Ta’anit Kapitel 2

Der Talmud, Traktat (Massechet) Rosch haSchanah in deutscher Übersetzung von Lazarus Goldschmidt:

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Blätter / Dapim

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iWELCHES IST DIE ORDNUNG FÜR DIE FASTTAGE? MAN BRINGT DIE LADE AUF DEN STADTPLATZ HINAUS, TUT ASCHE AUF DIE LADE UND AUF DAS HAUPT DES FÜRSTEN UND AUF DAS HAUPT DES GERICHTSPRÄSIDENTEN, UND AUCH JEDER ANDERE [TUT ASCHE] AUF SEIN HAUPT. DER ÄLTESTE UNTER IHNEN TRÄGT EINDRINGLICHE WORTE VOR: BRÜDER, VON DEN EINWOHNERN NINVES HEISST ES NICHT, GOTT HABE IHR SACKZEUG UND IHR FASTEN GESEHEN, SONDERN:1 Gott sah ihre Handlungen, daß sie von ihrem schlechten Wandel zurückgekehrt waren. FERNER HEISST ES IN DEN PROPHETEN: 2 zerreißt euer Herz und nicht eure Kleider. iiSTELLT MAN SICH ZUM BETEN HIN, SO LÄSST MAN EINEN GREIS UND GEÜBTEN ALS YORBETER VOR DIE LADE TRETEN, DER KINDER HAT UND SEIN HAUS LEER IST, DAMIT SEIN HERZ SICH GANZ DEM GEBETE HINGEBE. DIESER SPRICHT VOR IHNEN VIERUNDZWANZIG SEGENSSPRÜCHE, DIE ACHTZEHN ALLTÄGLICHEN, ZU DENEN ER NOCH SECHS HINZUFÜGT. iiiFOLGENDE SIND ES: [DIE VERSE VON DEN] ERINNERUNGEN3 UND VON DER POSAUNE4UND [DIE PSALMEN] : 5 In meiner Not rief ich zum Herrn und er erhört mich.6 Inch erhebe meine Augen zu den Bergen &c.7 Aus der Tiefe rufe ich dich, o Herr.8 Gebet eines Armen, wenn er schmachtet. R. JEHUDA SAGT, ER BRAUCHE NICHT [DIE YERSE VON DEN] ERINNERUNGEN UND VON DER POSAUNE ZU SPRECHEN, AN DEREN STELLE SPRECHE ER VIELMEHR: 9 Wenn Hungersnot im Lande sein sollte, wenn Pest sein sollte.10 Was als Wort des Herrn an Jirmejahu erging, inbetreff der Dürre. ZU DIESEN LESE ER DIE ENTSPRECHENDEN SCHLUSSFORMELN. ivZUM ERSTEN SPRICHT ER : »DER ABRAHAM AM BERGE MORIJA ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI. GEPRIESEN SEIST DU, O HERR, ERLÖSER JISRAÉLS«. ZUM ZWEITEN SPRICHT ER: »DER UNSERE YORFAHREN AM SCHILFMEERE ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI. GEPRIESEN SEIST DU, O HERR, DER DU DES VERGESSENEN GEDENKEST«. ZUM DRITTEN SPRICHT ER: »DER JEHOŠUA͑ IN GILGAL ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI. GEPRIESEN SEIST DU. O HERR, DER DU DAS LÄRMBLASEN HÖREST«. ZUM VIERTEN SPRICHT ER: »DER ŠEMUÉL IN MIZPA ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI. GEPRIESEN SEIST DU, O HERR, DER DU DIE KLAGE ERHÖRST«. ZUM FÜNFTEN SPRICHT ER: »DER ELIJAHU AM BERGE KARMEL ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCIIREI. GEPRIESEN SEIST DU, O HERR, DER DU DAS GEBET ERHÖRST«. ZUM SECHSTEN SPRICHT ER: »DER JONA VOM LEIBE DES FISCHES AUS ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI. GEPRIESEN SEIST DU, O HERR, DER DU ZUR ZEIT DER NOT ERHÖRST«. ZUM SIEBENTEN SPRICHT ER: »DER DAVID UND SEINEN SOHN ŠELOMO IN JERUŠALEM ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI. vGEPRIESEN SEIST DU, O HERR, DER DU DICH DES LANDES ERBARMST«. IN DEN

