Megillat Ruth

Ruth  — Das Buch enthält die Geschichte Ruths, einer moabitischen Frau, die durch ihre Heirat mit Boas die Begründerin des Davidischen Hauses wurde. Elimelech aus Bethlehem=Juda verließ mit seiner Frau Naomi und seinen Beiden Söhnen sein Land zur Zeit der Hungersnot, um im Lande Moab zu wohnen. Dort heiraten die beiden Söhne moabitische Frauen, Orpa und Ruth. Elimelech und die beiden Söhne starben. Naomi kehrt nach Juda zurück; Orpa bleibt auf Naomis Wunsch in Moab bei ihrer Familie, aber Ruth besteht darauf, Naomi zu begleiten, indem sie sagt: »Wohin du gehst, will ich gehen, und wo du wohnest, will ich wohnen; dein Volk soll mein Volk sein, und dein Gott mein Gott: wo du stirbst, will ich sterben, und dort will ich begraben werden: so tue der Ewige mir, und noch mehr, — nur der Tod soll dich und mich scheiden« (1,16,17).

Da Naomi ihren Besitz verloren hatte, war Ruth gezwungen, Kornähren auf den Feldern zu sammeln, um sich und ihre Schwiegermutter zu erhalten. Sie sammelte zufällig auf dem Felde des Boas, eines nahen Verwandten des Elimelech. Nachdem Boas sie bemerkt und von ihrem Verhalten gegen Naomi vernommen hatte, heiratete er sie; sein Sohn war Obed; dessen Sohn Jischai, der Vater Davids. So wurden die Tugenden der Ruth, ihre Bescheidenheit, ihre Treue und ihr Fleiß belohnt; dies ist eine der Lehren des Buches. Der Hauptzweck des Buches ist, über die Abstammung des Hauses David zu berichten.

1. Kapitel

1. In der Zeit, in der die Richter [in Israel] regierten, herrschte einst Hungersnot im Lande. Ein Mann aus Betlehem in Judäa wanderte aus, um im Gefilde Moab zu wohnen, er und seine Frau und seine beiden Söhne.
2. Der Mann hieß Elimelech, seine Frau hieß Naomi, und seine Söhne hießen Machlon und Kiljon; sie waren Efrater, das ist aus Betlehem in Judäa. Also kamen sie in das Gebiet Moab und blieben dort.
3. Elimelech, der Ehegatte der Naomi, starb bald, so dass sie allein mit ihren Söhnen zurückblieb.
4. Sie führten Frauen nachhause, Moabiterinnen, die eine hieß Orpa und die andere Ruth. So blieben sie dort etwa zehn Jahre.
5. Aber auch die beiden, Machlon und Kiljon, starben dann, so dass die Frau allein zurückblieb ohne ihren Mann und ohne ihre Söhne.
6. Darauf machte sie sich auf mit ihren Schwiegertöchtern, um von dem Gefilde Moab zurückzukehren, denn daselbst, im Gefilde Moab, hatte sie gehört, dass der Herr sein Volk bedacht und ihm Brot gegeben habe.
7. Sie verließ also den Ort, wo sie bisher gewohnt hatte, sie und ihre beiden Schwiegertöchter; sie wanderten, um nach Judäa zurückzukehren.
8. Da sprach Naomi zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht doch, kehrt um, eine jede in das Haus ihrer Mutter; möge der Herr euch Liebe erweisen, wie ihr den Verstorbenen und mir Liebe erwiesen habt.
9. Gebe der Herr, dass ihr Ruhe [gute Versorgung] findet, eine jede im Hause ihres Mannes. Sie küsste sie darauf, und diese erhoben ihre Stimme und weinten.
10. Sie sprachen darauf zu ihr: Doch! mit dir wollen wir zu deinem Volke gehen.
11. Naomi sprach aber nochmals: Kehret doch um, meine Töchter, wozu wollt ihr mit mir gehen? Hab‘ ich denn noch Söhne in meinem Leibe, dass sie eure Männer werden könnten?
12. Kehret um, meine Töchter, gehet, denn ich bin zu alt, um noch eines Mannes Frau zu werden. Und selbst wenn ich sagen dürfte: Ich habe Hoffnung, ja ich wurde diese Nacht eines Mannes Frau und gebäre auch Söhne,
13. Wolltet ihr auf sie warten, bis sie groß sind? Wolltet ihr euch an sie binden, dass ihr keine anderen Männer heiratet? Nicht doch, meine Töchter, mir ist bitterer zumute als euch; denn ergangen ist über mich die Hand des Herrn.
14. Sie erhoben ihre Stimme und weinten lange. Orpa küsste darauf ihre Schwiegermutter, Ruth aber schloss sich an sie.
15. [Naomi] sprach zu ihr: Deine Schwägerin ist nun heimgekehrt zu ihrem Volke und zu ihren Göttern, kehre auch du heim deiner Schwägerin nach.
16. Ruth jedoch erwiderte: Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, mich von dir abzuwenden; denn wohin du gehest, gehe auch ich, wo du weilest, will auch ich weilen; dein Volk sei mein Volk und dein Gott sei mein Gott.
17. Wo du stirbst, sterbe ich; dort will ich auch begraben werden. So tue mir der Herr und so fahre er fort, nur der Tod wird scheiden zwischen dir und mir.
18. Da [Naomi] sah, dass sie fest entschlossen war, mit ihr zu gehen, so ließ sie ab, ihr abzureden.
19. Also gingen sie beide, bis sie nach Betlehem kamen. Als sie in Betlehem anlangten, liefen alle Leute der Stadt zusammen und fragten: Ist das Naomi?
20. Sie antwortete ihnen. Nennet mich nicht Naomi [die Liebliche], nennet mich Mara [die Verbitterte), denn der Allmächtige hat mir sehr bitteres Leid zugefügt.
21. Ich bin voll weggegangen und leer hat mich der Herr heimgeführt. Warum nennet ihr mich Naomi, da der Herr mich gebeugt und der Allmächtige mir Leid zugefügt hat?
22. So war die Heimkehr der Naomi und ihrer Schnur, der Moabiterin Ruth, welche heimgekehrt waren von den Gefilden Moab. Sie kamen nach Betlehem beim Anfang der Gerstenernte.

