Talmud

Über die Beziehung des Talmuds zum Judentum

Ein Text aus dem Jahre 1884, der den Talmud gegenüber antisemitischen Vorwürfen verteidigt.

Von befreundeter Seite bin ich um eine kurze, gemeinfassliche Darstellung der Beziehung des Talmuds zum Judentum und zu der sozialen Stellung seiner Bekenner ersucht worden. Das Jahrhundert, dem man gewöhnt war die Palme erleuchteter Humanität und allgemeiner Rechtsachtung zu reichen, scheint leider nicht zur Rüste gehen zu wollen, ohne dem aufrichtigen Menschenfreund den bittern Schmerz gründlicher Enttäuschung gebracht zu, haben. Wahrheiten, die man längst in das Geistesinventar der Menschheit eingebürgert glaubte, sind wieder in Frage gestellt, und begraben geglaubte Vorurteile feiern mit Schrecken erregenden Folgen ihre Auferstehung. Vor Allem leiden die Juden unter diesem Rückschritt der Erkenntnis und Gesittung. Die, wie man meinte, längst gelöste, so genannte »Judenfrage«, suchen judenfeindliche Bemühungen noch erst wieder Regierungen und Räten als Gegenstand von Erwägungen und Beschließungen zu empfehlen, und die Gestattung, die auch den Juden zukommende Aegide unantastbarer Rechtsgleichheit wieder in Zweifel zu stellen, lassen die niedrigen Leidenschaften unheilvollen Hasses und feindseliger Missgunst in der Brust von Bevölkerungen wieder Nahrung gewinnen, die längst gewöhnt waren, in dem Juden einen gleichberechtigten Mitbürger zu achten, dessen redlicher Fleiß und gemeinnützige Arbeitsamkeit, sowie immer zu spenden bereite menschenfreundliche Wohltätigkeit, ihm von selbst Anerkennung und Wohlwollen seiner Landesgenossen erworben hatten.
Von je aber war der Talmud der Leidensgefährte des Juden, und das Vorurteil, dem der Jude erlag, traf immer auch in erster Linie den Talmud, ja kenntnislose Voreingenommenheit war immer vorschnell bereit, die angebliche Gemeinschädlichkeit, deren man das Verhalten des Juden anklagen zu können vermeinte, auf den Talmud, als dessen Urheber zurückzuführen, so dass selbst sonst wohlwollende Kreise, denen eine Berichtigung ihrer Ansichten auf einem ihnen fern liegenden Gebiete nicht zugänglich war, und die in dem Talmud nur eine nicht urwüchsige Beifügung zum Judentum erblickten, der Meinung Raum geben konnten, eine Lossagung vom Talmud wäre sowohl im Interesse der Judenheit, als der übrigen Staatsgenossen, in deren Mitte die Juden leben, allen Ernstes zu wünschen, und die allmählige Entfremdung jüdischer Zeitgenossen vom Talmud als ein wirklicher Fortschritt der Gegenwart beifällig zu begrüßen.
Diese, von den Erfahrungen der jüngsten Zeit, getragenen Erwägungen, gaben zu dem mir zugekommenen Ersuchen Veranlassung, in gemeinfasslicher Darstellung die Beziehung des Talmuds zum Judentum und zu der sozialen Stellung der Juden darzulegen und durch möglichst wortgetreue Auszüge aus den talmudischen Schriften auch jedem nichtjüdischen unbefangenen Leser, die Bildung eines richtigen Selbsturteils über den Einfluss des Talmuds auf seine Bekenner zu ermöglichen.
Ich habe mich der Lösung dieser Aufgabe gerne unterzogen und hoffe mit den folgenden Blättern dem Zwecke nach besten Kräften entsprochen zu haben. Wo sich mir die Gelegenheit darbot, habe ich mit Vorliebe solche Sätze ausgezogen, die mit ihrem Wortlaut in dem jüdischen Volksbewusstsein heimisch geworden und dadurch den unmittelbarsten Einfluss auf die Gestaltung jüdischer Gesinnung und Grundsätze geübt haben.
So mögen denn diese anspruchslosen Blätter allen Denen sich als Quelle besserer Erkenntnis darbieten, die gerne Vorurteil gegen Wahrheit austauschen, mögen sie insbesondere von allen Denen einer Einsicht und Kenntnisnahme gewürdigt werden, die vermöge ihrer Stellung und Wirksamkeit berufen sind, auf die Geschicke jüdischer Staatsgenossen einen Einfluss zu üben, und möge die Zeit nicht allzu ferne liegen, die in allen Anliegen menschengesellschaftlicher Verhältnisse, durch Erkenntnis des Wahren und Huldigung des Rechten die Wünsche allgemeinster Wohlfahrt zu hoffnungsreicher Erfüllung bringen wird.

Über die Beziehung des Talmuds zum Judentum und zu der sozialen Stellung seiner Bekenner.

Es gibt wohl kaum ein anderes Schriftwerk, das die geistige, sittliche und soziale Entwicklung einer ganzen Nation von der frühesten Zeit ihres geschichtlichen Daseins bis hinein in die lebendige Gegenwart Jahrhunderte lang also gestaltet und getragen, wie der Talmud. Lange vor dem, gegen den Anfang des dritten Jahrhunderts der üblichen Zeitrechnung, fallenden Beginn seiner schriftlichen Abfassung war sein Inhalt als mündliche Überlieferung und Lehre in den Geistern und Gemütern der Nation wirksam, wie dies noch die Schriften eines Josephus und Philo, ja auch die christlichen Bekenntnisschriften beurkunden. Es ist nämlich der Talmud nichts als die protokollarische Aufnahme der in der Nation durch Überlieferung vorhandenen Erklärungen, Erläuterungen, Präzisierungen und Ausführungen des in dem schriftlichen Wort der Bibel in prägnanter Kürze gegebenen Gesetzes. Der Kern dieser Überlieferungen reicht bis auf Moses hinauf, der sie mit dem schriftlich fixierten Gottesworte zugleich als gleich göttlichen Ursprungs für die Ausführung der Gotteslehre seinem Volke übergab und sie in den vierzig Jahren der Wanderschaft durch die Wüste seiner Erkenntnis einprägte. Diese mündlichen Erläuterungen waren von vorn herein bei der schriftlichen Abfassung des Gotteswortes vorausgesetzt, das zu seiner Ausführung unumgänglich der näheren Erläuterung bedarf, ja, einem aufmerksamen Leser der Bibel zeigt sich die Tatsache, dass alle Gesetze zuerst mündlich gelehrt und das ganze Gesetz somit bereits dem Volke ausführlich bekannt war, als ihm Moses dasselbe vor seinem Scheiden in schriftlicher Abfassung übergab. Bedarf doch schon das einfache Lesen der Bibel in ihrer Urschrift der mündlichen Überlieferung. Noch heute sind unsere Thorarollen ohne Vokale, Akzente und Versabteilungen, die alle drei erweislich aus viel späterer Zeit stammen, und ebenfalls nur die mündlich überlieferte Leseweise durch Schriftzeichen festzuhalten bestimmt wurden. Das einfache Lesen der Bibelschrift beruht daher auf Überlieferung, Überlieferung derselben Geschlechter und Männer, die auch die im Talmud enthaltenen Erläuterungen überlieferten, und wenn die christliche Kirche in all ihren Konfessionen auch die jüdische Bibel des alten Testamentes als Glaubens-Urkunde verehrt, so steht sie schon mit ihrem einfachen Bibelwort auf Grund talmudischer Überlieferung. Eine Tatsache, auf welche schon Hillel einen Heiden, der von ihm die Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft durch Anerkennung des schriftlichen, aber mit Ausschluss des mündlichen Gesetzes verlangte, verwies, indem er ihm zum Bewusstsein brachte, wie er selbst zum bloßen Lesen des schriftlichen Gesetzes der mündlichen Überlieferung vertrauen müsste. Bedarf doch auch das schriftliche Bibelwort für die praktische Ausführung des darin niedergelegten göttlichen Gesetzes so sehr einer mündlichen Erläuterung und setzt dieselbe so sehr voraus, dass selbst im Laufe der Zeit entstandene jüdische Sekten, die die Überlieferung des Talmuds verwarfen, sich genötigt sahen, sich eine eigene Überlieferung zu schaffen. Alle diese Sekten, wie sie im Laufe der Zeit entstanden, sind, bis auf den kleinen Bruchteil der noch vorhandenen Karaiten, wieder von der Bildfläche der Zeit verschwunden. Das einzige welthistorische Judentum, das seinen gottgewiesenen Gang in der Mitte der Völker, alle Jahrhunderte der Geschichte hindurch bis in die lebendige Gegenwart vollbracht hat und vollbringt, ist das talmudische, das von den Überlieferungen des Talmuds getragene, gepflegte und erhaltene Judentum. Außer diesen bis zu Moses hinaufreichenden Überlieferungen, enthält der Talmud noch urteilende und belehrende Aussprüche, Entscheidungen und Darstellungen späterer Gesetzeslehrer und Weisen, die als Folgerungen, Anwendungen oder Erläuterungen aus jenen Überlieferungen fließen und ihnen sich anschließen und gleich ihnen mit Verpflichtungskraft bekleidet sind, den sogenannten halachischen Teil, oder es sind individuelle Ansichten, Sprüche, Parabeln etc., die eine solche bindende Autorität nicht beanspruchen, der sogenannte agadirsche Teil. Es besteht aber der Talmud aus zwei Werken. Das ältere, die Mischna, enthält die mündlich vorhandenen Überlieferungen in Sätzen von prägnant gefasster Kürze, deren Erläuterungen ebenfalls nur mündlich verblieben. Etwa 250 Jahre später wurden auch diese schriftlich in einem Werke niedergelegt, das die Gemara heißt. Diese Gemara, ein bänderreiches Werk, ist seiner Form nach wohl ein Unikum in der Literatur. Es sind die fast stenographisch aufgenommenen Diskussionen, wie sie in den Lehrhäusern verhandelt wurden. Sie enthalten daher auch entgegengesetzte Meinungen, aus welchen für die Praxis nur die sich schließlich ergebenden Resultate Geltung haben, wie sie in den Codices systematisch zusammengestellt sind.
Aus diesen flüchtigen Skizzen lässt sich wohl schon erkennen, wie der Talmud nicht etwa eine dem Judentum hinzugefügte Beigabe ist, die man entfernen könnte ohne das Wesen des Judentums zu berühren, wie vielmehr der Talmud die einzige Quelle ist, aus welcher das Judentum geflossen, der Grund ist, auf welchem das Judentum besteht und die Lebensseele ist, welche das Judentum gestaltet und erhält. In der Tat, das Judentum, wie es in der welthistorischen Erscheinung des jüdischen Volkes verkörpert ist, und wie es in geistigen und sittlichen Fähigkeiten und Tugenden zu Tage tritt, die ihm selbst seine Feinde nicht abzustreiten wagen, ist durch und durch ein Produkt der talmudischen Lehre und der von ihr geleiteten und gepflegten Erziehung und Bildung: Das bewusstvolle Wandeln durch allen Wechsel der Zeiten und der Geschicke, das geduldige und vertrauensmutige Ausharren in den herbsten, prüfungsvollsten Leiden, die opferfreudige Kraft der Überzeugungstreue, die sich wohl niederwerfen, aber nicht brechen, beugen, aber nicht knicken, hinschlachten, aber nicht zum Abfall verleiten lässt; das Pflichtgefühl, das Gehorsam und Treue für Fürst und Obrigkeit, Wohlwollen und Wohltun für Mitbevölkerungen bereit hält und betätigt, ohne Rücksicht auf das größere oder geringere Maß von Wohlwollen, Gerechtigkeit und Menschlichkeit oder deren Gegenteil, dessen es sich selber in Mitte der Bevölkerungen zu erfreuen hat, also, dass das jüdische Volk von je Misshandlungen und Ausschreitungen erduldet, ohne sich selber zu rächenden Ausschreitungen hinreißen zu lassen, und bei allen Staaten erschütternden Ereignissen immer mit Festigkeit und Treue auf Seite der Obrigkeit gestanden; das geistige Interesse und die geistige Begabung, die von je die Glieder des jüdischen Volkes kennzeichneten, und ohne Anteil an staatlicher Fürsorge, ja unter nichtachtender staatlicher Verkümmerung, im eigenen Kreise und aus eigener Mitte eine solche hingebende Pflege und Nahrung gefunden, dass, als ihm aus der aufgezwungenen Zurückgezogenheit, unter der Gunst der Neuzeit in das Licht der Öffentlichkeit hinzuzutreten vergönnt war, es unerwartet in vollendeter geistiger Ebenbürtigkeit den anderen Staatsgenossen zur Seite stand; die persönlichen Tugenden der Mäßigkeit, des Fleißes, der Wohltätigkeit, der Sparsamkeit und gleichzeitig der Freigebigkeit, wo es Zwecken der Humanität, der öffentlichen Wohlfahrt und Bildung gilt; die Tugenden der Sittlichkeit, die denn doch noch heute in der Liste der groben Verbrechen gegen Leben, Keuschheit und Eigentum, jüdische Namen zu den Seltenheiten zählen lässt; die Tugenden des Familienlebens, das glückliche Verhältnisse der Ehe, der Eltern zu den Kindern, der Kinder zu den Eltern und der Geschwister unter einander; das Gemeindeleben, das immer auf bereitwillige Opferfreudigkeit seiner Glieder wie auf uneigennützige Hingebungstreue seiner Verwalter rechnen konnte; alle diese Durchschnitts-Eigentümlichkeiten des jüdischen Charakters, die demselben gewiss nicht zu Unehre gereichen, und die so sehr zu Tage treten, dass selbst Feinde der jüdischen Nation nicht umhin können, sie ihr zuzugestehen, hat lediglich der Talmud geschaffen, so sehr, dass seitdem die Neuzeit sich mehr und minder dem Talmud entfremdet hat, dies auch bereits in der Abnahme einiger dieser Eigentümlichkeiten zu bemerken ist. Ist es ja auch der Talmud, der durch seine liturgischen Schöpfungen und Gewöhnungen das ganze gewöhnliche Leben des Juden zu einer fortgesetzten Mahnung und Erziehung zur Gottesfurcht zu machen verstanden hat, und bei jedem Genusse, bei jedem wahrgenommenen Naturvorgang, bei jedem heitern oder trüben Erlebnis den Juden zu Gott aufblicken lässt, dessen Walten er im Natur- und Geschickesleben zu sehen und zu verehren gewöhnt worden. Ja, die ganze Lehre von der Unkörperlichkeit und Unsterblichkeit der Seele, die Lehre von dem jenseitigen Leben und der einstigen gerechten Vergeltung des hienieden pflichttreu oder pflichtvergessen vollendeten Lebens, Lehren, die eine so wesentliche Stütze der religiösen Gewissenhaftigkeit und der ausharrenden Pflichttreue bilden, sind in dem schriftlichen Bibelwort nur angedeutet und waren der mündlichen Überlieferung des Talmuds vorbehalten.
Und wenn nun dem gegenüber von Feinden der Judenheit und von Gegnern des Judentums die Behauptung von der Gemeinschädlichkeit des Talmuds verbreitet wird und selbst bei Wohlwollenden Eingang findet, die nicht in der Lage sind, sich eine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit solcher Behauptungen zu schaffen, wenn namentlich behauptet wird, es leiste der Talmud der List und Verschlagenheit Vorschub, gestatte Betrug, Beraubung und Unrechtfertigkeit jeder Art im Verkehr mit Nichtjuden, mache den Juden arbeitsscheu, sei ein Feind der Arbeit, des Handwerks, der Landwirtschaft, und sei schuld daran, dass der Jude so überwiegend vom Handel lebt: so ist doch von allem diesem – nachweisbar – nur das gerade Gegenteil die volle Wahrheit, und alle diese Behauptungen sind in ihrem Ursprunge nichts als Ausgeburten des Hasses, des Wahnes, der Unkenntnis, des unbewussten Missverständnisses oder der absichtsvollen Entstellung.
In einer Zeit, in welcher die sogenannte Judenfrage vielerorts wieder in den Vordergrund der Besprechungen getreten, kann, bei der unleugbar innigen Verbindung, in welcher das ganze geistige und sittliche Einzel- und Verkehrsleben des Juden zu dem Talmud steht, gewiss nicht gleichgültig sein, welche Meinung vom Talmud in den Anschauungen aller Derjenigen vorwaltet, die durch Intelligenz und Stellung berufen sind, auf die in den Bevölkerungen zu pflegenden Gesinnungen für Wahrheit und Recht und die dadurch so sehr bedingten Geschicke der Bekenner des Judentums Einfluss zu üben, dürfte es mindestens wünschenswert erscheinen, den vorangeschickten Hinweis auf die hohe Nützlichkeit des Talmuds als alleiniger Quelle des wirklichen wahrhaftigen Judentums, so wie im Gegensatz zu der behaupteten Gemeinschädlichkeit des Talmuds, vielmehr dessen, die allgemeine Wohlfahrt und das Wohlverhalten der Juden im hohen Grade fördernden und sichernden Lehren durch wortgetreue Auszüge aus dem Talmud und den auf denselben sich gründenden, die Praxis entscheidenden Codices zu belegen.
Wir beginnen aber mit dem zuletzt Erwähnten, mit Widerlegung der falschen Beschuldigungen des Talmuds und dem Nachweis des faktischen Gegenteils derselben.