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TAGEN DES R. ḤALAPHTA UND DES R. ḤANANJA B.TERADJON TRAT EINST JEMAND VOR DIE LADE UND BEENDETE DEN GANZEN SEGEN11, UND MAN ANTWORTETE NICHT AMEN. [DER DIENER RIEF:] »BLASET, PRIESTERUND SIE BLIESEN. »DER UNSEREN VATER ABRAHAM AM BERGE MORIJA ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI«. [ER RIEF:] »LÄRMT, SÖHNE AHRONS«. UND SIE LÄRMTEN. »DER UNSERE VORFAHREN AM SCHILFMEERE ERHÖRT HAT, ERHÖRE EUCH UND HÖRE AM HEUTIGEN TAGE AUF EUREN KLAGESCHREI«. ALS DIES ZU DEN WEISEN GELANGTE, SAGTEN SIE: SO VERFUHREN WIR NUR AM OSTTORE AUF DEM TEMPELBERGE12.

viAN DEN ERSTEN DREI FASTTAGEN FASTETEN DIE MÄNNER DER BETREFFENDEN PRIESTERWACHE UND BEENDETEN [DAS FASTEN] NICHT, WÄHREND DIE MÄNNER DER FAMILIENWACHE ÜBERHAUPT NICHT FASTETEN; AN DEN NACHSTEN DREI FASTTAGEN FASTETEN DIE MÄNNER DER PRIESTERWACHE UND BEENDETEN ES AUCH, WÄHREND DIE MÄNNER DER FAMILIENWACHE FASTETEN UND ES NICHT BEENDETEN; AN DEN LETZTEN SIEBEN FASTTAGEN FASTETEN ALLE UND BEENDETEN ES AUCH

SO R. JEHOŠUA͑. DIE WEISEN SAGEN: AN DEN ERSTEN DREI FASTTAGEN FASTETEN WEDER DIESE NOCH JENE; AN DEN NÄCHSTEN DREI FASTETEN DIE MÄNNER DER PRIESTERWACHE UND BEENDETEN ES NICHT, WÄHREND DIE MÄNNER DER FAMILIENWACHE ÜBERHAUPT NICHT FASTETEN; AN DEN LETZTEN SIEBEN FASTTAGEN FASTETEN DIE MÄNNER DER PRIESTERWACHE UND BEENDETEN ES AUCH, WÄHREND DIE MÄNNER DER FAMILIENWACHE FASTETEN UND ES NICHT BEENDETEN. viiDIE MÄNNER DER PRIESTERWACHE DURFTEN NACHTS WEIN TRINKEN, NICHT ABER AM TAGE, DIE MÄNNER DER FAMILIENWACHE DURFTEN ES WEDER AM TAGE NOCH NACHTS. DIE MÄNNER DER PRIESTERWACHE UND DES BEISTANDES DURFTEN SICH DAS HAAR NICHT SCHNEIDEN NOCH IHRE KLEIDER WASCHEN; AM DONNERSTAG WAR ES IHNEN ERLAUBT, ZUR EHRUNG DES ŠABBATHS. viiiWENN ES IN DER FASTENROLLE HEISST, MAN DÜRFE AUCH [AN DIESEM TAGE] KEINE TRAUER VERANSTALTEN, SO IST ES [AM TAGE] VORHER VERBOTEN UND NACHHER ERLAUBT; R. JOSE SAGT, VORHER UND NACHHER VERBOTEN. [WENN ES ABER HEISST,] MAN DÜRFE [AN DIESEM TAGE] NICHT FASTEN, SO IST ES [AM TAGE] VORHER UND NACHHER ERLAUBT; R. JOSE SAGT, VORHER VERBOTEN UND NACHHER ERLAUBT.

ixMAN VERFÜGE DIE GEMEINDEFASTEN NICHT MIT DEM DONNERSTAG BEGINNEND, UM NICHT DIE MARKTPREISE IN DIE HÖHE ZU13TREIBEN; DIE ERSTEN DREI FASTTAGE SIND VIELMEHR MONTAG, DONNERSTAG, MONTAG, UND DIE NÄCHSTEN DREI FASTTAGE SIND DONNERSTAG, MONTAG UND DONNERSTAG; R. JOSE SAGT, WIE DIE ERSTEN FASTTAGE NICHT MIT EINEM DONNERSTAG BEGINNEN, EBENSO AUCH NICHT DIE NÄCHSTEN UND DIE LETZTEN. xMAN VERFÜGE KEIN GEMEINDEFASTEN AUF NEUMONDE, AUF DASANUKAFEST UND AUF DAS PURIMFEST; HAT MAN [DIE FASTTAGE] BEREITS BEGONNEN, SO UNTERBRECHE MAN SIE NICHT

SO R. GAMLIÉL. R. MEÍR SPRACH: OBGLEICH R. GAMLIÉL GESAGT HAT, MAN UNTERBRECHE SIE NICHT, SO PFLICHTET ER DENNOCH BEI, DASS MAN [DAS FASTEN] NICHT BEENDE. DASSELBE GILT AUCH, WENN DER NEUNTE AB AUF EINEN VORABEND DES ŠABBATHS FÄLLT.

