Pessachim Kapitel 4

Der Talmud, Traktat (Massechet Pessachim) in deutscher Übersetzung von Lazarus Goldschmidt

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Blätter/Dapim

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Übersetzung

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WO ES ÜBLICH IST, AM VORABEND DES PESAḤFESTES BIS MITTAG ARBEIT ZU VERRICHTEN, VERRICHTE MAN, UND WO ES ÜBLICH IST KEINE ZU VERRICHTEN, DARF MAN KEINE VERRICHTEN. WENN JEMAND AUS EINEM ORTE GEHT, AN DEM MAN ARBEIT VERRICHTET, ZU EINEM ORT, AN DEM MAN KEINE ARBEIT VERRICHTET, ODER AUS EINEM ORTE, AN DEM MAN KEINE ARBEIT VERRICHTET, NACH EINEM ORTE, DA MAN ARBEIT VERRICHTET, SO LEGT MAN IHM DIE ERSCHWERUNGEN DES ORTES AUF, DEN ER VERLASSEN HAT, UND DIE ERSCHWERUNGEN DES ORTES, IN DEN ER GEKOMMEN IST. MAN DARF

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NICHT ANDERS VERFAHREN, WEGEN DER ZWIETRACHT. DESGLEICHEN MUSS, WER SIEBENTJAHRSFRÜCHTE BRINGT, AUS EINEM ORTE, DA SIE ZUENDE1 SIND, NACH EINEM ORTE, DA SIE NOCH NICHT ZUENDE SIND, ODER AUS EINEM ORTE, DA SIE NOCH NICHT ZUENDE SIND, NACH EINEM ORTE, DA SIE ZUENDE SIND, SIE FORTSCHAFFEN. R. JEHUDA SAGT: GEH AUCH DU HIN UND HOLE SIE2.

GEMARA. Wieso gerade am Vorabend des Pesaḥfestes, dies gilt ja auch von den Vorabenden der Šabbathe und anderer Feste!? Es wird nämlich gelehrt: Wer an den Vorabenden der Šabbathe oder der Feste von [der Zeit] des Vespergebetes ab Arbeit verrichtet, sieht nie ein Zeichen des Segens.

An anderen ist es nur von [der Zeit] des Vespergebetes verboten, nicht aber kurz vor dem Vespergebete, an diesem aber von Mittag ab. Oder auch: an anderen sieht man zwar kein Zeichen des Segens, jedoch tue man ihn dieserhalb nicht in den Bann, an diesem aber tue man ihn dieserhalb in den Bann.

Der Text. Wer an den Vorabenden der Šabbathe und der Feste von [der Zeit] des Vespergebetes ab oder an den Ausgängen der Šabbathe, der Feste oder des Versöhnungstages oder sonst einer Zeit, an der es irgendwie zu einer Übertretung kommen könnte, dies schließt die Gemeindefasttage ein, Arbeit verrichtet, sieht nie ein Zeichen des Segens.

Die Rabbanan lehrten: Mancher ist fleißig und gewinnt dabei, mancher ist fleißig und verliert dabei; mancher ist träge und gewinnt dabei, mancher ist träge und verliert dabei. Mancher ist fleißig und gewinnt dabei: wer die ganze Woche arbeitet, am Vorabend des Šabbaths aber nicht arbeitet. Mancher ist fleißig und verliert dabei: wer die ganze Woche arbeitet und auch am Vorabend des Šabbaths arbeitet. Mancher ist träge und verdient dabei: wer die ganze Woche nicht arbeitet und auch am Vorabend des Šabbaths nicht arbeitet. Mancher ist träge und verliert dabei: wer die ganze Woche nicht arbeitet, am Vorabend des Šabbaths aber arbeitet. Raba sagte: Obgleich die Frauen von Maḥoza am Vorabend des Šabbaths nur aus Verweichlichung nicht arbeiten, denn sie arbeiten auch die ganze Woche nicht, dennoch nennen wir dies eine verdienstliche Trägheit.

Raba wies auf einen Widerspruch hin: es heißt:3dönn groß bis zum Himmel ist deine Gnade, dagegen heißt es:3denn groß über den Himmel hinaus ist deine Gnade; wie ist dies zu erklären?

Das eine, wenn man [die Gebote] um ihrer selbst willen ausübt, das andere, wenn man sie nicht um ihrer selbst willen ausübt. Dies nach R. Jehuda, denn R. Jehuda sagte im Namen Rabhs: Stets befasse man sich mit der Tora und gottgefälligen Handlungen, auch nicht um ihrer selbst willen, denn dadurch kommt man dazu, es um ihrer selbst willen zu tun.

Die Rabbanan lehrten: Wer auf den Verdienst seiner Frau und der Handmühle wartet, sieht nie ein Zeichen des Segens. Den Verdienst seiner Frau: mit der Handwage4. Der Handmühle: durch Vermieten. Die aber Arbeit fertigt und sie verkauft, preist die Schrift, wie es heißt:5 ein Laken fertigt sie und verkauft es.

Die Rabbanan lehrten: Wer mit Rohrstäben und Töpfen handelt, sieht nie ein Zeichen des Segens. Weshalb? Ihr Umfang ist gebauscht, und sie sind dem [bösen] Auge preisgegeben.

Die Rabbanan lehrten: Straßenhändler, Kleinviehzüchter, die gute Bäume niederhauen, und diejenigen, die stets auf den besseren Teil bedacht sind, sehen nie ein Zeichen des Segens. Weshalb? Weil die Leute sie anstaunen.

Die Rabbanan lehrten: An vier Perutas ist nie ein Zeichen des Segens zu finden: am Schreiberlohn, an der Dolmetschgebühr6, am Verdienste aus Waisengeld und am Verdienste aus überseeischen Geschäften.

Einleuchtend ist dies von der Dolmetschgebühr, weil es den Anschein eines Šabbathlohnes hat; desgleichen auch vom Verdienste aus Waisengeld, weil diese nicht verzichtfähig7 sind; ebenso auch vom Verdienste aus überseeischen Geschäften, weil nicht an jedem Tage ein Wunder8 geschieht; weshalb aber am Schreiberlohn? R. Jehošua͑ b. Levi erwiderte: Vierundzwanzig Tage verweilten die Männer der Großsynode im Fasten, dass die Schreiber der [heiligen] Bücher, Tephillin und Mezuzoth nicht reich werden mögen, denn wären sie reich, so würden sie sie nicht schreiben.

Die Rabbanan lehrten: Schreiber der [heiligen] Bücher, Tephillin und Mezuzoth, sie selbst, die damit handeln, und alle anderen, die sich mit Ritualien befassen

dies schließt die Purpurfädenverkäufer9 ein

sehen nie ein Zeichen des Segens. Befassen sie sich damit der Sache wegen, so sehen sie wohl.

Die Leute von Bešan pflegten am Vorabend des Šabbaths nicht von Cor nach Çidon zu gehen. Einst kamen deren Söhne vor R. Joḥanan und sprachen zu ihm: Unsere Väter konnten dies, wir aber können dies nicht. Er erwiderte ihnen: Euere Väter haben dies bereits auf sich genommen, und es heißt:10 gehorche, mein Sohn, der Zucht deines Vaters, und verwirf nicht die Weisung deiner Mutter.

Die Leute von Ḥozaa pflegten die Teighebe von Reis abzusondern. Als man dies R. Joseph erzählte, sprach er zu ihnen: Ein Laie soll es in ihrer Gegenwart essen. Abajje wandte gegen ihn ein: Erlaubte Dinge,

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hinsichtlich welcher manche Verbot eingeführt haben, darfst du in ihrer Gegenwart nicht erlauben!? Dieser erwiderte: Hierzu wurde ja gelehrt, R. Ḥisda sagte, dies gelte von den Samaritanern.

Von Šamaritanern wohl deshalb, weil dadurch die Sache sich ausdehnen11könnte, ebenso kann es sich ja auch bei diesen Leuten ausdehnen!? Vielmehr, sagte R. Aši, richten wir uns danach: essen die meisten Reis, so darf kein Laie [die Teighebe] in ihrer Gegenwart essen, weil das Gesetz von der Teighebe bei ihnen in Vergessenheit geraten könnte; essen die meisten Getreide, so esse sie ein Laie in ihrer Gegenwart, weil sie veranlaßt werden könnten, sie vom Pflichtigen für das Unpflichtige und vom Unpflichtigen für das Pflichtige abzusondern.

Der Text. Erlaubte Dinge, hinsichtlich welcher manche Verbote eingeführt haben, darfst du in ihrer Gegenwart nicht erlauben. R.Ḥisda sagte: Dies gilt von Šamaritanern.

Von anderen etwa nicht, es wird ja aber gelehrt: Zwei Brüder dürfen zusammen baden; in Kabul pflegen zwei Brüder nicht zusammen12 zu baden. Einst badeten Jehuda und Hillel, die Söhne R. Gamliéls, in Kabul zusammen, und die ganze Stadt redete über sie, indem man sprach: Lebtags haben wir so etwas nicht gesehen. Da drückte sich Hillel und ging in das Vorzimmer hinaus; er wollte ihnen aber nicht sagen, dass dies erlaubt sei. Man darf am Šabbath in Pantoffeln13 ausgehen; in Biri pflegt man am Šabbath nicht in Pantoffeln auszugehen. Einst gingen Jehuda und Hillel, die Söhne R. Gamliéls, in Biri am Šabbath in Pantoffeln aus, und die ganze Stadt redete über sie, indem man sprach: Lebtags haben wir so etwas nicht gesehen. Da zogen sie sie ab und gaben sie ihren Dienern; sie wollten ihnen aber nicht sagen, dass dies erlaubt sei. Man darf am Šabbath auf Bänken der Nichtjuden14 sitzen; in Akko pflegt man am Šabbath nicht auf Bänken der Nichtjuden zu sitzen. Einst setzte sich R. [Šimo͑n b. ] Gamliél in Akko am Šabbath auf eine Bank der Nichtjuden, und die ganze Stadt redete über ihn, indem man sprach: Lebtags haben wir so etwas nicht gesehen. Da ließ er sich auf die Erde gleiten; er wollte ihnen aber nicht sagen, dass dies erlaubt sei!?

Die Leute in den überseeischen Städten gleichen den Samaritanern, da keine Gelehrten unter ihnen sind.

Einleuchtend ist es von den Bänken der Nichtjuden, da es den Anschein hat, [als machte man mit ihnen] Geschäfte, ebenso auch von den Pantoffeln, weil man, wenn sie abgleiten, sie vier Ellen auf öffentlichem Gebiete zu tragen verleitet werden könnte; was aber ist beim Baden zu berücksichtigen?

Es wird gelehrt: Man darf mit jedem zusammen baden, nur nicht mit seinem Vater, seinem Schwiegervater, seinem Stiefvater und seinem Schwager15; R. Jehuda erlaubt es mit seinem Vater, wegen der Ehrung16 seines Vaters, und ebenso mit seinem Stiefvater. Später ordneten sie es auch bei zwei Brüdern an, mit Rücksicht auf seinen Schwager.

Es wird gelehrt: Ein Schüler darf nicht zusammen mit seinem Lehrer baden; wenn ihn aber der Lehrer braucht, so ist es erlaubt.

Als Rabba b. Bar Ḥana kam, aß er Darmfett17. Einst besuchten ihn R. Avira der Greis und Rabba, Sohn des R. Hona, und als er sie bemerkte, verbarg er es vor ihnen. Darauf erzählten sie es Abajje, und dieser sprach zu ihnen: Er betrachtete euch als Samaritaner.

