Ijow – Das Buch Hiob

Das Buch Ijow (Hiob) in der (angepassten) Übertragung von Rabbiner Dr. Simon Bernfeld.

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Überblick über das Buch Hiob

Hiob, Ijow — Das Buch Hiob besteht aus folgenden drei Teilen:

a) Einleitung (1. und 2.). — Gott wird bildlich als Gebieter eines Ministerrats (»Söhne Gottes«) dargestellt, in dem auch der Ankläger [Satan] »der Hinderer«, (einer, der dem Gottesworte feindlich ist) erscheint. Während Gott die Frömmigkeit Hiobs pries, bezweifelte der Ankläger die Reinheit seines Herzens und vermutete, dass Hiob nicht länger fromm sein würde, wenn ihn irgendein Unglück träfe; Hiob, harten Versuchungen ausgesetzt, blieb fest in seinem Glauben an Gott. »Nackt kam ich hervor aus meiner Mutter Schoß, und nackt werde ich dahin zurückkehren; der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen: der Name des Herrn sei gepriesen« (1,21). »Haut um Haut«, sagte der Ankläger, und alles was der Mensch hat, gibt er für sein Leben; aber strecke jetzt    deine Hand aus und berühre sein Bein und sein Fleisch: sicherlich er wird sich von dir lossagen« (2, 5). Der Versuch wurde gebilligt. Und als Hiobs Weib überrascht war, dass Hiob noch festhielt an seiner Lauterkeit, und sagte: »Sage dich los von Gott und stirb«, antwortete er: »Du sprichst wie eine der bösen Frauen. Sollen wir das Gute annehmen und das Böse nicht annehmen?« — »Bei alledem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen und fand an Gott nichts zu tadeln« (1,22). Seine Freunde kamen, um ihn zu besuchen, fühlten sich aber so unglücklich, dass sie sieben Tage bei ihm saßen, ohne ein Wort zu sprechen.

b) Gespräche zwischen Hiob und seinen Freunden Eliphas, Bildad, Zophar und Elihu; Hiob versichert seine Unschuld und ist demgemäß nicht imstande, die Gerechtigkeit seiner Leiden einzusehen; seine Freunde behaupten, er habe gesündigt und sei gerechterweise bestraft worden; Elihu versucht, Hiobs Leiden zu rechtfertigen, sie seien nur eine von Gott gesandte Mahnung, dass Hiob gesündigt habe und Versöhnung mit Gott suchen müsse, der allweise, allgütig und allmächtig sei; Gott spricht zu Hiob und zeigt ihm, dass der Mensch unfähig sei, die göttliche Macht und Weisheit in der Schöpfung und in der Regierung des Weltalls zu verstehen; hierauf bereut Hiob.

c) Schluß. — Gott tadelt Hiobs Freunde, dass sie nicht richtig gesprochen haben wie sein Diener Hiob (42,7), und verschafft Hiob reichlichen Ersatz für seine Leiden und Verluste.

Das Buch hat keine Überschrift; deshalb wissen wir nicht, von wem und wann es geschrieben wurde. Im Talmud indessen findet sich eine Überlieferung, nach der Moses das Buch Hiob geschrieben habe (Baba Batra 14b). Auch von Hiob selbst lässt sich unmöglich feststellen, wann er lebte. Aber die Beschreibung seines Reichtums und die Länge seines Lebens lässt uns an die Zeit der Patriarchen denken. Sein Name wird, nur noch einmal in der Bibel erwähnt. Der Prophet Hesekiel nennt ihn neben Noach und Daniel als einen frommen Mann, der sich durch seine Frömmigkeit in der Zeit der Not retten würde, wenn er auch sein Geschlecht nicht retten könnte (Hesek. 14, ,4).  Nach einer Ansicht existierte Hiob überhaupt nicht: »Hiob hat nie existiert; die ganze Erzählung ist eine Allegorie« (Baba Batra 15 a).

Der Ausspruch kann sich nur auf den genauen Bericht der Art und Weise, wie das Unglück über Hiob kam, beziehen und auf die poetischen Reden Hiobs und seiner Freunde. Aber es ist nicht zu leugnen, dass ein frommer Mann namens Hiob lebte und dem Unglück entging, dem andre unterlagen; denn offenbar bezieht sich Hesekiel auf wirkliche, nicht auf er dichtete Persönlichkeiten. Hiob und seine Freunde waren keine Israeliten. Der Patriarch lebte im Lande Uz in Arabien; die Freunde kamen von Teman, Schuach, Naama und Buz, aus dem Süden, Osten, Westen und Norden von Uz. Wie das Buch Jona enthält dieses Buch die Lehre: »Die Frommen aller Nationen haben Anteil an der zukünftigen Welt« (Maim. Mischne-Tora I. Hilchot Teschuwa 3, 5). Gott belohnt die Frommen aller Nationen, bestraft die, welche Bestrafung verdienen, und verzeiht den Reumütigen.

Die Einleitung und der Schluss sind in Prosa geschrieben, aber der Hauptteil des Buches ist poetisch und demgemäß der Parallelismus ein hervorragender Zug des Buches.

Kapitel 1

1.Es war ein Mann im Lande Uz, mit Namen Ijow. Es war dies ein gerechter und redlicher Mann, gottesfürchtig und das Böse meidend.
2.Es wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter geboren.
3.Er besaß an Vieh: siebentausend Schafe, dreitausend Kamele, fünfhundert paar Rinder, fünfhundert Eselinnen und ein sehr großes Anwesen. Dieser Mann war somit angesehener als alle Männer des Morgenlandes.
4.Seine Söhne pflegten sich jeden Tag im Hause eines von ihnen einzufinden und ein Mahl abzuhalten; auch schickten sie hin und luden ihre drei Schwestern, mit ihnen zu essen und zu trinken.
5.Wenn die Tage des Gastmahls um waren, schickte Ijow hin und rüstete sie und machte sich am andern Morgen auf und brachte Ganzopfer nach der Zahl aller; denn, dachte Ijow, vielleicht haben meine Kinder gesündigt und Gott gelästert in ihrem Herzen. So machte es Ijow alle Zeit.
6.Eines Tages fanden sich die göttlichen Wesen ein, sich vor den Herrn zu stellen; es befand sich auch der Satan unter ihnen.
7.Der Herr sprach zum Satan: Wo kommst du her? Da antwortete der Satan dem Herrn und sprach: Ich habe die Erde durchstreift und durchwandert.
8.Da fragte der Herr den Satan: Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Ijow, dass keiner ist auf Erden wie er, gerecht und redlich, gottesfürchtig und das Böse meidend?
9.Da antwortete der Satan dem Herrn und sprach: Fürchtet Ijow Gott ohne Grund?
10.Du hast ja eingehegt ihn, sein Haus und alles, was sein ist, insgesamt. Seiner Hände Werk hast du gesegnet und seine Herde ist im Lande mächtig stark.
11.Doch strecke nur deine Hand aus und rühre etwas von dem Seinigen an – ob er dich nicht ins Angesicht lästern werde?
12.Da sprach der Herr zum Satan: All das Seine ist in deiner Macht; nur an ihn lege nicht deine Hand! – Der Satan ging fort von dem Herrn.
13.Eines Tages, als [Ijows] Söhne und Töchter aßen und Wein tranken im Hause ihres ältesten Bruders,
14.Da kam ein Bote zu Ijow und berichtete: Die Rinder pflügten und die Eselinnen weideten an ihrer Seite,
15.Da fielen Leute von Saba ein und führten sie fort, und die Burschen schlugen sie mit der Schärfe des Schwertes; nur ich allein entrann, um es dir zu melden.
16.Noch redete dieser, kam ein anderer und meldete: Ein mächtiges Feuer fiel vom Himmel und entzündete die Schafe und die Buben und verzehrte sie; nur ich allein entrann, um es dir zu melden.
17.Noch redete dieser, kam ein anderer und meldete: Die Chaldäer stellten drei Haufen auf und überfielen die Kamele und führten sie fort, und die Burschen schlugen sie mit der Schärfe des Schwertes; ich allein entrann, um es dir zu melden.
18.Noch redete dieser kam ein anderer und erzählte: Deine Söhne und deine Töchter aßen und tranken Wein im Hause ihres ältesten Bruders,
19.Da kam ein gewaltiger Wind über die Wüste her und erfasste die vier Zinnen des Hauses, dass es über die jungen Leute einstürzte und sie starben; nur ich allein entrann, um es dir zu melden.
20.Da erhob sich Ijow, zerriss sein Oberkleid, raufte sich das Haar und fiel zur Erde nieder
21.Und sprach: Nackt kam ich aus dem Leibe meiner Mutter und nackt werde ich dorthin zurückkehren! Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; der Name des Herrn sei gepriesen!
22.Bei all dem sündigte Ijow nicht und sprach nichts Lästerliches aus gegen Gott.

Kapitel 2

1.Eines Tages fanden sich die göttlichen Wesen wieder vor dem Herrn ein, und auch der Satan war wieder unter ihnen, sich vor den Herrn zu stellen.
2.Der Herr sprach zum Satan: Von wo kommst du her? Da antwortete der Satan dem Herrn und sprach: Ich durchwanderte die Erde und durchstreifte sie.
3.Da fragte der Herr den Satan: Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Ijow, dass keiner ist auf Erden wie er, gerecht und redlich, gottesfürchtig und das Böse meidend? Er hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du hast mich wider ihn gereizt, ihn unverdient zu verderben.
4.Da antwortete der Satan dem Herrn und sprach: Haut vor Haut1Der Mensch ist unempfindlich, so lange es ihn nicht selbst betrifft., und alles, was der Mensch hat, gibt er für sein Leben.
5.Doch strecke nur deine Hand aus und rühre sein Bein und sein Fleisch an, ob er dich nicht ins Angesicht lästern werde.
6.Da sprach der Herr zum Satan: Er ist in deiner Hand, nur sein Leben schone!
7.Der Satan ging fort von dem Herrn und schlug Ijow mit bösem Geschwür von den Fußsohlen bis zum Scheitel.
8.Er nahm sich eine Scherbe, um sich damit zu schaben; er saß wie in Asche.
9.Es sprach sein Weib zu ihm: Noch hältst du fest an deiner Frömmigkeit? Lästere Gott und stirb!
10.Da sprach er zu ihr: Du redest wie eine Niederträchtige! Das Gute wollen wir von Gott annehmen, aber das Böse wollten wir nicht annehmen? Bei all dem sündigte also Ijow nicht mit seinen Lippen.
11.Die drei Freunde Ijows hörten all dieses Unglück, das über ihn gekommen. Sie kamen jeder von seinem Orte, Elifas aus Teman, Bildad aus Suah und Zofar aus Naama; sie trafen zusammen, um hinzugehen, ihm ihr Mitleid zu bezeugen und ihn zu trösten.
12.Da hoben sie ihre Augen auf von ferne und erkannten ihn nicht. Sie erhoben darauf ihre Stimme und weinten. Sie zerrissen ihr Oberkleid und streuten Staub über ihre Häupter himmelwärts. 13.So saßen sie bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte, keiner redete zu ihm ein Wort, da sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Kapitel 3

1.Nachher tat Ijow seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.
2.Ijow hub an und sprach:
3.Es verschwinde der Tag, an dem ich geboren wurde, und die Nacht, in der man gesprochen hat: Ein Knabe wurde empfangen!
4.Dieser Tag bleibe finster, es frage nicht nach ihm Gott in der Höhe, und das Licht bescheine ihn nicht.
5.Er falle der Finsternis und den Todesschatten anheim, dichtes Gewölk lagere über ihm, und die Tagesverdüsterer verbreiten an ihm Schrecken.
6.Jene Nacht — dichte Finsternis bemächtige sich ihrer, sie werde nicht in den Tagen des Jahres mitgerechnet und in die Zahl der Monde werde sie nicht mit aufgenommen2Ijow verflucht den Tag seiner Geburt, dass er aus der Zeitrechnung verschwinden möge..
7.Diese Nacht bleibe öde, es komme kein Jubel in sie,
8.Es mögen sie jene verfluchen, die den Tag verwünschen, welche bereit sind, den Drachen [Leviatan] zu erregen.
9.Es mögen sich verfinstern die Sterne ihrer Dämmerung, sie hoffe auf Licht und keines komme, niemals erblicke sie das Heranbrechen der Morgenröte.
10.Weil man nicht die Pforten meines Mutterleibes verschlossen, dass mir das Mühsal erspart geblieben wäre.
11.Warum starb ich nicht vom Mutterschoße weg? Wie ich aus dem Leibe kam, wäre ich doch da verschieden!
12.Warum nahm mich der Schoß auf, und wozu sog ich die Brüste?
13.Ich könnte liegen und ruhen, ich schliefe und es wäre mir wohl.
14. Mit Königen und Gebietern der Erde, die sich Grabstätten errichteten,
15.Oder bei Vornehmen, die Gold hatten, die ihre Häuser füllten mit Silber.
16.Oder ich wäre überhaupt nicht da, wie eine verscharrte Fehlgeburt, wie die jungen Wesen, die noch nicht das Licht erblickt haben.
17.Dort hören die Ruchlosen auf zu toben, und die Kraftlosen ruhen aus.
18.Alle Gefesselten rasten, sie hören nicht die Stimme des Drängers.
19.Klein und groß sind dort gleich, und der Sklave ist frei von seinem Herrn.
20.Warum gibt er den Unglücklichen das Licht und Leben den erbitterten Gemütern? 21.Die des Todes harren und er kommt nicht; sie suchen nach ihm mehr als nach Schätzen.
22.Denen, die sehr froh wären und frohlockt hätten, wenn sie das Grab fänden.
23.Dem Manne, dessen Weg verborgen ist, dem Gott [den Weg] versperrt hat.
24.Denn statt meiner Speise kam mein Gestöhn, und meine Klagen ergießen sich wie Wasser.
25.Denn das, wovor ich gezittert, traf mich; was ich gefürchtet, kam über mich.
26.Noch hatte ich keine Ruhe, keine Rast und keine Erholung, und da kam der Schrecken.

Kapitel 4

1.Darauf hub Elifas aus Teman an und sprach:
2.Sollen wir einen Spruch wagen gegen dich; du wirst wohl ungeduldig werden? Doch wer vermag die Worte zurückzuhalten?
3.Du belehrtest ja viele, und erschlaffte Hände stärktest du.
4.Den Fallenden richteten deine Worte auf und wankende Knie kräftigtest du.
5.Doch nun ist [das Missgeschick] über dich gekommen und du zeigst dich schwach, es erreichte dich und du bist bestürzt.
6.Deine Gottesfurcht sollte doch dein Vertrauen sein, und deine Hoffnung dein redlicher Weg.
7.Bedenke doch, wer ist schuldlos umgekommen? Und wann sind die Redlichen je vertilgt worden?
8.Wie ich gesehen habe, dass nur solche, die Unheil gepflügt und Verderben gesät, es auch geerntet.
9.Vom Odem Gottes kamen sie um, und von seiner Zornesglut vergingen sie.
10.Gebrüll des Löwen und Schrei des Leoparden — aber das Gebiss des Junglöwen wurde zerschmettert!
11.Der Löwe geht zu Grunde aus Mangel an Nahrung, und die jungen Löwen werden versprengt.
12.Aber zu mir kam verstohlen ein Spruch, und mein Ohr vernahm ein Geflüster davon;
13.In den Träumereien der Nachtgeschichte, wenn Betäubung die Menschen befällt.
14.Da wandelte mich Furcht und Beben an, und all mein Gebein erschauerte.
15.Ein Geist schwebte an mir vorüber, es sträubte sich das Haar meines Leibes.
16.Es stand etwas da, ich erkannte nicht sein Aussehen, ein Gebild war vor meinen Augen, ich hörte eine Stimme:
17.Ist wohl der Mensch gerecht vor Gott oder rein der Mann vor seinem Schöpfer?
18.Seinen Dienern trauet er nicht und seine Engel tadelt er.
19.Wie vielmehr die Bewohner der Lehmhütte, gegründet im Staube, die gleich Mottenfraß verwittern;
20.Die zwischen Morgen und Abend zertrümmert sind, unversehens auf immer dahinschwinden.
21.Ist ihr Zeltstrick ihnen abgerissen, so sterben sie in ihrem Unverstand.