GEMARA. WELCHES IST DIE ORDNUNG FÜR DIE FESTTAGE? MAN BRINGT DIE LADE &C. Auch an den ersten. Ich will auf einen Widerspruch hinweisen: An den ersten und nächsten drei Festtagen geht man ins Bethaus und betet, wie man das ganze Jahr betet, und an den letzten sieben bringt man die Lade nach dem Stadtplatz hinaus, tut Asche auf die Lade und auf das Haupt des Fürsten und auf das Haupt des Gerichtspräsidenten, und auch jeder andere tut Asche auf sein Haupt; R. Nathan sagte: Es muß Brandasche sein. R. Papa erwiderte: Unsere Mišna spricht eben von den letzten sieben.

AUF DAS HAUPT DES FÜRSTEN. Und erst nachher, lehrt er, nimmt jeder andere [Asche] und tut auf sein Haupt. Dem ist ja aber nicht so!? Es wird nämlich gelehrt: Rabbi sagte: Bei einer Würde beginnt man mit dem Größten und bei einem Fluche beginnt man mit dem Kleinsten. Bei einer Würde beginnt man mit dem Größten, denn es heißt:14 und Moše sprach zu Ahron und zu Elea͑zar und Ithamar; bei einem Fluche beginnt man mit dem Kleinsten, denn (der Meister sagte,) zuerst wurde die Schlange verflucht, nachher wurde Ḥava verflucht und nachher wurde Adam verflucht.

Dies ist ebenfalls eine Würde für sie, denn man spricht zu ihnen: Ihr seid würdig, für uns alle zu flehen.

UND AUCH JEDER ANDERE NIMMT [ASCHE] UND TUT AUF SEIN HAUPT. R. Ada sprach: Wie jeder andere [Asche] nimmt und auf sein Haupt tut, sollte doch auch der Fürst und der Gerichtspräsident selber [Asche] nehmen und aufs Haupt tun, weshalb muß ein anderer sie nehmen und ihnen aufs Haupt tun!? R. Abba aus Cäsarea erwiderte: Wer sich selbst

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beschämt, ist nicht mit dem za vergleichen, der von anderen beschämt wird.— Wo tat man sie hinauf? R. Jiçḥaq erwiderte: Auf die Stelle der Tephillin, denn es heißt:15 daßer den Trauernden Çijons zulege, ihnen Schmuck statt Asche zu verleihen.

Weshalb geht man auf den Stadtplatz hinaus? R. Ḥija b.Abba erwiderte: Dies bedeutet: wir beteten im Verborgenen und sind nicht erhört worden, nun wollen wir uns öffentlich entwürdigen. Reš Laqiš erwiderter [Dies bedeutet:] wir sind nun [aus dem Bethause] verbannt, mag unsere Verbannung für uns eine Sühne sein.

Welchen Unterschied gibt es zwischen ihnen?

Einen Unterschied gibt es zwischen ihnen, wenn man aus einem Bethause nach einem anderen wandert.

Weshalb bringt man die Lade auf den Stadtplatz hinaus? R. Jehošua͑ b. Levi erwiderte: Dies bedeutet: wir besaßen einen intimen Gegenstand, und er ist durch unsere Sünde entwürdigt worden.

Weshalb legt man Sackzeug an? R. Ḥija b.Abba erwiderte: Dies bedeutet: wir sind dem Vieh gleich.

Weshalb streut man Asche auf die Lade? R. Jehuda b. Pazi erwiderte: Dies bedeutet :16 mit ihm bin ich in der Not. Reš Laqiš erwiderte :17 in all ihren Bedrängnissen fühlte er sich bedrängt. R. Zera sagte: Als ich anfangs die Schüler Asche auf die Lade tun sah, erbebte ich am ganzen Körper.

Weshalb tut ein jeder Asche auf sein Haupt?

Hierüber streiten R. Levi b. Ḥama und R. Ḥanina; einer sagt, [dies bedeutete:] wir sind vor dir dem Staube gleich18, und einer sagt, damit er uns der Asche Jiçḥaqs19gedenke.

Welchen Unterschied gibt es zwisehen ihnen?

Einen Unterschied gibt es zwischen ihnen bei gewöhnlichera Staube20.

Weshalb geht man auf den Begräbnisplatz hinaus?

