Am Laubhüttenfest – Sukkot
Herrscher der Welt, der du die Liebe bist! Heute erinnere ich mich, wie wunderbar du unsere Väter durch die Wüste führtest, da du sie in Hütten wohnen ließest, und vertrauensvoll rufe ich aus:»Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln«Ps. 23, 1. O, Dank sei dir gebracht, daß du mir dieses Freudenfest verliehen hast, das mich jedes Jahr in der Zuversicht bestärken soll, niemals vor der unbekannten Zukunft mich zu ängstigen, und niemals mich von den mannigfachen Sorgen überwältigen zu lassen, die ja oft in den Menschenherzen auftauchen. Denn meine Hütte ist in deinem Namen erbaut, und wenn ich auch jetzt nichts sähe als die öde Wildnis, so weiß ich doch, daß du dein Manna herniederfallen lassen kannst, daß du mir alles, dessen ich bedarf, verleihen und daß du deinen Schatten ausbreiten kannst über meine Wohnung. Und, wenn auch Stürme tosen und sie umzustürzen drohen, so will ich doch mit frohem Mute durch die Wölbung der Laubhütte zu deinem Himmel aufschauen, der seine Strahlen in meine Wohnung hernieder sendet und ich will mein Vertrauen auf dich setzen, der gerade unter den brausenden Stürmen die Saaten reifen läßt und den Bäumen die Kraft gibt, Frucht zu tragen, und der da will, daß auch der innere Mensch unter den Stürmen der Geschicke und der Zeit reifen und Kraft gewinnen soll, edle Frucht zu tragen. Aber auch daran will ich heute denken, daß gerade dieses Fest dazu eingesetzt ist, mich an die Pflicht zu erinnern, auch eine gebührende Sorge für meinen Körper zu hegen, und ich will froh sein, daß ich mich zu einem Glauben bekenne, der nicht von mir fordert, daß ich mein Fleisch mit selbstverursachten Martern peinige oder mir jede Freude versage, die du auf meinem Wege mir erblühen läßt, noch daß ich ganz der Welt entsagen und abgeschieden von ihr leben soll; nein, vielmehr einen Glauben, der gerade will und mich durch diese Feier dazu auffordert, daß ich die Freuden der Erde mit meinen Verwandten und Freunden genießen soll und mich »freuen all des Guten, das du mir gegeben hast«, so daß jeder sinnliche Genuß dadurch geheiligt wird, daß er in dir genossen wird und so, daß ich mich selber bei allem, was meinen Leib erquickt und freut, in deinem Dienste fühle, als einer, der dein heiliges Gebot erfüllt. So gib denn du, mein Gott, daß so selbst jede irdische Lust, die du mir bereitest, mich dir näher führen und daß ich, indem mein Vertrauen auf dich gekräftigt wird, erfahren möge, daß»wer auf dich baut, mit Gnade umgeben werden und sein Haus und seine Hütte in Frieden stehen soll«.Ps. 32, 10.
Amen!
Am Schlußfest – Schemini Azeret
Ewiger Gott! Das Fest und die Natur vereinen sich, um mir zu predigen;»Alles ist eitel, alles ist ganz eitel!«Prediger Sal. 1, 2. Wohin ich jetzt meine Blicke wende, überall in der Natur treten mir die Zeichen der Vergänglichkeit entgegen. Die Schönheit der Ebene ist geschwunden, der Schmuck der Fluren ist dahingewelkt, auf dürre, welke Blätter tritt mein Fuß, und ich fühle mich tief von dem Gedanken ergriffen:»Des Menschen Leben ist wie Gras, er blüht wie eine Blume des Feldes, ein Wind fährt darüber hin und sie ist nicht mehr und ihre Stätte kennt man nicht länger;«Ps. 103, 15-16. bald welkt die Schönheit des Lebens dahin, ach, gar bald werde ich dastehen wie ein entlaubter Baum, von dem Blatt nach Blatt herunterfällt. Und wird mir nicht dasselbe von diesem heiligen Schlußfest gepredigt, das mich daran erinnern soll, wie bald meine Tage zu Ende sind und mein Tagewerk abgeschlossen werden soll? Noch einmal will ich mich in dir und vor deinem Angesichte freuen, o Ewiger, und in meiner Seele alle die beseligenden Eindrücke sammeln, welche diese vielen Festtage auf mich gemacht haben, und ich will mich hüten, daß ich nichts von der mir noch vergönnten Zeit verliere. So will ich mich denn beeilen, ehe des Lebens Winter herannaht und die Kräfte mir versagen, das zu vollführen, wozu ich berufen worden bin, und ich will die wenigen Tage, welche mir zugemessen sind, noch mehr dazu benutzen, ein Leben zu führen, dir angenehm und den Menschen segenbringend. Mein himmlischer Vater! Nimm das Opfer meines Herzens gnädig an, das fromme Gelübde, daß ich in dem Vergänglichen das Ewige erfassen will, damit ich einst, wenn du mich rufst, ein Schlußfest bei dir in Seligkeit und ewiger Freude feiern möge.