2. Kapitel

1. Naomi hatte aber einen Verwandten ihres Mannes, einen mutigen Mann aus dem Geschlechte Elimelech, mit Namen Boas.
2. [Eines Tages] sprach die Moabiterin Ruth zu Naomi: Lasse mich aufs Feld gehen und von den Ähren auflesen hinter dem her, in dessen Augen ich Gunst finde. [Naomi] erwiderte ihr: Geh, meine Tochter.
3. Sie ging nun hin, und las Ähren auf dem Felde hinter den Schnittern, und es führte sie der Zufall in ein Ackerfeld des Boas, der aus dem Geschlechte des Elimelech war.
4. Boas war gerade aus Betlehem gekommen und begrüßte die Schnitter: Der Herr sei mit euch! Sie erwiderten ihm: Es segne dich der Herr!
5. Boas fragte seinen Knecht, der über die Schnitter bestellt war: Wem gehört diese junge Frau?
6. Der Knecht, der über die Schnitter bestellt war, antwortete: Eine moabitische junge Frau ist es, die mit Naomi von den Gefilden Moab heimgekehrt ist.
7. Und sie bat: Laß mich doch auflesen, dass ich sammle von den Garben hinter den Schnittern! So kam sie und blieb seit dem Morgen bis jetzt; nur wenig hat sie daheim geruht.
8. Da sprach Boas zu Ruth: Höre doch, meine Tochter, gehe nicht auflesen in ein anderes Feld, gehe nicht fort von hier und halte dich hier zu meinen Mägden.
9. Richte deinen Blick auf das Feld, wo sie ernten, dass du hinter ihnen hergehst. Ich habe den Knechten befohlen, dass man dich nicht anrühre. Und dürstest du, so gehe zu den Geräten und trinke von dem, was die Knechte schöpfen.
10. Da fiel sie auf ihr Angesicht und beugte sich zur Erde und sprach zu ihm: Weshalb habe ich Gunst gefunden in deinen Augen, dass du mich beachtest, da ich eine Ausländerin bin?
11. Boas antwortete ihr: Wohl ist mir alles berichtet worden, was du an deiner Schwiegermutter getan nach dem Tode deines Mannes, dass du verlassen hast deinen Vater und deine Mutter und dein Geburtsland und zu einem Volke gegangen bist, das du nicht gekannt gestern und ehegestern.
12. Möge dir der Herr deine Tat vergelten und dein Lohn voll sein von dem Herrn, dem Gott Israels, unter dessen Flügeln dich zu bergen du gekommen bist.
13. Sie sprach: Ich habe Gunst gefunden in deinen Augen, mein Herr, denn du hast mich getröstet und zum Herzen deiner Magd geredet, und doch bin ich nicht einmal wie eine deiner Mägde.
14. Als die Essenszeit herankam, sprach Boas zu ihr: Tritt her und iss von dem Brot und tunke deinen Bissen in den Essig. Sie setzte sich darauf neben die Schnitter und er reichte ihr geröstete Ähren; sie aß davon und wurde satt und ließ noch davon.
15. Dann erhob sie sich um aufzulesen. Da befahl Boas seinen Knechten also: Auch zwischen den Garben mag sie auflesen und ihr sollt sie nicht einschüchtern.
16. Auch aus den Bunden spendet ihr, es liegen zu lassen, dass sie es aufhebe; fahret sie nicht an.
17. Also las sie auf dem Felde bis zum Abend und schlug aus, was sie aufgelesen hatte; es war an ein Efa Gerste.
18. Sie nahm es auf und ging in die Stadt, dass ihre Schwiegermutter sehe, was sie aufgelesen hatte. Sie zog hervor und gab ihr, was sie übrig gelassen hatte nach ihrer Sättigung.
19. Da fragte sie ihre Schwiegermutter: Wo hast du heute aufgelesen? Wo hast du geschafft? Gesegnet sei, der dich beachtet hat. [Ruth] nannte ihrer Schwiegermutter den, bei welchem sie geschafft, und sprach: Der Mann, bei dem ich heute geschafft, heißt Boas.
20. Da sprach Naomi zu ihrer Schnur: Gesegnet sei er vom Herrn, der nicht seine Huld läßt gegen die Lebenden wie gegen die Toten! Naomi sprach zu ihr: Verwandt ist uns der Mann, er gehört zu unseren Blutsfreunden (Lösern).
21. Die Moabiterin Ruth berichtete weiter: Auch sprach er zu mir Zu meinen Knechten sollst du dich halten, bis dass sie fertig sind mit meiner ganzen Ernte.
22. Da sprach Naomi zu ihrer Schnur Ruth: Es ist gut, meine Tochter, dass du mit seinen Mägden ausgehst, man könnte dir übel begegnen in einem anderen Feld.
23. Also hielt sie sich zu den Mägden des Boas, um aufzulesen bis zum Ende der Gersten- und der Weizenernte. Sonst wohnte sie aber bei ihrer Schwiegermutter.