Hält denn Rabba b. Bar Ḥana nichts von dem, was wir gelernt haben, dass man einem die Erschwerungen des Ortes auferlege, den er verlassen hat, und die Erschwerungen des Ortes, in den er gekommen ist!? Abajje erwiderte: Dies nur, wenn aus Babylonien nach Babylonien oder aus dem Jisraélland nach dem Jisraélland, oder auch aus Babylonien nach dem Jisraélland, nicht aber, wenn aus dem Jisraélland nach Babylonien, denn da wir uns ihnen beugen, müssen wir nach ihrer Gepflogenheit verfahren. R. Aši erwiderte:

Du kannst auch sagen, aus dem Jisraélland nach Babylonien, denn dies gilt nur von dem Falle, wenn man nicht zurückzukehren beabsichtigt, während Rabba b. Bar Ḥana zurückzukehren beabsichtigte.

Rabba b. Bar Ḥana sprach zu seinem Sohne: Mein Sohn, iß es weder in meiner Gegenwart, noch in meiner Abwesenheit; ich sah R. Joḥanan es essen, und er ist würdig, dass man sich auf ihn sowohl in seiner Gegenwart als auch in seiner Abwesenheit stütze; du aber hast es nicht gesehen, daher iß es weder in meiner Gegenwart, noch in meiner Abwesenheit.

Rabba b. Bar Ḥana befindet sich mit sich selbst in einem Widerspruche, denn er sagte, R. Joḥanan b. Elea͑zar habe ihm erzählt: Einst folgte ich [im Siebentjahre] R. Šimo͑n, dem Sohne des R. Jose b. Laqonja, in einen Garten; da nahm er Nachwuchs von Kohl und aß ihn und

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reichte auch mir davon, indem er sprach: Mein Sohn, in meiner Gegenwart iß ihn, in meiner Abwesenheit iß ihn aber nicht. Ich sah R. Šimo͑n b. Joḥaj ihn essen, und er ist würdig, dass man sich auf ihn sowohl in seiner Gegenwart als auch in seiner Abwesenheit stütze, du aber iß ihn nur in meiner Gegenwart, nicht aber in meiner Abwesenheit.— Was [lehrt] R. Šimo͑n?

Es wird gelehrt: R. Šimo͑n sagt, jeder Nachwuchs sei verboten, nur nicht der des Kohls, da es dergleichen unter den Feldpflanzen nicht18gibt; die Weisen sagen, jeder Nachwuchs sei verboten. Beide lehren sie nach R. A͑qiba, denn es wird gelehrt:19 Wenn wir nicht säen und uns keinen Ertrag einsammeln; hierzu sagte R. A͑qiba: Wenn wir nicht säen, was sollten wir einsammeln!? Hieraus, dass der Nachwuchs verboten20 ist.

Worin besteht ihr Streit?

Die Rabbanan sind der Ansicht, wir berücksichtigen beim Nachwuchs des Kohls anderen Nachwuchs, und R. Šimo͑n ist der Ansicht, wir berücksichtigen beim Nachwuchs des Kohls anderen Nachwuchs nicht.

WENN JEMAND AUS EINEM ORTE GEHT etc. Einleuchtend ist der Fall, wenn jemand aus einem Orte geht, da man Arbeit verrichtet, nach einem Orte, da man keine Arbeit verrichtet, man legt ihm die Erschwerungen des Ortes auf, in den er gekommen ist: er darf wegen der Zwietracht nicht anders verfahren und arbeite ebenfalls nicht; wieso aber soll er, wenn er aus einem Orte geht, da man keine Arbeit verrichtet, nach einem Orte, da man Arbeit verrichtet, wegen der Zwietracht nicht anders verfahren und ebenfalls arbeiten, du sagst ja, dass man ihm die Erschwerungen des Ortes auferlege, in den er gekommen ist, und die Erschwerungen des Ortes, den er verlassen hat!? Abajje erwiderte: Dies bezieht sich auf den Anfangssatz. Raba erklärte: Tatsächlich auf den zweiten Fall, und er meint es wie folgt: dies ist keine Zwietracht herbeiführende Abweichung. Einzuwenden wäre, wer dies sieht, könnte sagen, [er halte] die Arbeit für verboten, aber man denkt eher: viele Müßiggänger gibt es auf der Straße.

R. Saphra sprach zu R. Abba: Ich zum Beispiel bin in der Festsetzung des Neumonds21 kundig, dennoch verrichte ich [am zweiten Festtage] in

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bewohnten Orten keine Arbeit, um Zwietracht zu vermeiden; wie ist es aber in der Wüste? Dieser erwiderte: So sagte R. Ami: in bewohnten Orten ist es verboten, in der Wüste ist es erlaubt.

R. Nathan b. Asja ging am zweiten Tage des Wochenfestes aus dem Lehrhause nach Pumbeditha, und R. Joseph tat ihn in den Bann. Da sprach Abajje zu ihm: Der Meister sollte ihn geißeln lassen! Dieser erwiderte: Ich bestrafte ihn noch mehr. Im Westen pflegen sie nämlich über die Geißelung eines Schülers des Lehrhauses abzustimmen, nicht aber über den Bann22 eines solchen. Manche sagen, R. Joseph ließ ihn geisseln, und Abajje sprach zu ihm: Der Meister sollte ihn in den Bann tun, denn Rabh und Šemuél sagten beide, dass man wegen [der Entweihung] der beiden Festtage der Diaspora in den Bann tue. Dieser erwiderte: Dies gilt nur von einem einfachen Menschen, dieser aber ist ein Schüler des Lehrhauses, und ich bestrafte ihn mit dem, was für ihn leichter ist. Im Westen pflegen sie nämlich über die Geißelung eines Schülers des Lehrhauses abzustimmen, nicht aber über den Bann eines solchen.

DESGLEICHEN MUSS, WER SIEBENTJAHRSFRÜCHTE BRINGT etc. Hält denn R. Jehuda nichts von dem, was wir gelernt haben, man lege ihm die Erschwerungen des Ortes auf, den er verlassen hat, und die Erschwerungen des Ortes, in den er gekommen ist!? R. Siša, Sohn des R. Idi, erwiderte: R. Jehuda lehrt ganz was anderes, (und zwar meint er es wie folgt:) Oder aus einem Orte, da sie noch nicht zuende sind, nach einem Orte, da sie noch nicht zuende sind, und hört, dass sie in seinem Orte zuende sind, so muß er sie fortschaffen. Hierzu sagte R. Jehuda: Geh23 auch du hin und hole sie von da, wo sie noch vorhanden und noch nicht zuende sind.

Demnach wäre R. Jehuda erleichternd, aber R. Elea͑zar sagte ja, R. Jehuda lehre dies erschwerend!?

Wende es vielmehr um: so braucht er24 es nicht fortzuschaffen. Hierzu sagte R. Jehuda: Geh25 auch du und hole sie von da, woher du sie gebracht hast, und da sind sie nicht mehr vorhanden. Abajje erwiderte: Tatsächlich, wie er zuerst lehrte, nur meint er es wie folgt: oder aus einem Orte, da sie noch nicht zuende sind, nach einem Orte, da sie zuende sind, und er sie zurück nach dem früheren Orte bringt und sie noch nicht zuende sind, so braucht er es nicht fortzuschaffen. Hierzu sagte R. Jehuda: Geh auch du und hole sie von da, woher du sie [jetzt] gebracht hast, und da sind sie zuende. R. Aši wandte ein: Hat sie nach R. Jehuda denn der Rücken des Esels aufgenommen26!? Vielmehr, erklärte R. Aši, führen sie den Streit der Tannaím der folgenden Lehre: Wenn jemand dreierlei Kräuter in ein Faß eingelegt hat, so darf er [im Siebentjahre], wie R. Elie͑zer sagt, davon essen, solange noch die erste Art, und wie R. Jehošua͑ sagt, auch solange noch die letzte Art [auf dem Felde] vorhanden ist; R. Gamliél sagt, sobald eine Art nicht mehr auf dem Felde ist, schaffe er sie auch aus dem Fasse fort. Die Halakha ist wie seine Ansicht. Rabina erklärte: Sie führen den Streit der Tannaím der folgenden Lehre:

Man darf solange Datteln essen, bis die letzte in Coar27 zuende ist; R. Šimo͑n b. Gamliél sagt, man esse, solange sich welche in der Krone befinden,

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nicht aber, solange sich welche zwischen den unteren Zweigen befinden.

Dort haben wir gelernt: Dreierlei Landesgebiete unterscheidet man hinsichtlich der Fortschaffung [der Siebentjahrsfrucht]: Juda͑a, Transjarden und Galiläa, und jedes dieser Landesgebiete zerfällt in drei Gebiete. Warum aber sprechen Sie von drei Landesgebieten (hinsichtlich der Fortschaffung)? Daß man in jedem derselben [Siebentjahrsfrüchte] essen darf, bis da die letzte zuende ist. Woher dies? R. Ḥama b. U͑qaba erwiderte im Namen des R. Jose b. Ḥanina: Die Schrift sagt:28 auch deinem Vieh und dem Wilde, das in deinem Lande; solange das Wild auf dem Felde davon ißt, darfst du auch deinem Vieh im Hause geben, ist es für das Wild auf dem Felde zuende, so ist es auch für dein Vieh im Hause zuende, und es ist uns überliefert, dass weder ein Tier aus Juda͑a Nahrung in Galiläa suche, noch suche ein Tier aus Galiläa Nahrung in Juda͑a29.

Die Rabbanan lehrten: Wenn Früchte aus dem Jisraélland nach dem Auslande ausgeführt werden, so müssen sie fortgeschafft werden, wo sie auch sind; R. Šimo͑n b. Elea͑zar sagt, sie müssen nach ihrer Heimat zurückgebracht und da fortgeschafft werden, denn es heißt:30 in deinem Lande.

Dies hast du ja bereits verwandt31!?

Man folgere aus Land und aus in deinem Lande. Oder auch, aus das in deinem Lande32.

R. Saphra ging fort aus dem Jisraélland nach dem Auslande und führte bei sich einen Krug Wein aus dem Siebentjahre. Da sprach er zu R. Hona, dem Sohne R. Iqas, und R. Kahana, die sich ihm angeschlossen hatten: Ist jemand unter euch, der von R. Abahu gehört hat, ob die Halakha wie R. Šimo͑n b. Elea͑zar sei oder nicht. R. Kahana erwiderte: So sagte R. Abahu: die Halakha ist wie R. Šimo͑n b. Elea͑zar. Hierauf entgegnete R. Hona, Sohn des R. Iqa: So sagte R. Abahu: die Halakha ist nicht wie R. Šimo͑n b. Elea͑zar. Da sprach R. Saphra [zu jenem:] Halte dich an das, was R. Hona sagt, denn er erwägt und studiert die Lehre aus dem Munde seines Lehrers so genau, wie Reḥaba aus Pumbeditha. Reḥaba sagte nämlich: R. Jehuda sagte: Der Tempelberg hatte eine Doppelstoa, eine Stoa innerhalb einer Stoa33. R. Joseph las über ihn:34 Mein Volk befragt sein Stück Holz, und sein Stab gibt ihm Bescheid; wer ihm erleichtert35, dem stimmt er zu.

