wolle zuerst in Kalk, dann wasche man sie so lange, bis sie ganz rein wird, siede sie in Alaun, oder dergleichen von Färbern gebrauchten Materialien, damit die Wolle die Farbe besser einsauge, — hierauf nehme man das Blut von Chaleson (Tintenfisch), eines Fisches dessen Farbe himmelblau, und dessen Blut schwarz wie Tinte ist, und welcher im toten Meer gefunden wird; — dieses Blut nun wird, mit Beimischung verschiedener Farbstoffe, wie z. B. Potasche (Alkalisches Salz), oder dergleichen Materialien, wie solche die Färber anwenden, in einen Kessel getan, gesiedet, und die Wolle darin so lange liegen gelassen, bis sie himmelblau wird, wo dann sie zur Verfertigung von Schaufäden gebraucht werden kann.

3) Die Azurfäden der Zizit müssen eigens zu diesem Gebrauche gefärbt worden sein, ist dies nicht der Fall, so sind selbige unzulässig. — Hatte man in einem Kessel die oben erwähnte Farbe zubereitet, und etwas Wolle zur Probe hineingetaucht, um sich zu überzeugen, ob die Farbe gut sei oder nicht, so wird dadurch die ganze Farbe im Kessel unzulässig; — um nun zu jener Überzeugung zu gelangen, nehme man also in ein kleines Geschirr etwas Farbe aus dem Kessel heraus, lege den Flocken Wolle hinein, um die Probe damit anzustellen, verbrenne darauf diesen Flocken, der ja ohnehin nur zur Probe gefärbt worden, gieße die Probefarbe, die sich im Geschirre befand, weg, weil dieselbe durch den Versuch selbst unzulässig geworden, und färbe dann erst die Fäden in der, im Kessel zubereiteten Farbe.

4) Wolle, die bereits zu Azur gefärbt worden, darf nur von einem bewährten Manne gekauft werden, indem sonst zu besorgen stände, dass sie vielleicht nicht eigens zu Zizit gefärbt worden; — hat man aber die Wolle auch wirklich von einem bewährten Manne gekauft, bei Untersuchung derselben jedoch ergibt es sich, dass sie mit gewöhnlichen, unhaltbaren Schwärzen gefärbt sei, so ist selbige dennoch unzulässig.

5) Auf welche Weise ist die Wolle zu untersuchen, ob sie vorschriftsmäßig gefärbt worden sei, oder nicht? — Hierzu nehme man Stroh, Schneckenschleim und Urin, welcher vierzig Tage lang abgestanden, und lasse die Azurfäden vierundzwanzig Stunden in dieser Mischung weichen; — halten sie nach diesem Versuche dennoch Farbe, ohne auszubleichen, so sind sie echt gefärbt: blichen sie aber aus, so nehme man Gerstenteig, welcher zu Fischlake vorbereitet worden, lege die abgeblichenen Azurfäden hinein, backe den Teig samt den Fäden in einem Ofen, und nehme letztere dann heraus, um nachzusehen, ob sie noch mehr ausgeblichen, in welchem Falle sie unzulässig sind; — haben sie im Gegenteil ihre Farbe wieder erhalten, oder ist selbige noch lebhafter geworden als vor dem Backen, so sind sie zulässig.

6) Aus einem Laden, in welchem Azurfäden verkauft werden, die in dem Rufe der Gesetzmäßigkeit stehen, darf man solche kaufen, ohne weitere Versuche darüber anzustellen, bis irgend ein Grund zum Argwohn sich darbieten sollte; — Azurfäden, die sich bei einem Nicht-Israeliten in Verwahrung befanden, werden unzulässig, weil es möglich ist, dass solche vertauscht worden sein könnten; waren sie jedoch in einem doppelt versiegelten Gefäße eingeschlossen, und zwar Siegel auf Siegel, so sind sie zulässig, — unter einfachem Siegel verwahrt, sind sie unzulässig.

7) Azurwolle, die auf der Straße gefunden worden, wär es selbst in einzelnen in Stücke geschnittenen Fäden, sind dennoch unzulässig; — waren sie aber zusammengedrillt, so sind sie zulässig. Kauft Jemand auf der Straße von einem Israeliten ein bereits mit Zizit versehenes Kleid, so bleibt solches in seiner wahrscheinlichen Gesetzlichkeit; kaufte man aber ein solches Kleid von einem Nicht-Israeliten, so ist es nur dann zulässig, wenn der Verkäufer ein Kaufmann war.

8) An einem Kleid welches ganz rot, grün oder sonst einfarbig ist, mache man die Zizitweißfäden nach der Farbe des Kleides, je nachdem rot, grün oder dergleichen; war aber das Kleid ganz Azurblau, so müssen die Zizitweißfäden aus anderen Farben gemacht werden, nur nicht aus Schwarz, weil dieses dem Blau ähnlich ist; diese Zizitweißfäden aber umbinde man mit einem Azurfaden, wie dieses bei anderen, nicht gefärbten Zipfeln der Fall ist.