Kapitel 5

1.Rufe nur, ob dir jemand zustimmend antwortet, zu welchem der Heiligen
du dich auch immer wenden magst.
2.Führwahr, den Toren bringt sein Ärger um, und den Albernen tötet seine Erregtheit.
3.Ich sah wohl einen Toren Wurzel schlagen, aber auch seine Wohnung wird plötzlich verflucht sein.
4.Fern bleiben seine Söhne vom Heil und werden unterdrückt am Tore, niemand rettet sie.
5.Seine Ernte isst der Hungrige und aus den Dornhecken hervor holt er sie; der Räuber schnappt nach seinem Erwerbe.
6.Fürwahr, aus dem Staube geht nicht das Elend hervor, noch entsprießt dem Erdboden das Unheil.
7.Nur der Mensch wird [durch seine Missetaten] zum Elend geboren, wie die Feuerfänger [mit Notwendigkeit] in die Höhe fliegen.
8.Ich aber wandte mich an Gott; Gott stellte ich meine Sache anheim.
9.Der Großes tut ohne Grenzen, Wunderbares ohne Zahl.
10.Der Regen gibt auf die Erde und Wasser auf die Fluren sendet.
11.Der die Niederen in die Höhe bringt und die Trauernden durch Heil stärken lässt.
12.Er vereitelt die Anschläge der Listigen, und ihre Hände vollführen nichts.
13. Er fängt die Klugen in ihrer List, und der Ratschluss der Ränkevollen wird übereilt.
14.Am hellen Tage stoßen sie auf Finsternis und wie zur Nachtzeit tappen sie am Mittage.
15.Er rettet vom Schwerte, von ihrem Munde, und aus der Gewaltigen Hand den Armen.
16.Dem Niedrigen wird Hoffnung, und der Frevelmut schließt den Mund.
17.Wohl dem Menschen, den Gott straft. So verwirf denn nicht des Allmächtigen Zucht!
18.Denn er verwundet und verbindet; er schlägt und seine Hände heilen.
19.In sechs Nöten rettet er dich, auch in der siebenten kommt das Übel nicht an dich.
20.In Hungersnot löset er dich vom Tode und im Kriege von dem Schwerte.
21.Vor der bösen Zunge bist du geborgen, und du hast nichts zu fürchten, wenn die Verheerung kommt.
22.Der Verheerung und des Hungers kannst du lachen, und vor den wilden Tieren des Landes brauchst du dich nicht zu fürchten.
23.Denn mit den Steinen des Feldes bist du im Bunde und die Tiere des Feldes haben mit dir Frieden gemacht.
24.So bist du gewiss, dass deine Hütte friedlich ist, und du musterst deine Behausung, es fehlt nichts.
25.Du bist gewiss, dass deine Nachkommenschaft zahlreich wird, und deine Sprösslinge wie das Kraut der Erde.
26.Du gehst im Alter zu Grabe, wie der Garbenhaufen eingefahren wird zur Zeit.
27.Das haben wir erforscht, so ist es! Vernimm und merk es auch du.

Kapitel 6

1.Ijow antwortete darauf und sprach:
2.Könnte doch mein Gram gewogen werden und zusammen mit meinem Unglück in die Waagschale gehoben werden.
3.Es wäre dies schwerer als der Sand der Meere; darum sind meine Worte verworren.
4.Denn des Allmächtigen Pfeile stecken in mir deren Gift mein Gemüt trinkt; die Schrecken Gottes sind gerüstet gegen mich.
5.Schreit der Waldesel auf der Weide? Brüllt der Ochse bei seinem Futter?
6.Kann hingegen Fades, Ungesalzenes gegessen werden? Ist denn Wohlgeschmack in dem Eiweiß?
7.Was ich [früher] nicht anrühren wollte, ist jetzt meine Schmerzensspeise.
8.O dass mein Wunsch einträfe, dass Gott meine Hoffnung gewährte!
9.Wollte Gott mich zermalmen, seine Hand hinstrecken und mich zerschmettern.
10.Das wäre noch mein Trost, ich würde im Schmerz mich freuen — dass er mich nicht schont, da ich niemals verleugnet die Gebote des Heiligen.
11.Was ist meine Kraft, dass ich noch hoffte, und mein Ziel, dass ich duldete?
12.Ist denn meine Kraft wie die des Steines und mein Leben ehern?
13.Ist doch keine Hilfe mehr für mich und Heil mir entrückt.
14.Dem von seinen Freunden Abgefallenen wird noch Gnade gewährt, auch wenn er die Furcht vor dem Allmächtigen verließ.
15.Meine Freunde aber waren treulos wie Flüsse, wie Bäche der Täler verschwinden sie.
16.Wie jene, die trübe sind von Eis, in denen der Schnee sich birgt.
17.Zur Zeit, wo sie erhitzt werden, versiegen sie; wenn sie erglühen, verschwinden sie von ihrer Stätte.
18.Es winden sich die Pfade ihres Laufes und dann gehen sie in nichts auf und verlieren sich.
19.Es schauen aus die Wanderer Temas, die Karawanen von Saba hoffen auf sie.
20.Aber sie bleiben beschämt stehen, da sie [vergebens] vertraut haben; wie sie da herangekommen sind, erröten sie.
21.Fürwahr, so seid ihr mir geworden; ihr saht den Zusammenbruch und seid erschrocken.
22.Sagt ich aber denn: Gebt mir etwas, und aus eurem Vermögen steuert für mich?
23.Rettet mich von Feindes Hand und löset mich aus der Hand der Übermütigen?
24.Belehret mich, und ich will schweigen, und worin ich gefehlt, erkläret mir.
25.Wie eindringlich sind richtige Reden! Aber was wollt ihr mich zurechtweisen?
26.Denkt ihr, mit [leeren] Worten zurechtweisen zu können und mit ihnen in den Wind zu schlagen die Worte des Verzweifelten?
27.Selbst über eine Waise würdet ihr das Loos werfen und über euren Freund verhandeln.
28.Und nun möchtet ihr mich doch nur anblicken — ich werde euch ins Gesicht gewiss nicht lügen.
29.Kehret um, dass kein Unrecht sei, kehret um noch einmal! Ich habe doch nur recht dabei.
30.Oder ist Unrecht auf meiner Zunge? Kann mein Gaumen nicht Frevelhaftes unterscheiden?

Kapitel 7

1.Hat doch der Mensch nur eine bestimmte Zeit auf Erden, wie des Löhners Tage sind auch seine Tage.
2.Wie der Knecht nach dem Schatten [nach der Ruhe der Nacht] lechzt, und der Löhner seinen Werklohn erwartet.
3.So wurden mir Monde des Ungemachs zugeteilt und Nächte des Mühsals mir zugezählt.
4.Lege ich mich, so spreche ich: Wann steh ich doch auf, und hat der Abend seinen Lauf beendet, so wälze ich mich zum Überfluss bis zur Abenddämmerung.
5.Mein Leib ist gekleidet in Gewürm und Erdkruste, meine Haut birst und zergeht.
6.Meine Tage eilen schneller als ein Gewebe, sie gehen hoffnungslos dahin.
7. Bedenke, dass mein Leben ein Hauch ist, mein Auge wird nie wieder das Glück schauen.
8.Es erblickt mich dann nicht mehr des Schauenden Auge, deine Augen suchen mich und ich bin nicht mehr.
9.Wie die Wolke vergeht und schwindet, so vergeht, der in die Gruft sinkt.
10.Er kehrt nicht mehr in sein Haus zurück, und seine Stätte kennt ihn nicht wieder.
11.Deshalb will ich auch meinem Munde nicht wehren, ich will reden in meines Herzens Drangsal und klagen mit betrübtem Gemüte!
12.Bin ich ein Meer- oder ein Seeungeheuer, dass du um mich eine Hut stellst?
13.Denn, denk ich: Mein Bett wird mir Linderung bringen, meine Lagerstätte meinen Jammer mir tragen helfen.
14.Da schreckst du mich mit Träumen, und mit Nachtgesichten ängstigst du mich.
15.Dass ich mich erwürgen möchte, lieber den Tod als mein Gerippe.
16.Ich schwinde dahin, ich werde nicht ewig leben; laß auch du von mir, denn ein Dunst sind meine Tage.
17.Was ist ein Mensch, dass du ihn so groß achtest und auf ihn deinen Sinn richtest?
18.Dass du ihn jeden Morgen heimsuchst und jeden Augenblick prüfst?
19.Wann endlich wendest du dich von mir ab und lässt mich, bis ich meinen Speichel verschlucke?
20.Habe ich gesündigt, habe ich dir etwas getan, o Beobachter des Menschen? Warum hast du mich hingestellt dir zum Angriffspunkt, dass ich mir selbst zur Last wurde?
21.Und warum hebst du nicht weg meine Missetat und schaffest fort meine Schuld? Denn nun läge ich im Staube, und suchtest du mich, ich wäre nicht da.

Kapitel 8

1.Darauf antwortete Bildad aus Suah und sprach:
2.Wie lange noch wirst du solches reden, dass die Worte deines Mundes wie ein starker Wind stürmen?
3.Sollte Gott das Recht krümmen? Der Allmächtige die Gerechtigkeit krümmen?
4.Haben deine Kinder gegen ihn gesündigt, so ließ er sie hinfahren wegen ihrer Missetat.
5.Wenn du Gott suchst und zum Allmächtigen flehst,
6.Wenn du lauter und redlich bleibst, so wird er für dich wachen und deine schuldlose Wohnung wiederherstellen.
7.Dein Anfang wird gering sein, aber deine Zukunft sehr hoch aufsteigen.
8.Denn frage nur an bei früheren Geschlechtern und richte dich danach, was die Väter erforscht haben.
9.(Denn von gestern sind wir und wissen nichts; wie ein Schatten sind unsere Tage auf Erden.}
10.Wahrlich, die werden belehrend zu dir sprechen und aus ihrem Herzen Worte hervorbringen.
11.Wächst Schilf, wo kein Sumpf ist? Schießt das Ried ohne Wasser auf?
12.Noch istes im Grünen, dass es nicht abgepflückt werden darf, und gleich altem Grase verdorret es.
13.Also ergeht es allen Gottvergessenen; des Ruchlosen Hoffnung wird zu Nichte.
14.Ein Sommerfaden ist dessen Vertrauen, und ein Spinngewebe seine Zuversicht.
15.Er lehnt sich an sein Haus, er steht nicht; er hält sich daran, er bleibt nicht aufrecht.
16.Saftvoll steht er da vor der Sonne, und über seinen Garten ragt sein Gespross heraus.
17.Auf dem Geröll verschlingen sich seine Wurzeln, an dem Steingemäuer sieht man ihn.
18.Bald aber reißt er ihn aus seiner Stätte, dass sie ihn verleugnet: Ich habe dich nie gesehen!
19.So ist seine glückliche Laufbahn! Aus diesem Staube entsprießen bald andere.
20.Fürwahr, Gott verwirft den Unschuldigen nicht und stützt nicht die Bösen.
21.Bald füllt sich dein Mund mit Lachen und deine Lippen mit Jubel;
22.Deine Hasser kleiden sich in Schmach, und das Zelt der Frevler verschwindet.

Kapitel 9

1.Ijow antwortete darauf und sprach:
2.Ich weiß, dass es so ist, dass der Mensch gegen Gott nicht Recht behält.
3.Begehrte er mit ihm zu rechten, er würde ihn nicht zum Antworten bringen auf eines von tausend.
4.Er ist weisen Sinnes und gewaltiger Stärke, wer trotzte ihm und blieb je unversehrt?
5.Er, der unvermerkt Berge versetzt, er kehrt sie in seinem Grimm um.
6.Der die Erde von ihrer Stelle aufrüttelt, dass ihre Säulen erbeben;
7.Der der Sonne befiehlt, dass sie nicht aufgehe, und die Sterne versiegelt er;
8.Der den Himmel allein spannte und über des Meeres Höhen [Wogen] einherschreitet;
9.Der den Bären schuf, den Orion und die Plejaden und des Südens Kammern;
10.Der Großes tut ohne Grenzen und Wunderbares, nicht zu zählen:
11.Er zieht an mir vorbei, ich sehe nichts; er schwebt dahin, ich merke nichts von ihm.
12.Er rafft hin, wer will ihn zurückholen? Wer darf zu ihm sprechen: Was tust du?
13.Wenn Gott seinen Zorn nicht wendet, sinken vor ihm die Stützen des Hochmuts.
14.Zumal ich, dass ich ihm erwiderte, meine Worte sollte wählen gegen ihn.
15.Da ich niemals [trotzig] erwiderte, selbst wo ich gerecht war; meine Richter flehte ich nur an.
16.Wenn ich rufe, würde er antworten? Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört.
17.Er, der im Sturme mich niederschmettert und meine Wunden mehrt — unverschuldet.
18.Er lässt mich nicht zu Atem kommen, da er mich mit Bitterkeit sättigt.
19.Kommt es auf Macht an — nun er ist mächtig, — und auf das Recht, wer wird [ihn] für mich vorladen?
20.Wenn ich gerecht bin, so wird mich mein eigener Mund verdammen; bin ich unschuldig, wird er mich der Tücke zeihen.
21.Ich bin unschuldig, was kümmert mich mein Leben? Ich verabscheue mein Dasein.
22.Es ist mir alles gleich, darum sprach ich: Den Unschuldigen und den Schuldigen vernichtet er.
23.Wenn eine Geißel unversehens tötet so spottet er der Verzweiflung der Unschuldigen.
24.Die Erde ist gegeben in des Frevlers Hand; ihrer Richter Blicke verhüllt er. Wenn nicht er, wer ist es sonst?
25.Meine Tage waren flüchtiger denn Läufer, sie flohen und sahen kein Glück.
26.Sie fuhren dahin mit den Schiffen Ebehs, wie der Adler herabstürzt auf den Fraß.
27.Wenn ich denke, ich will meinen Jammer vergessen, ich will meinen Unmut ablegen und mich beherrschen:
28.So bangt mir vor all meinen Leiden; ich weiß, du wirst mich nicht lossprechen.
29.Ich soll schuldig sein; wozu nun mich abmühen?
30.Wenn ich mich auch im Schneewasser wüsche und meine Hände mit Seife reinigte.
31.Dann würdest du mich in Schlamm tauchen, dass er meine Gewänder besudelte.
32.Denn er ist nicht ein Mann wie ich, dass ich ihm entgegne, dass wir zusammen vor Gericht erscheinen.
33.Es ist zwischen uns kein Schiedsmann, der seine Hand legte auf uns beide.
34.Ja, hübe er von mir weg seinen Stab, und sein Schrecken ängstigte mich nicht;
35.Dann wollte ich reden und ihn nicht fürchten, da ich mir nichts [Schlechtes] bewusst bin.

Kapitel 10

1.Ich bin meines Lebens überdrüssig. Frei auslassen will ich meine Gedanken und reden in meinem verbitterten Gemüt.
2.Ich spreche zu Gott: Verdamme mich nicht! Lasse mich wissen, weswegen du mich befehdest.
3.Steht dir es an, dass du Bedrückung übst, dass du deiner Hände Werk misshandelst, während du den Rat der Frevler bestrahlest?
4.Hast du Augen der Sterblichen? Oder siehst du, wie ein Mensch sieht?
5.Sind wie des Menschen Tage deine Tage? oder deine Jahre wie die Lebensdauer des Mannes?
6.Dass du meinem Vergehen nachspürst und meiner Sünde nachforschst?
7.Obwohl du auch weißt, dass ich unschuldig bin, nur weil niemand vor dir retten kann.
8.Deine Hände haben mich geformt und gefertigt, übereinstimmend von allen Seiten — und nun verdirbst du mich!
9.Bedenke doch, dass du mich aus Lehm gefertigt hast und zum Staube mich dereinst zurückbringen wirst. 10.Wie Milch ließest du mich zerfließen und wie Käse gerinnen.
11.Mit Haut und Fleisch bekleidetest du mich und mit Gebein und Sehnen durchwobst du mich.
12.Leben und Liebe bewiesest du mir, und deine Obhut bewahrte meinen Odem.
13.Aber solches bargst du dabei in deinem Herzen; ich weiß, dass du dies im Sinne führtest:
14.Wenn ich sündigte, trägst du es mir nach, und von meiner Missetat sprichst du mich nicht frei.
15.Bin ich schuldig, wehe mir! und wenn auch gerecht, ich dürfte doch mein Haupt nicht erheben, satt von Schmach und mein Elend schauend.
16.Es ist so groß, weil du mich wie ein Löwe erbeutest, du wiederholst deine Wundertaten an mir.
17.Du erneuest deine Zeichen an mir, deinen Zorn steigerst du wider mich, er wechselt an mir zu bestimmten Zeiten ab.
18.Warum ließest du mich aus dem Schoß hervorgehen? — Wäre ich doch verschieden, dass kein Auge mich geschaut!
19.Wäre ich doch geworden, als wär ich nie dagewesen — wäre ich vom Mutterleibe zu Grabe gebracht worden!
20.Sind doch meine Tage so wenig — lasse von mir! Stehe ab von mir, dass ich mich ein wenig erhole!
21.Bevor ich gehe, um nie wieder zu kommen, in das Reich der Finsternis und des tiefen Dunkels!
22.Ein Reich, vom Nebel umdüstert, wo tiefes Dunkel und keine Ordnung herrscht, das vom Nebel umdüstert bleibt.

