Schoftim

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Diese Woche in der Tora (Dt. 16,18-21,9):

Regierung: Richter, König, Priester, Propheten; Warnung vor Götzendienst, Erkennen und Bestrafen desselben – Zeugen; Wiederholung Totschlägergesetze, -städte; Betrug durch Verschieben von Landmarkierungen; intrigierende Zeugen; Gesetze der Kriegführung; Gebot der Vernichtung der Ka’aniter; die Leiche im Feld/Mörder unbekannt.

Frag‘ den Propheten

Rav Iti’el Ari’el

(Gemeinderabbiner in Bet Schemesch)

Das Gebot „auf ihn sollt ihr hören“ (Dt. 18,15) erscheint in unserem Wochenabschnitt in einem Zusammenhang, der leicht zu Mißverständnissen führen kann. Der hier zitierte religionsgesetzliche Spruch erhebt die Weisung eines Propheten in den Rang der Toragebote, selbst wenn sie während ihrer aktuellen Gültigkeit den Geboten der Tora entgegensteht. Die gleiche Tora, deren Gebote über alle Generationen hinweg gelten, verleiht ihm die Autorität, im aktuellen Bedarfsfalle Gebote zu erlassen, und wer sie übertritt, macht sich des Todes durch himmlisches Strafgericht schuldig. Hieraus entnehmen wir die Lehre, daß die Hauptaufgabe des Propheten in moralischer Anleitung und Führung besteht, und zu diesem Zwecke wiegen seine praktischen Anordnungen schwerer als in der Tora festgelegte Gebote.

Andererseits jedoch rückt gerade der Zusammenhang dieses Gebotes eine andere Funktion des Propheten in den Mittelpunkt des Augenmerkes, nämlich seine Kraft, in die Zukunft schauen und diese seinen Mitmenschen mitteilen zu können. Diese Kraft präsentiert sich scheinbar als Alternative zu diversen Hellsehern wie etwa Wolkendeutern und Wahrsagern, deren Dienste sich die Völker der Welt bedienen: „du aber – nicht also gab dir der Ewige dein G~tt“ (Dt. 18,14). Obwohl einige wenige Schattenkräfte zur Kenntnis zukünftiger Dinge den Völkern überlassen wurden, ist es den Juden verboten, diese Vorstellungen als bindende Wahrheit anzusehen und überhaupt sich ihrer zu bedienen, nur der Prophetie und der Urim veTumim [vom Priester im Tempel getragene Geräte zum Empfang göttlicher Weisung]. Die Worte der Propheten unterscheiden sich von den Vorhersagen der Sterndeuter und Wahrsager in ihrer Gewißheit, und außerdem treffen die wahren Worte der Propheten hundertprozentig genauestens ein, wohingegen die übrigen Visionen nicht mehr als nur teilweise eintreffen können.

Darüberhinaus präsentierte Rabbiner Moscheh ben Maimon („Maimonides“, in der Einleitung zu seinem Mischnakommentar) die Geschichte von Scha’uls Suche nach den Eselinnen als Musterbeispiel für die Aufgabe eines Propheten (siehe Schmu’el I, 9.Kap.). Schmu’el wurde dabei gebeten, bei einer so simplen und primitiven Angelegenheit wie der Wiederfindung der verlorengegangenen Eselinnen unter Einsatz seiner prophetischen Fähigkeiten behilflich zu sein, Verborgenes aufzudecken. Nach Maimonides‘ Ansicht lernen wir daraus über das Wesen der Verbindung zwischen den Propheten und der Öffentlichkeit zu einer Zeit, als es noch Prophetie in Israel gab, die alle tagtäglichen Dinge berührte, die etwas mit dem Wissen um Verborgenes zu tun hatten. Ihr Vorzug gegenüber den Himmelsdeutern besteht in der Quelle ihres Wissens, das sie direkt von G~tt erhalten, aber nicht unbedingt in ihrer spirituellen Persönlichkeit und ihrer erzieherischen Autorität.

In Wirklichkeit ist der Gegensatz zwischen dem einfachen Menschen, der keinen Wahrsager oder Zauberer bemüht, und dem Einfältigen, der sich durch jene leiten läßt, ein recht scharfer. Dieser Gegensatz beschränkt sich nicht auf die Wahl der Informationsquellen des Menschen, sondern zielt vor allem auf die Frage der Verpflichtung gegenüber dem Willen G~ttes. Die Prophetie soll dem Menschen Gebote verkünden, nicht aber seiner Bequemlichkeit dienen. Seine Begegnung mit dem Worte G~ttes über dessen Boten verpflichtet ihn, danach zu handeln. Nicht selten wurde ein Prophet gerade zu denen geschickt, die ihn überhaupt nicht sehen oder hören wollten und die an seinen Zurechtweisungen, milde gesagt, nicht interessiert waren. Doch genau dadurch offenbart sich seine wahre Macht als jemand, der eine die Empfänger verpflichtende Botschaft überbringt, die hingegen meistens vorziehen, sich wie bisher auf verschiedene andere und dubiose Quellen zu stützen, um sich bloß nicht mit den verpflichtenden Worten des Propheten auseinandersetzen zu müssen.

Auch in unseren Tagen erleben wir nicht selten, wenn die Öffentlichkeit die großen Rabbiner mit der Frage bestürmt: „Was wird sein?!“, aber nicht unbedingt zum Erhalt von Anleitung: „Was habe ich dabei zu tun?“. Für die großen Rabbiner besteht sicher ein enger Zusammenhang zwischen diesen beiden Fragen, nicht aber für die Fragesteller, die diese sogar als gegensätzlich empfinden. Das Wissen um die Zukunft soll sie nämlich von Verantwortung befreien, der Erhalt von praktischer Anleitung hingegen verpflichtet in vollem Maße zur Übernahme von Verantwortung, die nicht vom Endresultat abhängt. „Wandle mit ihm [G~tt] in Vollkommenheit und hoffe auf ihn… dann gehörst du ihm an und seinem Anteil“ (Raschikommentar zu Dt. 18,13).

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