Rechtschaffenheit.

Wenn du, lehrt der Talmud, einst jenseits vor Gott zur Rechenschaft gezogen werden wirst, wird die erste an dich gerichtete Frage sein: warst du gewissenhaft im Handel und Wandel? (Schabbat 31a.) Dein Ja sei Ja, dein Nein sei Nein. Nie sei das, was du denkst, in Widerspruch zu dem, was du sprichst. Wäre selbst ein Geschäft deinerseits noch. WI nicht juridisch perfekt geworden, so wisse, dass, der einst das Geschlecht der Sündflut und das Geschlecht des Turmbaus mit Strafe traf, der wird auch Den mit Strafe treffen, der bei seinem Worte nicht bleibt. Auch vom bloß gesprochenen Worte abweichen, ist ein Mangel an Gewissenhaftigkeit. (Baba Mezia 49a.) Ja, gelobt wird, wer auch seinem blasen Gedanken treu bleibt, wie einer der Weisen des Talmuds, dem ein Käufer ein Angebot auf einen Verkaufsgegenstand machte, während er, der Verkäufer mit Anderem beschäftigt, ihm nichts erwidern konnte, der Käufer daher in der Meinung, er habe ihm zu wenig geboten, sein Angebot erhöhte, nachdem er seine Beschäftigung beendigt hatte, dem Käufer die Sache für das erste, niedrige Angebot, ließ, weil, wie er sagte, er schon im Gedanken sein erstes Angebot anzunehmen entschlossen gewesen war. (Makkoth 24a.) Verboten ist es, irgendeinen Menschen, gleichgültig ob Jude oder Nichtjude beim Kauf oder Verkauf zu betrügen, ihn auch nur mit Worten zu täuschen, oder ihm einen an dem Verkaufsgegenstand bewussten Fehler zu verschweigen. Ebenso darf man der Ware kein täuschendes Ansehen geben oder deren Werth durch Mischung verringern. (Maimon. Vom Verkauf K. 18.) Jeder, auch der kleinste Diebstahl, Raub, oder Vorenthalten dessen, was dem Andern gebührt, ist verboten, gleichgültig, ob dies einen Juden oder Nichtjuden oder einem Götzen dienenden Heiden betrifft. Man darf auch Nichts zum Scherz oder in der Absicht es wieder zu geben oder es wieder zu erstatten, stehlen. Auch die bloß zeitweilige Benutzung eines Gegenstandes ohne Wissen des Eigentümers ist Raub. (Maimon. Vom Diebstahl und vom Raub K. 1. Baba Bathra 88a. Mezia 43b.) Man darf Nichts kaufen, was voraussetzlich gestohlen ist, und darf von keinem Menschen Etwas kaufen, der in begründetem Verdacht des Diebstahls steht.(B. Kama 118b.) Sind Jemandem beim Gastmahl oder im Trauerhause Kleider vertauscht worden, so darf er die ihm Gewordenen nicht gebrauchen. (Bathra 46a.) Staatsseitig geforderte Steuern und Zölle hintergehen, ist nicht weniger als Raub.(B. Kama 113a. Maimon. Vom Raub K. 5, 11.) Selbst ein Stückchen Stroh von einem Strohbündel, ein Zweigstückchen von einer Hecke zum Zahnstocher abzubrechen wird nicht gebilligt; denn, wird hinzugefügt, würde Jeder das tun, würde bald der Eine seines Bündels, der Andere seiner Hecke verlustig gehen.(Ch. M. 359, 1.) Manches, was an sich nicht unter den Begriff des Diebstahls und Raubes fiele, untersagen rabbinische Anordnungen um, nach ihrem Grundsatze, Alles zu meiden, was dem Unrecht ähnlich ist oder zu ihm führen könnte, ein Grundsatz, den sie über das ganze Gebiet des religiösen Gesetzes durchgeführt und durch den Satz veranschaulicht: dem Nasiräer, der sich den Genuss des Weines und der Trauben abgelobt hat, ruft man zu, mache einen Umweg und meide selbst die Nähe von Weinbergen. (Chulin 44b. Schabbat 13a. Pessachim 40b und sonst.) Solche vom Unrecht fern haltende Anordnungen hießen daher Gesetzumzäunungen. Aus diesem Grunde haben sie mehrere Arten von Spielen und Wetten untersagt, (den professionsmäßigen Spieler erklärten sie unfähig zum Zeugen), lehrten Tauben nicht in solcher Nähe zu andern auffliegen zu lassen, dass dadurch fremde Tauben in seinen Schlag gebracht werden könnten etc. (Sanhedrin 24b.) Der Talmud kennt auch nicht nur einen Güter-Diebstahl, sondern auch einen Meinungs- und Gesinnungs-Diebstahl, (Chulin 84a. b.) dass nämlich Einer den Andern veranlasst, ihm eine bessere Meinung und Gesinnung zuzuwenden, als er in Wahrheit durch sein Verfahren verdient, selbst wenn dem Andern dadurch gar kein Nachtheil erwächst. Ausdrücklich heißt es da auch: man darf keines Menschen Meinung und Gesinnung stehlen, sei es auch eines Nichtjuden, und wird dabei als Beispiel darauf hingewiesen, wie Einer der Lehrer des Talmuds seinem Diener einen ernsten Verweis erteilte, weil dieser dem Fährmann, einem Nichtjuden, ein terefa, d.i. für den Juden religionsgesetzlich durch einen Fehler unbrauchbar gewordenes Huhn, als ein koscheres, d.i. auch für den Juden brauchbar, gegeben hatte, obgleich der Fehler für den nichtjüdischen Fährmann ganz gleichgültig und das Huhn für ihn völlig brauchbar war. Dahin gehört denn auch jede unverdiente captatio benevolentiae, z.B. zudringliche Einladungen, oder Überhäufung mit Geschenken, wo man weiß, dass sie doch nicht angenommen werden, etc.
Ganz besonderer Nachdruck wird auf die gewissenhafte Erfüllung der 3. B. M. 20, 35. 36 und 5. B. M. 25, 14-16 gebotene Gerechtigkeit in Gewicht und Maß gelegt, und werden (B. Bathra 88a-90b. Maimon. Diebstahl K. 7 u. 8.) die eingehendsten und ausführlichsten Vorschriften erteilt, wie man die jederzeitige Richtigkeit der Gewichte und Masse zu erhalten und wie man jedem Irrtum im Wägen, Messen und Rechnen vorzubeugen habe. Schwerer, warnt das talmudische Wort, (B. Bathra 88a. Maimon. Diebstahl 7,12) ist die Straffälligkeit bei Maß- und Gewichtsversündigungen selbst als die Straffälligkeit bei geschlechtlichen Sünden; diese sind Versündigungen gegen Gott allein, jene aber auch gegen den Nebenmenschen; diese können durch aufrichtige Busse gesühnt werden, bei jenen aber ist vollkommene Busse in der Regel unmöglich, da diese eine Zurückgabe des mit Unrecht Gewonnenen erfordern würde, man aber in der Regel gar nicht weiß, Wen und wie viel man durch unrichtiges Wägen und Messen verkürzt hat. Ausdrücklich heißt es auch hier wiederholt: (Das. 8.) es ist gleichgültig ob man es mit einem Juden oder einem götzendienenden Nichtjuden zu tun hat, wer den Anderen im Messen und Wäger verkürzt, übertritt ein Verbot und hat es zu ersetzen, und ebenso darf er auch im Rechnen einen Nichtjuden nicht täuschen, wer der gleichen tut, von dem heißt es (3. B. M. 25, (Arachin 22a.): von Gott deinem Gotte ist verabscheut wer dergleichen verübt, wer nur irgend ein Unrecht begeht.
Sehr ausführlich ist der Talmud über die gewissenhafte Erfüllung eingegangener Verpflichtungen als Schuldner, Hüter, Lohnarbeiter etc. und heben wir auch aus diesem, reichen Material ein Paar charakteristische Sätze hervor. Das Bezahlen eingegangener Schulden ist nicht nur eine Rechtsschuld, sondern eine religiöse Pflicht, (Arachin 22a.) und wird Unpünktlichkeit bei vorhandener Zahlungsfähigkeit ernst getadelt. (B. Mezia 111a.) Wer hundert Gulden geborgt und zahlt sie guldenweise, Zahlung ist es, aber ungehalten darf sein Gläubiger sein. (B. Mezia 77b.) Geliehenes Geld hat man vorsichtig und in einer Weise zu verwenden, dass damit die Schuld dem Gläubiger nicht verloren gehe. Das deinem Nächsten zu erhaltende Vermögen soll dir so teuer sein wie das Deine. (Maimon. Darlehen 1, 3. Aboth 2, 17.) Anvertrautes Gut darf auch nicht vorübergehend in Gebrauch genommen werden, ist es geschehen, so hat es Konsequenzen wie Raub.(B. Mezia 43a. b.) Unter Umständen hat es solche Folgen schon bei nur begonnener und nicht ausgeführter Benutzung.(Das.) Ebenso wie der Dienstherr den bei ihm Arbeitenden in Nichts verkürzen darf, so muss auch ein Lohnarbeiter seine volle Kraft und Zeit im Dienst des Arbeitgebers verwenden. Er darf nicht Nachts arbeiten und sich Tags verdingen, auch nicht sich die nötige Nahrung entziehen und sie seinen Kindern zukommen lassen, weil er sich damit die dem Arbeitgeber vermietete Kraft schwächt und seine Leistung verringert. Er muss auch die von seinem Dienstherrn gemietete Zeit voll ausnutzen und sie nicht durch wiederholtes Müßigbleiben vergeuden, (Maimon. Lohnarbeit. End. Ch. M. 337, 19. 20.) ja, er darf nicht einmal seine Arbeit unterbrechen um vor einem Vorübergehenden aufzustehen, dem er sonst Ehrerbietungsbezeugung schuldig ist. (J. D. 244, 5.) Nahrungsweise .Einen hohen Wert legt der Talmud auf eine selbständige Existenz, die keiner mildtätigen Unterstützung bedarf, und lehrt mit Nachdruck dieses Ziel auf jede mögliche redliche Weise anzustreben und sich zu dessen Erreichung keiner Arbeit und keiner Leistung zu schämen, lieber sich die größten Entbehrungen aufzulegen, um nur der Menschenhilfe entbehren zu können. Hoch in Ehren stand im talmudischen Kreise die Arbeit. Sein Grundsatz war: Groß ist die Arbeit, denn sie ehrt den Mann. (Nedarim 49b.) Einem gefallenen Tiere, heißt es, ziehe auf der Strasse das Fell ab und verdiene dir Etwas, und sage nicht, ich bin ein Priester, bin ein großer Mann, es schickt sich nicht für mich!(Pessachim 113a.) Lebe am Schabbat wie am Werktage, nur brauche nicht Menschenhilfe anzusprechen. (Das. 112a.) Verdinge dich selbst zu einer dir sonst widerstehenden Arbeit und bleibe unabhängig von Menschenhilfe.