R. Hea͑ fällte eine Palme mit unreifen Datteln vom Siebentjahre.

Wieso tat er dies, der Allbarmherzige sagte ja:36 zum Essen, nicht aber zum Vernichten!? Wolltest du sagen, dies nur, wenn die Frucht schon fertig ist, nicht aber, wenn sie noch nicht fertig ist, so sagte ja R. Naḥman im Namen des Rabba b. Abuha, die Dattelkelche von Ungeweihtem seien verboten, weil sie ein Schutz für die Frucht sind; ein Schutz sind sie ja, wenn sie noch unreif sind, dennoch nennt er sie eine Frucht!?

R. Naḥman ist der Ansicht R. Joses, denn wir haben gelernt, R. Jose sagt, der Weintraubenansatz sei [als Ungeweihtes] verboten, weil er eine Frucht ist, die Rabbanan aber streiten gegen ihn. R. Šimi aus Nehardea͑ wandte ein: Streiten denn die Rabbanan gegen R. Jose über andere Bäume, wir haben ja gelernt: Von wann an darf man im Siebentjahre Fruchtbäume nicht mehr abhauen37? Die Schule Šammajs sagt, keinen Baum, sobald er ausschlägt; die Schule Hillels sagt, den Johannisbrotbaum, sobald er kettenartig herunterhängt, Weinstöcke, sobald sie Beeren38 haben,

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Oliven, sobald sie blühen, und jeden anderen Baum, sobald er ausschlägt. Hierzu sagte R.Asi: »Unreifes«, »Beere« und »weiße Bohne« sind dasselbe.

Die weiße Bohne, wie kommst du darauf!?

Sage vielmehr, in der Größe39 der weißen Bohne. Die Rabbanan sind es ja, die der Ansicht sind, Unreifes [heiße Frucht], Weintraubenansatz aber nicht, und sie lehren: jeden anderen Baum, sobald er ausschlägt!?

Vielmehr, R. Hea͑ fällte Frühlingsdatteln40.

Die Rabbanan lehrten: Man darf [im Siebentjahre] solange Weintrauben essen, bis in Okhel41 die Reben zuende sind; sind andere noch später vorhanden, so darf man daraufhin später essen. Man darf solange Oliven essen, bis in Teqoa͑ die letzte zuende ist; R. Elie͑zer sagt, bis in Guš-Ḥalab42 die letzte zuende ist, sodaß ein Armer, wenn er [sammeln] geht, weder am Wipfel noch am Stamme ein Viertelkab findet. Man darf Dörrfeigen solange essen, bis in Bethjoni die jungen Feigen zuende sind. R. Jehuda sagte: Die bethjonischen jungen Feigen werden nur hinsichtlich des Zehnten genannt: die bethjonischen Feigen und die tobinischen Datteln sind zehntpflichtig.

Man darf solange Datteln essen, bis die letzte in Coár zuende ist; R. Šimo͑n b. Gamliél sagt, man esse, solange sich welche in der Krone befinden, nicht aber solange sich welche in den unteren Zweigen befinden.» Ich will auf einen Widerspruch hinweisen: Man darf Weintrauben bis zum Pesaḥfeste, Datteln bis zum Purimfeste43, Oliven bis zum Wochenfeste und Dörrfeigen bis zum Ḥanukafeste essen. Hierzu sagte R. Bebaj, R. Joḥanan habe gesagt, man wende die zwei letzten [Fristbestimmungen] um!?

Beide [Fristbestimmungen] sind identisch. Wenn du aber willst, sage ich: er lehrt ja ausdrücklich, wenn welche noch später vorhanden sind, dürfe man daraufhin auch später essen.

Es wird gelehrt: R. Šimo͑n b. Gamliél sagte: Gallapfelbäume sind ein Zeichen44 für das Gebirge; Dattelpalmen sind ein Zeichen für die Niederung; Röhricht ist ein Zeichen für das Tal; Sykomoren sind ein Zeichen für die Ebene. Und obgleich es dafür keinen Beweis gibt, so gibt es immerhin eine Andeutung, denn es heißt:45 und der König machte, dass das Silber in Jerušalem an Menge den Steinen gleichkam und die Zedern den Sykomoren auf der Ebene. «Galläpfel sind ein Zeichen für das Gebirge; Dattelpalmen sind ein Zeichen für die Niederung.? Dies ist von Bedeutung hinsichtlich der Erstlinge, denn wir haben gelernt, dass man die Erstlinge nur von den sieben Arten46 darbringe, auch nicht von den Datteln aus dem Gebirge noch von Früchten aus der Niederung. «Röhricht ist ein Zeichen für das Tal.? Dies ist von Bedeutung hinsichtlich des Tales mit festem Grunde47. «Sykomoren sind ein Zeichen für die Ebene.? Dies ist von Bedeutung beim Kauf und Verkauf48. Jetzt nun, wo du darauf gekommen bist, ist auch bei allen übrigen zu erklären, dies sei von Bedeutung beim Kauf und Verkauf.

WO ES ÜBLICH IST, KLEINVIEH AN NICHTJUDEN ZU VERKAUFEN, DARF MAN VERKAUFEN, UND WO ES ÜBLICH IST, NICHT ZU VERKAUFEN, DARF MAN NICHT VERKAUFEN; NIRGENDS ABER DARF MAN IHNEN GROSSVIEH, KÄLBER UND FÜLLEN, OB HEILE ODER GEBROCHENE VERKAUFEN49. R. JEHUDA ERLAUBT ES WI BEI GEBROCHENEN; BEN BETHERA ERLAUBT DIES BEI EINEM PFERDE50. WO ES ÜBLICH IST, AN DEN PESAHABENDEN GEBRATENES ZU ESSEN, ESSE MAN ES, UND WO ES ÜBLICH IST, ES NICHT ZU ESSEN, ESSE MAN NICHT.

GEMARA. R. Jehuda sagte im Namen Rabhs: Man darf nicht sagen: dieses Fleisch sei für das Pesaḥfest bestimmt, weil es den Anschein hat, als weihe man das Vieh und esse Geheiligtes außerhalb [Jerušalems]. R. Papa sagte: Nur Fleisch, vom Weizen aber gilt dies nicht, denn man meint damit: er soll für das Pesaḥfest verwahrt51 werden.

Fleisch etwa nicht, dagegen wandte man ein: R. Jose erzählte: Theodos aus Rom führte in der Gemeinde Roms ein, an den Pesaḥabenden rumpfgebratene52 Böckchen zu essen. Da ließ man ihm sagen: Wärest du nicht Theodos, so würden wir über dich den Bann verhängt haben, weil du Jisraél außerhalb [Jerušalems] Geheiligtes zu essen veranlassest.

Geheiligtes, wie kommst du darauf!?

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Sage vielmehr: nahe daran, Jisraél außerhalb [Jerušalems] Geheiligtes zu essen zu veranlassen.

Nur rumpfgebraten ist es verboten, sonst aber nicht!?

Ich will dir sagen, rumpfgebraten, einerlei ob man es bestimmt hat oder nicht, bei nicht rumpfgebratenen nur dann, wenn man es bestimmt hat, sonst aber nicht. R. Aḥa lehrte dies53 im Namen R. Šimo͑ns. R. Šešeth wandte ein: Einleuchtend ist es nach dem, der es im Namen R. Joses lehrte, wie ist dies aber nach dem zu erklären, der es im Namen R. Šimo͑ns lehrte, wir haben ja gelernt, R. Šimo͑n befreie davon54, weil er nicht so gelobt hat, wie man geloben55 sollte!? Rabina sprach zu R.Aši: Stimmt dies denn nach dem, der es im Namen R. Joses lehrt, Raba sagte ja, R. Šimo͑n lehre dies nach der Ansicht R. Joses, welcher sagt, auch der Schluß seiner Worte56 sei für den Menschen bindend, und wenn R. Šimo͑n der Ansicht R. Joses ist, so ist wohl auch R. Jose der Ansicht R. Šimo͑ns!?

Nein, R. Šimo͑n ist der Ansicht R. Joses, R. Jose ist aber nicht der Ansicht R. Šimo͑ns.

Sie fragten: War Theodos aus Rom ein bedeutender Mann oder ein Faustmensch57?

Komm und höre: Auch Folgendes trug Theodos aus Rom vor: Was veranlaßte Ḥananja, Mišaél und A͑zarja, sich für die Heiligung des [göttlichen] Namens in den Schmelzofen werfen58 zu lassen?

Sie folgerten von den Fröschen auf sich [einen Schluß] vom Leichteren auf das Schwerere: den Fröschen ist ja die Heiligung des [göttlichen] Namens nicht geboten, dennoch heißt es von ihnen:59 sie sollen heraufkommen und bis in deinen Palast etc. und in deine Backöfen und in deine Teigmulden kommen, und die Teigmulden befinden sich am Ofen, wenn der Ofen heiß ist, um wieviel mehr wir, wo uns die Heiligung des [göttlichen] Namens geboten ist. R. Jose b. Abin sagte, er pflegte den Schriftgelehrten Ware60 zu geben. R. Joḥanan sagte nämlich, wer Schriftgelehrten Ware gibt, dem sei es beschieden, im himmlischen Kollegium zu sitzen, denn es heißt:61 im Schatten der Weisheit, im Schatten des Silbers.

WO ES ÜBLICH IST, IN DER NACHT DES VERSÖHNUNGSTAGES LICHT ZU BRENNEN, BRENNE MAN, UND WO ES ÜBLICH IST, NICHT ZU BRENNEN, BRENNE MAN NICHT. MAN BRENNE IN BET— UND LEHRHÄUSERN, IN FINSTEREN DURCHGÄNGEN UND BEI EINEM KRANKEN.

GEMARA. Es wird gelehrt: Sowohl diejenigen, die brennen heißen, als auch diejenigen, die zu brennen verbieten, verfolgen den gleichen Zweck62. R. Jehošua͑ sagte: Raba trug vor:63 Und dein Volk lauter Gerechte, für immer werden sie das Land in Besitz nehmen etc.. Sowohl diejenigen, die brennen heißen, als auch diejenigen, die zu brennen verbieten, verfolgen den gleichen Zweck.

R. Jehuda sagte im Namen Šemuéls: Den Segen über das Licht spreche man nur am Ausgang des Šabbaths, weil dann seine Erschaffung begonnen hatte. Ein Greis, nach anderen war es Rabba b. Bar Ḥana, sprach zu ihm: Recht so; ebenso sagte auch R. Joḥanan.

U͑la ritt einst auf einem Esel, während R. Abba an seiner Rechten und Rabba b. Bar Ḥana an seiner Linken einhergingen. Da sprach R. Abba zu U͑la: Ist es wahr, dass ihr im Namen R. Joḥanans gesagt habt, man spreche den Segen über das Licht nur am Ausgang des Šabbaths, weil dann seine Erschaffung begonnen hatte? Darauf wandte U͑la sich um, sah Rabba b. Bar Ḥana scheel64 an und sprach: Nicht hierbei nannte ich [R. Joḥanan], sondern bei folgendem: Ein Jünger rezitierte vor R. Joḥanan: R. Šimo͑n b. Elea͑zar sagte: Wenn der Versöhnungstag auf einen Šabbath fällt, so zünde man zu Ehren des Šabbaths Licht an, selbst in Orten, wo man Licht zu brennen verbietet. Da ergänzte R. Joḥanan hierzu: Aber die Weisen verbieten es. Jener entgegnete: So ist es. R. Joseph las hierüber den Schriftvers:65 Wie tiefe Wasser ist das Vorhaben in eines Menschen Herzen, aber ein verständiger Mann weiß es heraufzuschöpfen.

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Wie tiefe Wasser ist das Vorhaben in eines Menschen Herzen, das ist U͑la; ein verständiger Mann weiß es heraufzuschöpfen, das ist Rabba b. Bar Ḥana.

