Das Buch Kohelet (Prediger) in der (angepassten) Übertragung von Rabbiner Dr. Simon Bernfeld.
Der Prediger, Kohelet. — Dieses Buch enthält Betrachtungen über die Eitelkeit menschlicher Arbeiten und Pläne; was auch immer der Mensch als die Quelle seines Glückes und Segens erstrebt, erweist sich am Ende als nutzlos und trügerisch. So weiß der Mensch, sich selbst überlassen, den rechten Weg zum Glücke nicht zu finden. Der Verfasser schließt deshalb seine Betrachtungen mit der Ermahnung: »Der Inhalt der Rede als Ganzes verstanden: Gott fürchte und seine Gebote wahre, denn dies ist der ganze Mensch. Denn jegliche Tat wird Gott bringen vor das Gericht über alles Verborgene, Gutes wie Böses.« (12,13–14).
Der in der Überschrift erwähnte Kohelet ist König Schlomoh (Salomo). Die philosophischen Betrachtungen sind häufig mit sprichwortartigen Lehren und Grundsätzen verwoben.
Kapitel
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Kapitel 1
1. Worte des Kohelet, Sohnes Davids und Königs in Jerusalem.
2. Eitelkeit der Eitelkeiten! sprach Kohelet, Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel!
3. Was ist des Menschen Vorzug bei all seiner Mühe, womit er sich abmüht unter der Sonne?
4. Ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt, aber die Erde bleibt ewiglich.
5. Die Sonne geht auf und geht unter; nach ihrer Stätte sehnt sie sich, von wo sie wieder aufgeht.
6. Ebenso geht der Wind nach Süden und kreist nach Norden, im Kreise herum, und zu seinen Kreisen kehrt der Wind zurück.
7. All die Flüsse gehen ins Meer und doch wird das Meer nicht voll, denn an den Ort, wohin die Flüsse gehen, dorthin kommen sie immer wieder.
8. All die treibenden Dinge vermag kein Mensch auszusprechen, das Auge wird nicht satt vom Sehen und das Ohr nicht voll vom Hören.
9. Was bisher gewesen ist, das wird immer sein, und was geschehen ist, das wird immer geschehen; nichts Neues gibt es unter der Sonne. —
10. Wohl gibt es manches, von dem man spricht: Sieh, das ist neu! — doch es war längst in den Zeiten, die vor uns gewesen.
11. Die früheren Geschehnisse hat man nicht in der Erinnerung behalten; dasselbe wird auch mit den späteren Dingen sein, deren man in einer noch späteren Zeit nicht mehr gedenken wird.
12. Ich, Kohelet, war König über Israel in Jerusalem.
13. Ich richtete meinen Sinn in Weisheit darauf, nach allem zu forschen und zu spüren, was unter dem Himmel geschieht; ein leidiger Drang ist dies, den Gott den Menschenkindern gegeben, sie damit zu quälen.
14. Ich betrachtete alles Geschehene, was unter der Sonne geschieht, da war alles eitel, ein Haschen nach Wind.
15. Es ist dies ein Fehler, der nicht gut zu machen ist, ein Mangel, der nicht ersetzt werden kann.
16. Ich dachte mir nun also: Ich habe größere und mehr Weisheit erlangt als alle, die vor mit waren über Jerusalem, und mein Herz hat geschaut viel Weisheit und Einsicht.
17. Denn ich richtete meinen Sinn darauf, Weisheit zu erkennen, und auch Weisheit und Unverstand, ich erkannte, dass auch das ein eitles Tun war.
18. Denn bei viel Weisheit ist viel Gram, und wer Kenntnis mehrt, vermehrt sein Weh.
Kapitel 2
1. Da entschloss ich mich, es mit der Freude und mit dem Genuss des Guten zu versuchen; aber auch das war Eitelkeit.
2. Zu dem Spiel sprach ich: Tollheit! und zu der Freude: Was schafft die?
3. Ich beschloss also durch Wein meinen Leib zu laben, mich mit der Weisheit zu beschäftigen und die Weisheit festzuhalten, bis ich sehe, was wohl besser ist den Menschenkindern, das sie tun könnten unter dem Himmel die gezählten Tage ihres Lebens.
4. Ich machte große Werke; ich baute mir Häuser, pflanzte mir Weinberge:
5. Ich machte mir auch Gärten und Lustgehege und pflanzte darin allerlei Fruchtbäume.
6. Ich machte mir Wasserteiche, daraus einen Park zu bewässern in dem alle Bäume wuchsen.
7. Ich kaufte Knechte und Mägde und Hausgeborene hatte ich, auch Herden von Rindern und Schafen hatte ich mehr als alle, die vor mir waren in Jerusalem.
