Diese Woche in der Tora (Dt. 29,9-31,30):
Das ganze Volk am Bund mit G~tt beteiligt, nochmalige Ermahnung zur Einhaltung der Gebote, göttliches Versprechen, auch nach schwerer Strafung zu G~tt und Land zurückzukehren. Moschehs 120. Geburtstag, moralische Unterstützung für seinen Nachfolger, Jehoschua, Ausblick auf die Zukunft, Wohlstand wird zur Abwendung von G~tt und Strafe führen.
Der Lohn der Mühe
Rav Iti’el Ari’el
Ich würde mich dieses Mal gerne über ein heikles Thema auslassen, das in unserem Wochenabschnitt angesprochen wird: Welches ist die beste Weise, Kinder am Geschehen in der Synagoge zu beteiligen? Dem möchte ich vorausschicken, daß mich dieses Thema schon lange bei der Leitung meiner Gemeinde beschäftigt, und, soweit mir bekannt ist, gibt es kaum eine Gemeinde, die sich noch nicht mit diesem Thema befassen mußte.
Wir lernen in unserem Wochenabschnitt an mehreren Stellen, daß die Verschmelzung zu einer öffentlichen Gemeinschaft des Volkes Israel auch die Kleinkinder umfaßt. Der Bund G~ttes mit dem Volk Israel schließt die Kleinkinder ausdrücklich ein: „Eure Häupter, eure Stämme… eure Kinder“ (Dt. 29,9-10), denn auch sie sind Mitglieder in der großen jüdischen Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit. Ferner wird uns am Ende der Parscha versprochen: „..denn es wird nicht vergessen werden aus dem Munde seiner Nachkommen“ (Dt. 31,21), daß die Tora auf ewig im Volke Israel bewahrt werde, unter besonderer Betonung der Folgegenerationen, die ihr Zugehörigkeitsgefühl von kleinauf erwerben.
Im Mittelpunkt steht das Gebot der Volksversammlung, die in jedem Siebtjahr stattzufinden hat: „Versammle das Volk, die Männer und die Frauen, und die Kinder“ (Dt. 31,12). Dazu nahm bereits der Raschikommentar Stellung: „und die Kinder – warum sollten sie kommen? Um Lohn zu geben denen, die sie brachten“, doch diese Worte bedürfen weiterer Erläuterung. Stammt der Lohn vom Nutzen für das Kind und dessen Beteiligung an sich an diesem erhabenen Ereignis, oder von einem Nutzen für die Öffentlichkeit?
Nicht umsonst stellte Rabbiner Moscheh ben Nachman („Nachmanides“) in seinem Torakommentar fest, daß es sich um Kleinkinder handelt, die bereits ein minimales Verständnis für erzieherische Maßnahmen zeigen, weil nur dann ein erzieherischer Wert für die Beteiligung der Kinder am öffentlichen Erhalt und Studium der Tora besteht. Auch wer nicht zu vollständigem Verstehen des Erlernten gelangt, zieht dennoch einen großen erzieherischen Nutzen aus der Angelegenheit. Seine Neugier wird nämlich erweckt, und mit den Jahren wird sich sein Wundern in klar umrissenen Fragen herauskristallisieren, für die er hoffentlich befriedigende Antworten erhalten wird (siehe Sfornokommentar).
Es scheint aber, daß der Hauptnutzen nicht nur von der intellektuellen Ebene zu erwarten ist, sondern vor allem aus dem Bereiche des Erlebnisses, das von dem Kleinkind, selbst in jüngerem als dem erziehungsfähigem Alter, wahrgenommen wird. Himmelsfurcht wird nicht nur durcht abstrakte Vertiefung erworben, und zweifelsohne braucht das Kleinkind erlebnisorientierten Unterricht und nicht gelehrige Vorträge. Darum wurde uns geboten, es mit uns zu dieser höchst erhabenen öffentlichen Veranstaltung der Aufsichnahme der himmlischen Königsherrschaft zu bringen, denn dieses Erlebnis wird sich tief in seine Seele eingraben, und es gibt wohl kaum ein intensiveres Lernen als dieses.
Darüberhinaus genießt auch die Öffentlichkeit einen wichtigen Nutzen aus der Beteiligung der Kinder an dieser Veranstaltung, ebenfalls aus dem Bereich des Erlebnisses. Die Anwesenheit des Kindes in einer gemeinschaftlichen Veranstaltung gibt der Sehnsucht eines jeden Vaters und einer jeden Mutter nach erfolgreicher Erziehung ihrer Kinder zu Himmelsfurcht und religiösem Leben einen besonderen Ausdruck, und man kann sich demnach wohl kaum ein größeres Glücksgefühl vorstellen als die gemeinsame Aufsichnahme der Himmelsherrschaft eine Generation neben der anderen. Der Sfat Emet-Kommentar fügt hinzu, daß genau darin der Lohn besteht, nämlich in der Hilfe G~ttes bei der Verwirklichung der erzieherischen Bestrebungen, für die sich die Eltern aufopfern, und er wird die Himmelsfurcht ins Herz der Kinder einpflanzen.
Wenn nun darin das Ziel der Beteiligung unserer Kinder am öffentlichen Gebet besteht – die Erzeugung eines gemeinsamen Erlebnisses der Aufsichname himmlischer Königsherrschaft – dürfen wir es nicht auch nur um Haaresbreite verfehlen. Solange wir darauf achten, die Kinder nur für eine kurze Zeit zum Gebet zu bringen, die Zeitspanne nämlich, in der sie zur Konzentration auf das Gebet fähig sind, ist das nützlich und bringt Segen. In diesem engen Rahmen lassen sich Ehrfurcht und Gefühlswallungen des Kindes durch seine Anwesenheit an sich an einem heiligen Ort bewahren, und auch wir fühlen eine höhere Verpflichtung, ein gutes Beispiel für würdiges Verhalten während des Gebetes abzugeben. Das Erlebnis, das seine Spuren auf der Seele des Kindes hinterlassen wird, ist eines von Heiligkeit, das noch von Gefühlen des Respektes für das Gebet und seinen Ort begleitet wird. Und wie es in vielen Gemeinden Israels üblich ist, wird das Kind diesen Ort nicht ohne einen süßen Geschmack im Munde verlassen…
Um dieses Erlebnis in all seiner Reinheit zu bewahren, kann man gar nicht oft genug die Warnung vor dem verbreiteten Irrtum wiederholen, die Synagoge sei dem Besuch der Kinder während der ganzen Dauer der Gebete zubestimmt, ob sie nun konzentriert dasitzen oder sich selbst und die anderen Anwesenden vom Gebet ablenken. Die Eltern müssen wissen, daß nicht nur ein positives Erlebnis in der Seele des Kindes seine Spuren hinterläßt, sondern auch ein negatives Erlebnis. In diesem Zusammenhang gibt es wohl kaum ein schlechteres Erlebnis als konstante Störungen des Gebetes und Mißachtung der Heiligkeit der Synagoge, wenn die Kinder wild herumlaufen und den berechtigten Zorn der Beter auslösen. Und dazu ließe sich noch viel hinzufügen…