9) Die Strafbarkeit desjenigen, der sich die Zizitweißfäden nicht anschafft, ist größer als dessen, welcher die Azurfäden weglässt: indem Weißfäden Jedem zu Gebote stehen, während die Azurfäden wegen der oben genannten Farbe, nicht an jedem Ort, oder nicht zu jeder Zeit zu finden sind.

Drittes Kapitel.

1) Ein Kleid, an dem ein Israelit, den Vorschriften der Torah gemäß, Zizit anzubringen verpflichtet ist, muss wenigsten vier Ecken haben, und so groß sein, dass mit denselben der Kopf und der größte Teil des Körpers eines Knaben bedeckt werden könne, der in dem Alter ist, dass man ihn ohne überwachende Begleitung auf die Straße lassen darf; auch muss ein solches Kleid entweder aus Wolle, oder auch Flachs sein.

2) Kleider aber von anderen Stoffen, wie z. B. aus Seide, Baumwolle, Kamel- Ziegen- oder Hasenhaar und dergleichen, sind nur den Vorschriften der Weisen nach zizitpflichtig,—welche Bestimmung nur deshalb getroffen worden, um die Beobachtung des Gebotes desto strenger anzuempfehlen; jedoch müssen jedenfalls die Kleider wenigstens vier Ecken und das oben angeführte Maß haben; denn überall, wo in der Torah selbst von Kleidern die Rede ist, werden darunter nur Kleider von Wolle oder Flachs verstanden.

3) »An den vier Ecken deines Kleides« (5. B.M. 22,12) also ein Kleid, welches wenigstens vier Enden, und kein solches, welches deren nur drei hat. Sollte hieraus aber nicht der Schluss gezogen werden können: ebenfalls auch kein fünf-, kein sechseckiges? Mit nichten, denn ebendaselbst heißt es »mit welchem du dich bedeckst«, folglich‘ auch ein fünf- und sechseckiges. Weshalb aber erkennen wir ein fünf- oder sechseckiges als zizithpfiichtig an, während wir doch die dreieckigen ausschließen, da doch beide nicht der Bedingung von »vier Ecken« entsprechen? Weil die Zahl fünf, auch die Zahl vier mit bedingt. Bringt man aber bei einem fünf- oder sechseckigen Kleide Zizit an, so geschehe dieses nur an den vier äußersten Ecken, denn es heißt: »An den vier Enden deines Kleides«.

4) Ein Kleid aus irgend einem Gewebe mit ledernen Ecken ist zizitpflichtig, ein ledernes Kleid dagegen mit Ecken aus gewebtem Stoffe, ist es nicht, indem man sich stets nur nach dem Hauptstoffe zu richten hat. Ein Kleid welches zwei Eigentümern gehört, ist ebenfalls zizitpflichtig, denn es heißt: »An den Ecken ihrer Kleider«; und, wenn es wiederum heißt »deines Kleides«, — so wollte die Schrift hiermit wiederum nur ein geborgtes Kleid ausschließen, weil ein solches dreißig Tage der Zizitpflichtigkeit überhoben, und erst nach dieser Frist wieder zizitpflichtig wird.

5) An einem Kleide aus Wolle mache man die Zizitweißfäden ebenfalls aus Wolle, an einem Leinenen, aus Flachs, an jedem Kleide aber von anderen Stoffen, ans den Fäden desselben Stoffes, wie das Kleid selbst; so müssen also an einem seidenen Kleide die Zizitweißfäden aus Seide, — an einem Kleidungsstück aus Ziegenhaaren aber—die Schaufäden aus Ziegenhaar sein; wollte man aber zu Kleidern aus anderen Stoffen die Zizitfäden aus Wolle oder Flachs machen, so ist dies gestattet, da Wolle und Flachs — sowohl für ihre eigenen, wie auch für andere Gattungen von Stoff, zu Zizitfäden zulässig sind. Fäden anderer Stoffe hingegen genügen nur bei Kleidern derselben Stoffgattung, nicht aber bei denen anderer Gattung.

6) Darf man aber Wollfäden zu den Zizit an Leinenkleidern, oder Flachs zu den Schaufäden von Wollenkleidern nehmen, und zwar in dem Falle, wo die Zizit nur aus Weißfäden ohne Azur bestehen? — Eigentlich wohl, da das Schaatnes (Stoffmischung) in Bezug auf Zizit erlaubt ist, da man ja Azurfäden, die doch aus Wolle bestehen, bei leinenen Kleidern anbringt; — dennoch vermeide man Obiges, und zwar aus dem Grunde, weil man die Weißfäden ja ohne Weiteres aus demselben Stoffe machen kann und es eine allgemeine Regel ist, dass überall, wo ein Gebot sich im Conflicte mit einem Verbote findet, man suchen müsse Beide zu beobachten, und bloß wenn dieses nicht möglich ist, so möge das Gebot das Verbot verdrängen: im vorliegenden Falle aber — ist die Möglichkeit vorhanden, beide zu erfüllen.