3. Kapitel

1. Eines Tages sprach ihre Schwiegermutter Naomi zu ihr: Meine
Tochter, ich möchte dir eine Ruhestatt suchen, wo es dir gutgehe.
2. Und nun ist doch Boas unser Verwandter, mit dessen Mägden du zusammen warst. Er worfelt in der Gerstentenne diese Nacht.
3. So bade dich und salbe dich und lege [gute] Kleider an; dann gehe zur Tenne, dass du von niemandem bemerkt werdest, bis er fertig ist mit Essen und Trinken.
4. Wenn er sich dann hinlegt, so merke dir den Ort, wohin er sich gelegt, und gehe und decke auf zu seinen Füßen und lege dich; er wird dir dann sagen, was du tun sollst.
5. (Ruth) erwiderte: Alles, was du mir rätst, will ich tun.
6. Sie ging zur Tenne und tat alles, wie ihr ihre Schwiegermutter geraten hatte.
7. Boas aß und trank und war fröhlichen Herzens; dann ging er, um sich zu legen an das Ende eines Garbenhaufens. Da kam sie leise und deckte auf zu seinen Füßen und legte sich.
8. Um Mitternacht erschrak der Mann und fuhr zusammen, denn eine Frau lag zu seinen Füßen.
9. Er fragte: Wer bist du? Sie sprach: Ich bin deine Magd Ruth! Breite deine Flügel über deine Magd, denn du bist ein Blutsfreund.
10. Er antwortete ihr: Gesegnet seist du vom Herrn, meine Tochter! Schöner noch hast du deine letzte Liebe gezeigt, als die erste, dass du nicht nachgegangen bist den Jünglingen, armen und reichen.
11. Und nun, meine Tochter, fürchte nichts. Alles, was du sprichst, werde ich tun, denn die ganze Einwohnerschaft dieser Stadt weiß, dass du eine starke Frau bist.
12. Es ist auch richtig, dass ich ein Blutsfreund bin, aber es gibt noch einen Blutsfreund, der näher ist als ich.
13. Bleibe diese Nacht, und am Morgen, wenn er dich löset [heiratet], wohl, mag er dich lösen! Wenn er dich aber nicht zu lösen begehrt, so löse ich dich, so wahr der Herr lebt! Liege bis zum Morgen.
14. Sie lag zu seinen Füßen bis zum Morgen und erhob sich, bevor einer den andern erkennen konnte. Denn er sprach: Es soll nicht bemerkt werden, dass eine Frau in die Tenne gekommen ist.
15. Dann sprach er: Gib her den Mantel, den du anhast, und fasse daran! Sie fasste daran, und er maß sechs [Maß] Gerste und legte es ihr auf; und sie ging in die Stadt.
16. Sie kam zu ihrer Schwiegermutter, die sie fragte: Wie ist es mit dir, meine Tochter? [Ruth] berichtete ihr alles, was ihr der Mann gesagt hatte.
17. Und sie sprach: Diese sechs [Maß Gerste gab er mir; denn, sprach er zu mir, du sollst nicht leer heimkommen zu deiner Schwiegermutter.
18. [Naomi sagte darauf: Bleibe, meine Tochter, bis du erfährst wie die Sache ausfällt; denn der Mann wird nicht rasten, er habe denn die Sache heute beendet.