(B. Bathra 110a.) Die Weisen des Talmuds achteten ihre Wissenschaft zu hoch, um sie, wie sie sich ausdrückten, »zu einem Spaten zu machen um damit zu graben«, (Aboth 4, 7.) sie lehrten ihre Wissenschaft unentgeltlich und ernährten sich größtenteils von Arbeit, Handwerk, Ackerbau oder einfachem Handel. Wie wir diese Nahrungszweige unter ihnen selbst vertreten finden, so lehrten sie auch allgemein: (Kiduschin 30b.) Wie der Vater verpflichtet ist, seinen Sohn im religiösen Gesetze zu unterrichten, so ist er auch verpflichtet ihn ein Handwerk lernen zu lassen. Nach Einer Auffassung wäre jeder ordentliche Erwerb dem Handwerk gleich, nach Anderer wäre jedenfalls auch ein Handwerk zu erlernen, selbst wenn der Sohn ein anderes Geschäft treiben sollte; denn nur ein Handwerk gewähre immer eine Existenz. (Das.) Immer lehre man seinen Sohn ein solches Gewerbe, das möglichst rein von Versuchung zum Unrecht ist und ihm auch noch irgendwelche Muße lässt, auch seiner geistigen Bildung zu leben. (Das. 82a.) Er lehre ihn auch nicht ein solches Gewerbe, das ihn in Berührung mit Frauenzimmern bringt. Insbesondere wird das Handwerk geschätzt. Alle Handwerke bleiben in der Welt, glücklich, wem ein gutes Handwerk zu Teil geworden. (Das.) Sieben Jahre mag Hungersnot sein, die Türe eines Handwerkers weiß sie nicht zu finden. (Sanhedrin 29a.) Liebe die Arbeit und wolle nicht hoch gestellt sein. (Aboth 2, 10.) Der Gottesfürchtige, der von seiner Hände Arbeit lebt, hat es doppelt gut, er ist glücklich in diesem und in jenem Leben. (Berachot 8a.) In hoher Achtung stand auch der Ackerbau. Wohl zog Mancher das Geschäft vor, und Einer der Rabbiner ging an einem Ackerfeld vorüber, dessen volle Ähren wie grüssend und winkend die Köpfe bewegten, und sagte er scherzend: winket nur immer, mit einem Geschäft sich befassen ist doch besser als mit euch. (Jebamoth 63a.) Aber das allgemeine Urteil lautete doch anders. Jeder Mensch, wird gelehrt, der keinen Acker hat, ist kein Mensch, denn es heißt: Die Erde hat er den Menschenkindern gegeben. Säe dir selbst deine Frucht und kaufe sie nicht, kommen dir auch beide gleich teuer, das Selbstgesäte ist gesegneter. (Das.) Wenn es in der Strafverkündung (5. B. M. 28, (Jore Dea 265, 3. Schabbat 31a.) heißt: »Dein Leben wird dir in unsicherer Ferne schweben«, so gilt das von dem, der sich seinen Kornbedarf von Jahr zu Jahr kauft, »du wirst Tags und Nachts in Sorge sein«, gilt von dem, der seinen Kornbedarf von Woche zu Woche kauft, endlich: »du wirst keinen Glauben an dein Leben haben«, das ist der, der sich auf den Brodverkäufer verlässt.(Menachoth 103b.) Wer seinen Acker bestellt, wörtlich: wer seinem Acker »dient«, heißt es (Prov. 12, (Sanhedrin 24b.), wird des Brotes satt, nur wenn der Mensch sich wie ein Knecht mit seinem Acker beschäftigt, wird er sich an Brod sättigen, sonst nicht.(Sanhedrin 58b.) Aus allen diesen Sätzen leuchtet hervor, wie sehr es im Talmud gewünscht und empfohlen wird, dass Jeder seinen eigenen Acker besitze und bestelle und sich seinen Fruchtbedarf in eigener Landwirtschaft erziele, und wird es nach den damaligen Bodenverhältnissen als ein gesegneter Besitzstand bezeichnet, der zu je einem Drittel aus Getreide- Öl- und Weinbau besteht. (B. Mezia 107a.) Als, heißt es in M. Rabba zu 1. B. M. 12, 1, Gott den Abraham zur Wanderschaft nach einem Lande berief, das ihm und seinen Nachkommen zu eigen werden sollte, und er in Mesopotamien die Menschen essen und trinken und müßige Kurzweil treiben sah, sagte er: gebe Gott, dass in diesem Lande nicht mein Anteil werde. Als er aber zu den tyrischen Aufgängen an der Grenze von Palästina kam und sah dort die Menschen mit Jäten beschäftigt zur Zeit des Jätens und mit Ackern zur Zeit des Ackerns, sagte er: gebe Gott, dass in diesem Lande mein Anteil werde. Darauf sprach Gott: deinen Nachkommen gebe ich dieses Land. Wie sich in diesen Worten die Erkenntnis ausspricht, dass auch für die sittliche Entwicklung der eine regelmäßige Tätigkeit beanspruchende Ackerbau am vorteilhaftesten ist, so setzt ja auch das ganze jüdische Religionsgesetz in allererster Linie den Ackerbau voraus, wie ja auch alle jüdischen Feste in Zusammenhang mit der Feldarbeit und dem Ackerbau stehen. Der wegen seiner geistigen Bildung gefeierte Stamm Jissachar war Ackerbauer und, »Jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum« (Micha 4, 4.) ist das jüdische Ideal glücklicher Nationalwohlfahrt. Und dies blieb auch nachdem das jüdische Volk aus dem eigenen Lande vertrieben in fremden Landen wohnte. Ein Blick in den umfangreichen Traktat Seraim, der von den religionsgesetzlichen Vorschriften hinsichtlich des Ackerbaus handelt, so wie in die dem Zivilrecht angehörigen Traktate Baba Kama, Mezia und Bathra, welche gelegentlich Angelegenheiten der Landwirtschaft besprechen, zeigt, welche umfassende Detailkenntnis von der eigentümlichen Beschaffenheit der verschiedenen Arten, von der einer jeden zukommenden besonderen Pflanzung und Wartung nach Beschaffenheit und Lage des Bodens etc., überhaupt welche eingehende Kenntnis von, den Erfordernissen einer rationellen Feld- und Baumkultur die Weisen des Talmuds hatten, eine Kenntnis, die sich nur im ernsten Selbstbetrieb der Landwirtschaft erwerben lässt, und beweist, wie sie die oben mitgeteilten Äußerungen über den Werth des Ackerbaus auch in eigener Praxis betätigten. Waren sie doch so sehr für ihre Ernährung auf die Landwirtschaft hingewiesen, dass ein Meister der rabbinischen Lehre sich veranlasst sah, seine zahlreichen Hörer zu bitten, in Frühjahrs- und Herbstzeit nicht seinen Hörsaal zu besuchen, damit sie sich während dieser Zeit ausschließlich mit ihrer Landwirtschaft beschäftigen möchten um nicht das ganze Jahr von Nahrungssorgen gequält zu werden. (Berachot 35b.) Wohl wurde in talmudischer Zeit auch Handel und Industrie gepflegt, sind doch beide ebenso wie der Ackerbau unentbehrlich, und ein Bauer selbst bedarf namentlich des Handels. Wo soll er mit seinen Früchten bleiben, wenn der Kaufmann ihm nicht die Produkte seiner Arbeit abnimmt, um sie anderwärts zu verwerten, eine Zusammenhörigkeit, die schon das Bibelwort in der brüderlichen, sich gegenseitig ergänzenden Verbindung des Ackerbauenden und Bildung freundlichen Stammes Jissachar und des Handelstammes Sebulun (5. B. M. 33, 18.) vergegenwärtigt. Jedoch waren die Weisen des Talmuds einem zu weitläufigen Handelsgeschäfte und einer zu großen Hingebung an den Handel nicht hold. An dem überseeisch eingehenden Groschen, meinten sie, sei kein Segen. (Pesachim 50b.) Und während der Ackerbau nach beendigtem Tagewerk und in der Winterszeit auch einige Muße zur Weiterbildung gewährt, sprachen sie die Erfahrung aus, dass bei Geschäfts- und Handelsleuten die Weiterbildung meistens zum Stillstand kommt, (Eruwin 55a.) dass, wer zu viel Geschäftsmann ist, kein Weiser wird, (Aboth 2, 6.) mahnten daher: beschränke dich im Geschäft und gewinne Zeit für geistige Weiterbildung, (Aboth 4, 12.) nur bei beschränktem Geschäftsbetrieb lässt sich auch Wissenschaft erwerben. (Aboth 6,6) Wir haben schon bemerkt, dass sie ihre Wissenschaft nicht als Erwerbsquelle gebrauchten, und Jeder daher noch einen Nahrungszweig pflegen musste, sie daher auch erinnerten: Schön ist Gesetzesstudium mit Pflege eines Nahrungszweiges, Gesetzesstudium, das mit keiner Arbeit verbunden ist, hat keine Dauer. (Aboth 2, 2.)
Die bisherigen Mitteilungen aus dem Talmud, die noch leicht wenn es sein müsste, vermehrt werden könnten, zeigen wohl zur Genüge, wie irrig die Meinung ist, als sei der Talmud ein Feind der Arbeit, insbesondere abhold dem Ackerbau. Wenn der Jude in den späteren Jahrhunderten seines Aufenthaltes in den europäischen Landen dem Ackerbau entfremdet wurde und sich mehr mit Handel beschäftigte, so ist daran nicht der Talmud, auch nicht etwa Unlust oder Ungeschick des Juden zum Ackerbau, sondern lediglich die Ungunst der Staaten und Völker schuld, die ihm ja den Erwerb von Grund und Boden nicht gestatteten oder mit unendlichen Beschränkungen erschwerten. Und auch ohnehin, so lange der Jude sich nicht der entschiedenen Rechtsgleichheit und des gleichen Rechtsschutzes wie alle andern Staatsgenossen erfreute, so lange er gewärtig sein musste, durch Beamtenwillkür oder entfesselte Leidenschaft fanatisierter Bevölkerungen von Haus und Hof vertrieben zu werden, konnte er sich nicht dem Landbau widmen, der wie kein anderer Nahrungszweig sonst eines völlig gesicherten Rechtsstandes bedarf, musste er sich nach dem Erwerb solcher Güter und solcher Fähigkeiten umsehen, die er überall mit hinflüchten und überall für seinen und der Seinigen Unterhalt verwerten konnte. Man mache den Juden frei und gleich und gebe ihm Zeit sich in einen Beruf hinein zu leben, mit dem man – wenn uns nicht Alles täuscht – eigentlich von Jugend an in Gewöhnung und Übung vertraut sein muss, und es wird der Jude in angestammter Liebe zu einem Nahrungszweig zurückkehren, der in seiner ursprünglichen Bestimmung mitbegriffen war.