8. Ich sammelte mir auch Silber und Gold, Schätze der Könige und Länder; ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen an und die Wollust der Menschenkinder: Sklavinnen in Menge.
9. Ich war also reicher und mächtiger als alle, die vor mir in Jerusalem waren; überdies verblieb mir meine Weisheit.
10. Nichts, was mein Auge verlangte, entzog ich ihnen, ich versagte meinem Herzen keine Freude; mein Herz erfreute sich all meiner Mühen, denn eben das war mein Anteil an all meiner Mühe.
11. Aber ich wandte mich zu all meinem Tun, das meine Hände gemacht, und zu dem Mühevollen, womit ich mich gemüht, da war alles Eitelkeit und ein Haschen nach dem Wind, und kein Gewinn unter der Sonne.
12. Und ich wandte mich zu beschauen Weisheit und Weisheit und Unverstand — denn welcher Mensch vermag es dem Herrscher nachzutun?
13. Da sah ich wohl, dass die Weisheit einen Vorzug hat vor der Weisheit, wie das Licht einen Vorzug hat vor der Finsternis.
14. Denn der Weise hat seine Augen im Kopfe, und der Narr wandelt im Finstern. Und doch erkannte ich, dass ein Geschick sie alle trifft.
15. Da dachte ich in meinem Sinn. Das Geschick des Narren wird auch mich ereilen, wozu bin ich denn weiser gewesen? Da erkannte ich in meinem Herzen, dass auch das Eitelkeit sei.
16. Denn weder an den Weisen noch an den Narren denkt man ewig, da das vorlängst Gewesene in den kommenden Tagen ganz vergessen ist; wie stirbt doch der Weise mit dem Narren!
17. Ich hasste daher das Leben, denn mir missfiel das, was unter der Sonne geschieht, da alles Eitelkeit und Haschen nach Wind ist.
18. Ich verwarf auch all mein Mühen, womit ich mich gemüht unter der Sonne, da ich es doch einem Menschen werde lassen müssen, der nach mir sein wird. —
19. Und wer weiß, ob es ein Weiser sein wird oder ein Narr, der schalten wird über all meine Mühe, was ich mühsam und weise errungen unter der Sonne! Auch das ist Eitelkeit.
20. Da lenkte ich um in meinem Herzen, zu verzweifeln um alles Mühen, womit ich mich gemüht unter der Sonne.
21. Denn mancher müht sich mit Klugheit und Einsicht und Tüchtigkeit, und einem Menschen, der sich gar nicht darum gemüht, gibt er [die Früchte seiner Arbeit] zu Teil; auch das ist Eitelkeit und ein großes Übel.
22. Denn was hat nun der Mensch für all seine Mühen und das Dichten seines Herzens, womit er sich abmüht unter der Sonne?
23. Dass all seine Tage Leiden waren und Gram sein Treiben, dass er auch in der Nacht keine Ruhe sich gab? Auch das ist also Eitelkeit.
24. Von dem Menschen hängt es nicht einmal ab, ob er esse und trinke und seine Seele Gutes genießen lasse von seiner Mühe. Auch das sehe ich, dass es aus der Hand Gottes kommt; —
25. Denn wer könnte [sonst] essen und wer genießen, wenn nicht ich? —
26. Gewiss, Gott hat dem Menschen, der ihm wohlgefällt, Klugheit, Einsicht und Frohsinn gegeben, und dem Sünder hat er gegeben den Drang zum Sammeln und Einscharren, um es dem Gottgefälligen zu geben. Auch das ist also Eitelkeit und Haschen nach Wind.
Kapitel 3
1. Alles hat seine Zeit; seine Zeit hat jedes Ding unter dem Himmel.
2. Es ist eine bestimmte Zeit für das Gebären und für das Sterben; eine Zeit für das Pflanzen und für das Ausreißen des Gepflanzten.
3. Eine Zeit für das Erschlagen und für das Heilen, eine Zeit für das Einreißen und für das Aufbauen.
4. Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen.
5. Eine Zeit um Steine wegzuwerfen und eine um Steine aufzulesen; eine Zeit Prediger, 3 zum Umarmen und eine Zeit sich von Umarmungen fern zu halten.
6. Eine Zeit zum Aufsuchen und eine Zeit zum Verlorengeben; eine Zeit zum Aufbewahren und eine Zeit zum Wegwerfen.
7. Eine Zeit zum Zerreißen und eine zum Heften; eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden.
8. Eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit Krieg zu führen und eine Zeit des Friedens.
9. Welchen Vorzug hat nun der Geschäftige in dem, worin er sich mühet?
10. Ich sah also, dass Gott den Menschenkindern den Drang sich abzumühen gegeben um sie damit zu quälen.
11. Alles hat er gut gemacht für seine Zeit, gleichwohl hat er die Ewigkeit ihnen in den Sinn gelegt, ohne dass der Mensch an dem Werk, das Gott gemacht, Anfang noch Ende findet.