Kapitel 11

1.Darauf hub Zofar aus Naama an und sprach:
2.Soll es auf den Wortschwall keine Antwort geben, dass der redegewandte Mann Recht behielte?
3.Deine Erdichtungen bringen Männer zum Schweigen, und nun spottest du ungescheut.
4.Du sprichst: Lauter war meine Belehrung, und hältst dich für unschuldig.
5.Aber möchte Gott reden und seine Lippen gegen dich auftun.
6.Dass er die Geheimnisse der Wahrheit verkünde — denn doppelt ist sie an Ersprießlichkeit: — du wurdest dann erfahren, dass Gott dir manche deiner Missetaten übersteht.
7.Das Wesen Gottes willst du finden? Oder bis zum Endziel des Allmächtigen gelangen?
8.Himmelhoch [ist seine Weisheit], was willst du dagegen tun? Tiefer denn die Unterwelt, was willst du wissen?
9.Länger als die Erde ist ihr Maß und breiter als das Meer.
10.Wenn er vorüberfährt und festnehmen lässt und eine Gerichtsversammlung beruft, wer wollt ihm wehren?
11.Denn er kennt die nichtswürdigen Menschen, er schaut unvermerkt die Untat.
12.Ein Hohlkopf kann ebenso gewitzigt werden, wie ein Waldesel zum Menschen [um]geboren werden kann.
13.Wenn du aber dein Herz richtest und zu ihm deine Hände ausbreitest;
14.Wenn du die Untat aus deiner Hand entfernst und in deinen Zelten kein Unrecht behältst:
15.Dann magst du wohl dein Angesicht ohne Makel erheben; du bleibst fest und hast nichts zu fürchten.
16.Dann wirst du das Ungemach vergessen, dich nur sein erinnern wie des vorbeirauschenden Wassers.
17.Heller als der Mittag geht dein Leben auf, die dichte Dunkelheit wird wie der Morgen.
18.Du wirst Vertrauen hegen, denn es ist Hoffnung da; und wo du es aufgesucht, hast du sicher dein Lager.
19.Du streckst dich hin und niemand schreckt dich auf; viele werden sich um deine Gunst bewerben.
20.Aber die Augen der Frevler verschmachten, alle Zuflucht verschwindet ihnen und ihre Hoffnung — wird Verzweiflung werden.

Kapitel 12

1.Darauf antwortete Ijow und sprach:
2.Fürwahr, ihr seid rechte Leute, mit euch stirbt ja die Weisheit!
3.Aber auch ich habe wie ihr Verstand, ich stehe nicht zurück gegen euch; und wer besäße dergleichen nicht?
4.Ein Spott bin ich dem Freunde, der ich zu Gott rufe, dass er mir antwortet ein Spott der Gerechten und Frommen!
5.Dem Unglücklichen Verachtung! — nach dem Bedenken des Glücklichen — ein Stoß denen, deren Fuß im Wanken ist!
6.In Frieden sind die Hütten der Räuber, und sorglos leben jene, die Gott kränken; denen es Gott in die Hände gebracht.
7.Frage nur das Vieh, es wird dich lehren, und den Vogel des Himmels, er wird es dir verkünden.
8.Oder unterrede dich mit der Erde, sie wird dich lehren, es werden dir die Fische des Meeres erzählen:
9.Aber wer wüsste nicht dies alles? Dass die Hand des Herrn solches geschaffen?
10.Dass in seiner Hand die Seelen aller Lebendigen sind und der Geist aller menschlichen Wesen.
11.Wahrlich, das Ohr prüft die Worte, wie der Gaumen die Speise kostet.
12.Bei den Alten ist die Weisheit, bei den Betagten Einsicht.
13.Aber bei ihm ist Weisheit und Macht, sein ist Rat und Einsicht.
14.Reißt er nieder, so wird es nicht aufgebaut; verschließt er vor dem Menschen, so wird es nicht geöffnet.
15.Er hemmt das Wasser und es vertrocknet; er lässt es frei und es überflutet die Erde.
16.Er besitzt Gewalt und Verstand; sein ist der Irrende und der Irreführende.
17.Er führt Räte irre, und Richter macht er aberwitzig.
18.Die Bande der Könige löst er und bindet einen Bund um ihre Lenden.
19.Er führt Fürsten irre und Machthaber auf krummen Weg.
20.Er benimmt die Sprache den Redegewandten, und den Greisen raubt er den Verstand.
21.Er schüttet Schmach auf Edle aus und der Gewaltigen Gürtel macht er locker.
22.Er enthüllt das Tiefe aus der Finsternis und zieht tiefes Dunkel ans Licht.
23.Hochwachsen lässt er Völker und vernichtet sie; er breitet Völker aus und lässt sie wegführen.
24.Er raubt den Häuptern des Volkes in allen Landen den Verstand und führt sie irre in unwegsamer Öde.
25.Sie tappen in lichtloser Finsternis, und er lässt sie irre gehen wie Trunkene.

Kapitel 13

1.Dies alles hat ja mein Auge geschaut, mein Ohr gehört und es
sich gemerkt.
2.Was ihr wisst, weiß auch ich; ich stehe nicht zurück gegen euch.
3.Aber ich will zum Allmächtigen reden und mit Gott begehre ich zu rechten.
4.Ihr aber seid Schwätzer, nichtige Ärzte seid ihr alle.
5.O, dass ihr stillschweigt, es würde für euch als Weisheit gelten!
6.Hört doch meine Rüge und horcht auf die Streitreden meiner Lippen.
7.Wollt ihr für Gott Ungebühr reden? Für ihn wollt ihr Trug reden?
8.Wollt ihr ihm schmeicheln? Für Gott wollt ihr Partei ergreifen?
9.Wird es gut tun, wenn er euch durchforschte, dass ihr ihn wie einen Menschen narren wolltet?
10.Rügen, rügen wird er es euch, wenn ihr im Verborgenen das Ansehen der Person achtet.
11.Seine Erhabenheit müsste euch Furcht einflößen und sein Schrecken auf euch fallen.
12.Eure Merksprüche sind nichtige Sprüche, Lehmhöhen eure Höhen [Stolz].
13.Schweigt vor mir, dass ich reden mag; ergehe über mich, was auch immer!
14.Um was soll ich mein Fleisch zwischen die Zähne nehmen [meinen Ärger verbeißen]? Auch wenn ich dabei mein Leben wagen sollte, [wenn ich spreche].
15.Er wird mich töten? dessen harre ich ja! Aber meinen Wandel möchte ich vor ihm darlegen.
16.Er selbst wird mir da beistehen, da er doch keine Heuchelei leidet.
17.Hört meine Rede und meinen Beweis mit euren Ohren.
18.Ich lege meine Rechtssache dar; ich weiß, dass ich gerechtfertigt erscheine.
19.Wer ist, der mit mir streiten wollte, dass ich schweigen müsste und sterben?
20.Nur zweierlei tue mir nicht an, dann würde ich vor deinem Antlitz mich nicht verbergen:
21.Ziehe deine Hand von mir ab, dass dein Schrecken mich nicht einschüchtere!
22.Dann hebe du an und ich stehe Rede; oder ich will reden, und du antworte mir!
23.Wieviel habe ich der Missetaten und Sünden? Mein Vergehen und meine Sünde lasse mich wissen.
24.Warum verbirgst du dein Antlitz und achtest mich für deinen Feind!
25.Willst du ein verwehtes Blatt scheuchen? und einen dürren Halm jagen?
26.Dass du über mich Böses niederschreibst und meine Jugendsünden mich erben lässt?
27.Du legst meine Füße in den Stock und belauerst all meine Pfade, um meine Fußtapfen machst du dir Zeichen. 28.Da [der Mensch] doch wie Morsches zerfällt, wie ein Kleid, das die Motten zerfressen.

Kapitel 14

1.Der Mensch, vom Weibe geboren, ist kurz an Tagen und satt an Kummer.
2.Wie eine Blume erblüht er und wird abgeschnitten, er eilt dahin wie der Schatten und hat keinen Bestand.
3.Auch über den hast du deine Augen offen? Und mich willst du vor Gericht gegen dich bringen?
4.Wer macht Reines aus Unreinem? Auch nicht eines!
5.Sind seine Tage umgrenzt, die Zahl seiner Monate [feststehend] bei dir; du hast seine Grenze gemacht, die er nicht überschreiten kann:
6.So wende dich von ihm ab, dass er ruhig lebe, dass er wie der Tagelöhner seinen vollen Tag genieße.
7.Denn der Baum hat Hoffnung; wenn er abgehauen wird, so kann er wieder ausschlagen und sein Schössling bleibt nicht aus.
8.Selbst wenn seine Wurzel in der
Erde altert und sein Stamm im Boden abstirbt.
9.So kann er vom Dufte des Wassers ergrünen und Zweige treiben wie frisch gepflanzt.
10.Aber stirbt der Mensch, so ist er vernichtet; verscheidet der Mensch, wo bleibt er dann?
11.Wie die Gewässer vom Meere ausgehen und wie der Strom, der versiegt und vertrocknet.
12.So auch der Mensch, wenn er sich niederlegt, steht er nicht wieder auf; bis der Himmel vergeht, erwachen sie nicht und werden nicht munter aus ihrem Schlafe.
13.O, dass du in der Unterwelt mich verwahrtest, mich bärgest, bis dein Zorn sich gelegt, ein Ziel mir stelltest und dann mein gedächtest!
14.Aber wenn ein Mann stirbt lebt er je wieder auf? Sonst wollte ich meine ganze Leidenszeit ausharren, bis meine Ablösung käme.
15.Du riefest und ich antwortete dir, sobald du nach deiner Hände Werk begehrst.
16.Aber so zählst du meine Schritte, willst dich nicht beruhigen ob meiner Sünde.
17.Versiegelt im Beutel ist meine Sünde, und meine Schuld hast du festgebunden.
18.Aber wie der abstürzende Berg zerfällt, wie der Fels, der von seiner Stelle gerissen wurde;
19.Wie das Wasser Steine zerreibt und das Erdreich samt dessen Gewächs fortschwemmt, so machst du des Menschen Hoffen schwinden!
20.Du fassest ihn mit Macht, und er fährt hin; sein Gesicht verändernd stößt du ihn fort.
21.Seine Söhne werden mächtig, er erfährt es nicht; sie kommen herunter, er merkt nichts von ihnen.
22.Nur um seinen Leib und um sein Dasein härmt er sich.

Kapitel 15

1.Dann hub Elifas aus Teman an
und sprach:
2.Wird ein Weiser windige Weisheit als Antwort betrachten, und sein Inneres mit Ostwind füllen?
3.Mit unnützen Reden rechten wollen, und mit Worten, die nicht frommen?
4.Du brichst jede Furcht und führst schlechte Reden vor Gott?
5.Deine Schuld macht deinen Mund gelehrig, dass du eine witzige Sprache wählst.
6.Dein eigener Mund spricht dich schuldig, nicht ich, und deine Lippen zeugen wider dich.
7.Bist du als erster Mensch geboren und noch vor den Hügeln gezeugt worden?
8.Hast du das Geheimnis Gottes erlauscht, und hat die Weisheit sich zu dir herabgelassen?
9.Was weißt du, das wir nicht wüssten? Was verstehst du, das wir nicht besäßen?
10.Auch Greise, auch Alte sind bei uns, die älter sind als dein Vater an Tagen.
11.Waren dir zu wenig die guten Tröstungen, die sanften Sprüche an dich?
12.Wozu reißt dich dein Unmut hin? Was rollen deine Augen?
13.Dass du gegen Gott deinen Sinn richtest und ließest deinem Munde Worte entfahren?
14.Was ist der Mensch, dass er gerechtfertigt erscheine, dass Recht behalte der vom Weibe Geborene?
15.Wahrlich, seinen Heiligen trauet er nicht, und die [im] Himmel sind nicht gerechtfertigt vor ihm.
16.Gar nun ein Unwürdiger und Verderbter, ein Mensch, der Unrecht trinkt wie Wasser!
17.Ich will dich bedeuten, höre mich Und was ich geschaut, das will ich erzählen:
18.Was Weise verkünden, was von ihren Vätern sie [gehört], verhehlen sie nicht.
19.Ihnen allein wurde die Welt [die Erfahrung] zu teil, kein Fremder kam unter sie.
20.Der Frevler ist all seine Lebtage in Angst, und nur zählige Jahre sind dem Gewaltigen vorbehalten.
21.Stimme der Schrecken ist in seinen Ohren: im Frieden [ängstigt er sich], der Räuber werde ihn überfallen.
22.Er traut sich nicht heraus aus der Finsternis, er dünkt sich ausgesetzt dem Schwerte.
23.Er irrt herum nach Brot, wo welches sei; er weiß, dass ihm bevorsteht der Tag des Verhängnisses.
24.Es beängstigen ihn Enge und Bedrängnis, es packt ihn wie ein König, gerüstet zum Kriegswagen.
25.Weil er gegen Gott seine Hand erhoben und gegen den Allmächtigen trotzig tat.
26.Er rannte gegen ihn mit steifem
Hals, mit der dicken Wölbung seiner Schilde.
27.(Denn bedeckt ist sein Gesicht mit seinem Fett und Schmer angesetzt an den Lenden.)
28.So weilt er [aus Furcht] in verlorenen Städten, in Häusern, wo niemand wohnt, die geweiht sind zu Schutthaufen.
29.Er wird nicht reich, seine Habe wird keinen Bestand haben; der Wipfel wird nicht zum Boden neigen.
30.Er weicht nicht aus der Finsternis; seinen Sprössling dorrt die Flamme und er entweicht durch den Hauch seines Mundes.
31.Man traue nicht auf den verworrenen Trug, denn Trug nur wird man dafür eintauschen.
32.Vor der Zeit ist es nun, ehe sein Zweig belaubt ist.
33.Wie der Weinstock seine unreifen Trauben abwirft, wie der Ölbaum zu Boden seine Blüte wirft.
34.Denn ruchlose Genossenschaft bleibt verödet, und das Feuer frisst die Zelte der Bestechung.
35.Mit Verderblichem schwanger, gebären sie Untat, und ihr Leib bereitet Trug.