4. Kapitel

1. Boas aber ging hinauf an das Tor und setzte sich dort; da ging der Blutsfreund (Löser) vorüber, von dem Boas geredet hatte. [Boas] sprach zu ihm: Komm her, setze dich hierher, du der und der! Er kam herzu und setzte sich.
2. [Boas] berief zehn Männer von den Ältesten der Stadt und sprach zu ihnen: Setzet euch hierher. Sie setzten sich.
3. Er sprach nun zu dem Blutsfreund: Das Ackerfeld, das unserm Bruder Elimelech gehört, will Naomi, die heimgekehrt ist von dem Gefilde Moab, verkaufen.
4. Und ich meinte, ich will es dir mitteilen. Kaufe es in Gegenwart der hier Sitzenden und in Gegenwart der Ältesten meines Volkes. Wenn du es einlösen willst, löse; wenn du es aber nicht einlösen willst, sage es mir, dass ich es wisse; denn da ist keiner außer dir zu lösen, ich komme nach dir. Jener erwiderte: Ich will lösen.
5. Boas sprach weiter: Am Tage, da du das Feld kaufst aus der Hand Naomis und von der Moabiterin Ruth, der Frau des Verstorbenen, hast du es [mit der Verpflichtung gekauft, den Namen des Verstorbenen auf seinem Erbe zu erhalten, [du musst also die Ruth heiraten].
6. Da sprach der Blutsfreund: Dann kann ich es nicht lösen, dass ich nicht mein Erbe gefährde. Löse du es für dich, was ich lösen sollte, denn ich kann nicht lösen.
7. Vordem war es nämlich so in Israel: Bei einer Lösung und bei einem Tausch, um irgendetwas zu bestätigen, zog einer den Schuh ab und gab ihn dem anderen; das galt als Zeugnis in Israel.
8. Der Blutsfreund sprach nun zu Boas: Erwirb also! Und zog seinen Schuh ab.
9. Boas sprach darauf zu den Ältesten und allem Volke: Ihr seid heute Zeugen, dass ich gekauft habe alles, was Elimelech gehört, und alles, was Kiljon und Machlon gehört, von der Naomi.
10. Und auch die Moabiterin Ruth, die Frau Machlons, habe ich mir zur Frau erkauft, zu erhalten den Namen des Verstorbenen auf seinem Erbe, dass der Name des Verstorbenen nicht ausgerottet werde unter seinen Brüdern und aus dem Tor seines Ortes. Zeugen seid ihr heute!
11. Da sprach alles Volk im Tor und die Ältesten: Zeugen sind wir! Der Herr mache die Frau, das in dein Haus kommt, wie Rahel und wie Lea, welche beide erbaut haben das Haus Israels, schaffe Macht in Efrata und habe einen Namen in Betlehem.
12 Dein Haus sei wie das Haus des Perez, den Tamar geboren dem Judäa, durch die Nachkommen, die der Herr dir geben wird von dieser jungen Frau.
13. Boas nahm die Ruth und sie wurde seine Frau; er kam zu ihr und der Herr verlieh ihr Schwangerschaft; sie gebar dann einen Sohn.
14. Die Frauen sprachen zu Naomi: Gepriesen sei der Herr, der dir nicht hat ermangeln lassen einen Blutsfreund heute Berühmt werde sein Name in Israel!
15. Er sei dir zur Seelenerquickung und dein Alter zu versorgen: Denn deine Schnur, die dich liebt, hat ihn geboren; sie ist dir besser als sieben Söhne.
16. Naomi nahm das Kind und legte es in ihren Schoß; sie wurde seine Pflegerin.
17. Die Nachbarinnen gaben ihm einen Namen, der sagen sollte: Es wurde ein Sohn geboren der Naomi. Und so nannten sie ihn Obed, das wurde der Vater Isais, des Vaters Davids.
18. Das ist die Geschlechtsreihe des Perez: Perez zeugte Hezron,
19. Hezron zeugte Ram, und Ram zeugte Amminadab;
29. Amminadab zeugte Nachson, und Nachson zeugte Salmon,
21. Salmon zeugte Boas, und Boas zeugte Obed;
22. Obed zeugte Isai, und Isai zeugte David.

Der Tanach

Der vollständige Tanach in deutscher Übersetzung