Joel – das Buch Joel

Das Buch Joel in der (angepassten) Übersetzung von Rabbiner Dr. Simon Bernfeld.

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Kapitel 1

Die Heuschreckenplage.

1Das Wort des Herrn, welches an Joel, Sohn Petuëls, erging.

2Höret dieses, ihr Greise, und horchet auf, all ihr Bewohner des Landes! Ist solches geschehen in euren Tagen oder in den Tagen eurer Väter?

3Davon werdet ihr euren Kindern erzählen, und eure Kinder ihren Kindern, und ihre Kinder dem späteren Geschlechte.

4Was die Raupe gelassen, fraß die Heuschrecke, und was die Heuschrecke gelassen, fraß der Käfer, was der Käfer gelassen, fraß der Schroter.

5Wachet auf, ihr Trunkenen, und weinet und heulet, alle Weinzecher, ob dem Moste, dass er entrissen worden von eurem Munde.

6Denn ein Volk ist herangezogen über mein Land, mächtig und sonder Zahl; seine Zähne sind wie die des Löwen, und Gebiß der Löwin hat es.

7Es verwüstet meinen Weinstock und zerknickt meinen Feigenbaum; es schälte ihn bloß und warf alles weg, bleich sind seine Ranken.

8Wehklage wie eine Jungfrau, die sich den Sack umgürtet [in der Trauer] um den Gemahl ihrer Jugend.

9Dahin ist Speiseopfer und Spende aus dem Hause des Herrn. Es trauern die Priester, die Diener des Herrn.

10Verheert ist das Gefilde, der Boden trauert; denn verheert ist das Getreide, vernichtet der Most, verwelkt der Ölbaum.

11Bestürzt stehen die Ackerleute; es heulen die Winzer um den Weizen und um die Gerste; denn dahin ist die Ernte des Feldes.

12Der Weinstock ist zu Schanden und der Feigenbaum verwelkt; Granate samt Palme und Apfelbaum, alle Bäume des Feldes sind vertrocknet; geschwunden ist die Lust von den Menschenkindern.

13Umgürtet euch [mit Säcken] und trauert, ihr Priester; heulet ihr Diener des Altars; kommet, übernachtet in Säckken Diener meines Gottes; denn es fehlt dem Hause eures Gottes Speiseopfer und Spende.

14Haltet ein Fasten, verkündet eine Volksversammlung, versammelt die Ältesten, all die Bewohner des Landes in das Haus des Herrn eures Gottes und schreiet zum Herrn.

15Ach, über den Tag! denn nah ist der Tag des Herrn; er kommt wie ein mächtiger Wolkenbruch.

16Vor unseren Augen wird die Speise hinweggerafft, aus dem Hause unseres Gottes weicht Freude und Wonne.

17Die Körner faulen unter ihren Schollen, verödet sind die Vorratskammern, zerstört die Speicher, denn vernichtet ist das Getreide.

18Wie ächzet das Vieh, sind verschüchtert die Rinderheerden, denn sie haben keinen Weideplatz; auch die Schafheerden leiden.

19Zu dir, o Herr, rufe ich, denn Feuer verzehrt die Auen der Weide und Flamme verbrennt all die Bäume des Feldes.

20Auch das Vieh des Feldes jammert empor zu dir; denn vertrocknet sind die Wasserquellen, und Feuer hat verzehrt die Auen der Weide.

Kapitel 2

Nach der eingetretenen Verwüstung.

1Stoßet in die Posaune zu Zijon, und blaset Lärm auf meinem heiligen Berg; es erbeben all die Bewohner des Landes, denn es kommt der Tag des Herrn, er ist nahe.

2Ein Tag der Finsternis und des Düsters, ein Tag des Gewölks und des Wetterdunkels, schwarz bedeckt sind die Berge; ein Volk, zahlreich und mächtig, desgleichen noch niemals gewesen und nicht wieder sein wird bis in die Jahre der spätesten Geschlechter.

3Vor ihm her zehrt Feuer und hinter ihm her brennt die Flamme; wie ein Garten Eden ist das Land vor ihm, und hinter ihm eine öde Wüste; keine Rettung ist vor ihm.

4Wie Rosse sehen sie aus und wie Reiter rennen sie.