Kapitel 16

1.Ijow antwortete darauf und sprach:
2.Dergleichen habe ich zu viel gehört, lästige Tröster seid ihr alle!
3.Hat es ein Ende mit den nichtigen Reden, oder was reizt dich, noch zu erwidern?
4.Ich würde ja auch wie ihr reden, wäret ihr doch an meiner Statt. Ich würde gegen euch Worte häufen und über euch mein Haupt schütteln.
5.Ich würde euch mit meinem Munde stärten und das Beileid meiner Lippen sollte [euren Schmerz] lindern.
6.Wenn ich [jetzt] rede, wird mein Weh nicht gelindert, und unterließ ich es, was wird von mir abgehen?
7.Aber erst jetzt hat mich [Gott] ermüdet — verödet hast du meinen ganzen Kreis.
8.Du hast mich zusammengedrückt — das gilt als Zeugnis [gegen mich]; mein [angeblicher] Abfall steht auf, wider mich zu zeugen.
9.Im Zorn packte und befeindete er mich; er knirschte wider mich mit seinen Zähnen; wie ein Feind richtet er seine blitzenden Augen gegen mich.
10.Sie reißen über mich ihren Mund auf, mit Hohn schlagen sie meine Backen insgesamt fallen sie über mich her.
11.Gott übergab mich den Buben, und in die Hände der Frevler stürzte er mich.
12.Ruhig lebte ich, da zerschmetterte er mich, er packte mich beim Genick und zertrümmerte mich; er stellte mich sich zur Zielscheibe hin.
13.Nun umringen mich seine Schützen; man durchsticht meine Nieren erbarmungslos, zur Erde ergießt sich meine Galle.
14.Er zerreißt mich, er rennt ohne Unterlass auf mich ein wie ein Held.
15.Einen Sack habe ich genäht über meine Haut, und mit Staub mein strahlendes Haupt beschmutzt.
16.Mein Gesicht glüht vom Weinen, und meine Wimpern sind umdüstert.
17.Wo doch keine Gewalttat in meinen Händen war und mein Gebet lauter.
18.Erde, bedecke nicht mein Blut, und kein Raum [Ruhe] sei meiner Wehklage!
19.Noch jetzt ist im Himmel mein Zeuge und mein Gewährsmann in den Höhen.
20.Meine Fürsprecher und meine Genossen! [nur] zu Gott tränt mein Auge.
21.Dass er dem Manne Recht schaffe gegen Gott, wie ein Menschensohn dem anderen.
22.Denn die zähligen Jahre schwinden dahin, und den Pfad, auf dem ich nicht zurückkehre, muss ich gehen.

Kapitel 17

1.Mein Geist ist verwirrt, meine Tage sind erloschen, das Grab ist für mich da.
2.Treiben sie doch Spott mit mir, und auf ihren Kränkungen muss mein Auge verweilen.
3.Sieh doch zu, dass du für mich bürgst! Wer sonst ist es, der für mich Handschlag leistete? 4.Denn ihren Sinn hast du verhüllt vor der Einsicht; dabei wirst du aber nicht verherrlicht.
5.Zur [Beute]verteilung ladet er Freunde, während die Augen seiner Kinder verschmachten.
6.Er stellt mich hin zum Sprichwort der Leute, und zum Gespei ins Angesicht bin ich.
7.Mein Auge wurde blind vor Gram, und alle meine Glieder gleichen Schatten.
8.Es entsetzen sich darüber die Redlichen, und der Schuldlose ärgert sich über den Ruchlosen.
9.Dabei soll der Gerechte an seinem Wandel festhalten, und der reiner Hände Mut gewinnen!
10.Aber kommt nur einmal alle her, ich werde nicht einen Weisen unter euch finden.
11.Meine Tage gehen hin, meine Gedanken schwinden, auch die Triebe meines Herzens.
12.Nacht wollen sie zu Tag machen, Licht wäre mir nahe in der Finsternis!
13.Wenn ich auf die Unterwelt als auf mein Haus hoffe, in der Finsternis mein Lager bette;
14.Dem Grabe zurufe: Mein Vater bist du! dem Gewürm: Meine Mutter und meine Schwester!
15.Wo ist denn nun meine Hoffnung? Und wer schaute meine Hoffnung?
16.Zu den Riegeln der Unterwelt fahren sie hinab, sobald wir alle in den Staub steigen.

Kapitel 18

1.Darauf antwortete Bildad aus Suah
und sprach:
2.Bis wann werdet ihr Worten nachjagen? Überlegt erst und nachher wollen wir reden!
3.Warum sind wir wie Vieh geachtet, gelten für dumm in euren Augen?
4.Du, der du dich in deinem Groll zerfleischst, soll um deinetwillen die Erde verödet werden und der Fels von seiner Stätte rücken?
5.Gewiss erlischt dereinst das Licht der Frevler, und dann wird niemals wieder der Funke seines Feuers leuchten.
6.Das Licht verfinstert in seinem Zelt, und seine Leuchte über ihm erlischt.
7.Seine kräftigen Schritte werden immer kürzer, und sein eigener Anschlag wirft ihn nieder.
8.Denn ins Garn geleitet wird er durch seine Füße und über Flechtwerk wandelt er.
9.Die Schlinge erfasst seine Ferse, die Maschen halten ihn fest.
10.Versteckt in der Erde ist sein Strick, und seine Falle auf dem Pfad.
12.Er wird hungern [mitten] in seinem Reichtum, und das Verderben haftet an seiner Seite.
13.Es frisst die Glieder seines Leibes, es frisst seine Glieder der Erstgeborene des Todes [die grässlichste Krankheit].
14.Herausgerissen wird aus seinem Zelte die Stütze und niedergetreten wird es für den König der Schreckgestalten.
15.Es herrscht Öde in seinem Zelt, da ihm niemand blieb; über seine Wohnstätte wird Schwefel gestreut.
16.Von unten dorren seine Wurzeln, und von oben wird seine Frucht abgeschnitten.
17.Sein Gedächtnis schwindet aus dem Lande, und kein Name bleibt ihm draußen.
18.Sie stoßen ihn vom Licht in die Finsternis und aus der Welt scheuchen sie ihn fort.
19.Kein Kind und kein Enkel bleibt ihm unter seinem Volke, und kein Entronnener in seinen Weilern.
20.Ob seinem Schicksal entsetzen sich die Späteren, und die Früheren erfasst Schauder.
21.Ja, das sind die Wohnungen des Bösewichtes, und das die Stätte des, der von Gott nicht wissen wollte.

Kapitel 19

1.Ijow antwortete nun und sprach:
2.Bis wann werdet ihr mich betrüben und mich mit Worten niederdrücken?
3.Nun zehnmal habt ihr mich geschmäht, unverschämt misshandelt ihr mich.
4.Und wenn ich auch gefehlt haben soll, so bleibt doch die Schuld bei mir.3Habe ich gefehlt, so müsste mir meine Schuld bekannt sein, und jedenfalls ist sie nicht so groß, wie ihr mir vorwerfen wollt.
5.Wie wollt ihr euch aber gegen mich erheben und meine Schandtaten mir nachweisen?
6.Wisset nun, dass Gott mir Unrecht getan und mit seinem Gerüste mich umstellt hat.
7.Ich schreie über Gewalt und erhalte keine Antwort; ich rufe, da ist kein Recht.
8.Meinen Weg hat er verzäunt, dass ich nicht weiter kann, und auf meine Pfade hat er Finsternis gelegt.
9.Meine Ehre hat er mir entwendet und die Krone von meinem Haupte gerissen.
10.Er hat mich ganz zertrümmert, dass ich dahinfahre, und meine Hoffnung wie einen Baum entwurzelt.
11.Er schürte wider mich seinen Zorn und behandelte mich wie einen Feind.
12.Alle seine Scharen kamen über mich; sie bahnten sich den Weg zu mir und umlagerten mein Zelt.
13.Meine Brüder hat er von mir entfernt, und meine Bekannten, ach, wie entfremdet sind sie mir!
14.Es verlassen mich meine Verwandten, und meine Bekannten vergessen mein.
15.Meine Hausgenossen und meine Mägde achten mich für einen Fremden, ein Wildfremder bin ich in ihren Augen.
16.Meinen Knecht rufe ich, und er gibt mir kein Gehör, flehte ich auch mit meinem Munde zu ihm.
17.Mein Wesen ist meinem Weibe zuwider, auch mein Liebkosen den Kindern meines Leibes.
18.Sogar Buben verachten mich, ich erhebe mich und sie widersprechen mir.
19.Mich verabscheuen alle meine Vertrauten, und die ich bisher geliebt, kehren sich wider mich.
20.An meiner Haut und meinem Fleische klebt mein Gebein, und ich bin kaum mit meinem Zahnfleisch entronnen.
21.Habt Mitleid, habt Mitleid, ihr meine Gefährten; denn Gottes Hand hat mich geschlagen.
22.Warum verfolgt ihr mich wie Gott, und werdet meines Fleisches nicht satt?
23.O, dass meine Worte aufgeschrieben würden! O, dass in ein Buch sie gezeichnet würden!
24.Mit eisernem Griffel und Blei, für ewig in den Felsen gegraben!
25.Denn ich weiß, der sich mein annimmt, lebt; er wird in späterer Zeit auf Erden entstehen.
26.Und wenn sie diese meine Haut vom
Leibe gerissen haben werden, schau ich Gott [als Rächer].
27.Den ich vor mir schaue, den meine Augen sahen, und kein Fremder; während mein Inneres in meinem Busen sich verzehrt.
28.Wenn ihr denkt: Wie wollen wir ihn verfolgen! wegen des, das sich an mir findet —
29.So habet Scheu vor dem Schwerte! Denn grimmig sind die Strafen mit dem Schwert, auf dass ihr wisset, dass es einen Richter gibt.

Kapitel 20

1.Darauf antwortete Zofar aus Naama und sprach:
2.Wahrlich, meine Gedanken treiben mich zur Gegenrede, und mein Gefühl tobt in mir.
3.Soll ich schimpflichen Verweis hören, während der Geist meiner Einsicht mir die Antwort eingibt?
4.Weißt du das, was von Ewigkeit her ist? Seitdem Menschen gesetzt sind auf Erden:
5.Dass der Jubel der Frevler nur von kurzer Dauer ist, und die Freude des Ruchlosen nur für einen Augenblick.
6.Wenn seine Macht zum Himmel steigt und sein Haupt ans Gewölk stößt:
7.Wie sein Kot schwindet er gänzlich; die ihn gesehen, sprechen: Wo ist er?
8.Wie ein Traum entfliegt er, und man findet ihn nicht, und er wird weggescheucht wie ein Nachtgesicht.
9.Das Auge, das ihn gesehen, sieht ihn nicht mehr, und es schauet ihn nicht an seiner Wohnstätte.
10.Seine Söhne beschwichtigen die Armen und seine Hände [Nachkommen] geben sein Raubgut wieder heraus.
11.Sein Geblüt, voll der Jugendkraft, legt sich mit ihm in den Staub.
12.Das Böse war so süß in seinem Munde, er barg es unter seiner Zunge.
13.Er liebte es und mochte es nicht lassen, er hielt es unter seinem Gaumen.
14.Aber seine Speise wendet sich in seinen Eingeweiden, denn wie Otterngift ist es in seinem Leibe.
15.Das Gute das er verschlungen, speit er aus, aus seinem Bauche treibt es Gott.
16.Otterngift saugt er, ihn tötet die Zunge der Natter.
17.Er kann sich nicht an den Bächen freuen, an den stürmenden Flüssen von Honig und Rahm.
18.Er muss das mühselig Erworbene herausgeben, denn er kann es nicht herunterschlucken; auch des dafür eingetauschten Gutes kann er nicht froh werden.
19.Weil er die Armen zerschlagen und geplündert hat, soll er das Haus, das er geraubt, nicht in Stand halten.
20.Weil er keine Ruhe gekannt in seinem Innern, soll er mit seinem Köstlichen sich nicht in Stand halten können.
21.Nichts entrann seiner Gier; darum soll sein Glück nicht gedeihen.
22.Wenn er vollauf hat, trifft ihn die Not; die ganze Gewalt des Mühsals kommt über ihn.
23.Nachdem er seinen Bauch gefüllt, läßt [Gott] gegen ihn seine Zornglut los, er läßt sie auf ihn mitten in seinem Mahle nieder.
24.Entflieht er der eisernen Waffe, so durchbohrt ihn der [Pfeil] von ehernen Bogen.
25.Er durchzieht und kommt aus seinem Rücken wieder hervor, blitzartig aus seiner Halle; er bringt über ihn Entsetzen.
26.Mag er im tiefsten Dunkel versteckt sein, in seinem Versteck frißt ihn ein Feuer, das nicht angefacht wird; es weidet ab das Uebriggebliebene in seinem Zelte.
27.Der Himmel deckt seine Schuld auf, und die Erde steht auf, wider ihn [zu zeugen].
28.Es schwindet seines Hauses Ertrag, verrinnend am Tage seines Zorns.
29.Das ist der Teil des ruchlosen Menschen von Gott, und das ihm zugesprochene Loos von Gott.

Kapitel 21

1.Ijow antwortete nun und sprach: 2.O höret doch meine Rede! Möge sie eure Beruhigung sein. 3.Ertragt mich, dass ich rede, und wenn ich geredet habe, dann höhnt! 4.Führe ich denn gegen einen Menschen Klage? Und warum sollte ich nicht ungeduldig werden! 5.Schauet zu mir her und erstarret und leget die Hand auf den Mund. 6.Wenn ich auch nur daran denke, werde ich bestürzt, mein Leib wird von Entsetzen ergriffen. 7.Warum leben Frevler, sie werden alt und erstarken an Kraft? 8.Ihre Nachkommenschaft gedeiht vor ihnen und mit ihnen und ihre Sprösslinge vor ihren Augen. 9.Ihre Häuser sind friedlich und ohne Bangen, Gottes Zuchtrute trifft sie nicht. 10.Sein Stier bespringt und lässt nicht auswerfen, es gebärt seine Kuh und hat keine Fehlgeburt. 11.Sie lassen wie die Herde ihre Buben los, und ihre Kinder springen umher. 12.Sie singen laut bei Pauke und Zither und tanzen nach dem Klang der Flöte. 13.Sie verbringen im Glück ihre Tage und auch [nicht] einen Augenblick zagen sie vor dem Grabe. 14.Sie sprechen zu Gott: Weiche von uns, wir wollen deine Wege nicht lernen. 15.Was nützt es, dass wir dem Allmächtigen dienen, und was frommt es, dass wir ihn anbeten? 16.„Aber sie können ihr Glück nicht mit den Händen festhalten“ [wird gesagt]. Die Gesinnung der Frevler bleibe mir fern.4Sowohl die hier wie auch 21, 19 stehende Redensart in dem Sinne: Ich will das den Frevlern nicht nachsprechen. 17.Wann erlischt denn das Licht der Frevler, dass sie das Verhängnis ereilt? Daß er ihnen ihr Loos in seinem Zorn zuteilt? 18.Dass sie wie Stroh vor dem Wind seien und wie Spreu, die der Sturm entführt? 19.„Gott bewahrt das Unglück den Kindern“ [wird weiter gesagt]; möcht er [dem Frevler selbst] heimzahlen, dass er es merkte! 20.Dass seine Augen seinen Sturz sehen, und er selbst vom Grimme des Allmächtigen trinke. 21.Denn was kümmert er sich um das Schicksal seines Hauses nach ihm, wenn die Zahl seiner Monde zu Ende ist? 22.Freilich, soll man Gott Weisheit lehren wollen, ihn, der von der Höhe alles leitet? 23.Der eine stirbt in vollem Glück, ganz unbesorgt und in Frieden. 24.Seine Gefäße sind voll Milch, und das Mark seiner Gebeine voller Saft. 25.Der andere wieder stirbt mit betrübtem Gemüt und hat nie vom Glücke genossen. 26.Zusammen liegen sie nun im Staube, und Gewürm bedeckt sie. 27.Ich kenne wohl eure Gedanken und eure ungerechte Gesinnung wider mich. 28.Indem ihr sprecht: Wo ist das Haus des Mächtigen? Und wo ist das Zelt, die Wohnung der Frevler.5Wodurch angespielt wurde, dass Ijow nicht so ganz unschuldig sei. 29.So fragt doch, die des Weges ziehen und verkennt ihre Zeichen nicht.
30.Dass der Böse am Tage des Verhängnisses verschont wird, am Tage, wo [andere] ins Unglück geleitet werden.—
31.Denn wer soll ihm ins Gesicht seinen Wandel vorhalten, und was er getan, wer vergilt es ihm?
32.So wird er zu Grabe geleitet; [bis dahin] hat er aber auf Garbenhaufen [in Fülle] sein Leben zugebracht.
33.Die Schollen des Thals sind ihm süß; nach ihm zieht sich hin eine Menschenmenge und vor ihm — ohne Zahl6Dass der Frevler bei vollem Glück stirbt, ist keine Strafe für ihn; denn vor ihm sind Menschen gestorben und auch nach ihm werden sie sterben..
34.Und wie mögt ihr mich so nichtig trösten! Eure Antworten sind vergeblich.