Worauf stützen sie66 sich?

Auf das, was R. Benjamin b. Jepheth im Namen R. Joḥanans sagte, dass man nämlich sowohl am Ausgang des Sabbaths als auch am Ausgang des Versöhnungstages den Segen über das Licht spreche. Und so pflegt auch das Volk zu verfahren. Man wandte ein: Man spreche den Segen über das Licht nur am Ausgang des Sabbaths, weil dann seine Erschaffung begonnen hatte. Man spreche sobald man es sieht; R. Jehuda sagt, man spreche sie67 der Reihe nach über den Becher68. Hierzu sagte R. Joḥanan, die Halakha sei wie R. Jehuda!?

Das ist kein Einwand; das eine gilt von einem Feuer, das am Šabbath gebrannt hat, und das andere gilt von einem Feuer, das aus Holz und aus Steinen erst hervorkommt69.

Das Eine lehrt, dass man über ein Feuer, das aus Holz und aus Steinen hervorkommt, den Segen spreche, und ein Anderes lehrt, dass man darüber den Segen nicht spreche!?

Das ist kein Einwand; das eine gilt vom Ausgang des Šabbaths, und das andere gilt vom Ausgang des Versöhnungstages. Rabbi pflegte sie70 zerstreut zu sprechen; R. Ḥija pflegte sie hintereinander zu sprechen. R. Jiçaḥaq b. Evdämi sagte: Obgleich Rabbi sie bereits zerstreut gesprochen hatte, sprach er sie dennoch wiederum der Reihe nach über den Becher, um seine Kinder und die Angehörigen seines Hauses ihrer Pflicht zu entledigen.

Ist denn das Feuer am Ausgang des Šabbaths erschaffen worden, es wird ja gelehrt: Zehn Dinge wurden am Vorabend des Šabbaths bei Dämmerung erschaffen, und zwar: der Brunnen71, das Manna, der Regenbogen, die Schrift72, die Inschrift73, die Bundestafeln, das Grab Mošes, die Höhle, in der Moše und Elijahu gestanden74 haben, das Maul der Eselin75 und der Schlund der Erde, um die Frevler76 zu verschlingen. R. Nehemja sagt im Namen seines Vaters, auch das Feuer und das Maultier77. R. Jošija sagt im Namen seines Vaters, auch der Widder78 und der Samir79. R. Jehuda sagt, auch die [erste] Zange. Er sagte nämlich: Eine Zange kann nur mit [Hilfe] einer anderen Zange gefertigt werden; wer aber fertigte die erste Zange? Sie war also eine Schöpfung des Himmels. Sie entgegneten ihm: man kann sie in einer [Guß]form herstellen und zusammensetzen; sie war also eine menschliche Schöpfung!?

Das ist kein Widerspruch; eines gilt von unserem Feuer, und eines gilt vom Feuer des Fegefeuers. Unser Feuer wurde am Ausgang des Šabbaths erschaffen, das Feuer des Fegefeuers wurde am Vorabend des Šabbaths erschaffen.

Wurde denn das Feuer des Fegefeuers am Vorabend des Šabbaths erschaffen, es wird ja gelehrt:

Sieben Dinge wurden vor der Weltschöpfung erschaffen, und zwar:

  • die Tora,
  • die Buße,
  • der Edengarten80,
  • das Fegefeuer,
  • der Thron der Herrlichkeit,
  • der Tempel
  • und der Name des Messias.

Die Tora, denn es heißt:81 der Herr schuf mich als Erstling seines Weges.

Die Buße, denn es heißt:82 ehe die Berge geboren wurden, und darauf folgt:83 du bringst den Sterblichen zur Zerknirschung und sprichst: Kehret zurück, Menschenkinder.

Der Edengarten, denn es heißt:84 der Herr, Gott, hatte einen Garten in Eden gepflanzt von früher85 her.

Das Fegefeuer, denn es heißt:86 denn gerüstet seit gestern ist eine Brandstätte.

Der Thron der Herrlichkeit und der Tempel, denn es heißt:87 ein Thron der Herrlichkeit, eine Höhe von Anbeginn, Stätte unseres Heiligtums.

Der Name des Messias, denn es heißt:88 sein Name wird ewig währen, vor der Sonne sproßt sein Name!?

Ich will dir sagen, sein Raum wurde vor der Weltschöpfung erschaffen, sein Feuer aber erst am Vorabend des Šabbaths.

Ist denn sein Feuer am Vorabend des Šabbaths erschaffen worden, es wird ja gelehrt: R. Jose sagte: Für das Feuer, das der Heilige, gepriesen sei er, am zweiten Schöpfungstage erschaffen hat, gibt es ewig kein Erlöschen, denn es heißt:89 und sie werden hinausgehen und die Leichname der Männer ansehen, die von mir abtrünnig geworden sind; denn ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht erlöschen.

Ferner sagte R. Banaa͑, Sohn des R. U͑la: Weshalb heißt es nicht gut90 beim zweiten Schöpfungstage? Weil an diesem das Feuer des Fegefeuers erschaffen wurde. Hierzu sagte R. Elea͑zar: Obgleich es beim zweiten Schöpfungstage nicht gut heißt, so wird er dennoch beim sechsten mit einbegriffen, denn es heißt:91 und Gott sah, dass alles, was er gemacht, sehr gut sei!?

Vielmehr, sein Raum wurde vor der Weltschöpfung und sein Feuer am zweiten Schöpfungstage erschaffen; unser Feuer aber gedachte er am Vorabend des Šabbaths zu erschaffen, jedoch wurde es erst am Ausgang des Šabbaths erschaffen. Es wird nämlich gelehrt: An zwei Dinge dachte der Heilige, gepriesen sei er, am Vorabend des Šabbaths, sie zu erschaffen, jedoch wurden sie erst am Ausgang des Šabbaths erschaffen. Am Ausgang des Šabbaths gab der Heilige, gepriesen sei er, Adam dem Urmenschen Verstand ein, etwas von dem des himmlischen; er holte zwei Steine und rieb sie aneinander, wodurch das Feuer hervorkam; und ferner holte er zwei Tiere und kreuzte sie miteinander, woraus das Maultier hervorging. R. Šimo͑n b. Gamliél sagte: Das Maultier ist zur Zeit des Ana entstanden, denn es heißt:92 das ist derselbe Ana, der die Maultiere in der Steppe hervorbrachte.

Die Schrifterklärer93 sagten: Ana war selbst Bastard, darum brachte er einen Bastard auf die Welt. Es heißt nämlich: 94 diese sind die Söhne Seirs, des Horiters95 und es heißt:96 diese sind die Söhne Çiböns etc. und Ajja und Ana; dies lehrt also, dass Çibon seiner Mutter beiwohnte und Ana zeugte.

Vielleicht waren es zwei [Leute Namens] Ana!? Raba erwiderte: Ich will etwas sagen, wie solches nicht einmal König Sapor, das ist Šemuél, gesagt hat. Manche lesen: R. Papa erwiderte: Ich will etwas sagen, wie solches nicht einmal König Šapor, das ist Raba, gesagt hat: Die Schrift sagt: das ist derselbe Ana, derselbe Ana von vorher.

Die Rabbanan lehrten: Zehn Dinge wurden am Vorabend des Šabbaths bei Dämmerung erschaffen, und zwar:

  • Der Brunnen,
  • das Manna,
  • der Regenbogen,
  • die Schrift,
  • die Inschrift,
  • die Bundestafeln,
  • das Grab Mošes,
  • die Höhle, in der Moše und Elijahu gestanden haben,
  • das Maul der Eselin
  • und der Schlund der Erde, um die Frevler zu verschlingen.

Manche sagen, auch der Stab Ahrons97 mit seinen Mandeln und Blüten. Manche sagen, auch die Dämonen. Manche sagen, auch das Gewand Adams des Urmenschen.

Blatt 54b

Die Rabbanan lehrten: Sieben Dinge sind dem Menschen verborgen, und zwar: der Tag seines Todes, der Tag seines Trostes, der Verlauf des Gerichtes, (niemand weiß,) was im Herzen seines Nächsten, (niemand weiß,) wobei er verdienen werde, wann das Reich Davids wiederkehren werde, und wann das schuldbeladene Reich stürzen werde.

Die Rabbanan lehrten: An drei Dinge dachte er, sie einzuführen, und wenn er daran nicht gedacht hätte, sollte er daran denken:

  • dass der Leichnam verwese,
  • dass der Tote aus dem Herzen vergessen werde,
  • und dass das Getreide verfaule98;

manche sagen: auch dass eine Münze ausgegeben werde.

WO ES ÜBLICH IST, AM NEUNTEN AB ARBEIT ZU VERRICHTEN, VERRICHTE MAN, UND WO ES ÜBLICH IST, KEINE ARBEIT ZU VERRICHTEN, VERRICHTE MAN NICHT. ÜBERALL ABER FEIERN DIE SCHRIFTGELEHRTEN. R. ŠIMÖN B. GAMLIÉL SAGTE: STETS BETRACHTE SICH JEDER [DIESBEZÜGLICH] ALS SCHRIFTGELEHRTER.

GEMARA, Šemuél sagte: Mit Ausnahme des Neunten Ab gibt es in Babylonien kein Gemeindefasten.

Demnach wäre Šemuél der Ansicht, in der Dämmerstunde99 des Neunten Ab sei es100 verboten, dagegen sagte Šemuél, in der Dämmerstunde des Neunten Ab sei es erlaubt!? Wolltest du erwidern, Šemuél sei der Ansicht, auch an jedem anderen Gemeindefasttage sei es bei Dämmerung erlaubt, so haben wir ja gelernt, man dürfe solange es noch Tag ist101 essen und trinken, und dies schließt wohl die Dämmerzeit aus!?

Nein, dies schließt die völlige Dunkelheit aus. Ihm wäre eine Stütze zu erbringen: Der Unterschied zwischen dem Neunten Ab und dem Versöhnungstage besteht nur darin, dass es an dem einen bei einem Zweifel verboten und an dem anderen bei einem Zweifel erlaubt ist. Unter Zweifel ist doch wohl die Dämmerzeit zu verstehen.

Nein, wie R. Siša, Sohn des R.Idi, erklärt hat: bei der Festsetzung des Neumonds, ebenso auch hierbei: bei der Festsetzung des Neumonds102.

Raba trug vor: Schwangere und Säugende müssen am [Neunten Ab] fasten und [das Fasten] beenden, wie sie am Versöhnungstage fasten und [das Fasten] beenden müssen; und auch bei Dämmerung ist es verboten. Dasselbe sagten sie auch im Namen R. Joḥanans.

Kann R. Joḥanan dies denn gesagt haben, R. Joḥanan sagte ja, der Neunte Ab gelte nicht als Gemeindefasttag; doch wohl hinsichtlich der Dämmerzeit!?

Nein, hinsichtlich der Arbeit.

Hinsichtlich der Arbeit haben wir ja ausdrücklich gelernt, wo es üblich ist am Neunten Ab Arbeit zu verrichten, verrichte man, und wo es üblich ist, keine Arbeit zu verrichten, verrichte man nicht!? Und auch R. Šimo͑n b. Gamliél sagte ja nur, dass, wenn man dasitzt und nicht arbeitet, dies nicht als Großtuerei erscheine, nicht aber, dass es verboten sei!?

Vielmehr, es wird hinsichtlich des Schlußgebetes103 nicht als Gemeindefasten betrachtet.

Aber R. Joḥanan sagte ja: Daß doch der Mensch fortwährend den ganzen Tag bete!?