5Wie Wagengerassel auf den Spitzen der Berge sprengen sie einher, wie das Knistern der die Stoppeln verzehrenden Feuerflamme, wie ein mächtiges, kampfgerüstetes Volk.

6Vor ihm erzittern die Völker, alle Gesichter verdüstern sich.

7Wie Helden rennen sie, wie Kriegsmänner besteigen sie die Mauer und gehen jeglicher seinen Weg; sie weichen nicht ab von ihrer Bahn.

8Keiner drängt den andern, jeder geht in seinem Geleise, und gegen Lanzen rennen sie an und verwunden sich nicht.

9In der Stadt tummeln sie sich umher, auf der Mauer rennen sie, in die Häuser steigen sie ein, durch die Fenster dringen sie ein wie die Diebe.

10Vor ihm erzittert die Erde, erbebt der Himmel, Sonne und Mond verdunkeln sich, und die Sterne ziehen ihr Licht ein.

11Der Herr läßt seine Stimme erschallen vor seinem Heere; denn sehr zahlreich ist sein Lager, mächtig der Vollstrecker seines Befehls; groß ist der Tag des Herrn und sehr furchtbar, wer kann gegen ihn bestehen?

12Auch jetzt noch, spricht der Herr, kehret zurück zu mir mit eurem ganzen Herzen und mit Fasten, mit Weinen und mit Klage.

13Zerreißet euer Herz, aber nicht blos eure Kleider, kehret zurück zum Herrn eurem Gotte; denn gnädig und barmherzig ist er, langmütig und reich an Huld, er bedenkt sich wegen des Unheils.

14Wer weiß? vielleicht bedenkt er sich und läßt nach sich Segen zurück, Speiseopfer und Spende für den Herrn, euren Gott.

15Stoßet in die Posaune in Zijon, haltet ein Fasten, verkündet eine Volksversammlung.

16Versammelt das Volk, lasst die Gemeinde sich rüsten, berufet die Ältesten, versammelt Kinder und Säuglinge; mag ausgehen der Bräutigam aus seinem Zimmer und die Braut aus ihrem Brautgemach.

17Zwischen der Halle und dem Altar sollen die Priester weinen, die Diener des Herrn, und sprechen: Schone, o Herr, dein Volk, und gib nicht dein Erbe der Schmach preis, dass Völker sie beherrschen. Warum soll man unter den Nationen sprechen: Wo ist ihr Gott?

18Der Herr nahm sich seines Landes an und erbarmte sich seines Volkes.

19Der Herr verkündete und sprach zu seinem Volke: Ich sende euch das Getreide, den Most und das Öl, und ihr sollt euch daran sättigen; ich werde euch nicht ferner zur Schmach sein lassen unter den Völkern.

20Und die [Heuschrecken] vom Norden werde ich von euch entfernen und sie stoßen in ein dürres und ödes Land, den Vortrab in das östliche Meer und den Nachtrab in das westliche [mittelländische] Meer, dass ihr Verwesungsgeruch emporsteige und ihr Gestank sich verbreite; wahrlich [Gott] tut Großes.

21Fürchte dich nicht, Erdboden, sondern frohlocke und freue dich; denn der Herr hat Großes getan.

22Fürchtet euch nicht, auch ihr Tiere des Feldes, denn es grünen die Auen der Weide; der Baum reift seine Frucht, der Feigenbaum und der Weinstock geben ihre Kraft.

23Und ihr, Kinder Zijon, frohlocket und freuet euch an dem Herrn, euerm Gotte; denn er gibt euch den segenbringenden Frühregen und läßt euch Regen herabkommen, Frühregen und Spätregen im ersten [Monat].

24Voll werden die Tennen von Korn, und die Kelter fließen über von Most und Öl.

25Ich werde euch erstatten die Jahre, deren Ertrag die Heuschrecke aufgezehrt, der Käfer, der Schroter und die Raupe, mein großes Heer, das ich gegen euch gesandt.

26Ihr werdet essen und satt werden und den Namen des Herrn eures Gottes preisen, der an euch Wunderbares getan; mein Volk soll in Ewigkeit nicht zu Schanden werden.

27Ihr werdet erkennen, dass ich unter Israel weile, dass ich der Herr, euer Gott, bin und keiner sonst. Mein Volk soll in Ewigkeit nicht zu Schanden werden.

Kapitel 3

Das allgemeine Strafgericht.