Kapitel 22

I. Darauf antwortete Elifas aus Teman und sprach:
2.Darf sich der Mensch an Gott heranwagen? Darf er über [seine Thaten] Betrachtungen anstellen?
3.Hat etwa der Allmächtige Nutzen davon, wenn du gerecht bist? oder Gewinn, wenn dein Wandel schuldlos?
4.Oder straft er dich wegen deiner Gottesfurcht, und ging mit dir ins Gericht?
5.Gewiss war deine Bosheit groß und endlos deine Missetaten.
6.Denn du pfändetest deine Brüder ohne Anlass, und die Kleider zogst du ihnen bis zur Nacktheit aus.
7.Kein Wasser gabst du dem Matten zu trinken, und dem Hungrigen verweigertest du das Brot.
8.Dem Mann des mächtigen Armes wurde das Land, und der Hochangesehene nahm Besitz davon.7Du übtest Ansehen der Person gegen die Armen und Schwachen.
9.Die Witwen ließest du leer abziehen, und die Arme der Waisen [ihr gutes Recht] wurde niedergeworfen.
10.Darum sind rings um dich Schlingen, und der Schrecken überkam dich jählings.
11.Oder ist es finster, dass du es nicht siehst? Deckt dich eine Wasserflut?
12.Gott ist ja in der Höhe des Himmels, und schaue das Haupt der Sterne, die so erhaben sind.
13.Und du sprichst: Was erfährt Gott? Wird er hinter Wolkendüster richten?
14.Die Wolken sind ihm Hülle und er sieht nichts, da er ja über dem Himmelsbogen wandelt.
15.Hast du den Pfad der Urzeit beobachtet, den die Männer der Untat betreten?
16.Die zusammengeschrumpft wurden vor der Zeit; ihre Grundlage war auf dem Wasser.
17.Die zu Gott sprachen: Weiche von uns! — Und was tat der Allmächtige ihnen?
18.Er füllte ja ihre Häuser mit Segen! — Die Gesinnung der Frevler bleibe mir fern. —
19.Einst sehen es die Gerechten und freuen sich, und der Schuldlose spottet ihrer:
20.Sind nicht unsere Widersacher vertilgt? Hat nicht das Feuer ihren Überfluss gefressen?
21.Befreunde dich mit ihm, und du hast Frieden! Dabei kommt zu dir der Segen.
22.Nimm doch aus seinem Munde Lehre, und fasse seine Aussprüche in dein Herz.
23.Wenn du zum Allmächtigen zurückkehrst, wirst du neu aufgebaut; entferne Unrecht aus deinem Zelte!
24.Wirf in den Staub das Golderz und in Bruchsteine der Schächte das Ofirgold.
25.Der Allmächtige wird dein Golderz sein und die Menge von Silber.
26.Denn alsdann wirst du dich ergötzen an dem Allmächtigen und zu Gott dein Angesicht erheben.
27.Du wirst zu ihm flehen und er wird dich erhören, und dein Gelübde bezahlst du.
28.Und du tust einen Ausspruch und er bleibt dir geltend, und auf deinen Wegen strahlt Licht.
29.Wohl haben sie dich [bisher] in die Tiefe geführt, aber auf dein Verlangen erheben sie sich; denn dem, der erniedrigten Blickes ist, hilft [Gott.]
30.Er rettet alle ohne Ausnahme

8Dieser Vers ist wegen אי נ קי missverstanden worden. Vergl. aber 2.Könige 15, 22.

und so wirst [auch du] durch die Lauterkeit deiner Hände gerettet.

Kapitel 23

1.Ijow antwortete nun und sprach:
2.Auch jetzt noch ist meine erbitterte Klage, soviel ich auch mein Stöhnen unterdrücken möchte.
3.O, dass ich ihn zu finden wüsste, wenn ich bis zu seinem Sitz dringen könnte!
4.Ich möchte ihm mein Recht vorlegen und meinen Mund mit Widerlegungen füllen. 5.Ich möchte die Worte kennen, die er mir entgegnet, und merken, was er mir sagt.
6.Will er durch große Kraft mit mir rechten? Nein, er sollte sich nur zu mir wenden!
7.Dann würde ich mit ihm redlich rechten und obsiegend meinem Richter entrinnen.
8.Aber ach! nach vorn geh ich, da ist er nicht; nach hinten, und ich merke nichts von ihm.
9.Wenn er sich zur Linken wendet, schaue ich nicht, und wenn er zur Rechten einbiegt, sehe ich nicht.
10.Er aber kennt wohl meinen Wandel; prüfte er mich, wie Gold ginge ich hervor.
11.An seinem Schritt hielt fest mein Fuß, seinen Weg hielt ich ein ohne abzuweichen.
12.Vom Gebot seiner Lippen wich ich nicht ab; es war mir Gesetz, zu bewahren die Aussprüche seines Mundes.
13.Aber er bleibt bei einem, und wer mag ihn davon abhalten? Es gelüstet. ihn, und er tut es.
14.Er vollendet, was er mir zugedacht, und dergleichen viel hat er noch im Sinne.
15.Darum bin ich vor ihm erschrocken; ich sehe zu und mir bangt vor ihm.
16.Gott machte zag mein Herz und der Allmächtige erschreckte mich.
17.Denn ich konnte mich der Finsternis nicht entziehen, und vor mir liegt das Dunkel.

Kapitel 24

1.Warum werden vom Allmächtigen nicht die Zeiten [der Strafe] aufbewahrt? Warum sehen nicht jene, die ihn erkennen wollen, seine Strafgerichte?
2.[Die Bösen] verrücken Grenzsteine, rauben Herden und weiden sie.
3.Sie treiben weg den Esel der Waisen und pfänden den Stier der Witwe.
4.Sie verdrängen die Dürftigen vom Wege, alle Demütigen im Lande müssen sich verstecken.
5.Wie die Waldesel in der Wüste ziehen sie aus zu ihrem Tagewerk, früh auf nach Beute; in der Steppe [sucht er] Brot für die Knaben.
6.Auf dem Felde [des Tyrannen] müssen sie sein Futter schneiden, im Weinberge des Frevlers Nachlese halten.
7.Nackt liegen sie da ohne Kleid, ohne Bedeckung vor der Kälte.
8.Von Bergströmen werden sie durchnässt, und ohne Obdach schmiegen sie sich an den Felsen.
9.Sie reißen von der Mutterbrust die Waise und den Armen pfänden sie.
10.Sie laufen nackt umher ohne Kleid, und hungernd tragen sie Garben [bei den Gewalttätigen].
11.Zwischen ihren Mauern pressen sie Öl; sie treten Keltern, müssen aber dabei dursten.
12.In der Stadt ächzen die Schwachen, und die Erschlagenen röcheln; aber Gott macht ihnen keinen Vorwurf.
13.Jene gehören zu den Feinden des Lichts, sie kennen nicht [Gottes] Wege und weilen nicht auf dessen Pfaden.
14.Bei hellem Lichte macht sich der Mörder auf und erschlägt Arme und Dürftige, in der Nacht wird er zum Diebe.
15.Und des Ehebrechers Auge wartet die Dämmerung ab, denn er spricht: Mich soll niemand sehen! Und vor das Gesicht legt er eine Hülle.
16.Ein anderer bricht im Finstern in die Häuser ein; am Tage schließen sie sich ein, sie kennen nicht das Licht.
17.Denn all diesen ist die Morgenhelle wie tiefe Nacht, hingegen sind sie vertraut mit dem schaurigen Dunkel.
18.Leicht ist [dem Frevler] auf dem Wasser [zu flüchten], wenn sein Teil auf der Erde bedroht ist; er braucht nicht einzuschlagen den Weg der Weinberge [um vielleicht ergriffen zu werden].
19.Dürre und Glut lassen verschwinden das Schneewasser; die Gruft birgt die, welche gesündigt haben.
20.[Der Erde] Schoß lässt ihn vergessen, das Gewürm verzehrt ihn als Leckerbissen; seiner wird nicht mehr gedacht, und die Ruchlosigkeit bricht wie [morsches] Holz.
21.Er gesellt sich einer Unfruchtbaren zu, die nicht gebar, und der Witwe erwies er kein Gutes.9Die Verse 18—21 sind etwas dunkel, da Ijow doch das Loos des Frevlers sonst glücklich preist. Wahrscheinlich wollte er dabei dem in seinen Reden häufig wiederkehrenden Gedanken Ausdruck geben, dass sich der Böse um sein Schicksal nach dem Tode nicht kümmert; bei Lebenszeiten geht es ihm aber gut.
22.Mächtige reißt er an sich mit seiner Kraft; er steht auf, wo er selbst nicht mehr zu leben glaubte.
23.Dem gewährt er Sicherheit, dass er sich stütze, und seine Augen bewahren [des Bösen] Wege.
24.Sie stehen hoch da — ein wenig nur, und er ist nicht mehr. Sie werden niedergebeugt, wie alle andern weggerafft, wie die Ähren gemäht werden.
25.Ist dem nicht so, wer bezichtigt mich der Lüge und macht meine Rede zu nichte?

Kapitel 25

1.Darauf antwortete Bildad aus Suah und sprach:
2.Herrschgewalt und Schrecken ist um ihn, er schafft Frieden in seinen Höhen.
3.Wer kann seine Scharen zählen? Und wen überwältigt nicht sein Augenlicht?
4.Wie will der Mensch Recht haben gegen Gott? und wie obsiegen der vom Weibe Geborene?
5.Fürwahr, sogar der Mond leuchtet nicht, und die Sterne sind nicht lauter in seinen Augen;
6.Nun gar der Mensch, ein Wurm, und der Menschensohn, ein kriechendes Insekt!

Kapitel 26

1.Ijow antwortete nun und sprach:
2.Wie hast du geholfen? ohnmächtig, kraftlos den Arm gestützt?
3.Wie unklug hast du beraten! Und wieviel Ersprießliches hast du verkündet?
4.Wessen Worte hast du hergesagt? und wessen Geist ist aus dir gekommen? —
5.[Ob ich nicht wüsste], dass [vor Gott] selbst die Toten erbeben, die tiefen Gewässer und ihre Bewohner.
6.Nackt liegt die Gruft vor ihm und ohne Hülle die Unterwelt.
7.Er spannt den Norden über das Leere und hing die Erde an über das Nichts.
8.Er band das Wasser in seine Wolken, und das Gewölk barst nicht darunter.
9.Er verhüllte des Thrones Anblick, indem er sein Gewölk darüber breitete.
10.Einen Zirkel zog er um des Wassers Fläche, wo der Grenzpunkt des Lichts und der Finsternis ist.
11.Die Säulen des Himmels erzitterten und erstarren ob seinem Dräuen.
12.Mit seiner Stärke erregte er das Meer, und mit seinem Verstande erschlug er das Meerungeheuer.
13.Mit seinem Geiste schmückte er den Himmel, seine Hand zerschmetterte den flüchtigen Drachen.
14.Das sind nur seine kleinsten Werke, von denen wir eine kleine Kunde erhalten haben — aber seine mächtigen Taten, wer kann diese erfassen?

Kapitel 27

1.Und Ijow fuhr fort in seinem Spruche und sprach:
2.Beim lebendigen Gott, der mein Recht mir entzogen, und beim Allmächtigen, der mich so betrübt hat!
3.Dass, so lange Odem in mir ist und der Hauch Gottes in meiner Nase,
4.Werden meine Lippen kein Unrecht reden, und meine Zunge kein Falsch aussprechen.
5.Fern sei es von mir, dass ich euch Recht gebe; bis ich verscheide, lasse ich nicht von meiner Unschuld.
6.Fest halt ich an meiner Gerechtigkeit und lasse nicht von ihr, mein Herz hat niemals solch Lästerliches gehegt.
7.Möge es meinem Feind wie dem Frevler ergehen, und meinem Widersacher wie dem Bösewicht.
8.Denn was ist die Hoffnung des Ruchlosen, dass er nach Gewinn hascht, wenn Gott ihn einst verwirft?
9.Wird Gott sein Geschrei hören, wenn Not über ihn kommt?
10.Oder hat er an dem Allmächtigen seine Wonne? und kann er Gott anrufen zu aller Zeit?
11.Ich werde euch lehren was in Gottes Hand steht, was beim Allmächtigen ist, will ich nicht verschweigen.
12.Ihr alle habt es ja geschaut, und warum habt ihr denn Nichtiges gefaselt?
13.[Ich weiß es selbst sehr gut]: Das ist das Teil des Frevlers von Gott und das Loos der Übermütigen, das sie vom Allmächtigen erhalten.
14.Mehren sich seine Kinder, so ist es für das Schwert, und seine Sprösslinge können sich nicht satt essen.
15.Seine vom Schwert Entronnenen werden im Verscheiden [still) begraben, und seine Witwen weinen nicht.
16.Mag er Silber häufen wie Staub, und wie Lehm Kleider anschaffen.
17.Er schafft an, und der Gerechte kleidet sich damit, und in das Silber teilen sich die Schuldlosen.
18.Wie die Motte hat er sein Haus gebaut, und wie die Laube, die der Feldhüter gemacht; [es hat keinen Bestand].
19.Reich legt er sich nieder, aber [der Reichtum] wird nicht eingesammelt; schlägt er die Augen auf — weg ist es.
20.Es ereilen ihn wie die Fluten die Schrecken, nachts entführt ihn der Sturmwind.
21.Der Ost hebt ihn, und er fährt dahin, und weg stürmt er ihn von seiner Stätte.
22.Er wirft alles von sich ab und schont nichts, wenn er vor Gottes Gewalt entfliehen möchte.
23.Er aber klatscht in die Hände über ihn und zischt ihm nach von seiner Stätte.

Kapitel 28

1.Gewiss, für das Silber gibt es
einen Fundort und eine Stätte, wo sie Gold läutern.
2.Eisen wird aus dem Erdreich geholt und aus Stein schmilzt man Kupfer.
3.Ein Ziel hat man der Finsternis gesetzt, und ganz bis an die Grenze sucht man auf die Steine des Dunkels und der Unterwelt.
4.Man bricht einen Schacht durch, weit weg unter der Einwohnerschaft; [an Stellen], von jedem Fuß vergessen, fern von den wandernden Menschen.
5.Von dem Erdboden geht Brotkorn hervor, aber seine Tiefe ist wie vom Feuer durchwühlt.
6.Zuweilen ist sein Gestein mit Saphir [durchmengt], und Goldstaub ist daran.
7.Diesen Pfad kennt der Adler nicht, das Auge des Aars hat ihn nicht erblickt.
8.Es haben ihn nie betreten die stolzen Raubtiere und der Leopard nie beschritten.
9.An den Felsen legt man Hand an, man durchwühlt die Berge von der Wurzel.
10.Durch Klippen bricht man Gänge, und das Auge erblickt alles Köstliche.
11.Damit sie nicht tröpfeln, bindet man die Wassergänge, und das Verborgene schafft man ans Licht.
12.Aber wo wird die Weisheit gefunden, und wo ist die Stätte der Erkenntnis?
13.Kein Mensch kennt ihren Rang und im Lande der Lebenden wird sie nicht gefunden.
14.Die Meerestiefe spricht: Sie ist
nicht in mir! und das Meer spricht: Nicht bei mir!
15.Gediegenes Gold kann nicht für sie gegeben werden, und Gold nicht zugewogen werden als ihr Kaufpreis.
16.Sie wird nicht eingetauscht gegen Ofirgold, gegen kostbaren Onyx und Saphir.
17.Gold und Glas kommen ihr nicht gleich, und goldene Geräte gelten nicht als Tausch für sie.
18.Korallen und Kristalle kommen da nicht in Betracht, denn Schmuck der Weisheit ist mehr als der der Perlen.
19.Man schätzt sie nicht nach dem Topas von Kusch, gegen reines Gold wird sie nicht aufgewogen.
20.Woher kommt also die Weisheit, und wo ist die Stätte der Erkenntnis?
21.Verhüllt ist sie vor den Augen aller Lebendigen, und auch vor den Vögeln des Himmels verborgen.
22.Abgrund und Tod sprechen: Wir haben von ihr nur Kunde vernommen.
23.Gott allein kennt den Weg zu ihr, und nur er weiß ihre Stätte.
24.Denn er schaut bis an die Enden der Erde, er sieht alles, was unter dem Himmel ist.
25.Er kann angeben das Gewicht des Windes, und das Wasser misst er nach dem Maße.
26.Er bestimmte das Gesetz des Regens und die Weise des donnernden Blitzes.
27.Damals, als er sie sah und sie vermaß, als er sie festsetzte und durchforschte,
28.Da sprach er zum Menschen: Die Furcht des Herrn ist Weisheit, und das Böse meiden — Erkenntnis!