An einem solchen ist es Pflicht, sonst nur freigestellt. Wenn du willst, sage ich: er gilt nicht als Gemeindefasttag hinsichtlich der vierundzwanzig [Segenssprüche]104 R. Papa erklärte: Er gilt nicht als Gemeindefasten, indem er nicht den ersten105 gleicht, sondern den letzten, an denen es verboten ist. Man wandte ein: Der Unterschied zwischen dem Neunten Ab und dem Versöhnungstage besteht nur darin, dass es an dem einen bei einem Zweifel verboten und an dem anderen bei einem Zweifel erlaubt ist. Unter Zweifel ist doch wohl die Dämmerzeit zu verstehen!? R.Siša, Sohn des R. Idi, erwiderte: Nein, bei der Festsetzung des Neumonds.

Demnach gleichen sie also einander in jeder anderen Hinsicht, somit ist dies eine Stütze für R. Elea͑zar, denn R. Elea͑zar sagte, es sei am Neunten Ab verboten, einen Finger ins Wasser zu stecken, wie dies am Versöhnungstage verboten ist.

Man wandte ein: Der Unterschied zwischen dem Neunten Ab und einem Gemeindefasten besteht nur darin, indem an diesem Arbeit zu verrichten verboten, und an jenem, wo dies üblich ist, Arbeit zu verrichten erlaubt ist. Demnach gleichen sie einander in jeder anderen Hinsicht, dagegen wird vom Gemeindefasten gelehrt, wenn sie auch gesagt haben, das Baden sei verboten, so beziehe sich dies nur auf den ganzen Körper, nicht aber auf das Waschen [von] Gesicht, Händen und Füßen!? R. erwiderte: Der Tanna lehrt nur die Erleichterungen.

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ÜBERALL ABER FEIERN DIE SCHRIFTGELEHRTEN etc. Demnach ist R. Šimon b. Gamliél der Ansicht, man berücksichtige die Großtuerei nicht, und die Rabbanan sind der Ansicht, man berücksichtige die Großtuerei, und wir wissen ja von ihnen das Entgegengesetzte!? Wir haben nämlich gelernt: Der Bräutigam darf, falls er es will, in der ersten Nacht das Šema͑ lesen; R. Šimo͑n b. Gamliél sagt, nicht jeder, der sich den Ruf106 beilegen will, darf sich ihn beilegen!? R. Joḥanan erwiderte: Die Ansichten sind zu vertauschen. R. Siša, Sohn des R. Idi, erwiderte: Du brauchst sie nicht zu vertauschen; die Rabbanan befinden sich in keinem Widerspruche mit sich selbst, denn nur hierbei erscheint es als Großtuerei, da alle Welt arbeitet, er aber nicht arbeitet, dort aber, wo alle Welt das Šema͑ liest und er es ebenfalls liest, erscheint es nicht als Großtuerei. R. Šimo͑n b. Gamliél befindet sich ebenfalls in keinem Widerspruche mit sich selbst, denn dort ist die Intensität erforderlich, und da wir Zeugen sind, dass er seinen Sinn nicht andächtig stimmen kann, erscheint es als Großtuerei, hierbei erscheint es aber nicht als Großtuerei, denn man sagt, er habe keine Beschäftigung. Geh und sieh, wie viele Müßiggänger es doch auf der Straße gibt.

DIE WEISEN SAGTEN: IN JUDÄA VERRICHTETE MAN AM VORABEND DES PESAHFESTES ARBEIT BIS MITTAG, IN GALILÄA VERRICHTETE MAN SIE ÜBERHAUPT NICHT. IN DER [VORANGEHENDEN] NACHT IST ES NACH DER SCHULE SAMMAIS VERBOTEN UND NACH DER SCHULE HILLELS BIS ZUM SONNENAUFGANG ERLAUBT.

GEMARA. Anfangs lehrt er es als Brauch, nachher aber als Verbot?! R. Joḥanan erwiderte: Das ist kein Widerspruch; eines nach R. Meír und eines nach R. Jehuda. Es wird nämlich gelehrt: R. Jehuda sagte: In Juda͑a verrichtete man am Vorabend des Pesaḥfestes Arbeit bis Mittag, in Galiläa verrichtete man sie überhaupt nicht. R. Meír sprach zu ihm: Was sollen hierbei Juda͑a und Galiläa!? Vielmehr, wo man Arbeit zu verrichten pflegt, verrichte man, und wo man keine Arbeit zu verrichten pflegt, verrichte man nicht. Wenn nun R. Meír es von einem Brauche abhängig macht, so ist es wohl nach R. Jehuda ein Verbot.

Ist R. Jehuda denn der Ansicht, die Verrichtung der Arbeit sei am vierzehnten erlaubt, es wird ja gelehrt: R. Jehuda sagte: Wenn jemand am dreizehnten jätet, und eine entwurzelte [Ähre] in der Hand hat, so pflanze er sie wieder in eine schlammige107 Stelle ein, nicht aber in eine trockene. Nur am dreizehnten und nicht am vierzehnten. Merke, wir wissen ja von R. Jehuda, dass er der Ansicht ist, was drei Tage nach dem Pfropfen nicht keimt, keime nicht mehr; wozu lehrt er es nun, wenn du sagst, die Verrichtung der Arbeit sei am vierzehnten erlaubt, vom dreizehnten, es genügt ja, wenn der vierzehnte, der fünfzehnte und ein Teil des sechszehnten108 zurückbleiben!? Raba erwiderte: Dies lehrten sie für Galiläa.

Die Nacht bleibt ja noch!? R.Šešeth erwiderte: Nach der Ansicht der Schule Šammajs. R. Aši erwiderte: Tatsächlich nach der Schule Hillels, aber man pflegt nicht nachts zu jäten. Rabina erwiderte: Tatsächlich für Juda͑a, denn für das Keimen gilt allerdings ein Teil des Tages als voller Tag, nicht aber zwei Teile als volle zwei Tage.

R. MEIR SAGT, JEDE ARBEIT, DIE MAN VOR DEM VIERZEHNTEN BEGONNEN HAT, DÜRFE MAN AM VIERZEHNTEN BEENDEN, JEDOCH DÜRFE MAN AM VIERZEHNTEN KEINE BEGINNEN, OBGLEICH MAN SIE AUCH BEENDEN KANN. DIE WEISEN SAGEN, DREI BERUFSSTÄNDE DÜRFEN AM VORABEND DES PESAHFESTES ARBEIT VERRICHTEN, UND ZWAR: SCHNEIDER, BARBIERE UND WÄSCHER; R. JOSE B. JEHUDA SAGT, AUCH SCHUSTER.

GEMARA. Sie fragten: Wird dies nur [von Arbeiten] gelehrt, die zum Feste nötig sind, solche aber, die zum Feste nicht nötig sind, darf man auch nicht beenden, oder wird dies nur von solchen gelehrt, die zum Feste nicht nötig sind, solche aber, die zum Feste nötig sind, darf man auch beginnen, oder aber darf man sowohl solche, die zum Feste nötig sind, als auch solche, die zum Feste nicht nötig sind, nur beenden und nicht beginnen?

Komm und höre: Man darf aber am vierzehnten nichts beginnen, nicht einmal ein kleines Bändchen oder ein kleines Haarnetz. »Nicht einmal« heißt wohl: nicht einmal diese, die zum Feste nötig sind, darf man beginnen, sondern nur beenden; demnach darf man [eine Arbeit], die zum Feste nicht nötig ist, nicht einmal beenden.

Nein, tatsächlich darf man [eine Arbeit] beenden, auch wenn sie zum Feste nicht nötig ist, und »nicht einmal« heißt: nicht einmal diese, die sehr klein sind. Man könnte nämlich glauben, bei solchen sei schon das Beginnen ein Beenden, und man beginne auch, so lehrt er uns.

Komm und höre: R. Meír sagt, jede Arbeit, die zum Feste nötig ist, dürfe man am vierzehnten beenden; dies nur dann, wenn man sie vor dem vierzehnten

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begonnen hat, was man aber vor dem vierzehnten nicht begonnen hat, darf man am vierzehnten nicht beginnen, nicht einmal ein kleines Bändchen oder ein kleines Haarnetz. Nur, wenn sie zum Feste nötig ist, nicht aber, wenn sie zum Feste nicht nötig ist.

Nein, auch wenn sie zum Feste nicht nötig ist, darf man sie beenden, nur lehrt er uns folgendes: auch wenn sie zum Feste nötig ist, darf man sie nur beenden, nicht aber beginnen.

Komm und höre: R.Meír sagt, jede Arbeit, die zum Feste nötig ist, dürfe man am vierzehnten beenden, nicht aber eine, die zum Feste nicht nötig ist. Man darf, wo dies üblich ist, am Vorabend des Pesaḥfestes bis Mittag Arbeit verrichten. Nur wo dies üblich ist, nicht aber, wo dies nicht üblich ist. Schließe hieraus, nur, wenn es zum Feste nötig ist, nicht aber, wenn es zum Feste nicht nötig ist. Schließe hieraus.

DIE WEISEN SAGEN, DREI BERUFSSTÄNDE. Es wird gelehrt: Schneider, denn auch der Laie darf am Halbfeste auf gewöhnliche Weise nähen; Barbiere und Wäscher, denn auch wer aus überseeischen Ländern gekommen ist oder das Gefängnis verlassen hat, darf am Halbfeste sich das Haar schneiden und waschen. R. Jose b. R. Jehuda sagt, auch Schuster, denn auch Wallfahrer bessern am Halbfeste ihre Schuhe aus.

Worin besteht ihr Streit?

Einer ist der Ansicht, man folgere hinsichtlich des Beginnens einer Arbeit109 von der Beendigung, und einer ist der Ansicht, man folgere nicht hinsichtlich des Beginnens einer Arbeit von der Beendigung.

AN DARF AM VIERZEHNTEN HÜHNER ZUM BRÜTEN110 SETZEN; IST EINE HENNE ENTLAUFEN, SO DARF MAN SIE ZURÜCK AUF IHREN PLATZ BRINGEN; IST SIE VERENDET, SO DARF MAN EINE ANDERE AN IHRE STELLE SETZEN. MAN DARF AM VIERZEHNTEN [DEN MIST] UNTER DEN FÜSSEN DES VIEHS FORTSCHAUFELN, AM HALBFESTE NUR NACH DEN SEITEN SCIHIEBEN. MAN DARF GERÄTE ZUM HANDWERKER BRINGEN UND VON DIESEM HOLEN, AUCH WENN SIE ZUM FESTE NICHT NÖTIG SIND.

GEMARA. Wenn man sie sogar setzen darf, so ist es ja selbstverständlich, dass man sie zurückbringen darf!? Abajje erwiderte: Der Schlußsatz bezieht sich auf das Halbfest. R. Hona sagte: Dies nur innerhalb drei Tagen ihrer Widerspenstigkeit, wo ihre Wärme noch nicht entschwunden ist, und nach drei Tagen des Brütens, wo die Eier sonst gänzlich verderben würden, nach drei Tagen ihrer Widerspenstigkeit aber, wo ihre Wärme schon entschwunden ist, und innerhalb drei Tagen des Brütens, wo die Eier nicht gänzlich verderben würden, darf man sie nicht zurückbringen. R. Ami sagte: Auch innerhalb drei Tagen des Brütens darf man sie zurückbringen.

Worin besteht ihr Streit?

Einer ist der Ansicht, man habe nur einen bedeutenden Schaden berücksichtigt, nicht aber einen unbedeutenden111 Schaden, und einer ist der Ansicht, man habe auch einen unbedeutenden Schaden berücksichtigt.