1Nachher werde ich meinen Geist über alle Geschöpfe ausgießen; es werden weissagen eure Söhne und eure Töchter; eure Alten werden Träume haben, eure Jünglinge werden Gesichte schauen.

2Selbst über die Knechte und die Mägde werde ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen.

3Ich lasse Zeichen am Himmel und auf Erden erscheinen: Blut, Feuer und Rauchsäulen.

4Die Sonne wird sich verwandeln in Finsternis und der Mond wird blutrot, bevor der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare.

5Nur der, welcher benannt wird mit dem Namen des Herrn, wird entrinnen; denn auf dem Berge Zijon und in Jerusalem wird Rettung sein, wie der Herr verheißen hat, und unter den Übriggebliebenen, die der Herr erwählt.

Kapitel 4

Israels Wiederherstellung.

1Denn in jenen Tagen, in jener Zeit will ich Jehuda und Jerusalem wieder herstellen.

2Ich werde versammeln alle Völker und sie hinabführen in das Tal Josafat; dort will ich mit ihnen rechten wegen meines Volkes und meines Erbes Israel, das sie verstreuet unter die Völker, und mein Land haben sie unter sich verteilt.

3Über mein Volk warfen sie das Los, sie gaben hin den Knaben um die Buhlerin, und das Mädchen verkauften sie um Wein und tranken.

4Und auch ihr — Tyrus und Zidon und all ihr Kreise der Philister, was wollt ihr von mir? Wollt ihr für mich Vergeltugn üben oder wollt ihr mir Dienste erweisen? Recht bald werde ich euern Lohn euch auf das Haupt heimzahlen.

5Mein Silber und mein Gold habt ihr genommen und meine schönsten Kostbarkeiten in eure Tempel gebracht;

6Die Judäer und die Jerusalemiter habt ihr an die Jonier verkauft, um sie wegzuführen von ihrer Heimat.

7Ich erwecke sie aber von dem Orte, dahin ihr sie verkauft habt, und zahle euren Lohn euch auf das Haupt heim.

8Ich verkaufe eure söhne und eure Töchter in die Hand der Judäer, und sie sollen sie verkaufen an Sklavenhändler an ein fernes Volk; denn der Herr hat es verheißen.

9Verkündet dies unter den Völkern, rüstet den Krieg, wecket die Helden, herantreten, heraufziehen sollen alle Kriegsleute.

10Schmiedet eure Sicheln zu Schwertern und eure Rebenmesser zu Speeren; der Schwächling spreche: Ein Held bin ich.

11Stürmet heran und kommt, ihr Völker, von allen Seiten und sammelt euch; dort legt der Herr deine Helden nieder.

12Erwachen sollen die Völker und heranziehen in das Tal Josafat, denn dort werde ich sitzen, zu richten all die Völker.

13Leget an die Sichel, denn reif ist die Ernte; kommet, ziehet hinab, denn voll ist die Kelter, die Keller fließen über, groß ist ihre Bosheit.

14Haufen über Haufen kommen an im Tale der Entscheidung; denn nahe ist der Tag des Herrn im Tale der Entscheidung.

15Sonne und Mond verdunkeln sich, und die Sterne ziehen ihr Licht ein.

16Der Herr schreit von Zijon aus und aus Jerusalem läßt er seine Stimme erschallen; es erbeben Himmel und Erde. Aber der Herr ist Zuflucht seinem Volke und eine Veste den Kindern Israel.

17Ihr werdet erkennen, dass ich der Herr euer Gott bin, der auf Zijon, meinem heiligen Berge, thronet; Jerusalem soll ein Heiligtum sein, Fremde sollen es nicht mehr durchziehen.

18An jenem Tage werden die Berge Most träufeln und die Hügel werden Milch strömen, alle Quellen Jehudas Wasser strömen; ein Quell wird ausgehen vom Hause des Herrn und tränken das Tal Sittim.

19Ägypten wird zur Öde werden und Edom zur öden Wüste werden, ob der Gemwalttat gegen die Judäer, in deren Land sie unschuldig Blut vergossen.

20Jehuda aber wird ewig bewohnt sein und Jerusalem bis in die spätesten Geschlechter.

21Ich räche ihr Blut, das ich noch nicht gerächt; der Herr wird thronen in Zijon!

Der Tanach in deutscher Sprache – Inhaltsverzeichnis