Kapitel 29

1.Ijow fuhr fort in seinem Spruch
und sprach:
2.O, wäre ich wie in den früheren Monden, wie in den Tagen, da Gott mich behütete!
3.Da seine Leuchte über meinem Haupte strahlte, als ich bei seinem Licht wandelte im Finstern.
4.Wie ich war in den Tagen meines Herbstes10D. h.: als sein Glück den Höhepunkt erreicht hatte., als Gottes Vorsehung über meinem Zelte waltete.
5.Da noch der Allmächtige mit mir war, rings um mich meine Knaben.
6.Da sich meine Füße in Rahm badeten, und der Fels neben mir Bäche von Öl strömte.
7.Wenn ich zum Tor aus der Stadt hinausging, auf dem Markt meinen Sitz nahm,
8.Da sahen mich Jünglinge und verbargen sich, und Greise erhoben sich und blieben stehen.
9.Vornehme hielten in der Rede inne und legten die Hand auf ihren Mund.
10.Die Stimme der Edlen verbarg sich, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen.
11.Denn, wes Ohr von mir hörte, pries mich glücklich, und wes Auge mich sah, legte Zeugnis für mich ab.
12.Denn ich rettete den Armen, der um Hilfe rief, und die Waise, die keinen Beistand hatte.
13.Der Segen der Verlorenen kam auf mich, und das Herz der Witwen erfreute ich.
14.Gerechtigkeit legte ich an und sie kleidete mich, wie Oberkleid und Bund das Recht.
15.Augen war ich dem Blinden, und dem Lahmen war ich Füße.
16.Vater war ich den Dürftigen, auch die Streitsache, die mich nicht anging, untersuchte ich.
17.Ich zerschmetterte das Gebiss des Bösewichts, und seinen Zähnen entriss ich die Beute.
18.Und ich hoffte, in meinem Neste werde ich verscheiden und wie der Phönix lange leben.
19.Meine Wurzel wird offen sein dem Wasser, und der Tau wird weilen in meinen Zweigen.
20.Mein Ansehen bleibt frisch bei mir, und mein Bogen neugestärkt in meiner Hand. —
21.Auf mich werden sie hören und harren und still auf meinen Rat warten.
22.Nach meinem Worte wird keiner zu sprechen wagen, wenn auf sie meine Rede träufelt.
23.Sie werden mein warten wie des Regens, und ihr Mund wie nach dem Spätregen danach lechzen.
24.Ich lächle ihnen zu, wenn sie kein Vertrauen zeigen, [und sie sagen nichts,] die Heiterkeit meines Gesichts zu mindern.
25.Ich bestimme ihren Weg und sitze an der Spitze thronend wie ein König im Heere, wie einer, der Trauernde tröstet.

Kapitel 30

1.Und nun spotten mein solche, die jünger sind als ich an Jahren, deren Väter ich verschmäht, sie zu den Hunden meiner Herde zu gesellen.
2.Nichtig war mir auch die Kraft ihrer Hände. — Ihnen schwand die jugendliche Kraft.
3.Elend bei Mangel und Hunger liefen sie in der Steppe herum, in das Düster des Grausens und Entsetzens.
4.Sie zerpflückten Salzkräuter am Gesträuch, und deren Kost war Ginsterwurzel.
5.Aus der menschlichen Gesellschaft wurden sie gejagt; man schrie hinter ihnen her, wie hinter Dieben.
6.In Tälerritzen wohnten sie, in Erdlöchern und Felsschluchten;
7.Zwischen Sträuchern stöhnten sie, unter Dorngebüsch drängten sie sich zusammen.
8.Diese Niederträchtigen und Namenlosen wurden aus dem Lande gepeitscht.
9.Und nun bin ich ihnen zum Spottlied geworden, ich bin ihnen zum Sprichwort.
10.Sie verabscheuen mich und halten sich von mir fern, und vor meinem Angesicht halten sie den Speichel nicht zurück.
11.Da [Gott] meine Sehne gelöst und mich geschwächt, so lassen sie ihre Zügel vor meinem Angesichte los.
12.Eine Brut erhebt sich zu meiner Rechten; meine Füße durchstoßen sie und bahnen zu mir die Wege ihres Verderbens.
13.Sie wühlen meine Straße auf und helfen zu meinem Sturz, mögen sie selbst nie Hilfe finden!
14.Wie eine weite Flut kommen sie, unter Brausen wälzen sie sich heran.
15.Es kam über mich Bestürzung — wie der Wind jagt mein Ansehen davon, und wie ein Gewölk flieht mein Heil vorüber.
16.Und nun ist meine Seele so wehmütig gestimmt, da mich Tage der Not erreicht haben.
17.Nachts durchbohrt es mir die Gebeine, und meine Nerven ruhen nicht.
18.Durch die Allgewalt [der Krankheit] ist mein Gewand [meine Körperform] entstellt, wie ein Hemd umschließt sie mich.
19.Es warf mich in den Kot, und ich wurde gleich dem Staub und der Asche.
20.Ich schreie zu dir, aber du erhörst mich nicht; ich stehe da, aber du merkst nicht auf mich.
21.Du hast dich in einen Grausamen verwandelt gegen mich, mit deiner starken Hand befehdest du mich.
22.Du hobst mich empor im Winde und ließest mich auf ihm dahinfahren — so hast du mich gründlich zermalmt.
23.Gewiss, ich weiß es, du wirst mich in den Tod zurückführen, in die Versammlungsstätte für alles Lebende.
24.Doch sollte man nicht die Hand flehend ausstrecken, im Unglück nicht aufschreien?
25.Habe ich nicht um den Bedrängten geweint? War nicht mein Herz betrübt um den Elenden?
26.Wahrlich, auf Glück habe ich gehofft, und es kam Unglück, und auf Licht geharrt, und das Dunkel kam.
27.Mein Inneres siedet und ruht nicht, da mich Tage der Not erreicht haben.
28.Düster wandle ich umher ohne Sonnenlicht; ich erhebe mich mitten in der Versammlung und schrei auf.
29.Ein Bruder bin ich geworden den [heulenden] Schakalen und ein Gespiele den Straußen.
30.Meine Haut hängt geschwärzt an mir herab, und mein Gebein verbrennt von der Glut.
31.Deshalb ist meine Zither zur Trauerklage geworden, und meine Flöte zu Jammertönen.

Kapitel 31

1.Meinen Augen habe ich streng geboten, nicht [lüstern] auf eine Jungfrau zu schauen.
2.Und was wurde mir dafür das Teil Gottes von oben, und des Allmächtigen Loos aus den Höhen?
3.Doch nur das Verderben gleich dem Ungerechten und Unheil gleich den Übeltätern.
4.Er sah ja meine Wege und zählte all meine Schritte.
5.Bin ich je mit Lüge umgegangen, und ist zum Truge mein Fuß gelaufen?
6.Man möge mich auf richtiger Wage wägen, dass Gott meine Unschuld erkenne.
7.Ob mein Schritt vom rechten Wege abgewichen, ob mein Herz meinen Augen gefolgt ist und an meinen Händen ein Makel klebt?
8.Dann mag ich säen und ein anderer essen, dann mögen meine Sprösslinge entwurzelt werden.
9.Wenn mein Herz nach einem Weibe gelüstet, dass ich an der Tür meines Nächsten gelauert hätte;
10.Dann möge sich mein Weib einem Fremden preisgeben, dass Fremde sich auf sie niederwerfen.
11.Denn das ist Schändlichkeit, eine straffällige Sünde.
12.Das sei wie ein Feuer, es fresse bis in die Verwesung, und all meinen Ertrag entwurzele es.
13.Habe ich je verachtet das Recht meines Knechtes und meiner Magd in ihrem Streit mit mir?
14.[Denn ich dachte stets]: Was tue ich, wenn Gott aufsteht, und wenn er es rügt, was erwidere ich ihm?
15.Hat man mich doch in einem Leibe gezeugt, wie man jenen gezeugt. Wurden wir ja beide gleich in einem Mutterschoße bereitet.
16.Habe ich das Begehren der Armen je versagt, und ließ ich die Augen der Witwe schmachten?
17.Aß ich meinen Bissen allein, oder aß nicht vielmehr die Waise mit davon?
18.Nein! von meiner Kindheit wuchs es mit mir auf wie Eines Vaters, und von Mutterleibe an hielt ich es also:
19.Dass ich nicht einen Umherirrenden ohne Kleid sehen konnte und nicht ohne Bedeckung den Dürftigen.
20.Seine Hüften priesen mich, und mit der Schur meiner Schafe erwärmte er sich.
21.Habe ich je gegen eine Waise meine Hand geschwungen, weil ich am Tor [bei Gericht] meine Macht sah:
22.So renke meine Schulter aus dem Blatte, und mein Arm breche von der Röhre ab.
23.Denn ich scheute das Unheil Gottes; ich könnte es nicht tun wegen seiner Erhabenheit.
24.Habe ich das Gold zu meinem Hort gemacht und das feine Gold meine Sicherheit genannt?
25.Habe ich mich gefreut, dass mein Gut groß geworden, und dass meine Hand viel erworben hat?
26.Wenn ich die Sonne gesehen, da sie strahlte, und den Mond, da er glanzvoll wandelte;
27.Wurde dabei heimlich mein Herz betört, und hat sich meine Hand an meinen Mund zum Kuss gelegt?11Noch heute im Orient üblich, heiligen Dingen auf diese Weise Verehrung zu erweisen. Ijow wollte sagen, dass er nie Himmelskörper angebetet habe.
28.Denn das wäre auch strafbare Sünde, ich hätte ja Gott droben verleugnet.
29.Habe ich mich je gefreut ob dem Fall meines Feindes, und war ich freudig erregt darüber, dass ihn Unglück getroffen?
30.Ich habe ja vielmehr meinen Mund von der Sünde zurückgehalten, sein Leben zu verwünschen.
31.Und doch sagten später meine Zeltgenossen: Wir möchten sein Fleisch [verzehren], wir könnten es gar nicht satt werden.
32.[Während meines Glückes] hat der Fremdling niemals im Freien übernachten dürfen, denn meine Tür hielt ich für den Wanderer offen.
33.Habe ich je wie gewöhnliche Menschen mein Vergehen geleugnet, verborgen in meinem Busen meine Missetat?
34.Dass ich jetzt den großen Haufen scheuen muss, und der Verächtlichste der Geschlechter mich schreckt; dass ich mich still verhalten muss und nicht vor die Tür treten darf.
35.Möchte mir nur jemand zuhören! — da meine Unterschrift, worauf der Allmächtige mir antworten möge. Wo ist nun die Erwiderungsschrift meines Gegners?
36.Wahrlich, ich möchte sie auf meiner Schulter tragen, sie wie ein Diadem mir umbinden.
37.Ich würde ihm genau meine Schritte ansagen, wie einen Fürsten ihn ehren.
38.[Ich frage]: Hat über mich mein Acker geschrien, und haben alle seine Furchen geweint?
39.Habe ich seine Kraft verzehrt ohne Entgelt, dass sein Besitzer darüber verzweifeln musste?
40.Dann mögen anstatt des Weizens Dornen aufgehen und anstatt der Gerste Lolch. — Zu Ende sind die Worte Ijows.

Kapitel 32

1.Die drei Männer hörten nun auf,
Ijow zu antworten, da er sich doch für gerecht hielt.
2.Das erregte den Zorn des Elihu, Sohnes Barachel, des Busi, aus dem Geschlechte Ram; er zürnte dem Ijow, weil er sich gerechter hielt als Gott.
3.Aber auch über dessen drei Freunde zürnte er, weil sie keine Antwort gefunden, nur dass sie Ijow verdammt hatten.
4.Elihu hatte lange gewartet mit [seinen] Worten gegen Ijow; denn sie waren älter als er an Tagen.
5.Als aber Elihu sah, dass die drei Männer keine Antwort mehr hatten, da wurde er sehr erzürnt.
6.Elihu, Sohn Barachel, der Busi, hub darauf an und sprach: Jung bin ich an Tagen, und ihr seid Greise; darum habe ich mich bescheiden zurückgehalten und gefürchtet, euch meine Meinung zu sagen.
7.Ich habe gedacht, die Erfahrung soll reden, und die Menge der Jahre Weisheit kundtun.
8.Doch, der Geist ist es in den Menschen und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht.
9.Nicht die Großen sind weise, und nicht immer verstehen die Alten, was Recht ist.
10.Darum spreche ich: Höre auf mich! auch ich will meine Meinung sagen.
11.Ich habe fürwahr geharrt eurer Worte, habe gelauscht euren Sinnsprüchen, bis ihr die passenden Worte findet.
12.Aber ich sehe auf euch hin; da ist keiner von euch, der Ijow zurechtweisen, der seine Reden widerlegen könnte.
13.Meint ihr damit Weisheit entdeckt zu haben, [wenn ihr Ijow sagt:] Gott hat ihn niedergeworfen und kein Mensch?
14.Hätte er aber an mich Reden gerichtet, mit euren Worten hätte ich ihn nicht widerlegt.
15.Sie sind erlegen, antworten nicht mehr, entfallen sind ihnen die Worte.
16.Ich wartete lange, ob sie nicht etwa reden; aber sie haben aufgehört und antworten nicht mehr.
17.So will auch ich antworten meinen Teil, auch ich will meine Meinung sagen.
18.Denn voll bin ich von Worten; mich drängt der Geist meines Innern.
19.Mein Inneres ist jetzt wie das Weingefäß, das nicht geöffnet worden; wie Schläuche voller jungen Mostes möcht es bersten.
20.Ich will denn reden und mir Luft machen, meine Lippen auftun und antworten.
21.Ich werde nicht das Ansehen der Person achten, keinem Menschen schmeicheln.
22.Denn ich verstehe nicht zu schmeicheln, sonst soll mich mein Schöpfer fortwehen.

Kapitel 33

1.Höre nun, Ijow, meine Reden, und merke auf all meine Worte.
2.Ich habe aufgetan meinen Mund, es redet meine Zunge in meinem Gaumen:
3.Aus redlichem Herzen kommen meine Sprüche, und meine Lippen reden deutlich Weisheit.
4.Der Geist Gottes gab mir das ein, und der Odem des Allmächtigen belebt mich.
5.Wenn du mich zu widerlegen vermagst, so richte dich gegen mich und tritt auf!
6.Ich bin gegen Gott genau wie du; auch ich bin von Lehm geformt worden.
7.Meine Größe wird dich also nicht ängstigen, und meine Kraft nicht schwer auf dir liegen.
8.Du sprachst vor meinen Ohren, ich hörte einen Schall von Worten:
9.Lauter bin ich ohne Missetat; rein bin ich und in mir ist keine Schuld.
10.Nur einen Vorwand sucht er bei mir, um mich für seinen Feind zu achten.
11.Er legt in den Stock meine Füße und belauert all meine Pfade.
12.Da hast du nicht Recht! antworte ich dir, denn zu groß ist Gott gegen den Sterblichen.
13.Warum hadertest du mit ihm, da er doch seine Taten nicht verteidigt?
14.Auf eine Weise nur offenbart sich Gott, und auf eine andere nimmt ihn niemand wahr.
15.Im Traum des Nachtgesichtes wenn fester Schlaf die Menschen befällt, im Schlummer auf dem Lager;
16.Da öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt mit ihrer Zurechtweisung.
17.Den Menschen von Gewalttat abzubringen und den Hochmut des Mannes niederzudrücken;
18.Ihn von der Grube zu retten und sein Leben vom Sturz ins Todesgeschoß.
19.Er wird mit Schmerzen auf seinem Lager gestraft, mit heftiger Zerrüttung seines Körpers.
20.Ihn ekelt jede Speise an, auch das begehrenswerteste Gericht.
21.Sein Fleisch schwindet ohne Nahrung, und der nicht genährte Körper wird abgemagert.
22.So naht er sich der Grube und sein Körper dem Tode.
23.Findet sich um ihn ein Engel, ein Fürsprecher unter tausend [Anklägern], zu verkünden vom Menschen etwas Redliches,
24.So begnadigt er ihn und spricht: Lass ihn los, dass er nicht in die Grube sinke! Ich habe Sühne gefunden.
25.Dann wird sein Fleisch abermals fest von Jugendkraft; er kehrt in die Tage der Kindheit zurück.
26.Er fleht zu Gott, und er nimmt ihn gnädig auf und blickt ihn an mit Huld; er erstattet dem Menschen nach seiner Gerechtigkeit.
27.Laut verkündet er vor den Menschen und spricht: Ich habe gesündigt und das Recht gekrümmt, aber er hat es mir nicht vergolten.
28.Er hat mich von der Grube erlöst; mein Leben weidet sich am Licht.
29.All dies wirkt Gott auch zweimal, dreimal gegen den Mann.
30.Ihn zurückzuführen von der Grube, dass sie im Lichte des Lebens leuchte.
31.Merke auf, Ijow, höre auf mich; schweige, und ich will reden.
32.Findest du Worte, so widerlege mich; rede, denn ich wünsche dich zu rechtfertigen.
33.Wo nicht, höre du auf mich; schweige, und ich will dich Weisheit lehren.