Hierüber streiten R. Levi b.Ḥama und R. Ḥanina; einer sagt, [dies bedeute:] wir sind vor dir den Toten gleich, und einer sagt, damit die Toten für uns Erbarmen bitten.

Welchen Unterschied gibt es zwischen ihnen?

Einen Unterschied gibt es zwischen ihnen bei einem nichtjüdisehen Begräbnisplatze.

Weshalb heißt dieser Berg21»Morija«?

Hierüber streiten R. Levi b. Ḥama und R. Ḥanina; einer erklärt, weil von diesem Belehrung22 für Jisraél ausging, und einer erklärt, weil von diesem aus ein Schrecken23 für die weltlichen Völker ausging.

DER ÄLTESTE UNTER IHNEN TRÄGT EINDRINGLICHE WORTE VOR. Die Rabbanan lehrten: Ist ein Greis anwesend, so trägt dies der Greis vor, wenn aber nicht, so trägt dies ein Gelehrter vor; ist auch kein Gelehrter anwesend, so trägt dies ein Mann von Aussehen vor.

Ist denn unter Greis, von dem wir sprechen, ein ungelehrter zu verstehen!? Abajje erwiderte: Er meint es wie folgt: Ist ein gelehrter Greis anwesend, so trage er es vor, wenn aber nicht, so trage es ein Gelehrter vor; ist auch ein solcher nicht anwesend, so trage es ein Mann von Aussehen vor: Brüder, nicht Sack und Fasten machen es, sondern Buße und gute Werke; so heißt es auch nicht von den Einwohnern Ninves, Gott habe ihr Sackzeug und ihr Fasten gesehen, sondern:1Gott sah ihre Handlungen, daß sie von ihrem schlechten Wandel zurückgekehrt waren.

24 Mensch und Vieh sollen Säcke anlegen.

Was taten sie?

Sie trennten die Muttertiere und die Jungen von einander und sprachen; Herr der Welt, erbarmst du dich unserer nicht, so erbarmen wir uns nicht dieser!25 Und Gott mit aller Macht anrufen.

Was sagten sie?

Sie sprachen vor ihm: Herr der Welt, Gedemütigter und Ungedemütigter, Frommer und Frevler, wer ist vor wem zu verdrängen!?26 Und soll ein jeder von seinem schlimmen Wandel ablassen und von dem an ihren Händen klebenden Raube.

Was heißt: und von dem an ihren Händen klebenden Raube. Šemuél erklärte: Wenn jemand einen Balken geraubt und ihn zum Bau einer Burg verwendet hat, so mußte er die ganze Burg niederreißen und dem Eigentümer seinen Balken zurückgeben.

R. Ada b. Ahaba sagte: Wenn einem eine Sünde anhaftet und er dies bekennt, ohne jedoch davon zu lassen, so ist es ebenso, als wenn jemand ein Kriechtier in der Hand hält und ein Reinigungsbad nimmt, dem das Untertauchen nichts nützt, auch wenn er in allen Wassern der Welt untertaucht. Wirft er es aus der Hand und taucht in vierzig Seá Wasser unter, so ist das Tauchbad sofort wirksam, wie es heißt:27 wer [die Sünde] bekennt und sie läßt, findet Erbarmen; ferner heißt es:28 wir wollen unser Herz mit den Händen zu Gott im Himmel erheben29.

STELLT MAN SICH ZUM BETEN HIN, SO LÄSST MAN EINEN GREIS &C. Die Rabbanan lehrten : Stellt man sich zum Beten hin, so läßt man nur einen Geübten vor die Lade treten, auch wenn ein Greis und ein Gelehrter anwesend sind. R. Jehuda sagt, der mit Anhang belastet ist und nichts besitzt, sich auf dem Felde abmüht und dessen Haus leer ist, von tadellosem Lebenswandel, demütig, beim Volke beliebt und anmutig ist, eine angenehme Stimme hat, im Lesen von Tora, Propheten und Hagiographen und im Studium von Midras, Halakha und Agada bewandert und in allen Segenssprüchen kundig ist. Da richteten die Rabbanan ihre Augen auf R. Jiçḥaq b.Ami.

«Der mit Anhang belastet ist und nichts

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besitzt.» Das ist ja dasselbe, wie »sein Haus leer ist«!? R. Ḥisda erwiderte: Einer dessen Haus leer von Sünden ist. «Von tadellosem Lebenswandel.» Abajje erklärte: Über den in seiner Jugend kein übles Gerücht ausging.