12. Ich habe erkannt, dass es dabei nichts Besseres gibt, als sich zu freuen und Gutes zu erlangen während seines Lebens
13. Aber auch, dass [der Mensch] esse und trinke und Gutes genieße von seiner Mühe, dass alles eine Gabe Gottes sei.
14. Ich habe erkannt, dass alles, was Gott macht, ewig bleiben wird, hinzu ist nichts zu tun und davon ist nichts zu nehmen; Gott aber hat es so gemacht, dass man sich fürchte vor ihm, [indem man in allem an sein Walten glaubt].
15. Was war, das war längst gewesen, und was noch sein soll, war längst gewesen; so wollte Gott die ewige Ordnung.
16. Und ferner sah ich unter der Sonne, an der Stätte des Rechts das Unrecht, und an der Stätte der Gerechtigkeit die Ungerechtigkeit.
17. Da dachte ich bei mir, den Gerechten und den Ungerechten wird Gott richten; denn jegliches Ding und auch jegliche Tat hat seine Zeit.
18. Ich dachte nach in meinem Herzen wegen der Reden der Menschen, dass Gott sie auserwählt, um einzusehen, dass sie sind, was das Vieh ist.
19. Denn das Geschick der Menschen ist wie das Geschick des Viehes ein Geschick trifft sie alle; wie das stirbt, so stirbt jener; und einen Geist haben sie alle, der Mensch hat keinen Vorzug vor dem Vieh, denn alles ist eitel.
20. Alles geht nach einem Orte, alles ist geworden aus dem Staube, und alles kehrt zurück in den Staub.
21. Wer weiß, ob der Geist der Menschen in die Höhe steigt und der Geist des Viehes in die Tiefe, zur Erde?
22. So erkannte ich, dass nichts besser ist, als dass der Mensch froh sei seiner Werke, denn das ist sein Anteil; denn wer will ihn hinführen, dass er ansehe, was nach ihm sein wird?
Kapitel 4
1. Auch sah ich dagegen alle Gewalttaten, die verübt werden unter der Sonne, und die Tränen der Unterdrückten, ach, denen niemand beisteht: niemand steht ihnen bei gegen die gewaltigen Unterdrücker.
2. Da pries ich glücklicher die Toten, dass sie längst gestorben, als die Lebenden, dass sie noch leben.
3. Und glücklicher als beide, wer noch gar nicht geworden, dass er nicht gesehen das böse Treiben unter der Sonne.
4. Ich erkannte alles Mühen und alle Werktätigkeit, es ist nur die Eifersucht des einen gegen den andern. Auch das ist Eitelkeit und Haschen nach Wind.
5. Der Narr verschränkt seine Hände und isst auch sein Fleisch.
6. Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind. —
7. Dann sah ich wieder eine Eitelkeit unter der Sonne.
8. Da ist ein Einzelner und hat niemanden; er hat weder Sohn noch Bruder, und doch ist seines Mühens kein Ende, auch sein Auge bekommt den Reichtum nicht satt. [Er fragt sich nicht:] Für wen mühe ich mich und lasse es mir an Wohlleben fehlen? Auch das ist Eitelkeit und ein leidiges Ding.
9. Besser ist zu zweien sein als allein, weil ihnen ein guter Lohn wird für ihre Mühe.
10. Denn wenn sie fallen, kann der eine seinen Genossen aufheben; aber weh. dem Einzelnen, wenn er fällt und niemand ist da, ihn aufzuheben.
11. Auch, wenn zwei beisammen schlafen ist ihnen warm, aber wie soll dem Einzelnen warm werden?
12. Den einzelnen kann jemand überwältigen — aber zwei werden vor ihm bestehen, und der dreifache Faden wird erst recht nicht so schnell zerreißen.
13. Besser ein armer aber weiser Jüngling, als ein alter törichter König, der nicht belehrt werden kann.
14. Wie [jener] aus dem Kerker zur Regierung gelangen kann, so ist dieser auch mit seiner Königswürde ein arm Geborener.
15. Ich sah all die Lebenden, die wandeln unter der Sonne, zur Seite des zweiten Kindes [des folgenden Geschlechts], das an seiner Statt auftreten wird.
16. Endlos ist die Menge, die vor ihnen war, aber auch die späteren werden keine Freude an diesem haben; denn auch das ist Eitelkeit und Haschen nach Wind.
17. Wahre deinen Gang, wenn du gehst in das Haus Gottes, da wo er nahe ist auf dich zu hören mehr als ob der Opfergabe des Narren: — wenn sie wollen nicht erkennen, um Böses zu tun.