Kapitel 34

1.Elihu hub nun an und sprach:
2.Höret ihr Weisen, meine Worte, und horchet mir zu, Kundige!
3.Das Ohr soll die Worte prüfen, wie der Gaumen die Speisen kostet.
4.Lasst uns das Rechte wählen, lasst uns erkennen, was gut ist.
5.Denn Ijow hat gesprochen: Ich bin gerecht, aber Gott hat meine Rechte mir entzogen.
6.Trotz meines Rechts werde ich Lügen gestraft; unheilbar ist der Pfeil in mir, ohne mein Verschulden.
7.Wie kann ein Mann wie Ijow Lästerung wie Wasser trinken.
8.Dass er sich zu Übeltätern gesellt und mit den sündigen Männern wandelt.
9.Indem er spricht: Es nützt nicht dem Menschen, Gott in allem zu Willen zu sein.
10.Wahrlich, ihr Männer von Verstand, hört auf mich! Fern ist von Gott Frevel und vom Allmächtigen Unrecht.
11.Denn nur wie das Thun des Menschen bezahlt er ihm, und nach dem Wandel des Mannes lässt er es ihm ergehen.
12.Viel weniger fürwahr wird Gott ungerecht verdammen und der Allmächtige das Recht krümmen!
13.Wer hat ihm die Erde anvertraut, oder wer hat das ganze Erdenrund errichtet?
14.Wenn es ihm in den Sinn käme, dass er seinen Hauch und seinen Odem zurückzöge,
15.So verginge alles Fleisch, und der Mensch kehrte in den Staub zurück.
16.Wenn du das beobachtest und verstehst, so höre denn auf die Stimme meiner Worte.
17.Sollte denn der Feind des Rechts herrschen, oder willst du auch den Gerechten so sehr ins Unrecht setzen?
18.Darf ein König nichtswürdig und ein Gebieter ein Frevler genannt werden?
19.Er achtet nicht das Ansehen von Fürsten, bei ihm wird nicht der Edle vor dem Geringen ausgezeichnet, da sie alle das Werk seiner Hände sind.
20.Im Augenblick sterben sie, in tiefer Nacht, das Volk braust auf — da fahren sie dahin, man setzt den Mächtigen ab und er ist machtlos!
21.Denn seine Augen sind auf die Wege des Menschen gerichtet und all seine Schritte sieht er.
22.Es gibt keine Finsternis kein tiefes Dunkel, wo sich der Übeltäter verbergen könnte.
23.Kein Mensch darf wagen, Gott zum Gericht herauszufordern.
24.Er zerschmettert Mächtige ohne Zahl und setzt andere an ihrer Stelle ein.
25.Fürwahr, er kennt ihre Taten, kaum ist die Nacht um und sie sind zermalmt.
26.Die Frevler schlägt er nieder, wo es alle sehen können.
27.Weil sie von ihm abgewichen sind
und alle seine Wege nicht beachtet haben. 28.Weil sie das Geschrei der Niedrigen vor ihn gebracht, und das Geschrei der Armen hat er gehört.
29.Wenn er aber ruhig bleibt, wer könnte [die Bösen] schuldig sprechen? Wenn er das Antlitz verbirgt, wer schaut über Völker und die ganze Menschheit?
30.[Wer schützt sie] vor einem schuldbeladenen Herrscher, vor den Fallstricken der Leute?
31.Darf zu Gott gesprochen werden: Ich habe gebüßt, was ich nicht verschuldet?
32.[Vielmehr musst du sagen:] Ich kann es nicht sehen, belehre mich; ich habe wohl unrecht getan, aber ich tue es nicht mehr.
33.Soll [Gott] alles nach deinem Wunsche einrichten, weil du verwirfst oder wählst? Dem kann ich nicht [zustimmen]. Sprich doch, was du weißt.
34.Männer von Verstand werden mir beistimmen und jeder Weise auf mich hören.
35.Ijow hat nicht mit Sinn geredet und seine Worte nicht mit Überlegung.
36.Ich wünschte, Ijow werde geprüft, bis er besiegt ist, damit ruchlose Männer widerlegt werden.
37.Denn er fügt zu seinem Fehltritt Abfall hinzu; in unserer Mitte höhnt er und hält große Reden gegen Gott.

Kapitel 35

1.Elihu fuhr dann fort und sprach:
2.Hältst du das für Recht, wenn du sagst: Ich bin gerecht gegen Gott.
3.Indem du sprichst: Was hilft es dir? Womit kann ich mir [durch Frömmigkeit] mehr nützen als mit meiner Sünde?
4.Ich will dich mit Reden widerlegen, vor deinen Genossen, die um dich sind.
5.Betrachte den Himmel und siehe, und schaue die Wolken, die hoch über dir sind.
6.Wenn du sündigst, was wirkst du auf ihn? und häufen sich deine Missetaten, was tust du ihm?
7.Bist du gerecht, was gibst du ihm? oder was nimmt er von deiner Hand?
8.Nur die Menschen deinesgleichen trifft dein Frevel, und ebenso nur den Menschensohn deine Gerechtigkeit.
9.[Nur Menschen] wehklagen ob der großen Bedrückung; ob der Gewalt des Mächtigen schreien sie.
10.Niemand spricht in dem Dunkel der Nacht: Wo ist Gott, mein Schöpfer, dem doch nur Lobgesänge erklingen sollten [und nicht Klagetöne der Unterdrückten].
11.Der uns durch das Vieh der Erde
belehrt und durch die Vögel des Himmels uns weise macht.
12.Sie schreien so lange, als er nicht hören will, ob dem Übermut der Bösen!
13.Aber es ist falsch [anzunehmen], Gott höre es nicht, der Allmächtige sehe es nicht.
14.Überhaupt dass du sagen dürftest: Du siehst ihn nicht. Führe deinen Streit vor ihm, und harre du nur seiner.
15.Wo er sich nicht strafend zeigt, hat er seinen Zorn nur aufbewahrt; wo er nicht straft, da hält er sich sehr zurück.
16.Ijow aber tut seinen Mund auf zur Torheit und häuft Reden ohne Sinn.

Kapitel 36

1.Elihu fuhr fort und sprach:
2.Verziehe nur ein wenig und ich will dir eröffnen, denn ich will noch für Gott reden.
3.Ich will meine Ansicht aus ferner Zeit her begründen und meinem Schöpfer Recht verschaffen.
4.Wahrlich, nicht falsch sind meine Worte, ich bringe dir ehrliche Meinungen vor.
5.Mächtig ist Gott und er misshandelt nicht, mächtig an Kraft und an Geist.
6.Den Frevler wird er nicht lange am Leben lassen, und dem Armen schafft er Recht.
7.Er wendet von den Gerechten nicht seine Augen ab; neben Könige auf den Thron setzt er sie für die Dauer, und sie bleiben hoch.
8.Und wenn sie gefesselt sind mit Ketten, verstrickt sind in den Banden des Elends,
9.So hält er ihnen ihr Thun vor und ihre Vergeben, deren so viele waren.
10.Er öffnet ihr Ohr der Zucht und heißt sie umkehren von der Untat.
11.Hören sie darauf und unterwerfen sich, so verbringen sie ihre Tage in Glück und ihre Jahre in Lust.
12.Wenn sie aber nicht hören wollen, so müssen sie durch das Geschoß fallen, sie vergehen aus Unverstand.
13.Eben die ruchlosen Herzens sind, verharren im Groll, sie flehen nicht, wenn er sie züchtigt;
14.Sie sterben hin in der Aufregung und ihr Leben schwindet unter feilen Buben.
15.Aber [Gott] rettet den Elenden durch sein Elend, und durch Drangsal öffnet er sein Ohr. 16.Auch dich wird er von der Enge hervorheben an eine breite Stelle, wo keine Bedrängnis ist; dein Tisch wird voll des Guten sein.
17.Dann wirst du den Frevler zur Rechenschaft ziehen, Recht und Gerechtigkeit werden aufrecht stehen.
18.Denn [Gottes] Zorn [träfe dich], wenn er dich mit deinem Überfluss locken wollte; auch das größte Lösegeld darf dich nicht beeinflussen.
19.Wer wird deinen Reichtum schätzen können, wenn du nicht mehr in Bedrängnis bist — deine große Kraft?12Die Verse 17—19 sind sehr schwierig; der Sinn lässt sich nur einigermaßen erraten.
20.So sehne dich nicht nach jener Nacht, wo die Völker aufleben werden an ihrer Stelle!
21.Hüte dich, dass du dich nicht zuwendest der Untat, die du in deinen Leiden erwählest.
22.Gott ist wahrlich erhaben in seiner Kraft; wer ist ein Meister gleich ihm?
23.Wer darf ihm seinen Wandel vorhalten? und wer sprechen: Du hast Unrecht getan?
24.Daran denke, dass du hochpreist sein Werk, soweit es Menschen schauen.
25.All die Menschen staunen es an; der Sterbliche betrachtet es aus der Ferne.
26.Gott ist wahrlich groß, unbegreiflich, seine Jahre unzählbar.
27.Er zieht heran die Wassertropfen, dass durch den Nebel Regen sickert.
28.Damit die Wolken rieseln, Regen fallen lassen auf die Menschen.
29.Wer kann verstehen die Wolkenausdehnungen, das Krachen seiner Umhüllungen [das Donnern]?
30.Wohl hat er darüber sein Licht gebreitet, das bis auf den Grund des Meeres dringt.
31.Damit richtet er die Völker, gibt aber auch Nahrung und Überfluss.
32.Mit den Händen bedeckt er [mitunter] das Licht, er befiehlt es so als Angriff [als Strafe].
33.So ertöne über ihn der Gesang der Schöpfung, er steige auf in die Höhe.13Der Sinn der beiden letzten Verse lässt sich nur einigermaßen erraten.

Kapitel 37

1.Ja, darob zittert mein Herz und er bebt auf seiner Stelle.
2.Höret, höret auf seine grollende Stimme, auf das Brausen, das aus seinem Mund fährt!
3.Unter dem ganzen Himmel ist seine Macht, und sein Blitz bis an die Enden der Erde.
4.Hinter ihm her erdröhnt seine Stimme, er donnert mit seinem majestätischen Ruf, nichts hält [die Blitze] zurück, wenn er seine Stimme erschallen lässt.
5.Mit seiner Stimme donnert Gott wunderbar, er schafft Großes, das wir nicht erforschen können.
6.Zum Schnee spricht er: Falle auf die Erde! und Regenguss entrinnt seiner Macht.
7.[Das Schicksal] eines jeden Menschen besiegelt er, alle seine Geschöpfe kennt er.
8.Auch das Tier, das auf Beute lauert oder in seiner Wohnung weilt.
9.Den Stern, der aus der Kammer kommt, und den Frost aus dem Norden.
10.Durch den Hauch Gottes wird Eis und das weite Gewässer festgefroren.
11.Auch wenn er die Wolken mit Wasserfällen beschwert, wenn sein Licht [der Blitz] das Gewölk zerstreut.
12.Dieses alles verursacht er, nach seinen Beschlüssen erfüllen sie ihren Zweck, wie er sie hienieden in der Welt entboten hat.
13.Bald zur Geißel nach seinem Willen, bald zur Gnade verwendet er es. —
14.Merke hierauf, Ijow, stehe und betrachte die Wunder Gottes!
15.Verstehst du es, wie Gott sie anordnet, wie seine Lichtwolke durchbrach?
16.Verstehst du es, wie das Gewölk durchbrochen wurde? [Kennst du] die Wundertaten des Vollkommenen an Wissen?
17.Dass deine Kleider dir heiß werden, wenn es so ruhig [weht] vom Süden her.
18.Oder wölbst du mit ihm die lichten Höhen, die fest sind wie gegossene [eherne] Spiegel?
19.Tue uns kund, was wir von ihm rühmen können. Wir können nichts darstellen vor Finsternis.
20.Kann er [nach Gebühr] gepriesen werden, dass ich reden sollte? Wird jemand [Gottes Thun] erklären, das doch so verhüllt ist?
21.Bis nun hat noch niemand das Licht gesehen, das so hell leuchtet in den lichten Höhen — ein Wind [von Gott] fuhr dahin und macht sie klar.
22.Vom Norden her

14Vergleiche Jesaja 14, 13.

strahlt es wie Gold, die göttliche, herrliche Majestät.
23.Den Allmächtigen in seiner großen Kraft begreifen wir nicht, aber im Recht und in der vollen Gerechtigkeit kränkt er niemanden.
24.Fürwahr, alle Sterblichen müssen ihn fürchten, er sieht die Weisen nicht an.

Kapitel 38

1.Darauf rief der Herr dem Ijow aus dem Sturme zu und sprach:
2.Wer ist es, der in unverständigen Worten den rechten Sinn verdunkeln will?
3.Gürte doch deine Lenden wie ein Mann; ich will dich fragen, und du belehre mich.
4.Wo warst du, da ich die Erde gründete? Sage an, wenn du Einsicht besitzest.
5.Wer hat ihr Maß bestimmt, wenn du es weißt? oder wer hat die Maßschnur an sie gelegt?
6.Worauf sind ihre Pfeiler gesetzt? oder wer hat ihren Grundstein gelegt?
7.Unter dem allgemeinen Jubel der Morgensterne und dem Jauchzen aller Gottesgeschöpfe?
8.Wer hat das Meer hinter Türen abgesperrt, als es aus dem Schoß [der Untiefe] hervorquoll und überflutete?
9.Als ich Gewölk zu seinem Kleide machte und Nebel zu seinen Windeln?
10.Als ich ihm eine Grenze setzte und sie wie mit Riegel und Türen befestigte?
11.Ich sprach: Bis hierher kommst du und nicht weiter, und hier setzt sie sich der Gewalt deiner Wogen entgegen.
12.Hast du je in deinem Leben den Morgen entboten, dem Morgenrot seinen Platz angewiesen?
13.Hast du je die Zipfel der Erde erfasst, um die Frevler von ihr abzuschütteln?
14.Sie wird zerbröckelt wie Siegelthon, und jene stehen da, der Verwesung preisgegeben.
15.Den Frevlern wird ihr Licht entzogen, und der mächtige Arm bricht ab.
16.Bist du an die Quelle des Meeres gelangt? Hast du den Grund der Untiefe durchwandelt?
17.Sind dir enthüllt die Pforten des Todes? Hast du die Pforten der Totenwelt gesehen?
18.Hast du der Erde Breite überschaut? Sage an, wenn du es verstehst.
19.Wo ist der Weg, der zu dem Licht führt, und wo hat die Finsternis ihre Stätte?
20.Kannst du sein Gebiet genau bestimmen, kennst du die Pfade seiner Behausung?
21.Weißt du es, weil du damals schon geboren warst, weil deiner Tage viel sind?
22.Bist du in die Speicher des Schnees
gelangt? und hast du die Speicher des Hagels gesehen?
23.Die ich aufgespart für die Zeit der Bedrängnis, für den Tag der Schlacht und des Kampfes?
24.In welcher Weise dringt das Licht durch, und stürmt der Ostwind über die Erde hin?
25.Wer hat der Regenflut Kanäle gespalten, und eine Bahn dem donnernden Blitz gegeben?
26.Um regnen zu lassen auf menschenleere Länder, auf Wüsten, worin niemand ist;
27.Zu sättigen Öde und Graus und Graswuchs hervorsprießen zu lassen?
28.Hat der Regen einen Vater? oder wer hat die Tropfen des Taues gezeugt?
29.Aus wessen Schoß ist das Eis hervorgegangen, und wer hat den Reif des Himmels gezeugt?
30.Wie Stein wird das Wasser verdichtet, und an der Oberfläche der Tiefe ist es festgefroren.
31.Vermagst du die Fesseln der Plejaden zu knüpfen? oder die Bande des Orion zu lösen?
32.Führst du die Planeten zu ihrer Zeit heraus? oder leitest du den Bären samt seinen Jungen?
33.Kennst du die Gesetze des Himmels? oder bestellst du eine Herrschaft über die Erde?
34.Kannst du zum Gewölk deine Stimme erheben, dass Wassergüsse dich bedecken?
35.Kannst du Blitze aussenden, dass sie gehen und zu dir sprechen: Wir sind bereit?
36.Wer hat in der Tiefe Dunkel Weisheit gesetzt? und wer gab den Himmelserscheinungen Einsicht?15Übersetzung unsicher; aus dem Zusammenhang geht nur hervor, dass von den Himmelserscheinungen die Rede ist.
37.Wer hat die Wolken abgezählt mit Weisheit? und wer hat des Himmels Schläuche niedergelegt?
38.Als der Staub gegossen wurde zu einem festen Körper, und die Schollen aneinandergeklebt wurden?
39.Erjagst du der Löwin Beute und stillst du die Gier der Junglöwen?
40.Wenn sie sich in den Lagern ducken, im Dickicht auf der Lauer sitzen?
41.Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, wenn seine Jungen zu Gott schreien und umherflattern wegen Mangels an Nahrung?