Amen!
Am Freudenfeste über die Thora – Simchat Torah
»Das Gras verdorrt und die Blumen welken dahin, aber dein Wort, o Gott, bleibt in alle EwigkeitJes. 40, 8..« Das ist mein Freudenruf, mein Psalm, mein Lobgesang, mit dem ich mich dir am heutigen Tage, an dem Israel die heilige Thora beendigt und von neuem wieder beginnt, nahe. Alles Irdische vergeht, nur dein Wort besteht in Ewigkeit, und die, welche es uns verkündigt haben, leben ewig in unserer Erinnerung. Das flammende Wort, welches Moses Lippen entströmte, ist die unvergängliche Richtschnur unseres Lebens, ein ewiges, das aller Zeiten Stürme doch nicht zu vernichten vermochten. O Vater, ich danke dir, daß dieses Wort des Lebens noch mein Eigentum ist, und daß ich es rein und unverfälscht besitze, wie es ursprünglich lautete. Ich danke dir, daß du mir den Zugang zu demselben eröffnet hast, ja, du hast es ja einem jeden Israeliten zur Pflicht gemacht, sich recht vertraut damit zu machen, in seine Tiefen einzudringen und Leben und Geist daraus zu schöpfen, die Wahrheit darin zu suchen, zur Liebe dadurch erwärmt zu werden, und Trost und selige Hoffnung darin zu finden. Ich danke dir, daß du in den 24 Büchern der heiligen Schrift (Thora, Nebiim und Kethubim) auch mir die reine Quelle des Lebens für alle Zeiten und Geschlechter hast strömen lassen. Und indem ich dir für deine geschriebene Lehre danke, sende ich auch meinen Dank für die mündliche zu dir empor, welche uns den Inhalt der Schrift erst verstehen und richtig erfassen läßt. O, mein Gott, wie oft habe ich nicht dieses dein Wort gering geachtet, wie oft eine Gelegenheit versäumt, darin belehrt zu werden oder die Zeit verschlafen, da ich seiner Verkündigung lauschen sollte, während ich meine beste Zeit für Schriften vergeudete, welche den Geist beflecken und Herz wie Sinn verderben! O lehre du selbst mich den Schatz hüten, den du mir geschenkt hast, daß ich in Zukunft möchte sagen können:»Ich hasse Fabel und Tand, aber ich liebe deine Lehre!Ps. 119, 113, 163.« Die langen Winterabende will ich dir weihen, indem ich bei deinem heiligen Wort verweile, ich will aufmerken auf die mündlichen Auslegungen desselben und dahin eilen, wo ich es in lebendiger Verkündigung hören kann, daß meine Seele errettet werdeJes. 55, 3.. Ich will ein waches Auge über alle die Meinigen haben, daß sie nicht die giftigen Bücher lesen, welche ihre Gedanken beflecken und will sie den Wert deines Wortes erkennen lassen, welches uns von dem Irdischen zum Himmlischen emporhebt. Nun breite du deinen Frieden über mich und die Meinigen aus, den Frieden, welcher denen versprochen ist, die dein Wort lieben, daß ich niemals straucheln möge und meine Seele in dir lebe und dich in alle Ewigkeit preisePs. 119, 175..
Amen!