Verhalten zu den Regierungen und Mitbevölkerungen.

Mit drei Eiden sandte Gott Israel ins Exil, heißt es im Talmud, er ließ Israel schwören, dass sie nie eigenmächtig die Rückkehr zum gelobten Lande zu erzwingen versuchen, sondern geduldig ausharren sollten, bis Gott sie wieder zurückführen werde. Er ließ Israel schwören, dass sie sich nie gegen die Staaten, die sie aufgenommen, empören sollten. Und er beschwor die Völker, dass sie Israel nicht über die Maßen drücken sollten. (Kethuboth 111a.) Seinen beiden Eiden ist das jüdische Volk in all den Jahrhunderten seines langen Exils gerecht geworden, nie hat es einen gewaltsamen Versuch zur Rückkehr gemacht, und nie und nirgends hat es sich gegen die Regierungen empört, in deren Land es Aufnahme gefunden. Derselbe Talmud, der die Zuversicht auf die einstige Wiederkehr in das Land der Väter, den Wiederaufbau des Tempels und die dann vollkommene Erfüllung des göttlichen Gesetzes auf dem diesem Gesetze ureigenen Boden des gelobten Landes, Hand in Hand mit dem Anbruch des den ewigen Frieden bringenden, Gottesreiches auf Erden durch Sammlung aller Menschen zur Erkenntnis Gottes, des Einzig Einen, und zur Verehrung desselben durch ein Leben der Pflichttreue in Gerechtigkeit und Liebe, derselbe Talmud, der diese Zuversicht und diese Hoffnungen als wesentlichen Bestandteil der jüdischen Überzeugungen in unser tägliches Gebet einfügte, derselbe Talmud macht jeden eigenmächtigen Versuch zur Erlangung dieser Rückkehr zum ver- brecherischen Auflehnen gegen den göttlichen Willen, verpflichtet vielmehr seine Bekenner, den Eintritt dieser Verheißungen ausschließlich dem von Gott zu ergehenden Ruf unserer Wiedersammlung zu überlassen, bis dahin geduldig auszuharren im Lande ihrer Verweisung, es wie ihr Vaterland zu lieben, sein Wohl zu fördern, und Fürst, Obrigkeit und Mitbewohnern gegenüber alle Pflichten treuer Untertanen und Bürger zu erfüllen, wie dies Jeremias 29, 1-7 dem babylonischen Staate gegenüber ausgesprochen ist. In Folge dessen haben denn auch die Juden sich überall und immer als die treuesten und gehorsamsten Untertanen bewährt. »Das Recht der Regierung ist Recht«, lautet der kurze Satz, den der Talmud für unser Verhalten als Norm aussprach, d.h. was eine Regierung für ihr Land als geltendes Recht bestimmt, das hat für uns unverbrüchliche Geltung und muss gewissenhaft von uns beobachtet werden. (B. Kama 113a.) Nach diesem Grundsatz lehrt, wie wir bereits bemerkt, der Talmud, dass staatsseitig geforderte Zölle und Steuern umgehen, durchaus als Diebstahl zu betrachten ist, und ausdrücklich wird dabei im Rechtscodex Ch. M. 369, 6 bemerkt, dass dieses selbst hinsichtlich solcher Steuern der Fall sei, die der Staat nur von Juden fordert. Das Land, wird dieser Grundsatz von R. Nissim (Nedarim 28a) erläutert, ist Eigentum des Landesherrn, und ist dem Juden die Erlaubnis zur Niederlassung im Lande nur unter der Bedingung erteilt, dass von ihm die Landesgesetze gewissenhaft beobachtet werden. Nie lasse die der Regierung schuldige Ehrfurcht außer Augen. (Sebachim 102a.) Es gibt nichts Machtherrliches auf Erden als einen König. (Gittin 56a.) Ein vom König beauftragter Diener ist wie der König. (B. Kama 113b.) Eine Regierung macht ihr Wort zur Tat, sagt sie, sie wolle Berge von der Stelle rücken, so tut sie es und nimmt ihr Wort nicht zurück. (B. Bathra 3b.) Bete für das Wohl der Regierung, denn wäre nicht ihre gefürchtete Macht, es würde sich die Gesellschaft in einen Krieg Aller gegen Alle auflösen. (Aboth 3, 2.) Jede Obrigkeit, auch den einfachsten Beamten hast du als vom Himmel gefügt zu achten, denn er hat in dem ihm angewiesenen Kreis das Recht und die Ordnung zu handhaben. (Berachot 58a.) So ist denn auch in unserer synagogalen Liturgie das Gebet für Fürst und Obrigkeit enthalten, und beim Anblick eines Königs lehrt der Talmud die Brachah sprechen: Gepriesen sei Gott, der sterblichen Menschen von seiner Herrlichkeit mitgeteilt. (Das.)
Wir haben schon unter dem Titel Rechtschaffenheit gezeigt, wie nach der ausdrücklichen Lehre des Talmuds die Pflichten der Rechtschaffenheit gegen jeden Menschen ausnahmslos, auch gegen Heiden und Götzendiener geboten sind und jedes Abweichen vom Rechten, jedes gegen irgend welchen Menschen geübte Unrecht im Kauf und Verkauf, jeder Betrug und jede Täuschung in Messen, Wägen, Rechnen, Zählen. etc. von Gott verabscheut wird. Aber nicht nur alle Pflichten der Gerechtigkeit, auch aus dem sozialen Zusammenleben fließende Menschlichkeit lehrt der Talmud, selbst gegen Heiden und Götzendiener üben, lehrt ihre Arme unterstützen, ihre Kranken pflegen, ihre Leichen bestatten, (Gittin 61a.) ihren Greisen mit ehrerbietiger Hilfe entgegenkommen, (Kiduschin 33a.) ihren in menschlicher Wissenschaft hervorragenden Weisen mit der zu Gott aufblickenden. Brachah begegnen, der von seiner Weisheit sterblichen Menschen gegeben. (Berachot 55a.) Alles dies selbst gegen zu Heiden und Götzendienern zählende Menschen. Nichtjüdische Menschen aber, die den von der Bibel gelehrten Gott des Himmels und der Erde erkennen und sich zur Erfüllung aller allgemeinen menschlichen Pflichten, wie des Verbotes des Mordes, des Diebstahls, der Unkeuschheit etc. verpflichtet bekennen, die stehen nach der Lehre des Talmuds hinsichtlich der Pflichten von Mensch zu Mensch dem Juden völlig gleich und haben den Anspruch nicht nur auf alle Pflichten der Gerechtigkeit, sondern auch auf den Erweis tätiger Menschenliebe. (Maimon. Melachim 10, 12.) Überhaupt sind wohl die Weisen des Talmuds die einzigen Lehrer einer Religion, die nicht sagen: außer unserm Bekenntnis kein Heil! Sie vielmehr lehren: die Gerechten aller Völker haben Anteil an der ewigen Seligkeit. (Sanhedrin 105a.) Die mosaischen Gesetze sind dem Talmud zufolge nur Israel zur ewigen Verpflichtung erteilt, alle übrigen Menschen aber sind vollkommene Gerechte vor Gott, wenn sie nur die allgemeinen, so genannten sieben noachidischen Pflichten gewissenhaft beobachten. Daher zu 3. B. M. 18, 5 die talmudischen Sätze: Selbst ein Nichtjude, der das ihm erteilte göttliche Gesetz erfüllt, steht dem Hohenpriester gleich, denn es heißt, welche der Mensch erfüllt und Leben durch sie gewinnt. Ebenso (Jesaja 26, Baba Mezia 49a.): Öffnet die Pforten, dass Priester und Israel eingehen, heißt es nicht, sondern: dass ein gerechtes, die Treue bewahrendes Volk eingehe. Ferner (Psalm 118, (B. Mezia 43a. b.): Dies ist die Pforte zu Gott, Priester, Leviten und Israel heißt es nicht, sondern: Gerechte gehen in sie ein. So auch (Psalm 33, (Schabbat 31a.): Jauchzet Priester, Leviten und Israel heißt es nicht, sondern: Jauchzet Gerechte in Gott. Endlich (Psalm 125, (Maimon. Vom Verkauf K. 18.): Tue Gutes, Gott, den Priestern, Leviten und Israel heißt es nicht, sondern: Tue Gutes, Gott, den Guten! Aus allem diesem folgt, dass selbst ein Nichtjude, der das ihm erteilte Gesetz erfüllt, dem Hohenpriester gleichsteht. (Sifra zu 3. B. M. 18, 5.) Diese Sätze gewährleisten Leben, Gottesnähe, Glückseligkeit und Heil jedem Menschen, der die ihm obliegenden Pflichten in treuer Gewissenhaftigkeit vor Gott erfüllt. Spricht doch ein talmudischer Weiser geradezu: Himmel und Erde rufe ich zu Zeugen, es sei Nichtjude oder Jude, Mann oder Frau, Knecht oder Magd, je nach seinen Werken ruht heiliger Geist auf ihm. (Tana debe Elia zu Richter 4, 4.)
Auf Grund und im Geiste dieser talmudischen Lehren haben denn auch die Gesetzeslehrer aller Zeiten ihre Brüder das Verhalten gelehrt, das ihre jüdische Pflicht von ihnen in Beziehung zu den Regierungen und Bevölkerungen fordert, unter deren Schutz und in deren Mitte sie leben, haben sie insbesondere mit Ernst und Nachdruck darauf hingewiesen, wie die Bevölkerungen, in deren Mitte sie leben, wie sie auch sonst von den jüdischen Anschauungen und Lebensweisen sich unterscheiden mögen, doch auch die jüdische Bibel des alten Testaments als ein Buch göttlicher Offenbarung verehren und in ihrer Glaubens- und Pflichtenlehre den von der Bibel gelehrten Gott des Himmels und der Erde und seine in diesem und jenem Leben waltende Vorsehung bekennen, der sie zur Erfüllung der allgemeinen menschlichen Pflichten verpflichtet, sie daher von den heidnischen und götzendienenden Völkern der talmudischen Zeit, hinsichtlich deren der Talmud wohl alle Rechtspflichten, die Erfüllung tätiger Menschenliebe aber nur in beschränktem Maße gebietet, sich völlig unterscheiden, vielmehr zu denen nichtjüdischen Menschen zählen, die auch hinsichtlich des, Erweises tätiger Menschenliebe der Talmud dem Juden völlig gleichstellt. Sie weisen mit Ernst und Nachdruck darauf hin, wie uns noch ganz besonders die Pflicht der Dankbarkeit gegen die Fürsten und Völker obliegt, die uns Aufnahme und Schutz gewähren, da doch selbst vom Ägypter, in dessen Lande wir die drückendste Sklaverei erduldet, die heil. Schrift (5. B. M. 23, (B. Kama 113a. Maimon. Vom Raub K. 5, 11.) gebietet: hege keine Unfreundlichkeit gegen den Ägypter, denn Aufenthalt fandest du in seinem Lande. In einer unserer Gegenwart nahen Zeit, Ende des vorigen Jahrhunderts, haben namentlich hochgefeierte Rabbinen wie R. JECHESKEEL LANDAU, R. ELEASAR FLESKELES und R. JAKOB EMDEN in verschiedenen Schriften dieses Thema eingehend behandelt. Dieser Letztere in seinem Kommentar zu, Aboth IV. 11 hob ganz besonders hervor, wie
»Christen und Mohammedaner von uns als ein Mittel zur einstigen Verwirklichung der allgemeinen Gottes Erkenntnis auf Erden zu betrachten sind. Während die Völker vor ihnen Götzen dienten, Gottes Dasein leugneten, also weder Gottes Macht noch eine Vergeltung anerkannten, diente das Bestehen der Christen und Mohammedaner dazu unter den Völkern das Gottesbewusstsein zu verbreiten und in den fernsten Ländern der Erkenntnis Eingang zu verschaffen, dass es einen Gott gibt, der die Welt beherrscht, der belohnt und bestraft, und an Menschen seine Offenbarungen ergehen ließ. Einsichtsvolle christliche Gelehrte haben aber nicht bloß der schriftlichen Offenbarung im Kreise der Völker Anerkennung verschafft, sondern auch der der Mündlichkeit übergebenen Gottesoffenbarung zum Schutze gedient. Denn als ruchlose, dem Gottesgesetze feindliche Personen aus unserer Mitte die Absicht hatten, den Talmud abzuschaffen und zu vertilgen, haben sich aus ihrer Mitte Fürsprecher zur Abwehr dieser Bestrebungen erhoben etc.«
Dass das jüdische Volk diese Verpflichtung des Talmuds auf Treue und Gehorsam für Obrigkeit, auf Gerechtigkeit und Menschenliebe für alle Mitbevölkerungen im großen Ganzen gewissenhaft und freudig erfüllt hat, kann nur eine die Wahrheit geflissentlich verkennende Feindseligkeit in Abrede stellen.