30 Mein Eigentum ward für mich gleich einem Löwen im Walde; es erhob seine Stimme wider mich, deshalb hasse ich es. Was heißt: es erhob seine Stimme wider mich? Mar Zuṭra b.Ṭobija erwiderte im Namen Rabhs, und wie manche sagen, R. Ḥama im Namen R. Elea͑zars: Das ist ein unwürdiger Vorbeter, der vor die Lade tritt.

DIESER SPRICHT VOR IHNEN VIERUNDZWANZIG SEGENSSPRÜCHE, DIE ACHTZEHN ALLTÄGLICHEN, ZU DENEN ER NOCH SECHS HINZUFÜGT. Wieso sechs, es sind ja sieben, wie wir gelernt haben: zum siebenten spricht er: »Gepriesen seist du, der du dich des Landes erbarmst«!? R. Naḥman b. Jiçḥaq erwiderte: Unter »siebenten« ist der siebente verlängerte [Segen]31 zu verstehen. Es wird nämlich gelehrt: [Der Segen] »Der Jisraél erlöst« wird verlängert; am Schlusse spricht er: »Der Abraham am Berge Morija erhört hat, erhöre euch und höre am heutigen Tage auf euren Klageschrei. Gepriesen sei der Erlöser Jisraéls«. Darauf antwortet [die Gemeinde] Amen. Der Gemeindediener ruft: »Blaset, Söhne Ahrons!« Und sie blasen. Sodann spricht jener weiter: »Der unsere Vorfahren am Schilfmeere erhört hat, erhöre euch, und höre am heutigen Tage auf euren Klageschrei. Gepriesen sei er, der der Vergessenen gedenkt«. Darauf antwortet das Volk Amen. Der Gemeindediener ruft: »Lärmt, Söhne Ahrons!« Und sie lärmen. Und so weiter bei jedem Segensspruche [abwechselnd], bei einem ruft er »blaset!« und beim anderen ruft er »lärmt!«.

Dies gilt nur für die Provinz, nicht so aber im Tempel, weil man im Tempel nicht Amen antwortet.

Woher, daß man im Tempel nicht Amen antwortet?

Es heißt :32 siehet preiset den Herrn, euren Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie sollen deinen herrlichen Namen preisen, der über allen Segen und alles Lob erhaben ist. Man könnte glauben, auf alle Segenssprüche zusammen nur ein Lob, so heißt es: der über allen Segen und alles Lob erhaben ist; zu jedem Segen gib ihm ein besonderes Lob.

Was spricht [der Vorbeter] im Tempel?

»Gepriesen sei Gott, der Herr, der Gott Jisraéls, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gepriesen sei der Erlöser Jisraéls«. Darauf antwortet [die Gemeinde]: »Gepriesen sei der Name seiner herrlichen Majestät für immer und ewig«. Sodann ruft der Gemeindediener: Blaset, ihr Priester, Söhne Ahrons!« Und sie blasen. Wiederum spricht jener: »Der Abraham am Berge Morija erhört hat, erhöre euch und höre am heutigen Tage auf euren Klageschrei. Gepriesen sei der Herr, der Gott Jisraéls, der des Vergessenen gedenkt.« Darauf antwortet [die Gemeinde] : »Gepriesen sei der Name seiner herrlichen Majestät für immer und ewig«. Sodann ruft der Gemeindediener: Lärmt, ihr Priester, Söhne Ahrons!« Und so weiter bei jedem Segensspruche [abwechselnd], bei einem ruft er »blaset!« und beim anderen ruft er »lärmt«, bis alle beendet sind. So führte es auch R. Ḥalaphta in Sepphoris ein, und R. Ḥananja b. Teradion in Sikhni. Als aber die Weisen davon hörten, sprachen sie: So verfuhr man nur am Osttore auf dem Tempelberge. Manche lesen: Wie gelehrt wird: [Der Vorbeter] spricht vor ihnen vierundzwanzig Segenssprüche, die achtzehn alltäglichen, zu denen er noch sechs hinzufügt.

Wo spricht er diese sechs?

Zwischen dem Segen von der Erlösung und dem Segen von der Heilung; und auch der Segen von der Erlösung wird verlängert. Auf jeden Segensspruch antwortet [die Gemeinde] Amen. So verfuhr man in der Provinz, im Tempel aber sagte man: »Gepriesen sei der Herr, der Gott Jisraéls, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gepriesen sei der Erlöser Jisraéls«. Amen antwortete man aber nicht.

Weshalb dies?

Weil man im Tempel nicht Amen antwortet.

Woher, daß man im Tempel nicht Amen antwortet?