Kapitel 5
1. Sei nicht mit dem Munde voreilig und mit dem Sinn unüberlegt, auszustoßen ein Wort vor Gott; denn Gott ist im Himmel und du bist auf Erden, darum seien deiner Worte wenig.
2. Denn der Traum zeigt sich in vieler Geschäftigkeit, und die Stimme der Narr in vielen Worten. —
3. Wenn du Gott ein Gelübde abgibst, zögere nicht, es zu erfüllen, denn er hat keine Lust an solchen Narren; was du gelobest, erfülle!
4. Besser, dass du nicht gelobest, als dass du gelobest, und es nicht haltest.
5. Gestatte nicht deinem Munde, deinen Leib in Strafe zu bringen, und sprich nicht vor dem Boten, [der das Gelübde einfordert], dass es ein Versehen war. Warum soll Gott zürnen über deine Stimme und zerstören das Werk deiner Hände?
6. Denn Träume zumeist sind es, Geschwätz und viele Worte; fürchte aber Gott.
7. Wenn du Druck des Armen und Vorenthalten des Rechtes und der Gerechtigkeit in einem Lande siehst, sei darüber nicht bestürzt, denn ein Hoher über den Hohen wacht, und über ihnen die höchste Gewalt.
8. Der Vorzug des Landbaus ist in Allem; ein König über ein Ackerfeld wird auch bedient.
9. Wer das Gold liebt, bekommt das Gold nicht satt, und wer Reichtum liebt, erhält nicht den Ertrag; auch das ist eitel.
10. Ist des Guten viel, sind auch der Esser viel, und welchen Nutzen hat der Besitzer dabei? Nur dass es seine Augen sehen.
11. Süß ist der Schlaf des Arbeiters, er esse wenig oder viel; doch der Überfluss des Reichen lässt ihn nicht schlafen.
12. Es gibt ein arges Übel, ich sah es unter der Sonne: Reichtum, seinem Besitzer zum Unheil bestimmt.
13. Dieser Reichtum geht ihm verloren durch unglückliches Treiben, und er hat einen Sohn gezeugt und hat nicht das Geringste in seiner Hand.
14. So wie er hervorging aus seiner Mutter Schoß, kehrt er nackt wieder zurück, so wie er gekommen; auch nicht das Geringste trägt er davon von seiner Mühe, das er mit sich führte.
15. Das ist gewiss ein arges Übel, dass er ganz, wie er gekommen, weggehen muss, denn welchen Vorzug gewährt es, dass er in den Wind gearbeitet?
16. Doch nur, dass er all seine Lebenstage im Finstern gesessen und sich viel gehärmt, und dass er krank war und Verdruss hatte.
17. Was ich als ein Glück befunden, das anständig ist: Essen und Trinken und Gutes genießen von all der Mühe, die man ermüht unter der Sonne, die gezählten Lebenstage, die Gott einem gegeben, denn das ist sein Teil.
18. Dass jeder Mensch, welchem Gott Reichtum und Güter gegeben und ihm die Macht verliehen, davon zu genießen und seinen Teil hinzunehmen und froh zu werden seiner Mühe, das ist eine Gabe Gottes.
19. Dass nicht viel sind seiner Lebenstage, bedenke er; dass Gott oft darnieder drückt die Freude seines Herzens.
Kapitel 6
1. Es gibt ein Übel, das ich gesehen unter der Sonne, es kommt häufig vor unter den Menschen.
2. Manchem gibt Gott Reichtum, Güter und Ehre, nichts fehlt ihm von allem, was er sich wünscht; aber Gott hat ihm nicht die Macht verliehen, davon zu genießen, sondern ein fremder Mensch wird es dereinst genießen; das ist Eitelkeit und ein böses Übel.
3. Wenn ein solcher hundert Kinder zeugte und viele Jahre lebte und so viel seiner Lebenstage gewesen, sich aber nicht gesättigt hat am Guten und selbst eine Grabstätte ihm nicht geworden, so sage ich: Glücklicher als er ist die Fehlgeburt.
4. Denn ein Nichts ist sie geworden und sie geht hin in Finsternis, und mit Finsternis wird ihr Name bedeckt.
5. Auch hat sie die Sonne nicht erblickt und nicht empfunden; ihr ist gewiss wohler als jenen.
6. Wenn er auch zweitausend Jahre gelebt und hätte kein Gutes genossen — geht nicht alles an einen Ort? —
7. Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund, gleichwohl wird die Gier nicht gestillt.
8. Denn was hat der Kluge voraus vor dem Narren? Dasselbe, das der Arme hat, der die Lebensgenüsse zu würdigen versteht; [erreichen kann er doch nichts].