Wir glauben durch die vorstehenden wortgetreuen Auszüge aus den talmudischen Schriften den Ungrund der von Manchen gehegten Meinung von dem gemeinschädlichen Einfluss des Talmuds auf das soziale Verhalten und das Verkehrsleben der Juden dargetan, und vielmehr gezeigt zu haben, welche in hohem Grade die allgemeine Wohlfahrt fördernden Grundsätze der Rechtschaffenheit, der Betriebsamkeit und der Loyalität der Talmud auf dem Boden religiöser Gewissenhaftigkeit in der Brust seiner Bekenner zu pflegen versteht.
Wir haben dem vorangehend die Erklärung geäußert, dass auch Überhaupt die selbst von seinen Gegnern zugestandenen löblichen Eigentümlichkeiten des jüdischen Nationalcharakters durch und durch als ein Erzeugnis der talmudischen Lehren und der unter ihrem Einfluss sich vollziehenden Erziehung und Bildung zu betrachten sind.
Wir möchten auch dies durch einige Auszüge aus den talmudischen Schriften belegen und damit dem Beurteiler das Bild von der talmudischen Lehre einigermaßen vervollständigen, beschränken uns aber auf nur wenige Sätze aus dem reichen Schatz der talmudischen Weisheit von der Bildung des Charakters, der Gesinnung und der Lebensgrundsätze der Einzelpersönlichkeit, der Ehe und des Familienlebens, der Wohltätigkeit und der Menschenliebe und des Gemeindelebens.

Geistes- und Charakter-Bildung, Gesinnung und Lebensanschauung.