MAN DARF etc. FORTSCHAUFELN. Die Rabbanan lehrten: Den Mist, der sich im Hofe befindet, schiebe man nach den Seiten, der sich im Stalle und im Hofe befindet, bringe man nach dem Misthaufen hinaus. Dies widerspricht sich ja selbst: zuerst heißt es, dass man den Mist, der sich im Hofe befindet, nach der Seite schiebe, nachher aber lehrt er, dass man den, der sich im Stalle und im Hofe befindet, nach dem Misthaufen hinausbringe!? Abajje erwiderte: Das ist kein Widerspruch; eines gilt vom vierzehnten, und eines gilt vom Halbfeste. Raba erwiderte: Beides gilt vom Halbfeste, nur meint er es, wie folgt: wenn der Hof einem Stalle112 gleicht, so bringe man ihn nach dem Misthaufen hinaus.

MAN DARF GERÄTE ZUM HANDWERKER BRINGEN UND VON DIESEM HOLEN. R. Papa erzählte: Raba prüfte uns [durch folgende Frage]: Wir haben gelernt, man dürfe Geräte zum Handwerker bringen und von diesem holen, auch wenn sie zum Feste nicht nötig sind, und dem widersprechend wird gelehrt, man dürfe vom Handwerker keine Geräte holen, und dass man sie, wenn man befürchtet, sie könnten gestohlen werden, nach einem anderen Hofe bringe!? Wir erwiderten ihm, dies sei kein Widerspruch, denn eines gelte vom vierzehnten und eines vom Halbfeste. Wenn du aber willst, sage ich: beide vom Halbfeste, dennoch besteht hier kein Widerspruch; eines, wenn man ihm traut, und eines, wenn man ihm nicht traut. Es wird auch gelehrt: Man darf Gefäße vom Handwerker holen, zum Beispiel einen Topf vom Töpfer oder ein Glas vom Glaser, nicht aber Wolle vom Färber oder Gerätschaften vom Handwerker. Hat [der Handwerker] nichts zur Nahrung, so bezahle man ihm seinen Lohn und lasse [das Gerät] bei ihm; traut man ihm nicht, so lasse man es in einem naheliegenden Hause; befürchtet man, es könnte gestohlen werden, so bringe man es heimlich nach Hause.

Du hast also den Widerspruch hinsichtlich des Holens erklärt, wie ist es aber hinsichtlich des Hinbringens113 zu erklären, denn es wird gelehrt, dürfe man nicht holen, und um so weniger hinbringen!?

Am richtigsten ist es vielmehr, wie wir zuerst erklärt haben.

SECHS DINGE TATEN DIE LEUTE VON JERIHO, DREI UNTERSAGTE MAN IHNEN, UND DREI UNTERSAGTE MAN IHNEN NICHT. FOLGENDE UNTERSAGTE MAN IHNEN NICHT: SIE PFROPFTEN DATTELPALMEN DEN GANZEN TAG114, SIE LEIERTEN115 DAS ŠEMA͑ HERUNTER UND SIE (MÄHTEN UND) SCHOBERTEN [DAS GETREIDE] VOR [DER DARBRINGUNG] DER SCHWINGEGARBE. FOLGENDES UNTERSAGTE MAN IHNEN: SIE ERLAUBTEN TRIEBE [VON BÄUMEN] DES HEILIGTUMS, SIE ASSEN AM ŠABBATH ABGEFALLENE FRÜCHTE, UND SIE LIESSEN DEN ECKENLASS VOM GRÜNKRAUT; DIES UNTERSAGTEN IHNEN DIE WEISEN.

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GEMARA. Die Rabbanan lehrten: Sechs Verfügungen traf der König Ḥizqijahu, in dreien stimmte man ihm bei, in dreien stimmte man ihm nicht bei. Er schleifte die Gebeine seines Vaters116 auf einer Strickbahre, und man stimmte ihm bei; er zertrümmerte die kupferne117 Schlange, und man stimmte ihm bei; er versteckte das Heilmittelbuch118, und man stimmte ihm bei. In dreien stimmte man ihm nicht bei: er zerschlug die Tempeltüren119 und schickte sie dem Könige von Ašur, und man stimmte ihm nicht bei; er sperrte das Wasser des (Ober) giḥon ab120, und man stimmte ihm nicht bei; er machte den Nisan im Nisan121 zum Schaltmonat, und man stimmte ihm nicht bei.

SIE PFROPFTEN DATTELPALMEN DEN GANZEN TAG etc. Wie macht man dies? R. Jehuda erwiderte: Man holt eine feuchte Myrte, Lorbeermet und Gerstenmehl, das noch keine vierzig Tage im Gefäße ist; dies alles kocht man in einem Gefäße und gießt es in das Herz der Dattelpalme. Jeder [Baum], der sich innerhalb vier Ellen befindet, mit dem man nicht ebenso verfährt, verdorrt sofort. R. Aḥa, Sohn des Raba, erklärte: Man steckt einen männlichen Trieb in einen weiblichen Stamm.

SIE LEIERTEN DAS ŠEMA͑ HERUNTER. Wie machten sie es? R. Jehuda erwiderte: Sie sprachen [den Vers:]122 Höre, Jisraél, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig, und hielten nicht123 inne. Raba erwiderte: Sie hielten wohl inne, nur lasen sie: heute in deinem124 Herzen, was sich so anhört, als sollten [die Worte Gottes] nur heute in deinem Herzen sein, nicht aber morgen in deinem Herzen sein.

Die Rabbanan lehrten: Wie leierten sie das Šema͑ herunter? Sie lasen [den Vers:] Höre, Jisraél, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig, und hielten nicht inne

so R. Meír; R. Jehuda sagte: Sie hielten wohl inne, nur lasen sie nicht [den Absatz] »Gepriesen sei der Name seiner königlichen Herrlichkeit für immer und ewig«.

Weshalb lesen wir ihn?

Nach einer Auslegung des R. Šimo͑n b. Laqiš, denn R. Šimo͑n b. Laqiš sagte:125 Da berief Ja͑qob seine Söhne und sprach: Versammelt euch, damit ich euch verkünde; Ja͑qob wollte seinen Söhnen das Ende der Tage offenbaren, da wich die Göttlichkeit von ihm. Hierauf sprach er: Vielleicht befindet sich, behüte und bewahre, ein Makelbehafteter an meinem Lager, wie auch Abraham der Jišma͑él und meinem Vater der Esav entstammte? Da erwiderten ihm seine Söhne: Höre, Jisraél, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig; wie er in deinem Herzen einzig ist, so ist er auch in unserem Herzen einzig. In dieser Stunde begann unser Vater Ja͑qob und sprach: Gepriesen sei der Name seiner königlichen Herrlichkeit für immer und ewig. Die Rabbanan sprachen: Was machen wir nun: sagen wir es, so sagte es ja Moše nicht, sagen wir es nicht, so sagte es ja Ja͑qob!? Darauf ordneten sie an, es leise zu sagen. R. Jiçḥaq sagte: In der Schule R. Amis sagten sie ein Gleichnis: Die Tochter eines Königs roch den Duft von würzigen Speisen; sollte sie es126 sagen, so schämte sie sich, sollte sie es nicht sagen, so litt sie Qual. Da brachten es ihr ihre Diener es laut zu sagen, wegen der Redereien127 der Minäer. In Nehardea͑ aber, wo keine Minäer vorhanden sind, sagt man es noch jetzt leise.

Die Rabbanan lehrten: Sechs Dinge taten die Leute von Jeriḥo, drei mit Billigung der Weisen und drei ohne Billigung der Weisen. Folgende mit Billigung der Weisen: sie pfropften Dattelpalmen den ganzen Tag, sie leierten das Šema͑ herunter und sie mähten vor [der Darbringung] der Schwingegarbe. Folgende ohne Billigung der Weisen: sie schoberten [das Getreide] vor [der Darbringung] der Schwingegarbe, sie brachen Lücken in ihre Gemüse- und Obstgärten, damit die Armen in den Jahren der Dürre an Šabbathen und an Festen die abgefallenen Früchte essen können, und sie erlaubten Triebe von Johannisbrotbäumen und Sykomoren des Heiligtums

so R. Meír. R. Jehuda sprach zu ihm: Wenn sie dies mit Billigung der Weisen getan haben, so sollte auch jeder andere dies tun dürfen!? Vielmehr, diese und jene ohne Billigung der Weisen, nur hatten sie ihnen drei verwehrt und drei nicht verwehrt. Folgende verwehrten sie ihnen nicht: sie pfropften Dattelpalmen den ganzen Tag, sie leierten das Šema͑ herunter, und sie schoberten [das Getreide] vor [der Darbringung] der Schwingegarbe; folgende aber verwehrten sie ihnen: sie erlaubten Triebe von Johannisbrotbäumen und Sykomoren des Heiligtums, sie brachen Lücken in ihre Gemüse- und Obstgärten, damit die Armen in den Jahren der Dürre an Šabbathen und Festen die abgefallenen Früchte essen können, und sie ließen den Eckenlaß von Grünkraut; dies verwehrten ihnen die Weisen.

Ist R. Jehuda denn der Ansicht, das Mähen sei ohne Billigung der Weisen erfolgt, wir haben ja gelernt, die Leute von Jeriḥo mähten vor [der Darbringung] der Schwingegarbe mit Billigung der Weisen und schoberten vor [der Darbringung] der Schwingegarbe ohne Billigung der Weisen, und die Weisen verwehrten es ihnen nicht. Derjenige, der »verwehrt« und »nicht verwehrt« sagt, ist ja R. Jehuda, und er lehrt:

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sie mähten mit Billigung der Weisen!?

Auch nach deiner Ansicht: es sind ja vier128 Dinge!? Vielmehr ist hier das Mähen zu streichen.

»Sie erlaubten Triebe von Johannisbrotbäumen und Sykomoren des Heiligtums.» Sie sprachen: Unsere Vorfahren haben nur die Balken dem Heiligtum gespendet, wir wollen nun die Triebe der Johannisbrotbäume und Sykomoren des Heiligtums erlauben. Es handelt sich hierbei um Triebe, die nachher heranwachsen, und sie waren der Ansicht desjenigen, welcher sagt, beim Nachwuchs gebe es keine Veruntreuung129; die Rabbanan aber waren der Ansicht, wenn es hierbei auch keine Veruntreuung gibt, gebe es dennoch ein Verbot.

Sie brachen Lücken.? U͑la sagte im Namen des R. Šimo͑n b. Laqiš: Der Streit besteht nur über [Früchte], die sich im Wipfel befinden: die Rabbanan waren der Ansicht, es sei zu berücksichtigen, sie könnten hinaufsteigen und pflücken, und die Leute von Jeriḥo waren der Ansicht, es sei nicht zu berücksichtigen, sie könnten hinaufsteigen und pflücken; die sich aber zwischen den unteren Zweigen befinden, sind nach aller Ansicht erlaubt. Raba sprach zu ihm: Sie sind ja Abgesondertes130!? Wolltest du erwidern, weil sie für Raben131 verwendbar waren, [so ist zu entgegnen:] wenn das, was für Menschen Vorrätiges ist, nicht für Hunde als Vorrätiges gilt, wie wir gelernt haben, R. Jehuda sagt, war das Aas am Vor abend des Šabbaths noch nicht vorhanden, sei es [für Hunde] verboten, weil es kein Vorbereitetes ist, wie sollte das, was für Raben als Vorrätiges gilt, als Vorrätiges für Menschen gelten?! Jener erwiderte: Freilich, was für Menschen Vorrätiges ist, gilt nicht für Hunde als Vorrätiges, denn was für Menschen brauchbar ist, bestimmt man nicht [für Hunde], was aber für Raben Vorrätiges ist, gilt auch für Menschen als Vorrätiges, denn man rechnet mit allem, was für Menschen brauchbar ist. Als Rabin kam, sagte er im Namen des R. Šimo͑n b. Laqiš: Der Streit besteht nur über [Früchte], die sich zwischen den unteren Zweigen befinden: die Rabbanan waren der Ansicht, was für Raben Vorrätiges ist, gelte für Menschen nicht als Vorrätiges, und die Leute von Jeriḥo waren der Ansicht, was für Raben Vorrätiges ist, gelte auch für Menschen als Vorrätiges, die sich aber im Wipfel befinden, sind nach aller Ansicht verboten, denn es ist zu berücksichtigen, sie könnten hinaufsteigen und pflücken.