9. Besser was die Augen sehen, als wonach die Seele verlangt; denn auch das ist Eitelkeit und Haschen nach Wind.
10. Was gewesen ist und dessen Name längst genannt und wohlbekannt ist: dass er nur ein Mensch ist, darum kann er nicht rechten mit dem, der gewaltiger ist als er [mit seinem Schicksal].
11. Denn es gibt viele Dinge, die Eitelkeit mehren; was bringen sie dem Menschen ein?
12. Wer weiß, was dem Menschen gut ist im Leben, die gezählten Tage seines eitlen Lebens, dass er sie hinbringe wie der Schatten? Denn wer will dem Menschen sagen, was nach ihm sein wird unter der Sonne?
Kapitel 7
1. Besser ein guter Name als köstliches Öl; besser der Tag des Todes als der Tag seiner Geburt.
2. Besser man geht in das Haus der Trauer, als in das Haus des Mahls, indem jenes das Ende aller Menschen ist; der Lebende mag sich das zu Herzen nehmen.
3. Besser Betrübnis als Lachen; denn bei trübem Gesicht ist das Herz gut.
4. Das Herz des Weisen ist im Hause der Trauer, und das Herz des Narren im Hause der Freude.
5. Besser auf das Schelten des Weisen zu merken, als Narrenlieder anzuhören.
6. Denn wie das Knistern der Nesseln unter dem Kessel, so ist das Lachen des Narren, auch das ist eitel.
7. Aber der Druck macht zuweilen den Weisen zum Narren, Bestechung bringt um den Verstand.
8. Das Ende einer Sache ist besser als ihr Anfang; besser der Langmütige als der Hochmutige.
9. Sei nicht übereilt in deinem Gemüt zu zürnen, denn Zorn befindet sich nur im Busen der Narren.
10. Sprich nicht: Wie kommt es, dass die früheren Zeiten besser waren als unsere? Denn nicht aus Weisheit fragst du so.
11. Gut ist Weisheit bei Besitz, und ein Vorzug ist es den Sonneschauenden:
12. Dass man im Schatten der Weisheit und auch im Schatten des Geldes weilt; der Vorzug des Wissens ist, wenn die Weisheit ihren Mann nährt.
13. Siehe das Werk Gottes an: Wer kann grade machen, was er gekrümmt?
14. Am Tage des Glückes sei froh, und am Tage des Unglücks bleibe ruhig, — denn dieses dicht an jenem hat Gott gemacht — weil der Mensch nach ihm nicht das Geringste ausfinden kann.
15. Alles habe ich gesehen in meinen nichtigen Tagen: Da war ein Gerechter, der zu Grunde ging in seiner Gerechtigkeit, und ein Frevler, der lange lebte in seiner Bosheit.
16. Sei deshalb nicht zu gerecht und mache dich nicht zu weise, warum willst du zu Schanden werden?
17. Frevle aber auch nicht zu sehr und sei kein Narr; warum willst du sterben vor deiner Zeit?
18. Es ist gut, dass du das eine ergreifst und auch vom andern nicht lässt; denn der Gott fürchtet, sucht alles zu erfüllen. —
19. Die Weisheit gibt Schutz dem Weisen mehr als zehn Gewaltigen.
20. Es ist kein Mensch gerecht auf Erden, der stets das Gute tut und nimmer fehlt! —
21. Horche nicht auf alle Worte, welche man redet, dass du nicht hörest, wenn dein Knecht dir flucht.
22. Denn vielmals auch geschah es — du weißt es — dass auch du anderen fluchtest.
23. All dieses habe ich erprobt mit der Weisheit; ich dachte weife zu fein, aber es war mir fern.
24. Fern blieb, was fern war, und tief, sehr tief, wer will es finden?
25. Ich wandte mich mit meinen Gedanken zu erkunden und zu erspähen und aufzusuchen weise Berechnung, aber nur um zu erfahren Frevel und Dunkel, Weisheit und Wahnsinn.
26. Auch fand ich bitterer als den Tod das Weib, welches eine Falle ist; ihr Herz sist Netze, ihre Hände Bande; wer Gott gefällig ist, entrinnt ihr, aber der Sünder wird gefangen in ihr. —
27. Siehe, das habe ich gefunden, sagte Kohelet, ein um den andern [das Durchschnittsmaß], um die Berechnung zu finden:
28. Die meine Seele stets suchte, die fand ich nicht. Einen [trefflichen] Mann habe ich unter tausend gefunden, aber ein [treffliches] Weib habe ich unter all diesen nicht gefunden.