In höchsten Ehren steht den Weisen des Talmuds die Bildung des Geistes. Die durch Schrift und Überlieferung gegebene Wissenschaft ist ihnen nicht das Vorrecht eines besonderen Standes, sondern die Nationalwissenschaft, zu deren Aneignung und Pflege jeder ihrer Söhne, welchem sonstigen Beruf er auch obliegen mag, berufen ist. Und weil diese Wissenschaft nicht das übersinnlich Jenseitige, sondern die reale diesseitige Welt mit ihren geschichtlichen Entwicklungen in der Vergangenheit, ihren religiösen, sittlichen und sozialen Aufgaben in der Gegenwart des Einzel- und Gesamtlebens und ihren Zielen in der Zukunft zum Gegenstande hat, so ist sie einerseits eine tüchtige Schule für logische Auffassung und Beurteilung der Dinge, Zustände und Verhältnisse, und ist andererseits so universaler Natur, dass sie sich gerne mit allen andern Wissenschaften befreundet, welche die Erkenntnis der realen Zustände und Verhältnisse in Natur und Geschichte anstreben. Dass der Knabe zur Kenntnis dieser Wissenschaft, zu selbständiger Hausesgründung und zu tugendhaften Werken heranblühen möge, das ist der Wunsch, den Freunde und Genossen einem Vater bei der Geburt eines Sohnes ausdrücken, und wenn nach dem bereits zitierten Ausspruch des Talmuds bei unserm einstigen jenseitigen Erscheinen vor Gottes Richterstuhl, die Frage nach der von uns gepflegten Rechtschaffenheit in Handel und Wandel die erste sein wird, so wird nach dem Talmud die zweite sein: Bist du nicht ganz und gar in’s Geschäftsleben aufgegangen und hast dir täglich eine bestimmte Zeit für deine geistige Fortbildung in der Wissenschaft offen gehalten? (Jore Dea 265, 3. Schabbat 31a.) Die Bitte um Erkenntnis, Einsicht und Verständigkeit bildet das erste Anliegen in dem dreimal täglichen Gebete der jüdischen Liturgie: (Berachoth 33a.) Wer es verabsäumt sich die richtige Erkenntnis zu erwerben, macht sich fast des Anspruchs auf Erbarmen verlustig. Ein Mensch aber, der die rechte Erkenntnis und Einsicht besitzt, ist ein Baustein zum Heiligtum. (Das.) Wem es an rechter Kenntnis und Einsicht fehlt, der ist der wahre Arme. (Nedarim 41a.) Sie schätzen aber nur eine gerade Geistesrichtung, keine, die, wie sie sich ausdrücken, einen Elefanten durch ein Nadelöhr zwängen will, und zählen eine ganze Reihe verkehrter Geistesbildungsarten auf, die sie ernstlich tadeln. (B. Mezia 38b.)
Allein alles Wissen, alle Wissenschaft haben nur Werth, wenn sie im Dienst eines gottesfürchtigen Lebens verwertet werden sollen. Gottesfurcht ist der wahre Bau des Lebens, Wissenschaft nur die Pforte dazu. Wehe dem, der kein Haus hat und sich eine Türe zum Hause zimmert! Ja, Gottesfurcht ist der, den rechten Eingang zur Wissenschaft bedingende Schlüssel. Wer aber Wissenschaft ohne Gottesfurcht hat, gleicht dem, der wohl die inneren Schlüssel, aber nicht den Äußeren hat, wie will der hinein? (Schabbat 31a. b.)
Gottesfürchtig wird aber ein Mensch nur durch sich selbst. Wenn ein Mensch ins Dasein treten soll, tritt sein Engel vor Gottes Thron mit der Frage: dieser Menschenkeim, was soll ihm werden, soll er stark oder schwach, klug oder einfältig, reich oder arm, ob er aber gut oder schlecht werden soll, fragt er nicht; denn Alles stammt aus Gottes Händen, nur nicht die Gottesfurcht. (Nidda 16b.) Unablässig achte auf deinen Charakter und wäge jeden Schritt ab, den du tust. (Sota 5b.) Bessere dich einen Tag vor deinem Tode, und da du nicht weißt, wann dieser eintritt, so denke jeder Tag sei vielleicht dein letzter, und dein ganzes Leben sei ein Leben fortschreitender Besserung. (Schabbat 153a.) Jederzeit halte deine Gewänder rein und hüte dich vor dem kleinsten Flecken, denn du weißt nicht, wie bald du vor deinen Schöpfer geladen wirst. (Das.) Diese Welt gleicht dem Vorzimmer zur jenseitigen. Bereite dich im Vorzimmer, dass du würdig zur Audienz erscheinest. (Aboth IV, 21.) Dein Vorbild aber sei dein Schöpfer, wie Er barmherzig und gnädig, langmütig, reich an Liebe und Wahrheit ist, wie Er Nackte kleidet, Kranke pflegt, Trauernde tröstet, so strebe du Ihm nach in gleichen Tugenden und gleichem Liebeswirken; denn es ist dir gesagt, wandle Ihm nach, wandle in seinen Wegen, werde Ihm ähnlich! (Schabbat 133b. Sota 14a.) Ist doch deine Seele, ihrem Wesen nach, Gottes Ebenbild, ist rein, sehend und unsichtbar wie Gott, füllt den Körper, ihre Welt, so aus, wie Gott die ganze Welt erfüllt und ist dabei so unfindbar wie Gott, richtet, trägt und Überdauert den Körper wie Gott seine Welt, ist einzig im Körper wie Gott einzig in seiner Welt. (Jalkut zu Ps. 103.)
Der angeerbte Grundzug des jüdischen Charakters ist: Barmherzigkeit. Der Jude, der nicht barmherzig ist gegen Alles, was Gott geschaffen; der ist kein echter Jude. (Beza 32b.) Wer sich seiner Mitgeschöpfe erbarmt, des erbarmt man sich vom Himmel, wer aber sich seiner Mitgeschöpfe nicht erbarmt, der hat auf kein Erbarmen von oben zu rechnen. (Schabbat 151b.) Von dem gefeiertsten Meister der Lehre, dem Verfasser der Mischna, erzählt der Talmud, ein Kalb, das zum Schlachten geführt werden sollte, flüchtete sich einst zu ihm und barg den Kopf weinend in seinen Mantel. »Geh’«, sagte er, »dazu bist du geschaffen«. Darauf sagte man oben: weil er kein Erbarmen gezeigt, seien lange anhaltende Schmerzen über ihn verhängt. Eines Tages wollte seine Magd junge Wiesel, die sie im Hause zusammen- gefegt hatte, ertränken. »Lasst sie«, sagte er, »sein Erbarmen erstreckt sich auf alle seine Werke«, heißt es von Gott. Darauf sagte man oben, weil er Erbarmen gezeigt, werde ihm Erbarmen erwiesen, und die Schmerzen hörten auf. (B. Mezia 85a.)
Der Talmud lehrt die Pflicht, weise mit dem Seinen hauszuhalten, indem Niemand berechtigt ist das Seine zwecklos zu vergeuden; gleichzeitig lehrt er aber die Pflicht jederzeit mit offener Hand zur Unterstützung wohltätiger und humaner Zwecke bereit zu sein. Wer, lehrt derselbe, auch nur zu viel Öl unnützerweise verbrennt, übertritt das 5. B. M. 20, 20 ausgesprochene Verbot: vernichte Nichts!, indem das Verbot einen Fruchtbaum zu fällen, auf Vernichtung und zwecklose Verwendung alles Nutzbaren auszudehnen ist. (Schabbat 67b.) Ebenso aber auch lehrt er, ein Zehntel eines jeden jährlichen Gewinnes zur Verwendung für wohltätige Zwecke auszuscheiden und bereit zu halten, eine Bestimmung, deren gewissenhafte Erfüllung das werktätige Wohltun in einer so segensreichen Weise im jüdischen Kreise zur Übung gebracht hat, so sehr, dass man sich veranlasst sah, die Freigebigkeit auf höchstens ein Fünftel des jährlichen Gewinnes zu beschränken, damit Keiner sich in die Lage bringe, selbst der Unterstützung zu bedürfen. (Kethubot 67b.) Unerschöpflich sind die Weisen in Belehrungen über die Pflicht der Wohltätigkeit, geben die eingehendsten Lehren über die richtige Art und Weise des Wohltuns in privater wie in Gemeindewohltätigkeit, (Daselbst und sonst.) und warnen mit den ernstesten Vorstellungen Jeden, der sich der gewissenhaften Erfüllung dieser Pflicht entziehen wollte. (Daselbst 68a. B. Bathra 9. 10.) Von anderer Seite lehren sie, sich die äußersten Beschränkungen aufzulegen, um nur der Unterstützung nicht zu bedürfen. Diese Einhaltung aber bis zur Gefährdung seiner und der Seinigen Gesundheit zu führen, heißt sich versündigen. Wer hingegen der Unterstützung nicht bedarf und sie doch annimmt, der geht nicht aus der Welt, ohne wirklich unterstützungsbedürftig zu werden. Wer jedoch Unterstützung nehmen dürfte und sie nicht annimmt, der wird in seinem Alter nicht die Welt verlassen, ohne selbst Wohltäter der Armen geworden zu sein. (Peah, Ende.)
Höher als Almosenspende stellt aber der Talmud der Verarmung durch Geschenke, Darlehen und Geschäfts-Unterstützung vorzubeugen, (Schabbat 63a.) höher als das wohltätige Geldspenden die hilfreiche Liebes-Tat, die dem hilfsbedürftigen Armen, Kranken, Leidenden, Verlassenen helfend, pflegend, tröstend, aufrichtend, stützend, ratend, leitend, tatkräftig beispringt (Suka 49b.) und auch Andere zum Wohltun veranlasst. (B. Bathra 9a.) Vor allem aber wird aufs eindringlichste ans Herz geredet, dem Armen und Unglücklichen freundlich mit teilnehmender Liebe zu begegnen, ihn es fühlen zu lassen,. dass man ihn nicht verachtet, dass man ihn bemitleidet, dass man in ihm das Gotteskind, den Bruder nicht verkennt, dass man es aufrichtig bedauert, ihm nicht in größerem Maßstabe helfen zu können. Wer dem Armen sein Brod bricht, wird mit den Jesaja 58, 7-9 ausgesprochenen Segnungen gesegnet. Wer ihn aber dabei zugleich mit Worten tröstet, ihm, wie es dort heißt, nicht nur Brod, sondern seine Seele, sein Inneres mit hinausgibt; der erwirbt auch noch die dort ferner V. 10-12 ausgesprochenen elf Segnungen. (Daselbst b.) Gibst du dem Armen mit unfreundlichem Gesichte, so nimmt deine Miene, was deine Hand gibt. (Semag, Geb. 162.)
Überhaupt wird uns ein besonders rücksichtsvolles, liebreiches Benehmen gegen Unglückliche, Fremde, Witwen und Waisen, insbesondere Frauen ans Herz gelegt, wir werden erinnert, wie empfindlich ihr Gemüht für jede raue Behandlung, für jedes raue Wort, wie leicht sie sich gekränkt fühlen, werden an das Gotteswort erinnert: wenn er zu mir aufschreit, so höre ich sicher sein Geschrei (2. B. M. 22, 22.). Wenn alle Himmelspforten geschlossen sind, die Träne, die ein gekränktes Gemüt weint, findet immer Eingang. (B. Mezia 59a, b.)
Aber nicht nur im Umgang mit Unglücklichen, vor Beleidigung, Kränkung, Beschimpfung und Beschämung eines jeden Menschen warnen sie wiederholt mit ernstestem Nachdruck. Schwerer ist die Kränkung mit Worten, als die Kränkung an Vermögen. Dieses lässt sich wieder gut machen, jenes nicht. Wer, sagen sie unter Anderem, seinen Nächsten öffentlich beschämt, wer ihn mit herabwürdigendem Beinamen nennt, hat es schwer im jenseitigen Leben zu büssen. (B. Mezia 59a, b. Maimon. Deoth VI, 10.)
Mit den schwärzesten Farben schildern sie, mit der schwersten Verantwortung vor Gott bedrohen sie das Verbrechen der »Bösrede«, darunter begreifen sie jedes das Heil, den Frieden, die Ehre des Nächsten schädigende Wort, selbst wenn es auf Wahrheit beruht, geschweige denn die auf Lügen beruhende Verleumdung. Geheimnis ausplaudern, die privaten Angelegenheiten des Nächsten herumtragendes Geschwätz, rechnen sie ebenfalls hierher und warnen davor, selbst Gutes von dem Nächsten in solcher Gesellschaft zu erzählen, wo zu befürchten steht, ein Anderer werde sofort Veranlassung nehmen, zur Ausgleichung Schlechtes von ihm mitzuteilen. (Arachin 15. 16.) Die Ehre deines Nächsten sei dir so teuer wie die Deinige, Wer, heißt es, seine Ehre in der Herabwürdigung des Nächsten sucht, verscherzt seinen Anteil am künftigen Leben. (Aboth 2, 15. Maimon. Deoth 6, 3.)
Unablässig aber ist die talmudische Lehre bemüht, uns die Aneignung und Pflege derjenigen Charaktertugenden und Gesinnungen anzuempfehlen, die die Erfüllung der. sozialen Pflichten erleichtern und erzeugen, so wie mit nachdrücklichstem Ernst vor dem Aneignen und Hegen der entgegen gesetzten Charakter- und Gesinnungs-Eigentümlichkeiten zu warnen, welche ein pflichtgemäßes soziales Verhalten erschweren und untergraben. Stolz, Zorn, Streitsucht, Heftigkeit, Rechthaberei, Keckheit, Widerspenstigkeit, Hartnäckigkeit, Frechheit, Schmeichelei, Lügenhaftigkeit, Argwohn, Ehrsucht, Habsucht, Begierde, Geiz, Neid, Unversöhnlichkeit, Groll, Undankbarkeit, Schadenfreude, Trübsinn, Leichtsinn, Hass, Ungeselligkeit etc. sind Charakterfehler und Untugenden, vor denen die talmudische Sittenlehre ihren ernstesten Warnruf erhebt. Wogegen sie Bescheidenheit und Demut, Gelassenheit, Geduld und Langmut, Versöhnlichkeit, Friedfertigkeit, Nachgiebigkeit, Anständigkeit, Freundlichkeit und Leutseligkeit, Wahrhaftigkeit und Geradheit, Milde, Genügsamkeit und Enthaltsamkeit, Selbstbeherrschung, Freigebigkeit, Zufriedenheit, Dankbarkeit, Mitfreude, Heiterkeit, Ernst, Verschwiegenheit, Liebe, Wahrheit und Treue, Gemütsruhe etc. mit eindringenden Vorstellungen anpreist und empfiehlt.
Wir verzeichnen einige Sätze ihrer Sittenlehre, um die Art und Weise ihrer Belehrungen zu veranschaulichen. Wie Götzendienst ist Hochmut von Gott verabscheut und ist Gottesleugnung gleich. Vom Hochmütigen spricht Gott, wir beide können nicht zusammen in der Welt wohnen. Wer mit hochmütig gerecktem Halse einhergeht, der verdrängt gleichsam die Gottesgegenwart von der Erde in ihre Höhe zurück. Als Gott sich offenbaren wollte, ließ er die hohen Berge und die hohen Bäume und stieg zum bescheidenen Sinai-Gipfel und zum Dornstrauch hernieder. So entfernt sich Gott von dem Hochmütigen und weilt bei dem Bescheidenen. (Sota 4b, 5a. Berachoth 43a.)
Der Zornwüige steht unter der Herrschaft einer Macht, die dem Menscheninnern fremd bleiben sollte, von der es heißt: du sollst keinen fremden Gott in deinem Innern haben. (Schabbat 105b.) Ärgere dich nicht, so sündigst du nicht, ganz so wie du dich nicht berauschen. darfst, damit du nicht zur Sünde kommst. (Berachoth 30.) Im Zorn ist der Mensch allen zum Gehinnom führenden Übeln ausgesetzt, achtet selbst Gottes nicht, vergisst was er gelernt hat und wird unverständig. (Nedarim 22b.) Nutzen schafft der Ärger gar nicht. Der Ärgerliche hat nichts als seinen Ärger, (Kiduschin 41a.) und sein Leben ist kein Leben. (Pessachim 113b.) Den liebt Gott: wer nicht in Zorn gerät, wer sich nicht berauscht, und wer nicht auf sein Recht besteht. (Das.) Die sich kränken lassen und nicht wieder kränken, die Beleidigung hören und nicht erwidern, aus Liebe zu Gott Alles üben und sich dessen freuen, was sie zu dulden haben, von ihnen heißt es: die Ihn lieben sind wie die aus Wolken in ihrer Kraft hervortretende Sonne. (Schabbat 88b.) Sei schwer zu erzürnen und leicht zu besänftigen. (Aboth V, 14.) Wer Über das gegen ihn geübte Unrecht hinübergeht, dem geht man über das von ihm geübte Unrecht hinüber. Dem verzeiht Gott, der selber verzeiht. (R. Haschana 17a.) Ziehe dir erst selber die Stoppelfasern vom Kleide ehe du sie von deines Nächsten auflesest. Erst mache dich selber sauber ehe du den Nächsten säuberst. (B. Bathra 60a.) Hüte dich, dass wenn du zum Nächsten sprichst: nimm dir den Span aus dem Auge, er dir nicht sagen könne, nimm du den Balken aus dem Deinigen. (B. Bathra 15b.) Sei nachgiebig wie das Rohr und nicht ungefügig wie die Zeder. Der Sturm, der die Zeder bricht, verschont das Rohr weil es nachgegeben. (Thaanith 20a.) Streit gleicht einem Deich durchbrechenden Strom, hemmt man ihn nicht sogleich im Anfang, so eilt er unaufhaltsam weiter. Heil dem, der nicht antwortet, hundert Übeln entgeht er. (Sanhedrin 7a.) Willst du wissen, woran man den sittlichen Adel eines Menschen erkennt? Daran, dass er der Erste ist, der im Streite schweigt. (Kiduschin 71b.)
Beurteile einen jeden Menschen nach der guten Seite. (Aboth 1, 6.) Urteile über keinen Menschen bis du dich einmal in gleicher Lage befunden. (Das. 2, 5.) Nicht gleichgültig sei dir das Urteil deiner Mitmenschen. Wie der Mensch vor Gott rein stehen soll, so soll er auch seine Handlungsweise vor Menschen gerechtfertigt erscheinen lassen und keinen falschen Schein auf sich laden. (Schekalim 6a.)
Habe kein »böses Auge«, das dem Nächsten Gutes missgönnt, vielmehr habe ein »gutes Auge«, das freundlich auf das Aufblühen deines Nächsten blickt und sich freut mit seiner Freude. (Aboth 2, 13. 14.) Neid, Gelüste und Ehrsucht bringen den Menschen um seine Welt. (Das. 4, 18.) Sei nicht neidisch, den Namen, der dir zukommt, erhältst du, die Stellung, die dir gebührt, wird dir, und kein Mensch rührt an das, was dem andern bestimmt ist. (Joma 38b.) Sei zufrieden mit dem dir beschiedenen Teil, der Zufriedene ist reich (Aboth 4, 1.) und nicht Jedem wird der Sitz an zwei Tischen zu teil (dem materiellen und geistigen, dem diesseitigen und jenseitigen). (Berachoth 5b.) Wünsche dir keinen Schuh, der für deinen Fuß zu groß ist. (Kiduschin 49a.)
Nicht Betrübnis und nicht Lustigkeit ist die Stimmung, in der du gedeihst und vor deinem Gott zu stehen vermagst, wohl aber die Heiterkeit, der heitere Sinn, der durch treue Pflichterfüllung gewonnen wird. (Berachoth 31a.) Seufzen bricht die halbe, ja die ganze Kraft des Menschen. (Das. 58b.) Scherzhaftigkeit und Leichtsinn bahnen den Weg zur Sünde. (Aboth 3, 17.) Wer nicht schuldbewusst ist, fürchtet nicht. Furcht zieht das Leid herbei. Immer halte der Mensch daran fest: Alles, was Gott tut, ist zum Guten. (Berachoth 60a, b.) Das aber ist ein lästerlicher Trost, dem Trauernden zu sagen: was kann man dagegen machen?! (B. Kama 38a.) Deine Pflicht tue und grüble nicht, in Gottes Geheimnis kannst du nicht eindringen. (Berachoth 10a.) Siehst du Leiden über dich kommen, prüfe deine Handlungen. Findest du bei solcher Prüfung nichts, so schöpfe erst noch einmal genaue Kenntnis deiner Aufgabe aus der göttlichen Pflichtenlehre. Findest du auch dann keine Schuld, magst du sie als Leiden betrachten, die die väterlich erziehende Liebe Gottes über den Menschen verhängt, um ihn durch Prüfung und Läuterung zu immer größerer Vollendung zu führen. (Berachoth 5a.) Immer tue der Mensch das Seine und verlasse sich nicht auf ein Wunder. (Kiduschin 39b.) Nimmer aber gebe er die Hoffnung auf, und fühlte er selbst schon ein scharfes Schwert an seinem Halse liegen, unterlasse er nicht zu Gott zu beten. (Berachoth 10a.)