«Sie ließen den Eckenlaß von Grünkraut.» Hielten denn die Leute von Jeriḥo nichts von dem, was wir gelernt haben: Folgende Regel sagten sie beim Eckenlaß: Alles, was eine Speise ist, aufbewahrt wird, seine Nahrung aus dem Boden zieht, mit einem Male geerntet wird und zur Aufbewahrung eingebracht wird, ist eckenlaßpflichtig. Eine Speise, ausgenommen Waidkraut und Qoça132; aufbewahrt wird, ausgenommen Freigut; seine Nahrung aus dem Boden zieht, ausgenommen Schwämme und Pilze; mit einem Male geerntet wird, ausgenommen Feigen; zur Aufbewahrung eingebracht wird, ausgenommen Grünkraut!? R. Jehuda erwiderte im Namen Rabhs: Hier handelt es sich um Rübenköpfe133, und sie streiten über das, was mit anderem zusammen zur Aufbewahrung eingesammelt wird; nach der einen Ansicht heißt die Aufbewahrung mit anderem zusammen eine Aufbewahrung, und nach der anderen Ansicht keine Aufbewahrung.

Die Rabbanan lehrten: Früher ließ man den Eckenlaß von Rüben und Kohl zurück; R. Jose sagt, auch von Porree. Ein Anderes lehrt: Man ließ [früher] den Eckenlaß von Rüben und Porree zurück; R. Šimo͑n sagt, auch von Kohl.

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Demnach sind es drei Tannaím134?

Nein, es sind nur zwei Tannaím; der erste Tanna gegen R. Šimo͑n ist R. Jose, und der erste Tanna gegen R. Jose ist R. Šimo͑n; das »auch« bezieht sich auf das erstere135.

Die Rabbanan lehrten: Einst ließ Ben Bohajan den Eckenlaß von Grünkraut zurück; als aber sein Vater kam und die Armen am Eingang des Gartens mit Grünkraut beladen traf, sprach er zu ihnen: Kinder, werfet es fort, und ich werde euch doppelt soviel von Verzehntetem geben; nicht etwa, weil ich knauserig bin, sondern weil die Weisen gesagt haben, man lasse von Grünkraut keinen Eckenlaß zurück136.

Wozu brauchte er ihnen zu sagen: nicht etwa, weil ich knauserig bin!?

Damit sie nicht glauben sollten, er wolle sie nur abweisen.

Die Rabbanan lehrten: Früher ließ man die Felle der Opfer in der Parvakammer137 liegen, und abends verteilte man sie an die Mitglieder der Familienwache138; da aber die Gewaltkräftigen sie mit Gewalt nahmen, ordnete man an, sie an jedem Vorabend des Šabbaths zu verteilen, wo alle Priesterwachen zusammen kamen und sie in Empfang nahmen. Aber noch waren es die Großen der Priesterschaft, die sie mit Gewalt nahmen, da taten sich die Eigentümer139 zusammen und weihten sie dem Himmel. Man erzählt, dass man nach Verlauf von wenigen Tagen den ganzen Tempel mit Goldplatten140 verkleidete, die eine Elle zu einer Elle groß und wie ein Golddenar dick waren. Am Feste pflegte man sie abzunehmen und auf Gestellen auf dem Tempelberge aufzustellen, damit die Wallfahrer sehen, wie schön und tadellos die Arbeit sei.

Es wird gelehrt: Abba Šaúl erzählte: In Jeriḥo befanden sich Sykomorenstämme, und die Gewaltkräftigen pflegten sie mit Gewalt zu nehmen; da taten sich die Eigentümer zusammen und weihten sie dem Himmel. Über Leute ihresgleichen sprach Abba Šaúl b. Botnith im Namen des Abba Joseph b. Ḥanin: Wehe mir vor der Familie Boéthos, wehe mir vor ihren Knütteln; wehe mir vor der Familie Ḥanin, wehe mir vor ihrem Getuschel; wehe mir vor der Familie Kathros, wehe mir vor ihrem Schreibrohre; wehe mir vor der Familie Jišma͑él b. Phabi, wehe mir vor ihrer Faust. Sie selbst waren Hochpriester, ihre Söhne waren Schatzmeister, ihre Schwiegersöhne waren Tempelherren, und ihre Diener schlugen das Volk mit Stöcken.

Die Rabbanan lehrten: Vier Schreie stieß der Tempelhof aus.

  • Der erste [Schrei]: Hinaus von hier, Söhne Elis, die ihr den Tempel des Herrn verunreinigt habt!
  • Ferner schrie er: Hinaus von hier, Jissakhar aus Kephar Barqaj, der du dich selbst ehrst und die Heiligtümer des Himmels entweihest! Er pflegte nämlich seine Hände in Seide zu wickeln und den Tempeldienst zu verrichten.
  • Ferner schrie der Tempelhof: Erhebt, ihr Tore, euere Häupter, damit Jišma͑él b. Phabi, Schüler des Pinḥas, eintrete und als Hochpriester fungiere!
  • Ferner schrie der Tempelhof: Erhebt, ihr Tore, euere Häupter, damit Joḥanan b. Narbaj, Schüler des Panqaj, eintrete und seinen Bauch mit den Heiligtümern des Himmels fülle!

Man erzählt von Joḥanan b. Narbaj, dass er zum Essen dreihundert Kälber, zum Trinken dreihundert Krüge Wein und zum Nachtisch vierzig Sea͑ junger Tauben verbrauchte. Man erzählt [ferner], dass während aller Tage des Joḥanan b. Narbaj kein Übriggebliebenes sich im Tempel befand.

Was geschah dem Jissakhar aus Kephar Barqaj?

Man erzählt folgendes. Der König und die Königin saßen [und stritten]: der König sagte, ein Böckchen sei besser, und die Königin sagte, ein Lämmchen sei besser. Alsdann sagten sie, der Hochpriester möge entscheiden, denn er

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bringt jeden Tag Opfer dar. Als er kam, [sprach er] mit der Hand gestikulierend: Wäre ein Böckchen bevorzugter, so würde man es doch zum beständigen Opfer verwenden. Hierauf sprach der König: Da er keine Ehrfurcht141 vor dem König hat, haue man ihm die Rechte ab. Er aber gab Bestechung, und man haute ihm die Linke ab. Als der König dies erfuhr, ließ er ihm auch die Rechte abhauen. R. Joseph sprach: Gepriesen sei der Allbarmherzige, dass er Jissakhar aus Kephar Barqaj seine Vergeltung auf dieser Welt erhalten ließ. R. Aši sagte: Jissakhar aus Kephar Barqaj hatte die Mišna nicht studiert, [denn wir haben gelernt:] R. Šimo͑n sagte, Lämmer werden überall vor Ziegen genannt; man könnte glauben, weil sie besser sind in ihrer Art, so heißt es:142 wenn er ein Lamm als Opfer bringt, dies lehrt, dass sie einander gleichen. Rabina sagte: Er hatte nicht einmal die Schrift gelesen, denn es heißt:143 wenn ein Lamm, wenn eine Ziege; wenn man will, bringe man ein Lamm, wenn man will, bringe man eine Ziege.


  1. Auf dem Felde; sobald keine mehr auf dem Felde vorhanden sind, dürfen auch die eingesammelten nicht mehr gegessen werden.↩︎

  2. Wird weiter Fol. 52a erklärt.↩︎

  3. Ib. 108,5.↩︎

  4. Mit der manche Frauen hausieren gingen u. für die Benutzung ein kleines Entgelt erhielten.↩︎

  5. Pr. 31,24.↩︎

  6. Die Vortragenden hatten Dolmetscher, die den Vortrag dem Publikum verständlich machten.↩︎

  7. Falls sie bei einem Geschäfte benachteiligt werden.↩︎

  8. Die überseeischen Reisen waren mit großer Gefahr verbunden.↩︎

  9. Zu den Çiçith (Schaufäden); man vegleiche Num. 15,38.↩︎

  10. Pr. 1,8.↩︎

  11. Sie würden dann die Teighebe auch vom pflichtigen Getreideteig nicht entrichten.↩︎

  12. Dies gilt als Schamverletzung.↩︎

  13. Im Texte corticeus (v. cortex, Pantoffelholz). Sie gleiten leicht vom Fuße ab, u קוררפיפיה man könnte verleitet werden, sie in der Hand zu tragen. (Raschi zu Jab. Fol. 102b: Unterschuh).↩︎

  14. Auf denen sie am S. ihre Waren verkaufen.↩︎

  15. Wenn man nahe Verwandte od. Verschwägerte nackt sieht, so veranlaßt dies manche unzüchtigen Betrachtungen.↩︎

  16. Um ihn bedienen zu können.↩︎

  17. Das Fett mancher Darmteile wurde in Palästina gegessen, in Babylonien aber nicht; man vegleiche Hul. Fol. 50a↩︎

  18. Er wächst nicht von herabfallenden Saaten, sondern vom Strunke.↩︎

  19. Lev. 25,20.↩︎

  20. Dh. und den Nachwuchs nicht einsammeln.↩︎

  21. In Palästina, wo sie in der Festsetzung des Neumonds kundig waren, feierten sie die Feste nur einen Tag, in anderen Ländern 2 Tage, des Zweifels wegen.↩︎

  22. Diese schwere Strafe sollte nicht in die Offentlichkeit kommen.↩︎

  23. Der Betreffende kann dies zu den Bewohnern seiner Heimat sagen.↩︎

  24. In dem hier eingefügten Falle.↩︎

  25. Die Einwohner seiner Heimat können dies zu dem Betreffenden sagen.↩︎

  26. Sc. in die hierfür geltende Erschwerung; die Früchte stammen aus einem Orte, da man sie noch essen darf und befinden sich auch jetzt in einem solchen Orte.↩︎

  27. Bekannt unter dem Namen Palmenstadt; man vegleiche Jab. Fol. 122a.↩︎

  28. Lev. 25,7.↩︎

  29. Wie schon Raschi erklärt: es entfernt sich nicht so weit. Auffallend u. von Lebewesen sonst ungebräuchlich ist der Ausdruck נרילה לל, es wächst an od. durch Früchte usw.↩︎