7) An einem leinenen Kleide bringe man gar keine Azur-, sondern nur Weißfäden an, und zwar aus Flachs; — diese Verordnung gründet sich nicht etwa darauf, dass das Gebot der Zizit von dem Verbote der Stoffmischung (Schaatnes) verdrängt werde, — sondern ist nur eine Vorsichtsmaßregel der Weisen: weil man sich Nachts mit einem solchen Kleide zudecken könnte, zu welcher Zeit die Pflicht der Zizit aufhört, und auf diese Weise das Verbot nicht beachtet würde, ohne dass man durch ein Gebot dazu berechtigt wäre; dass aber die Zizitpflicht sich nur auf den Tag, nicht aber auf die Nacht beziehe, erhellt aus den Worten: »Und ihr sollt ihn sehen (den Schaufaden), — folglich, ist hier die Zeit gemeint, wo man sehen kann; — ein Blinder aber ist dessen ungeachtet zizithpflichtig, weil, wenngleich er die Zizit auch nicht sieht, Andere dieselben sehen können.

8) Es ist aber einem Jeden gestattet ein Zizitkleid, bei Nacht, —sowohl in der Woche, wie auch am Sabbat ohne Weiteres umzulegen, wenn dieses nur ohne vorangehenden Segensspruch geschieht; zur vorschriftsmäßigen Zeit hingegen — spreche man über die Zizit den Segensspruch, nämlich Morgens von der Zeit an, wo man die Azurfäden von den Weißfäden zu unterscheiden im Stande ist; der Segen aber lautet: »Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns geheiligt durch seine Gesetze und uns geboten, uns in Zizit zu hüllen. — Den ganzen Tag über muss man, bei Umlegung des Zizitkleides jedesmal diesen Segensspruch wiederholen; — beim Verfertigen der Zizit aber spreche man den Segen nicht, da der Schluss der Erfüllung des Gebotes im Umlegen besteht.

9) Es ist erlaubt, mit Zizit am Kleid auch unreine Orte und Badstuben zu betreten; — wurden aus den Zizit einzelne Weiß- oder Azurfäden abgerissen, so kann man selbige sogar auf den Misthaufen werfen, indem die Zizit nur das Mittel zur Erfüllung eines Gebotes sind, ohne an und für sich selbst Heiligkeit zu besitzen. Verboten ist es dagegen, ein, mit Zizit versehenes Kleid — einem Heiden zu verkaufen, ohne vorher die Zizit davon abgelöst zu haben, und zwar nicht aus dem Grunde irgendeiner Heiligkeit am Kleide selbst, sondern aus Besorgnis dass der Heide sich in dieses Kleid hüllen, und sich für einen Israeliten ausgeben könne. — Frauen, Knechte und Kinder, sind laut der Torah, von der Zizitpflichtigkeit befreit, doch haben die Gelehrten verordnet. dass, sobald ein Knabe im Stande ist das Gewand selbst umzunehmen, er dadurch auch zizithpflichtig werde, damit er sich an die Erfüllung der Gebote gewöhne. Wenn Frauen oder Knechte sich in Zizit hüllen wollen, so steht ihnen dieses frei, doch dürfen sie dabei nicht den Segen sprechen;— auf dieselbe Weise verhält es sich mit allen Geboten, von denen die Frauen freigestellt sind,— sie können sie erfüllen, jedoch ohne den vorschriftsmäßigen Segensspruch dabei. Verwachsene und Hermaphroditen aber sind, der Unentschiedenheit wegen, gehalten die Pflicht zu erfüllen: jedoch ebenfalls ohne den Segensspruch dabei zu sprechen.

10) Die Zizitpflichtigkeit aber beurkundet sich wie folgt: Jedermann der zizithpflichtig ist, und ein zur Anbringung der Schaufäden geeignetes Kleid umlegen will, ist gehalten — erst die Zizit anzubringen, und dann erst das Kleid umzulegen, that er letzteres aber, bevor die Zizit angebracht waren, so hat er ein Gebot vernachlässigt. Kleider aber, welche bereits zizithpflichtig sind, werden dennoch so lange als davon dispensirt angesehn, bis sie Jemand umlegen will, da die Zizit nicht als Pflicht des Kleides, sondern des Menschen anzusehen, der dasselbe trägt.

11) Obgleich nun niemand verpflichtet ist, sich ein Kleid zu kaufen, und solches anzulegen, — um Zizit anbringen zu können, so ziemt es sich doch für keinen frommen Mann, sich der Erfüllung dieses Gebotes zu entziehen, sondern bestrebe sich immer ein Jeder, ein solches Kleid zu haben, das zizithpflichtig wäre, um dieses Gebot erfüllen zu können; während des Gebetes aber — ist dieses noch besonders zu beachten; — für Gelehrte wäre es sogar eine Schmach, im Gebete Dazustehen, ohne sich dabei in Zizit gehüllt zu haben.

12) Jedermann habe stets das Gebot der Zizit besonders im Auge, indem die Schrift es abgewägt, und gleichsam daran alle Gebote geknüpft, denn es heißt (4 B. M. 15) »Denn ihr werdet ihn sehen, und euch dabei erinnern aller Gebote des Ewigen«.