Die höchste Versündigung, welche die Lehre des Talmuds kennt, bezeichnet sie als »Entweihung des göttlichen Namens«. Sie begreift darunter eine solche Handlungsweise, die nicht nur selbst das Pflichtgebot außer Augen lässt, sondern dadurch Veranlassung gibt, dass auch bei Andern die über Alles hoch und heilig zu haltende, durch eine gewissenhafte Erfüllung seiner Pflichtgebote zu bezeugende Verehrung Gottes herabgesetzt wird, und »der Name Gottes bei ihnen seine Kraft verliert«. Nach talmudischer Lehre hat jeder Mensch nicht nur für sich das göttliche Gesetz gewissenhaft zu erfüllen, sondern auch die gottesfürchtige Gewissenhaftigkeit seiner Brüder gehört mit zu seiner Obliegenheit, er hat, wie und wo er kann, durch Wort und Beispiel seine mitlebenden Genossen von Sünden zurückzuhalten und zur Pflichttreue zu bewegen, er trägt schwere Verantwortung, wo er ein Unrecht hat verhüten können und es aus Gleichgültigkeit nicht getan, die schwerste aber, wenn er selbst durch sein Beispiel beigetragen, dass seine mitlebenden Genossen die Gott schuldigende Pflichttreue hinter den Rücken geworfen. (Schabbat 55a.) Wenn, lautet die talmudische Lehre, wenn gesagt ist: »du sollst den Herrn deinen Gott lieben«, so ist darin zugleich die Forderung begriffen, dass dem Namen Gottes durch dich im Menschenkreise Liebe gewonnen werde. Wenn Einer das schriftliche und mündliche Gesetz lernt, im lebendigen Umgang mit Weisen sich bildet und dann anständig ist in seinen Reden mit Menschen, sein Nehmen und Geben schön im Verkehre, sein Handel und Wandel rechtschaffen, was sagen dann die Menschen von ihm? Heil dem, der das Gesetz gelernt, Heil dessen Vater, der ihn das Gesetz gelehrt, Heil dessen Lehrer, der ihn das Gesetz gelehrt. Wehe den Menschen, die das Gesetz nicht lernen, seht ihr nicht Den, der das Gesetz gelernt, wie schön sind seine Wege, wie richtig seine Handlungen, von ihm heißt es (Jesaja 49, (Makkoth 24a.): mein Knecht bist du, Jisrael, dessen ich mich rühme. Wenn aber ein Mensch das schriftliche und mündliche Gesetz lernt, aber sein Reden mit Menschen ist nicht anständig, sein Geben und Nehmen im Verkehr nicht schön, sein Handel und Wandel nicht rechtschaffen, was sagen dann die Menschen von ihm: Wehe dem, der das Gesetz gelernt, wehe dem Vater, der ihn das Gesetz gelehrt, wehe dem Lehrer, der ihn das Gesetz gelehrt, Heil den Menschen, die das Gesetz nicht gelernt, dieser Mensch, der das Gesetz gelernt, wie hässlich sind seine Handlungen, wie verkehrt seine Wege! Von ihm sagt die Schrift (Ezechiel 36, (B. Mezia 43a. b.): man sagt von ihnen: Gottes Volk sind sie, und seinen Boden haben sie verlassen. (Joma 86a nach En Jakob.)
Der Begriff dieser Versündigung aber ist relativ, je höher Einer in der Achtung seiner Mitmenschen steht, je mehr seine Handlungsweise zum Muster für die Andern sein soll, um so strenger ist die Anforderung an die Sittenreinheit seines Wandels, um so leichter kann er zu dieser schwersten Versündigung kommen, um so mehr muss er selbst jeden Schein von Unrecht meiden und darf sich selbst Das nicht erlauben, was einem Andern gestattet wäre. So wird an das jüdische Volk, das nun einmal erwählt ist, um die Lehre von Gott und der Menschenpflicht gegen Gott durch die Welt zu tragen, eine höhere Anforderung gestellt, als an die Übrige Menschheit, an die Priester eine höhere als an das Volk, an die Lehrer, an Jeden, bei welchem Vertrautheit mit der Lehre, somit Kenntnis dessen vorausgesetzt wird, was nach göttlichem Willen Recht und Unrecht ist, eine höhere als an die andern Glieder des Volkes. (Joma 66a.) Immer ist es bei solcher Beurteilung stehende Formel: »ein geachteter und beachteter Mann ist etwas Anderes«. (B. Mezia 33a. Schabbat 51a, 142b. Moed Katan 11b und sonst.)
Insbesondere wird das jüdische Volk wiederholt an diese seine besondere Verpflichtung im Verkehr mit Nichtjuden gemahnt und erinnert, Nichtjuden gegenüber sich noch aus höherem Grunde der strengsten Rechtschaffenheit zu befleißen. Ein Unrecht gegen einen jüdischen Genossen verübt, sei Übertretung eines einfachen Verbots. Einem Nichtjuden gegenüber sei es zugleich auch die höchste Versündigung der »Entweihung des göttlichen Namens«, dessen Heiligung vielmehr Bestimmung Israels sei und Mitzweck seiner Zerstreuung in Mitten der Völker. (Semag, Thl. 1, 2. 152. Thl. 2, 74.)

Die Familie.