29. Außerdem habe ich das gefunden: Dass Gott die Männer schlicht geschaffen, sie aber [die Weiber] sind ränkevoll.
Kapitel 8
1. Wer gleicht dem Weisen und wer weiß [gleich ihm] die Erklärung aller Dinge? Die Weisheit des Menschen erleuchtet sein Angesicht, und der Trotz seines Angesichts wird gemildert. —
2. Meinen, des Königs Ausspruch, beobachte, und das wie einen Gottesschwur.
3. Gehe nicht in Taumel von ihm, begib dich auch nicht in Gefahr, denn alles, was er will, tut er.
4. Weil des Königs Wort Macht hat; und wer möchte ihm sagen: Was tust du?
5. Wer das Gebot beobachtet, erfährt nichts Böses, der Sinn des Weisen kennt Zeit und Schicklichkeit.
6. Ja für jegliches Ding gibt es Zeit und Schicklichkeit, aber groß ist das Leid an dem Menschen.
7. Denn wer nicht voraussieht, was sein wird der weiß es nicht, auch wenn es eintrifft.
8. Kein Mensch ist Herr über den Wind, den Wind zurückzuhalten; es gilt keine Gewalt am Tage des Todes, es gilt keine Beute im Kriege, und das Unrecht rettet seinen Herrn nicht.
9. Alles dies sah ich und richtete meinen Sinn auf jegliche Tat, die unter der Sonne geschah, zurzeit, da ein Mensch über den andern zu seinem Unglück Macht hatte.
10. Dann sah ich Frevler begraben und sie waren untergegangen; aber ebenso zogen von heiliger Stätte weg und wurden in derselben Stadt vergessen solche, die recht gehandelt hatten; auch das ist Eitelkeit.
11. Weil nicht rasch vollstreckt wird das Urteil der bösen Tat, darum sinnt das Herz der Menschenkinder, Böses zu tun.
12. Denn der Sünder tut hundert Mal Böses und [Gott] ist langmütig gegen ihn [die Strafe bleibt aus]; dennoch weiß ich, dass es gut sein wird für die Gottesfürchtigen, dass sie sich vor ihm gefürchtet haben.
13. Aber nicht gut wird es für den Frevler sein; er wird nicht lange leben, sondern wie ein Schatten sein, weil er sich nicht gefürchtet hat vor Gott.
14. Es ist eine Eitelkeit, die auf Erden geschieht: Es gibt Gerechte, denen widerfährt nach der Tat der Frevler, und Frevler, denen widerfährt nach der Tat der Gerechten; ich dachte, dass auch das Eitelkeit ist.
15. So lobe ich mir die Freude, denn nichts ist besser für den Menschen unter der Sonne, als zu essen und zu trinken und froh zu sein, und das möge ihn begleiten bei seiner Mühe die Tage seines Lebens, die Gott ihm gegeben unter der Sonne.
16. Als ich meinen Sinn darauf richtete, Weisheit zu erkennen und das Treiben, das auf der Erde geschieht, namentlich dessen zu sehen, der weder bei Tage noch bei Nacht Schlaf in seinen Augen sieht:
17. Da sah ich an allem Werke Gottes, dass der Mensch nicht auszufinden vermag das Werk, das unter der Sonne geschieht; wie sehr sich auch der Mensch Mühe, zu suchen, er wird es nicht finden; und selbst der Weise, wenn er meinte, es zu erkennen, vermag doch nicht, es zu finden.
Kapitel 9
1. Alles dies habe ich mir zu Herzen genommen, wobei mir klar wurde, dass die Gerechten und die Weisen und ihre Werke in Gottes Hand sind, so auch Liebe wie Hass erkennt der Mensch nicht. Alles ist ihnen vorgezeichnet.
2. Alles, wie alles es werden soll. Ein Schicksal erreicht den Gerechten wie den Frevler, den Guten und Reinen wie den Unreinen, den, der opfert, wie den, der nicht opfert, den Guten wie den Sünder, den [falsch] Schwörenden wie den, der einen Schwur scheut.
3. Das ist das Ärgste von allem, was unter der Sonne geschieht, dass ein Schicksal alle erreicht; daher ist auch das Herz der Menschenkinder voll des Bösen, und Weisheit ist in ihrem Herzen bei ihrem Leben, und nach ihm geht es bis in den Tod.
4. Denn wer noch verbunden ist mit dem Leben, hat Hoffnung, einem lebendigen Hunde ist wohler als einem toten Löwen.
5. Denn die Lebenden wissen, dass sie dereinst sterben werden, aber die Toten wissen nicht das Geringste, und sie haben keinen Lohn mehr, denn vergessen ist ihr Andenken.
6. Ihre Liebe wie ihr Hass und ihr Eifer ist längst geschwunden; sie haben keinen Teil mehr an allem, was geschieht unter der Sonne.