Es heißt: steht auf, preiset den Herrn, euren Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie sollen deinen herrlichen Namen preisen, der über allen Segen und alles Lob erhaben ist; zu jedem Segen gib ihm ein besonderes Lob.

Die Rabbanan lehrten: Beim ersten Segen spricht [der Vorbeter]; »Gepriesen sei der Herr, der Gott Jisraéls, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gepriesen sei der Erlöser Jisraéls«. Darauf antwortet [die Gemeinde]: »Gepriesen sei der Name seiner herrlichen Majestät für immer und ewig«. Sodann ruft der Gemeindediener: »Blaset, ihr Priester!« Und sie blasen. Wiederum spricht er: Der Abraham am Berge Morija erhört hat, erhöre euch und höre am heutigen Tage auf euren Klageschrei«. Beim zweiten Segen spricht er: »Gepriesen sei der Herr, der Gott Jisraéls, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gepriesen sei, der des Vergessenen gedenkt«. Darauf antwortet [die Gemeinde]: »Gepriesen sei der Name seiner herrliehen Majestät für immer und ewig«. Sodann ruft der Gemeindediener: »Lärmt, ihr Söhne Ahrons!« Und sie lärmen. Wiederum spricht jener: »Der unsere Vorfahren am Schilfmeere erhört hat, erhöre euch und höre am heutigen Tage auf euren Klageschrei». Und sie lärmen, blasen und lärmen. Und so weiter bei jedem Segensspruche [abwechselnd], bei einem ruft er »blaset!«, beim anderen ruft er »lärmt!«, bis alle Segenssprüche beendet sind. So führte es auch R. Ḥalaphta in Sepphoris ein, und R. Ḥanina b.Teradjon in Sikhni. Als aber die Weisen davon hörten, sprachen sie: So verfuhr man nur am Osttore auf dem Tempelberge.

R. JEHUDA SAGT, ER BRAUCHE NICHT [DIE VERSE] VON DEN ERINNERUNGEN UND YON DER POSAUNE ZU SPRECHEN &C. R. Ada aus Japho33 sagte: Folgendes ist der Grund R. Jehudas, weil man [die Verse] von den Erinnerungen

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und vom Schofar nur am Neujahrsfeste, am Jobelfest und im Kriege lese.

ZUM ERSTEN SPRICHT ER: »DER ABRAHAM ERHÖRT &C.«Es wird gelehrt: Manche vertauschen es und setzen [den Segen] Oer die Klage erhört« bei Elijahu, und [den Segen] »Der das Gebet erhört« bei Šemuél.

Allerdings wird bei Šemuél sowohl »Gebet« als auch »Klage« gebraucht34, bei Elijahu aber wird ja nur »Gebet«35 und »Klage« nicht gebraucht. Auch [die Worte:]36 erhöre mich, o Herr, erhöre mich! haben den Begriff »Klage«.

ZUM SECHSTEN SPRICHT ER: »DER JONA ERHÖRT &C.« ZUM SIEBENTEN SPRICHT ER: »DER DAVID ERHÖRT &C.« Merke, Jona war ja später als David und Selomo, weshalb nun nennt er ihn früher!?

Weil er schließen will [mit dem Segen]: »Der sich des Landes erbarmt«37. Es wird gelehrt: Im Namen Symmachos« sagten sie, [man beende:] »Gepriesen sei, der die Stolzen demütigt.«

AN DEN ERSTEN DREI FASTTAGEN FASTETEN DIE MÄNNER DER PRIESTERWACHE UND BEENDETEN [DAS FASTEN] NICHT &C. Die Rabbanan lehrten: Weshalb sagten sie, die Männer der Priesterwache dürfen nachts Wein trinken, am Tage aber nicht!? Weil möglicherweise den Männern der Familienwache der Tempeldienst schwer wird und diese ihnen helfen müssen. Und weshalb sagten sie, die Männer der Familienwache nicht am Tage und nicht nachts? Weil sie sich dauernd mit dem Dienste zu befassen haben. Hieraus folgerten sie, daß jeder Priester38, der seine Priesterwache und seine Familienwache kennt39, und auch weiß, daß seine Vorfahren da Dienst taten, am ganzen betreffenden Tage keinen Wein trinken dürfe. Kennt er weder seine Priesterwache noch seine Familienwache, weiß aber, daß seine Vorfahren da Dienst taten, so darf er das ganze Jahr keinen Wein trinken. Rabbi sagte: Ich sage, [ein Priester] sollte niemals Wein trinken40 dürfen, was aber ist zu machen, wenn ihm der Verderb zum Nutzen41 gereicht!? Abajje sagte: Nach wessen Ansicht trinken die Priester jetzt Wein? Nach Rabbi.