Wenn es etwas gibt, worüber ein klägliches Vorurteil verbreitet ist, so ist es die Stellung der Frauen im jüdischen Altertum. Die herabwürdigende Meinung, die man sich von der Stellung der Frau unter den Völkern des Orients gebildet hatte, übertrug man, ohne Weiteres auch auf die Frauen des jüdischen Alterthums, ohne zu bedenken, wie denn doch die jüdischen Anschauungen und die jüdischen Sitten sich unter einem ganz anderen Einfluss, unter dem Einfluss der Lehre und eines Gesetzes gebildet hatten, von welchen bei den übrigen Völkern keine Ahnung zu finden war. Faktum ist es, dass wohl kein Schrifttum irgend eines nationalen Menschenkreises zu finden ist, in welchem dem Werth der Frauen und der Bedeutung ihrer Wirksamkeit in höherem Grade Gerechtigkeit widerfahren wird, in welchem das wackere Weib inniger gewürdigt und gepriesen und ihm eine zartere, ehrendere, rücksichtsvollere, liebendere Behandlung an Seiten des Mannes zugesichert wird, als in den Schriften des talmudischen Altertums. Wir verzeichnen auch hierüber einige Sätze.
Das weibliche Geschlecht hat Gott mit einer größeren geistigen Begabung bedacht, darum erlangt es seine geistige Reife früher als das männliche. (Nida 46b.) Bei nationalen Kalamitäten, wie während der Ägyptischen Sklaverei, waren es die Frauen, die Muth und Besonnenheit nicht verloren, tröstend und aufrichtend den Männern zur Seite standen und durch ihr Verdienst die endliche Erlösung herbeiführten. (Sota 11b.) Ebenso bei den größten nationalen Versündigungen, bei dem goldenen Kalbe und den Kundschaftern (2. B. M. 32. 4. B. M. (B. Bathra 88a-90b. Maimon. Diebstahl K. 7 u. 8.), waren es die Frauen, die sich nicht mit in die Verirrungen der Männer hineinreißen ließen, die, wie der Ausdruck lautet, aufrecht hielten, was die Männer niederrissen. (Rabboth z. 4. B. M. 27, 1.) Das den Frauen von Gott Zugesicherte ist daher noch größer als das den Männern Verheißene, und zwar wegen ihres erziehlichen Einflusses auf die geistig-sittliche Heranbildung der Kinder und Fortbildung der Männer. (Berachoth 17a.) Das Haus, das ist die Frau. (Joma 2a.) Reich ist, wer eine wackere Frau hat. (Schabbat 25b.) Wer keine Frau hat, dem fehlt Alles, (Nedarim 41a.) er hat keine Freude, keinen Segen, nichts Gutes, keine Wissenschaft, kein Behagen, keinen Frieden. (Jebamoth 62b.) Wer keine Frau hat, ist kein ganzer Mensch. (Das. 63a.) Wem seine Frau stirbt, dem wird die Welt dunkel, dessen Schritte werden kürzer (es fehlt ihm die Freundin, aus deren Billigung und Beifall er Zuversicht in seine Unternehmen schöpfte), dessen Vorhaben werden hinfällig (es fehlt ihm die Beraterin, die ihn mit ihrer Einsicht unterstützte. (Sanhedrin 22a.) Keinem stirbt ein Mann so ab wie der Frau, und Keinem stirbt eine Frau so ab wie dem Manne. (Das. b.)
Diesen Anschauungen gemäß ist denn auch die Behandlung und die Stellung, die die talmudische Lehre für die Frauen in Anspruch nimmt. Wer seine Frau liebt wie sich selbst und sie ehrt mehr als sich, seine Söhne und Töchter im rechten Wege erzieht und sie jung verheirathet, von dem sagt die Schrift (Hiob 5, (Nedarim 49b.): du weißt, dass deinem Zelte Frieden ist. (Jebamoth 62b.) Jeder schone die Ehre seiner Frau, denn nur durch die Frau wohnt Segen im Hause. Ehret eure Frauen, dann werdet ihr zu Wohlstand kommen. Ist deine Frau klein, so beuge dich nieder und höre was sie dir sagt. Sei nie schroff gegen deine Frau und musst du ihr einmal entgegentreten, so nähere immer die Rechte an, während die Linke zurückweist. Hüte dich vor Kränkung deiner Frau, ihre Träne ist leicht geweckt und ihrer Kränkung nahe. (B. Mezia 59a. Sanhedrin 22a.) Nie sei der Mann ein gefürchteter Tyrann in seinem Hause, wer sich übermäßig gefürchtet macht, veranlasst leicht große Verbrechen. Was du deinen Hausleuten zu sagen hast, sage ihnen in Ruhe. (Gittin 6b, 7a.) Wie aber die talmudische Lehre den Mann gegen die Frau verpflichtet, so spricht sie auch die Pflicht der Frau dem Manne gegenüber aus. (Kiduschin 31a.) Liebe, Verschwisterung, Friede und Freundschaft sollen nach dem vom Talmud in unsern Hochzeitssegnungen niedergelegten Ausspruch zwischen Mann und Frau in der Ehe walten. (Kethuboth 8a.) Sind Mann und Frau das, was sie sein sollen, so wie sie sein sollen, so wohnt Gott bei ihnen. (Sota 17a.)
Das talmudische Eherecht ist von der tiefsten Weisheit, von der klarsten Einsicht in die menschliche Natur im allgemeinen, in die Eigentümlichkeiten der Geschlechter, in die mannigfachen Verhältnisse des Ehe- und Familienlebens, wie von der umsichtigsten und vorsichtigsten Erwägung alles Dessen getragen, was einem glücklichen Gatten- und Familienleben förderlich oder hinderlich sein könnte, und spricht sich dies namentlich in den rabbinischen, die von den Rabbinen getroffenen Rechtssatzungen aus. Auch in diesem Eherecht bekundet sich die zarteste Rücksicht für Frauen und Töchter. Wir heben beispielsweise nur zwei Bestimmungen hervor. Die Eine lautet: die Frau steigt mit dem Manne hinauf, aber nicht hinab, (Kethuboth 61a u. s.) d. h. wo die rechtlichen Ansprüche der Frau hinsichtlich ihrer Lebensgewöhnungen und Leistungen zur Entscheidung stehen, da sind — wenn nicht von Vorhinein darauf verzichtet worden — wenn die Gewohnheiten ihres elterlichen Hauses und Familienkreises die höhern sind, diese maßgebend. Und ferner, beispielsweise, wenn das vom Vater nachgelassene Vermögen nicht ausreicht um Söhne und Töchter zu versorgen, so hat man die Töchter zu ernähren, die Söhne aber der anzusprechenden Mildtätigkeit zu überweisen. (Das. 108b.) Überhaupt geht bei allen Unterstützungsfragen z.B. aus Wohltätigkeits-Kassen, das weibliche Geschlecht dem männlichen vor, immer gilt der Grundsatz, dass das weibliche mehr vor etwa beschämender Erniedrigung zu schützen sei, (Kethuboth 67a, b.) und gehört die Ausstattung unbemittelter Mädchen zu den gepriesensten Zwecken jüdischer Wohltätigkeit. (Jore Dea 249, 15.)
Das Gebot: ehre Vater und Mutter findet in der talmudischen Lehre die eingehendste Erläuterung und einen weit reichenden Inhalt. Wir verzeichnen auch hier nur einige wenige Sätze. Nicht auf die Pflicht der Dankbarkeit gründet sich dieses Gebot, dass die Pflicht der Kinder etwa durch das Maß dessen bedingt wäre, was die Eltern den Kindern geleistet, und etwa ganz aufhören könnte, wo die Eltern etwa aus Unvermögen wenig oder gar nichts für die Kinder getan, oder wenn schließlich die Kinder so glücklich waren die Wohltäter der Eltern zu werden. Nicht die Pflicht der Dankbarkeit, das Gebot Gottes ist der Boden der Eltern-Ehre, Gottes, der für Eltern eine der Ihm zu zollenden nahe kommende Ehrerbietung und Ehrfurcht fordert, und in der den Eltern zugewandten Ehre seine Verehrung erblicken will. (Kiduschin 30b.) Den unverbrüchlichsten Gehorsam fordert diese Pflicht, der nur seine Grenze an dem Gott schuldigen Gehorsam findet, wenn etwa Eltern etwas von Kindern forderten, was dem göttlichen Gebote zuwider wäre. (B. Mezia 32a.) Und das ehrfurchtsvollste Benehmen, das nie widerspricht, unaufgefordert nicht einmal bestätigt, überhaupt nichts darein spricht, wenn die Eltern reden, das sich nie ein unehrerbietiges Wort gegen Eltern oder über Eltern erlaubt, das sich zu beherrschen weiß, wenn selbst die Eltern dem Kinde das größte Unrecht, den größten Schaden, die größte unverdiente öffentliche Beschimpfung zufügten etc. Einer der talmudischen Weisen brachte bei Besprechung dieser Pflicht im Lehrhause sich zum Beispiel, dass er seiner alten Mutter bei deren ins Bettsteigen und Aufstehen immer mit seinem Rücken als Fußschemel diene. »Hat sie dir«, erwiderten seine Kollegen, »schon einmal einen vollen Geldbeutel in deiner Gegenwart ins Wasser geworfen, und du hast ehrerbietig geschwiegen?!« (Kiduschin 31b.) Und diese den Eltern schuldige Pflicht des Gehorsams der Ehrfurcht und Ehrerbietung ist nicht auf die Zeit der Kindheit, der Jugend beschränkt, selbst dem Manne, dem Greisen bleibt diese Pflicht unverändert und wird selbst durch der Eltern Tod nicht aufgehoben. (Das.) Andererseits werden Eltern erinnert, den Kindern die Erfüllung dieser Pflicht nicht zu erschweren und namentlich erwachsene Kinder nicht zur Versündigung zu reizen. (Moed Katan 17a.) Auch für ältere Brüder, Stiefeltern und Schwiegereltern wird im Anschluss an die Pflicht der Eltern-Ehre ein ehrerbietiges Benehmen in Anspruch genommen. (Kethuboth 103a.)
Dem Vater liegt die Pflicht ob, seine Kinder durch Erziehung und Unterricht die für ihr religiöses und bürgerliches Leben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben zu lassen, und ihnen nach Kräften zu einer eigenen selbständigen Hausesgründung zu verhelfen. (Kiduschin 29. 30. Jebamoth 62b. Kethuboth 50a.) Mit ernster Warnung werden Eltern erinnert, keinen Unterschied zwischen ihren Kindern zu machen und Keinem einen Vorzug zuzuwenden und werden auf die verhängnisvollen Folgen hingewiesen, welche die geringe seidene Verbrämung an Josefs Gewand hatte, mit welcher der Vater ihn vor seinen Brüdern auszeichnete. (Schabbat 10b.) Und nie sollen Eltern schroff gegen ihre Kinder sein, auch dem Kinde gegenüber soll die Rechte immer annähern, wenn die Linke genötigt ist zurückzuweisen. (Sanhedrin 107b.)

Die Gemeinde.

Der Einzelne ist schwach und sterblich, schon hienieden unsterblich und stark ist nach dem Ausdruck des Talmuds nur die Gesamtheit, (Themura 15. Jalkut Amos9. Sebachim 88b. Und sonst.) darum sind die höchsten geistigen und sittlichen Güter nicht dem Einzelnen, sondern der Gesamtheit zu tragen und zu vertreten übergeben, und Jeder ist verpflichtet sich dem Gemeinwesen seines Wohnortes anzuschließen und dessen Obliegenheiten und Aufgaben nach besten Kräften mit Vermögen und Tätigkeit gründen, erhalten und fördern zu helfen. (Aboth 2, 5. B. Bathra 7-11.) Insbesondere gehört die Gründung und Unterhaltung aller zu Erfüllung der religiösen Pflichten, des Unterrichts und der Wohltätigkeit erforderlichen Anstalten zu den ersten Obliegenheiten eines jeden jüdischen Gemeinwesens, (Thosifta das. B. Bathra 21a. Das. 8b.) und eine umsichtige, uneigennützige, gewissenhafte, tätige Beschäftigung mit den Angelegenheiten der Gemeinde, zählt zu den höchsten jüdischen Pflichten. Alle, die sich mit dem Gemeinwesen beschäftigen, sollen es in reinster, uneigennützigster Weise zur Erfüllung göttlichen Willens tun, dann steht ihnen das Verdienst der Vordern bei, und ihr eigenes gerechtes Wirken bleibt für ewig. (Aboth 2, 2.)
Derselbe Geist aber, der die jüdische Gesamtheit eines Ortes zu einem religiösen Gemeinwesen gestaltet, das die Aufgaben und Zwecke der »Lehre, des Gottesdienstes und der Wohlthätigkeit« (Aboth 1.) mit vereinigten Kräften anstrebt, hat auch in größeren Gemeinden innerhalb des größeren Verbandes zu kleineren, freien Vereinigungen, »Chebroth«, geführt, welche dem größeren Gemeinwesen in seinen Leistungen für religiöse und humane Zwecke vertretend und ergänzend zur Seite stehen. Dieses Streben der Vereinigung für religiöse und humane Zwecke ist im talmudischen Judentum uralt und hat von je die hingebendste Pflege gefunden. (Moed Katan 27b. Sucka 51b. Berachoth 63b. Chagiga 9b.) So gab und gibt es Talmud-Thora-Vereine für den religiösen Unterricht der Kinder der Unbemittelten oder für die gemeinschaftliche Selbstpflege des Thorastudiums, Zedaka- und Gemilutchassadim-Vereine für die mannigfaltigsten Zwecke der Wohltätigkeit, der Krankenpflege, der Leichenbestattung etc. In größeren Gemeinden hatten oft die verschiedenen Arbeiter- und Gewerbsklassen ihre besonderen Vereinigungen zu gemeinschaftlicher Pflege des Gottesdienstes, der Lehre und der gegenseitigen Unterstützung, Vereinigungen, die nach vollendeter Tagesarbeit statt des Wirtshausbesuches Gelegenheit zum Gottesdienst und zu moralischer und religiöser Belehrung boten, und haben alle diese, mit opferfreudiger Hingebung, lediglich religiösen und humanen Zwecken zugewandten Vereinigungen die jüdischen Kreise unter den traurigsten Zeitverhältnissen vor der Verkommenheit eines Proletariats bewahrt und bis in die untersten Schichten den Sinn für geistiges und sittliches Interesse wach gehalten.