7. Geh, iß in Freuden dein Brot und trinke mit frohem Herzen deinen Wein, denn längst hat Gott dein Tun bestimmt.
8. Zu jeder Zeit seien deine Kleider weiß, und Öl fehle nicht an deinem Haupte.
9. Genieße das Leben mit dem Weibe, das du liebst, alle Tage deines eitlen Lebens, die dir gegeben sind unter der Sonne, alle deine eitlen Tage; denn das ist dein Anteil am Leben und an deiner Mühe, womit du dich mühest unter der Sonne.
10. Alles, was du vermagst mit deiner Kraft zu tun, tue! Denn es gibt keine Tat und Berechnung und Kenntnis und Weisheit in dem Grabe, wohin du gehst. —
11. Wiederum sah ich unter der Sonne, dass die Leichtfüßigen nicht entlaufen können, die Starken nicht im Kriege siegen können; die Klugen haben kein Brot und die Einsichtigen keinen Reichtum, die Kundigen keine Gunst, sondern Geschick und Zufall trifft sie alle.
12. Dazu, dass der Mensch nicht einmal sein Geschick kennt: wie die Fische sich verfangen in dem argen Netz, und wie die Vögel gefangen werden in den Schlingen, gleich ihnen werden die Menschenkinder verstrickt zur Zeit des Unglücks, wenn es sie plötzlich überfällt.
13. Wohl sah ich die Weisheit unter der Sonne, groß kam sie mir vor.
14. Gegen eine kleine Stadt mit wenigen Einwohnern kam ein großer König und umringte sie und baute um sie große Bollwerke.
15. Aber er traf darin einen armen Weisen, und dieser rettete die Stadt durch seine Weisheit; doch kein Mensch gedenkt jenes Armen.
16. Da dachte ich, wohl ist Weisheit besser als Stärke, und doch ist die Weisheit des Bettlers verachtet, und seine Worte werden nicht gehört.
17. Worte der Weisen in Ruhe nützen mehr als das Geschrei des Herrschers unter den Narren.
18. Besser Weisheit als Kriegswaffen; aber ein Sünder vernichtet viel Gut.
Kapitel 10
1. Giftige Fliegen machen das Öl des Salbenmischers stinkend und gärend; ein wenig Weisheit verdirbt die Weisheit und den Ruhm.
2. Der Weise hat sein Herz zu seiner Rechten [am richtigen Ort], aber das Herz des Narren ist zu seiner Linken.
3. Auf welchem Wege auch ein Narr geht, fehlt ihm sein Verstand, und er verrät sich allen als ein Narr. —
4. Wenn der Zorn des Herrschers sich wider dich richtet, verlass deinen Ort nicht; denn Nachgiebigkeit beschwichtigt große Vergeben.
5. Es gibt ein Übel, ich sah es unter der Sonne, wie ein Versehen, das dem Herrscher entschlüpft:
6. Dass die Weisheit sehr hoch kommt und Reiche niedrig saßen.
7. Ich sah Knechte auf Rossen und Fürsten auf der Erde gehen, wie Knechte.
8. Wer eine Grube gräbt, der fällt selbst in sie hinein, und wer eine Mauer durchbricht, den beißt eine Schlange.
9. Wer Steine bricht, tut sich wehe daran; wer Holz spaltet, gefährdet sich daran.
10. Wenn das Eisen stumpf ist und er nicht die Schneide schärft, so muss er die Kräfte anstrengen; noch mehr gilt die Fähigkeit der Weisheit.
11. Wenn die Schlange beißt ohne Beschwörung, so hat der Mann mit der Zunge keinen Vorzug.
12. Die Worte vom Munde des Klugen erwerben Gunst; aber die Lippen des Narr bringen ihm Verderben.
13. Der Anfang der Worte seines Mundes ist Weisheit, und das Ende seiner Rede böse Tollheit.
14. Ein Narr macht viele Worte. Aber der Mensch weiß nicht, was sein wird, denn wer kann es ihm sagen, was nach ihm sein wird?
15. Das Mühen des Narren macht ihn matt, er weiß nicht zum Ziele zu gehen.
16. Weh dir, Land, dessen König ein [unreifer] Knabe ist, und dessen Fürsten am Morgen schmausen.
17. Heil dir, Land, dessen König von edler Abkunft ist, und dessen Fürsten zur rechten Zeit essen und in der Tapferkeit und nicht im Trinken [Helden] sind.