Kapitel 39

1.Kennst du die Gebärzeit der Felsgemse, dass du das Kreisen der Hirschkuh
abwarten könntest?
2.Weißt du die Monde [ihrer Trächtigkeit] zu zählen, bis sie voll sind, dass du die Zeit bestimmen könntest, wann sie gebären?
3.Sie knien nieder, lassen ihre Jungen durchbrechen! los sind sie der Wehen.
4.Es erstarken ihre Jungen, wachsen groß im Freien, dann gehen sie fort und kehren nicht wieder zu ihnen zurück.
5.Wer hat den Waldesel frei gelassen, und wer hat die Bande des Waldesels gelöst?
6.Dem ich die Steppe zur Hürde gemacht und die Wüste zu seiner Wohnung.
7.Er verschmäht das Stadtgetümmel, das Lärmen des Treibers hört er nicht.
8.Er erspäht auf Bergen seine Weide und allem Grün spürt er nach.
9.Wird der Reëm16Ein fabelhaft starkes Tier. dir dienen wollen? Wird er weilen an deiner Dreschtenne?
10.Vermagst du den Reëm zu binden an den Rain seines Leitseils? Wird er Furchen ziehen hinter dir?
11.Kannst du auf ihn vertrauen, weil seine Kraft groß ist? Kannst du ihm deine Arbeit überlassen?
12.Traust du ihm zu, dass er deine Saat einbringen und in deine Tenne sammeln wird? —
13.Das Straußweibchen schlägt lustig an, oder der flügge Storch und Pelikan.
14.[Nachher aber] überlässt es dem Boden die Eier, im Sand lässt es sie brüten.
15.Es denkt nicht daran, dass ein Fuß sic zerdrücken, das Tier des Feldes sie zerstampfen könnte.
16.Es ist hart gegen seine Jungen, als gehörten sie nicht ihm, sorglos überlässt es seine Brut sich selbst.
17.Denn Gott hat es nicht mit Verstand bedacht und ihm nichts von Einsicht zugeteilt.
18.Gleich nimmt es in die Höhe den Flug und spottet Ross und Reiter. —
19.Gibst du dem Rosse Stärke? Bekleidest du seinen Hals mit der wallenden Mähne?
20.Machst du es springen gleich der Heuschrecke, dass sein helles Schnauben Schrecken einflößt?
21.Es scharrt [voller Ungeduld] im Thale und wiehert mit Kraft, es zieht entgegen den Bewaffneten.
22.Es spottet der Furcht und zagt nicht und tritt nicht zurück vor dem Schwerte.
23.Wenn an ihm der Köcher erklirrt, die Klingen der Lanzen und Wurfspieße.
24.Mit Ungestüm und Wut schürft es den Boden, horcht hin, ob die Trompete erschallt.
25.Beim Trompetenschall ruft es: Hui! Denn aus der Ferne wittert es die Schlacht, den Donnerruf der Führer und das Feldgeschei. —
26.Ist es nach deiner Einsicht, dass der Habicht sich schwingt, seine Flügel gen Süden ausspannt?
27.Oder auf deinen Befehl sich der Adler erhebt und sein Nest hoch baut?
28.Auf Felsen wohnt er und horstet, auf Felsenspitzen und Bergzinnen;
29.Von dort aus erspäht er Nahrung, sehr weit hin lugen seine Augen aus.
30.Schon seine Jungen schlürfen Blut, und wo Leichen sind, dort ist er.

Kapitel 40

1.Der Herr rief noch dem Ijow zu und sprach:
2.Ist Kraft beim Allmächtigen, du Tadler? Du, der du Gott zurechtweisen möchtest, antworte doch!
3.Ijow erwiderte dem Herrn und sprach:
4.Wohl bin ich zu gering, was soll ich dir erwidern? Meine Hand leg ich auf den Mund.
5.Einmal habe ich geredet, aber ich wiederhole es nicht, zum zweiten Male tue ich es nicht wieder.
6.Da rief der Herr dem Ijow aus einem Sturme zu und sprach:
7.Gürte doch wie ein Mann deine Lenden, ich will dich fragen und du belehre mich!
8.Möchtest du noch meinen Rechtsspruch widerlegen? Zeihest du mich des Unrechts, auf dass du gerecht seiest?
9.Hast du einen Arm wie Gott, und vermagst du mit einer gewaltigen Stimme wie er zu donnern?
10.Schmücke dich doch mit Stolz und Hoheit und kleide dich in Glanz und Majestät.
11.Laß hervorbrechen die Fluten deines Zornes, und schlage mit deinem Blick jeden Hoffärtigen nieder.
12.Demütige mit deinem Blick jeden Hoffärtigen und zermalme die Frevler an ihrer Stätte. 13.Senke sie alle in den Staub, ihre Gesichter verhülle durch die Versenkung.
14· Und ich werde dich preisen, dass dir deine Rechte Sieg verliehen hat.
15.Siehe da das Nilpferd, das ich geschaffen um dich; Gras frisst es wie das Rind.
16.Seine Stärke ist in seinen Lenden, und seine Kraft in den Sehnen seines Leibes.
17.Es streckt seinen Schwanz wie eine Zeder, die Nerven seiner Schenkel sind dick geflochten.
18.Seine Gebeine sind wie Barren Erz, seine Knochen wie Eisenstäbe.
19. Es ist der Erstling der Werke Gottes; wer es [als Speise] bereiten möchte, mag sein Messer heranbringen.
20.Denn die Berge tragen ihm Futter, wo alle Tiere des Feldes spielen.
21.Unter Lotosstauden liegt es, geschirmt vom Rohr im Sumpfe.
22.Die Lotosstauden überdecken und beschatten es, die Weiden des Baches überdecken es.
23.Wenn der Strom reißend einher flutet, enteilt es nicht; es bleibt ruhig, auch wenn der Wasserfall ihm an das Maul reicht.
24.Mit seinen Augen würde es den verscheuchen, der ihm die Schlinge durch die Nase bohren wollte. —
25.Kannst du das Krokodil mit der Angel ziehen, und mit der Schnur seine Zunge niederdrücken?
26.Wirst du eine Binsenschnur ziehen durch seine Nase und mit Haken sein Kinn durchlöchern?
27.Wird es dich dann viel bitten, wird es sanft zu dir sprechen?
28.Wird es einen Bund mit dir schließen, dass du es für immer zum Sklaven nehmest?
29.Wirst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel und es anbinden für deine Mägdlein?
30.Daß Handelsgenossen um es feilschen und Kaufleute es unter sich teilen.
31.Wirst du dich rüsten mit Stacheln gegen seine Haut und mit dem Fischer haken gegen seinen Kopf?
32. Lege auf es deine Faust! — denke aber an Kampf, du tust es nicht mehr!

Kapitel 41

1.Gewiss, seine Hoffnung ist trügerisch, denn schon bei seinem bloßen Anblick wird man hingestreckt.
2.So tollkühn ist niemand, dass er es reize — und nun, wer will sich gegen mich stellen?
3.Wer kam mir zuvor? Ich würde ihm alles hingeben! denn alles unter dem Himmel ist mein.
4.Ich will nicht schweigen von seinem Wesen, seiner Kraft und seiner schönen Ausrüstung.17Es wird hier in der Beschreibung des Meerungeheuers fortgefahren.
5.Wer hat je die Vorderseite seines Gewandes aufgedeckt? wer in die Falte seines Gebisses gedrungen?
6.Wer hat je die Türen seines Antlitzes [seinen Rachen] geöffnet? Um sein Gebiss ist Schrecken.
7.Trotzig schließen sich die stolzen Schilde [die Zahnreihen], fest versiegelt.
8.Sie sind an einander geschlossen, und kein Hauch kommt dazwischen.
9.Sie sind eins an das andere gefügt, sie greifen in einander und lassen sich nicht los.
10.Sein Niesen strahlet Licht, und seine Augen sind wie die Strahlen des Morgenrots.
11.Aus seinem Maule fahren Fackeln, Feuerfunken entsprühen.
12.Aus seinen Nüstern steigt Rauch, wie aus einem dampfenden Topf oder Kessel.
13.Sein Odem entzündet Kohlen, und Flammen fahren aus seinem Rachen.
14.Um seinen Hals weilt Stärke, und vor ihm geht Angst einher.
15.Die Wamen seines Fleisches liegen hart an, gediegen ist alles an ihm, unbeweglich
16.Sein Herz gegossen wie Stein, fest wie der untere Mühlstein.
17.Vor seinem Auffahren graut es selbst den Starken, sie werden erschüttert und es schwindelt ihnen.
18.Das Schwert seines Angreifers haftet nicht an ihm, nicht Lanze, Streitaxt und spitzer Pfeil.
19.Es achtet Eisen für Stroh, Erz für morsches Holz.
20.Nicht verjagt es der Pfeil, in Stoppeln wandeln sich ihm die Schleudersteine.
21.Wie Stroh sind ihm Keulen geachtet, und es lacht zu dem Beben des Wurfspießes.
22.Unter ihm die spitzen Scherben, alles Scharfe drückt es platt in den Schlamm
23.Es macht die Tiefe wie einen Kessel sieden, das Meer rührt es wie eine Salbe.
24.Hinter ihm leuchtet ein Pfad auf; man wähnt die Flut ergraut. 25.Auf Erden ist nicht seinesgleichen, es ist unbesiegbar.
26.Alles Hohe blickt es an; — das ist der König über alle Stolzen!

Kapitel 42

1.Darauf antwortete Ijow dem Herrn und sprach:
2.Ich erkenne, dass du alles vermagst; denn unzugänglich ist dir kein Gedanke.
3.[Du fragtest]: Wer ist es, der verdunkeln mag den Sinn unverständig? Ja, ich bekenne, dass ich nichts weiß, verhohlen ist es vor mir, und ich versteh es nicht.
4.Höre doch und ich will reden; ich will dich fragen und du belehre mich.
5.Nach des Ohres Kunde wusste ich von dir; doch nun hat mein Auge dich gesehen.
6.Darüber verwerfe ich mein Geschwätz und bereue in Staub und Asche.
7.Nachdem der Herr diese Worte zu Ijow geredet hatte, sprach der Herr zu Elifas aus Teman. Mein Zorn ist wider dich und wider deine zwei Gefährten entbrannt; denn ihr habt nicht zu mir so aufrichtig geredet, wie mein Knecht Ijow.
8.Nehmet deshalb sieben Farren und sieben Widder und gehet zu meinem Knecht Ijow und bringet Opfer um euch, mein Knecht Ijow wird für euch beten; und nur sein Ansehen achte ich, euch keinen Schimpf anzutun, denn ihr habt nicht zu mir so aufrichtig geredet wie mein Knecht Ijow.
9.Da gingen Elifas aus Teman, Bildad aus Suah und Zofar aus Naama und taten, wie der Herr ihnen befohlen hatte; und der Herr achtete das Ansehen Ijows, [er nahm das Opfer wohlgefällig auf].
10.Der Herr stellte Ijow wieder her, weil er um seine Freunde betete, und der Herr vermehrte alles, was dem Ijow gehörte, zwiefach.
11.Es kamen zu ihm all seine Brüder und Schwestern und all seine Bekannten von vormals und aßen mit ihm Brot in seinem Hause und bemitleideten ihn und trösteten ihn ob all dem Unglück, das der Herr über ihn gebracht hatte; jeder gab ihm eine Kesita und einen goldenen Ring.
12.Der Herr segnete nun das Ende Ijows mehr als seinen Anfang; er hatte vierzehntausend Schafe und sechstausend Kamele und tausend Paar Rinder und tausend Eselinnen.
13.Auch hatte er sieben Söhne und drei Töchter.
14.Er nannte die eine Jemima, die zweite Kezia und die dritte Keren-Happuch.
15.So schöne Frauen wie die Töchter Ijows waren im ganzen Lande nicht zu haben; und ihr Vater gab ihnen ein Erbe unter ihren Brüdern.
16.Ijow lebte nach diesen Ereignissen noch hundertundvierzig Jahre und erlebte Söhne und die Söhne seiner Söhne, vier Geschlechter.
17.Ijow starb dann alt und lebenssatt.

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  • 1
    Der Mensch ist unempfindlich, so lange es ihn nicht selbst betrifft.
  • 2
    Ijow verflucht den Tag seiner Geburt, dass er aus der Zeitrechnung verschwinden möge.
  • 3
    Habe ich gefehlt, so müsste mir meine Schuld bekannt sein, und jedenfalls ist sie nicht so groß, wie ihr mir vorwerfen wollt.
  • 4
    Sowohl die hier wie auch 21, 19 stehende Redensart in dem Sinne: Ich will das den Frevlern nicht nachsprechen.
  • 5
    Wodurch angespielt wurde, dass Ijow nicht so ganz unschuldig sei.
  • 6
    Dass der Frevler bei vollem Glück stirbt, ist keine Strafe für ihn; denn vor ihm sind Menschen gestorben und auch nach ihm werden sie sterben.
  • 7
    Du übtest Ansehen der Person gegen die Armen und Schwachen.
  • 8
    Dieser Vers ist wegen אי נ קי missverstanden worden. Vergl. aber 2.Könige 15, 22.
  • 9
    Die Verse 18—21 sind etwas dunkel, da Ijow doch das Loos des Frevlers sonst glücklich preist. Wahrscheinlich wollte er dabei dem in seinen Reden häufig wiederkehrenden Gedanken Ausdruck geben, dass sich der Böse um sein Schicksal nach dem Tode nicht kümmert; bei Lebenszeiten geht es ihm aber gut.
  • 10
    D. h.: als sein Glück den Höhepunkt erreicht hatte.
  • 11
    Noch heute im Orient üblich, heiligen Dingen auf diese Weise Verehrung zu erweisen. Ijow wollte sagen, dass er nie Himmelskörper angebetet habe.
  • 12
    Die Verse 17—19 sind sehr schwierig; der Sinn lässt sich nur einigermaßen erraten.
  • 13
    Der Sinn der beiden letzten Verse lässt sich nur einigermaßen erraten.
  • 14
    Vergleiche Jesaja 14, 13.
  • 15
    Übersetzung unsicher; aus dem Zusammenhang geht nur hervor, dass von den Himmelserscheinungen die Rede ist.
  • 16
    Ein fabelhaft starkes Tier.
  • 17
    Es wird hier in der Beschreibung des Meerungeheuers fortgefahren.