  30. Lev. 25,7.↩︎

  31. Für die vorangehende Auslegung.↩︎

  32. Das Pronomen, bezw. das Relativpronomen deutet auf eine 2. Auslegung.↩︎

  33. Cf. Ber. Fol. 33b, Anm.↩︎

  34. So nach dieser Auslegung.↩︎

  35. מקלו, sein Stab, Compositum v. מיקל לו, erleichtert ihm.↩︎

  36. Lev. 25,6.↩︎

  37. Weil die Früchte zum Essen erhalten bleiben müssen.↩︎

  38. Kleine unreife Beeren; viell. v. כרלין, kernig.↩︎

  39. Ist die unreife Beere.↩︎

  40. Nach Raschi, die überhaupt nicht reifen; man vegleiche Er. Fol. 28b, Anm. 29.↩︎

  41. Nach einer anderen Lesart: Abel.↩︎

  42. Bei Josephus, Giskhala, Stadt in Obergaliläa.↩︎

  43. Eigentl. das Losfest (man vegleiche Est. 3,7), iiMakkabäer 15,43. Mardekhaifest, zur Erinnerung an die Errettung der Juden in Persien unter Aḥasveroš od. Xerxes, worüber ausführlich im Buche Ester.↩︎

  44. Sie gedeihen da gut.↩︎

  45. I Reg.,27.↩︎

  46. C.f. Dt. 8,8.↩︎

  47. Cf. ib. 21,4; nur wenn da Röhricht wächst.↩︎

  48. Wer »eine Ebene« kauft, hat Anspruch auf Sykomoren.↩︎

  49. Weil sie am Šabbath arbeiten lassen würden.↩︎

  50. Das nicht zur Arbeit, sondern nur zum Reiten verwandt wurde.↩︎

  51. Daß er nicht säuere.↩︎

  52. Vollständig mit Knieen u. Eingeweiden gebraten (infra Fol. 74a); man vegleiche Ex. 12,9. מקולת ist nach den Kommentaren Denom. v. קולמא Helm, behelmt, bepanzert; angeblich soll ein im ganzen gebratenes Böckchen so aussehen. Auf diesem Unsinn fußen die albernen Erklärungen der Lexikographen. Offenbar vom griech. zöJos abgestutzter Rumpf, unbestimmtes vierfüßiges Tier; abgehäutet, gebraten u. ohne Unterschenkel ist vom Lamme nur ein zöJos zu sehen.↩︎

  53. Cf. Ber. Fol. 33b, Anm.↩︎

  54. Von der Darbringung des Opfers, wenn man es falsch gelobt hat; man vegleiche Men. Fol. 103a.↩︎

  55. Demnach konnten auch die Böckchen des Theodos nie als geheiligtes Opfer angesehen werden.↩︎

  56. Das mit dem Beginn des Satzes ausgesprochene Gelübde wird durch den unzulässigen Schluß aufgehoben.↩︎

  57. Od. Gewaltmensch; dh. irgend ein Machthaber u. nicht wegen seiner Gelehrsamkeit geachtet.↩︎

  58. Cf. Dan. Kap. 3.↩︎

  59. Ist die unreife Beere.↩︎

  60. Zum Verkaufe, um ihnen den Gewinn zukommen zu lassen.↩︎

  61. Ecc. 7,12.↩︎

  62. Damit man sich in dieser Nacht seiner Frau nicht nähere; nach der einen Ansicht muß das Zimmer dunkel sein, damit man sie nicht sehe u. an den Geschlechtsverkehr nicht denke, nach der anderen Ansicht muß es hell sein, um dadurch behindert zu sein.↩︎

  63. Jes. 60,21.↩︎

  64. Dh. du bist es, der es im Namen RJ.s gesagt hat.↩︎

  65. Pr. 20,5.↩︎

  66. Dass sie RA, nicht zustimmten.↩︎

  67. Alle Segenssprüche, die am Ausgang des Šabbaths zu sprechen sind; man vegleiche Ber. Fol. 51b.↩︎

  68. Des Unterscheidungssegens.↩︎

  69. Über das letztere spreche man ihn nur am Ausgang des S.s, weil auch dieses erst jetzt entstanden ist.↩︎

  70. Alle Segenssprüche, die am Ausgang des Šabbaths zu sprechen sind; man vegleiche Ber. Fol. 51b.↩︎

  71. Der Felsen, aus dem Moše Wasser hervorbrachte; man vegleiche Num. 20,7ff.↩︎

  72. Die Form der Buchstaben.↩︎

  73. Wohl auf den Bundestafeln durch ein Wunder; man vegleiche Meg. Fol. 2b.↩︎

  74. Cf. Ex. 33,22 u. iReg.,9.↩︎

  75. Des Bilea͑m; man vegleiche Num. 22,23ff.↩︎

  76. Die Gemeinde Qoraḥs; man vegleiche Num. ,32ff.↩︎

  77. Die Kreuzung ist keine neue Schöpfung.↩︎

  78. Den Abraham an Stelle Jiçḥaqs opferte; man vegleiche Gen. 22,13ff.↩︎

  79. Sagenhaftes Wesen, mit dem durch Ätzverfahren die Edelsteine zum Brustschilde des Hochpriesters (man vegleiche Ex. 28,17) bearbeitet wurden; man vegleiche Git. Fol. 68a. Nach den Kommentaren ein Würmchen, wahrscheinlich aber eine Steinart. Eine Handschrift des Cod. Syr. Hex. in der Bodleiana erklärt zu Ij. 41,6 das W. שפירא: ein Stein, der durch nichts zu zerbrechen ist.↩︎

  80. In der rabbinischen Literatur: das Paradies.↩︎

  81. Wie schon Raschi erklärt: es entfernt sich nicht so weit. Auffallend u. von Lebewesen sonst ungebräuchlich ist der Ausdruck נרילה לל, es wächst an od. durch Früchte usw.↩︎

  82. Für die vorangehende Auslegung.↩︎

  83. Das Pronomen, bezw. das Relativpronomen deutet auf eine 2. Auslegung.↩︎

  84. Gen. 2,8.↩︎

  85. Hos. 4,12.↩︎

  86. מקלו, sein Stab, Compositum v. מיקל לו, erleichtert ihm.↩︎

  87. Jer. 17,12.↩︎

  88. Pr. 72,17.↩︎

  89. Jes. 66,24.↩︎

  90. Bei allen übrigen Schöpfungstagen heißt es: der Herr sah, das alles gut sei (Gen. 1,4. 10. 12. 18. 21. 31), bei diesem aber nicht.↩︎

  91. Gen. 1,31.↩︎

  92. Ib. 36,24.↩︎

  93. Cf. Ber. Fol. 24a, Anm. 171.↩︎

  94. Gen. 36,20.↩︎

  95. Unter diesen wird auch Ana mit aufgezählt.↩︎

  96. Gen. 36,24.↩︎

  97. Cf. Num. 17,23.↩︎

  98. Damit man es nicht zur Preistreibung aufspeichere.↩︎

  99. Am vorangehenden Tage.↩︎

  100. Alles, was am Fasttage verboten ist.↩︎

  101. Am Vorabend des Fasttages.↩︎

  102. Sodaß des Zweifels wegen das Fasten auf 2 Tage auszudehnen ist.↩︎

  103. Ein solches wird nur an Gemeindefasttagen (Rh. Fol. 26a) und am Versöhnungstage verrichtet.↩︎

  104. Die an einem solchen zu sprechen sind; man vegleiche Tan. Fol. 15a.↩︎

  105. Der Fasttage; man vegleiche ib. Fol. 15b.↩︎

  106. Eines übermäßig Frommen.↩︎

  107. Damit sie bis zum 16. Nisan wurzle; an diesem Tage wurde nämlich die Schwingegarbe dargebracht, wodurch die diesjährige Ernte zum Genusse erlaubt wurde.↩︎

  108. Auch wenn man eine Ähre am vierzehnten Nisan einsetzt, sind bis zur Darbringung der Schwingegarbe 3 Tage zum Keimen vorhanden, da ein Teil des Tages als voller Tag gilt.↩︎

  109. Das Ausbessern von Schuhen ist kein Beginn, sondern eine Beendigung der Arbeit.↩︎

  110. Wörtl. den Schlag für die Hühner setzen.↩︎

  111. Auch die ein wenig angebrüteten Eier sind noch verwendbar, u. der Schaden ist nicht sehr bedeutend.↩︎

  112. Wenn an den Seiten kein Platz vorhanden ist.↩︎

  113. Wobei der Unterschied zwischen Trauen u. Nichttrauen nicht angebracht ist.↩︎

  114. Des 14. Nisan.↩︎

  115. Wörtl. lasen es ohne Unterbrechung herunter, so nach der weiter folgenden Erklärung des T↩︎

  116. Als Sühne.↩︎

  117. Cf. Num. 21,9.↩︎

  118. Beide Verfügungen, damit man bei einem Krankheitsfalle nur auf Gott vertraue.↩︎

  119. Cf. iiReg. 18,16.↩︎

  120. Wörtl. lasen es ohne Unterbrechung herunter, so nach der weiter folgenden Erklärung des T↩︎

  121. Nachdem dieser bereits begonnen hatte, machte er ihn zum 2. Adar (man vegleiche Ber. Fol. 10b, Anm. 429) u. verlegte das Pesaḥfest in den nächstfolgenden Monat; man vegleiche iiChr. 30,2ff.↩︎

  122. Dt.↩︎

  123. Zwischen dem angezogenen Verse u, dem darauffolgenden.↩︎

  124. Das Wort »heute« gehört zum vorhergehenden Verse »was ich dir heute befehle«.↩︎

  125. Für die Verwendung am S. verboten (man vegleiche Šab. Fol. 43b, Anm. 78), da sie am Vorabend noch am Baume hafteten.↩︎

  126. Daß sie davon zu kosten wünsche.↩︎

  127. Daß man leise etwas Ungebührliches spreche.↩︎

  128. Die als erlaubt aufgezählt werden (pfropfen, das Šema͑ herunterleiern, mähen u, schobern), während es drei sein sollten; diese Lehre ist demnach fehlerhaft. Der überflüssige Fall vom Mähen steht aller dings auch in unserer Mišna, jed. offenbar eingeschoben; fehlt in manchen Handschriften, auch ist er, wie schon Raschi bemerkt, aus halachischen Gründen zu streichen.↩︎

  129. Am Geheiligten; man vegleiche Lev. 5,15.↩︎

  130. Für die Verwendung am S. verboten (man vegleiche Šab. Fol. 43b, Anm. 78), da sie am Vorabend noch am Baume hafteten.↩︎

  131. Die man züchtet u. von den Früchten an Bäumen am S. fressen lassen darf.↩︎

  132. Cf. Sb. VH, Anm. 3.↩︎

  133. Dh. von den Blättern, die selbständig nicht zur Aufbewahrung eingebracht werden, wohl aber zusammen mit den Rübenköpfen.↩︎

  134. Die darüber streiten; zu RJ. u. RS. kommt der ungenannte hinzu.↩︎

  135. Auf Rüben; in der 1. Lehre schließt RJ. Kohl aus, in der. Lehre schließt RS. »Porree« aus.↩︎

  136. Vom Eckenlaß wird der Zehnt nicht entrichtet.↩︎

  137. Des Tempels; Etymologie, dunkel; nach Jom. Fol. 35a, Personenname.↩︎

  138. Eigentl. Tageswache. Der Tempeldienst wurde unter 24 Priesterwachen (Wachen, Wachposten) verteilt, von denen jede ihren Wochendienst hatte מממרות( Der Dienst wurde wiederum an Tageswachen (כית אב, Familie) verteilt.↩︎

  139. Wohl der Opfer; nach Raschi die Vorsteher der Priesterschaft.↩︎

  140. Vom Erlös der Häute.↩︎

  141. Er soll in ehrverletzenderWeise gestikuliert haben.↩︎

  142. Lev. 4,32.↩︎

  143. Lev. 3, 7. 12.↩︎