18. Durch Trägheit senkt sich das Gebälke, und durch Schlaffheit der Hände regnet es ins Haus hinein.
19. Zur Lust bereiten sie ein Essen und Wein erfreut das Leben, aber das Geld gewährt alles.
20. Auch in deinen Gedanken fluche nicht dem König, und in deinen Schlafgemächern fluche nicht dem Machthaber; denn der Vogel des Himmels entführt den Laut und der Beschwingte verrät das Wort.
Kapitel 11
1. Dass dein Brot über das Wasser O fahren, denn nach vieler Zeit wirst du es wieder finden.
2. Verteile an sieben und auch an acht, denn du weißt nicht, welches Unheil entsteht auf Erden [und es nutzt dir dann]. Wenn sich die Wolken füllen mit Regen, werden sie sich entleeren auf die Erde, und wenn ein Baum fällt im Süden oder Norden, — wohin der Baum fällt, dort bleibt er liegen.
4. Wer den Wind beobachtet, wird nicht säen, und wer die Wolken betrachtet, wird nicht ernten, [der immer zaudert, erreicht nichts]
5. So wie du nicht weißt, welches der Weg des Windes noch die Wehen im Leibe der Schwangeren, so weißt du nicht das Werk Gottes, der alles macht. 6 Am Morgen säe deine Saat, auch am Abend lasse deine Hand nicht rasten; denn du weißt nicht, welches dir gelingt, ob dies oder jenes, oder ob beide zugleich gut werden.
7. Süß ist das Licht und angenehm für die Augen, die Sonne zu sehen.
8. Wenn der Mensch viele Jahre lebt, so freue er sich ihrer aller und denke der Tage der Finsternis [des Todes], dass ihrer viel sein werden; alles, was noch kommt, ist eitel.
9. Freue dich, Jüngling, deiner Kindheit und sei frohen Herzens in den Tagen deiner Jugend, wandle, wohin dich dein Herz zieht, und nach dem, was deine Augen schauen, aber wisse, dass nach all diesem dich Gott ins Gericht führen wird.
10. Schaffe Gram aus deinem Herzen und beseitige das Leiden von deinem Leibe, denn Kindheit und Jugend sind vergänglich.
Kapitel 12
1. Gedenke deines Schöpfers in den Tagen deiner Jugend, ehe denn herankommen die Tage des Leidens, ehe die Jahre herannahen, wo du sprechen wirst: Ich habe keinen Gefallen daran.
2. Ehe denn finster wird die Sonne und das Licht und der Mond und die Sterne, und die Wolken wiederkommen nach dem Regen. [Ehe sich dein Gemüt verdüstert und das Augenlicht abnimmt.]
3. An dem Tage, da die Hüter des Hauses [die Hüfte] wanken und die starken Männer sich krümmen, es feiern die Mahlsteine [die Zähne], weil ihrer immer weniger werden, und es verdunkeln sich die durch die Gitter Schauenden [die Augen].
4. Geschlossen werden die Türen nach dem Markte ob dem dumpfen Rauschen des Mahlens, und erstarret bei dem Tone des Vogels, und gedämpft sind [ihm] alle Töchter des Gesanges. [Ehe denn die Freude an den Lebensgenüssen schwindet.]
5. Auch fürchten sie sich vor jeder Anhöhe, und Schrecknisse sind auf jedem Wege, und es verschmähet die Mandel, und es zeigt sich träge die Heuschrecke, und es versagt das Reizmittel, denn bald geht der Mensch in sein ewiges Haus, und die Klageleute halten einen Umzug auf dem Markte.
6. Ehe denn die silberne Schnur reißt und die goldene Schale bricht und der Krug an dem Quell zertrümmert wird und das Rad zerschlagen an dem Born.
7. Und der Staub zur Erde zurückkehrt, so wie er gewesen, und der Geist kehrt zu Gott, der ihn gegeben. —
8. Eitelkeit der Eitelkeiten, spricht der Kohelet, alles ist Eitelkeit! —
9. Und was mehr beweist, dass Kohelet ein Weiser war: fortwährend lehrte er das Volk Erkenntnis und erwog und forschte, er verfasste viele Sprüche.
10. Kohelet trachtete Wertvolles zu finden, was mit Recht aufgezeichnet wird, Worte der Wahrheit.
11. Worte der Weisen sind wie die Stacheln und wie eingeschlagene Nägel den Menschen auf den richtigen Weg zu leiten der Männer der Versammlungen, die gegeben worden von einem Hirten.
12. Was aber darüber ist, mein Sohn, da lasse dich verwarnen; des vielen Büchermachens nähme kein Ende und vieles Predigen ermüdet den Leib.
13. Der Inhalt der Rede als Ganzes verstanden: Gott fürchte und seine Gebote wahre, denn dies ist der ganze Mensch.
14. Denn jegliche Tat wird Gott bringen vor das Gericht über alles Verborgene, Gutes wie Böses.
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