DIE MÄNNER DER PRIESTERWACHE UND DES BEISTANDES DURFTEN SICH DAS HAAR NICHT SCHNEIDEN NOCH IHRE KLEIDER WASCHEN; AM DONNERSTAG WAR ES IHNEN ERLAUBT, ZUR EHRUNG DES ŠABBATHS. Aus welchem Grande? Rabba b.Bar Ḥana erwiderte im Namen R. Joḥanans: Damit sie nicht schmutzig ihren Dienst antreten42.

Die Rabbanan lehrten: Der König schere sich das Haar täglich, der Hochpriester an jedem Vorabend des Šabbaths und ein gemeiner Priester einmal in dreißig Tagen.

Aus welchem Grunde schere sich der König das Haar täglich? R. Abba b. Zabhda erwiderte: Die Schrift sagt:43 den König in seiner Pracht schauen deine Augen.

Aus welchem Grunde der Hochpriester von einem Vorabend des Šabbaths zum anderen? R. Šemuél b. Jiçḥaq erwiderte: Weil dann die Priesterwachen wechseln. Woher, daß ein gemeiner Priester einmal in dreißig Tagen?

Dies ist durch [das Wort] Haarwuchs vom Naziräer zu entnehmen. Hier44 heißt es: ihr Haupt sollen sie nicht scheren, aber auch ihren Haarwuchs nicht herabhängen lassen, und dort45 heißt es: geweiht soll er sein, seinen Haarwuchs soll er herabhängen lassen; wie dort dreißig [Tage], ebenso auch hier dreißig.

Woher dies vom Naziräer selbst? R. Mathna erwiderte: Das unbefristete Nazirat währt dreißig Tage.

Woher dies?

Die Schrift sagt: jihjeh [er soll sein], und dessen Zahlenwert beträgt dreißig. R. Papa sprach zu Abajje: Vielleicht sagt der Allbarmherzige, [die Priester] dürfen [das Haar] überhaupt nicht wachsen lassen!? Dieser erwiderte: Würde es geheißen haben: »sie sollen keinen Haarwuchs herabhängen lassen«, so könntest du recht haben, da es aber heißt: »ihren Haarwuchs nicht herabhängen lassen«, so dürfen sie einen Haarwuchs tragen, nur nicht herabhängen lassen.

Demnach sollte dies ja auch jetzt noch gelten!?

Gleich dem Wein trinken: wie das Weintrinken nur zur Zeit des Eintretens46 verbo ten ist, außerhalb der Zeit des Eintretens aber erlaubt ist, ebenso auch dies.

Es wird ja aber gelehrt: Rabbi sagte: Ich sage, Priester sollten niemals Wein trinken dürfen, was aber ist zu machen, wenn ihnen der Verderb zum Nutzen gereicht!? Und hierzu sagte Abajje: Nach wessen Ansicht trinken die Priester jetzt Wein? Nach Rabbi. Demnach verbieten es die Rabbanan!?

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Aus dem Grunde, weil gar schnell der Tempel erbaut werden kann, und man einen dienstfähigen Priester sucht, ohne einen zu finden, hierbei aber kann er sich das Haar schneiden lassen und [zum Dienste] eintreten.

Demnach kann ja auch der Wein trunk ene ein wenig schlafen und [zum Dienste] eintreten!? Dies nach Rami b. Abba, denn Rami b. Abba sagte, ein Mil des Weges oder ein wenig Schlaf treiben den Wein aus.

Hierüber ist ja gelehrt worden: R. Naḥman sagte im Namen des Rabba b. Abuha, dies lehrten sie nur von dem Falle, wenn man das Quantum eines Viertellog getrunken hat, wenn man aber mehr als ein Viertellog getrunken hat, so steigere der Weg um so mehr die Müdigkeit und der Schlaf den Rausch. R. Aši erwiderte: Die Weintrunkenheit entweiht den Dienst, daher haben die Rabbanan dabei eine Maßregel getroffen, der Haarwuchs entweiht den Dienst nicht, daher haben die Rabbanan dabei keine Maßregel getroffen. Man wandte ein: Folgende [Priester] verfallen dem Tode: die Wein getrunken haben, und die den Haarwuchs herabhängen lassen. Allerdings, die Wein getrunken haben, da es von ihnen ausdrücklich heißt:47 Wein und Rauschtrank sollst du nicht trinken, woher dies aber von denen, die ihren Haarwuchs herabhängen lassen!? Es heißt:48 ihr Haupt sollen sie nicht scheren, aber auch ihren Haarwuchs nicht herabhängen lassen, und darauf folgt:49 und Wein sollen die Priester nicht trinken, wenn sie den inneren Hof betreten; der Haarwuchs wird mit der Weintrunkenheit verglichen: wie der Weintrunkene dem Tode verfällt, ebenso verfällt auch der dem Tode, der den Haarwuchs herabhängen läßt. Hieraus zu entnehmen: wie der Weintrunkene, weil er den Dienst entweiht, ebenso der den Haarwuchs herabhängen läßt, weil er den Dienst entweiht!? [Nein, sie gleichen einander nur hinsichtlich des Todes, hinsichtlich der Dienstentweihung aber gleichen sie einander nicht50.] Rabina sprach zu R. Aši: Wer sagte dies51, bevor Jeḥezqél kam? Dieser erwiderte: Wie willst du nach deiner Auffassung das erklären, was R. Ḥisda gesagt hat, daß wir dies52 nämlich nicht aus der Tora Mošes lernen, sondern aus den Propheten, denn es heißt:53 kein Fremdling, der unbeschnittenen Herzens und unbeschnittenen Fleisches ist, soll in mein Heiligtum eintreten; wer sagte dies nun bevor Jeḥezqél kam!? Vielmehr mußt du sagen, es war eine überlieferte Lehre, und Jeḥezqél kam und schrieb sie nieder, ebenso war auch dies eine überlieferte Lehre, und Jeḥezqél kam und schrieb sie nieder. Die überlieferte Halakha bezog sich nur auf den Tod, nicht aber bezog sie sich auf die Dienstentweihung.

WENN ES IN DER FASTENROLLE HEISST, MAN DÜRFE [AN EINEM TAGE] KEINE TRAUER VERANSTALTEN, SO IST ES [AM TAGE] VORHER VERROTEN UND NACHHEU ERLAUBT. Die Rabbanan lehrten: Folgende Tage sind es, an denen das Fasten verboten ist, und manche, an denen [auch] die Trauer verboten ist. Vom Neumondstage des Nisan bis zum achten desselben darf, weil dann das beständige Opfer eingeführt54 wurde, nicht gefastet werden: vom achten desselben bis zum Schlusse des Festes ist, weil dann das Wochenfest festgesetzt55 wurde, die Trauer verboten.

Der Meister sagte: Vom Neumondstage des Nisan bis zum achten desselben darf, weil dann das beständige Opfer eingeführt wurde, nicht gefastet werden. Wozu heißt es »vom Neujahrstage«, er sollte doch »vom zweiten« lehren, da der Neumond an sich ein Festtag und an diesem [das Fasten] verboten ist!? Rabh erwiderte: Dies ist deshalb nötig, daß es auch am vorangehenden Tage verboten ist.

Auch am vorangehenden Tage ist es ja ohnehin verboten, da er dem Neumondstage vorangeht!?

Der Neumond ist ein Gebot der Tora, und Gebote der Tora brauchen keiner Verschärfung. Es wird nämlich gelehrt: Bei den in der Fastenrolle genannten Tagen ist es auch [am Tage] vorher und [am Tage] nachher verboten, an Šabbathen und Festtagen aber ist es nur an diesen selbst verboten, nicht aber vorher und nachher. Welchen Unterschied gibt es zwischen diesen und jenen? Diese sind ein Gebot der Tora, und Gebote der Tora brauchen keiner Verschärfung, jene sind Anordnungen der Schriftkundigen und Anordnungen der Schriftkundigen brauchen einer Verschärfung.

Der Meister sagte: Vom achten desselben bis zum Schlusse des Festes ist, weil dann das Wochenfest festgesetzt wurde, die Trauer verboten. Wozu heißt es »bis zum Schlusse des Festes«, er sollte doch »bis zum Feste« lehren, da das Fest ohnehin Feiertag und an diesem [das Fasten] verboten ist!? R. Papa erwiderte: Wie Rabh oben erklärte, es sei deshalb

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nötig, daß es auch am vorhergehenden Tage verboten ist, ebenso ist es auch hierbei nötig, daß es auch am folgenden Tage verboten ist.

Also nach R. Jose, welcher sagt, es sei [am Tage] vorher und nachher verboten. Wozu braucht demnach beim neunundzwanzigsten [Adar] begründet zu werden, weil er dem Tage vorangeht, an dem das beständige Opfer eingeführt wurde, es sollte ja der Umstand ausreichen, daß er dem achtundzwanzigsten56 folgt!? Es wird nämlich gelehrt: Am achtundzwanzigsten [Adar] erhielten die Juden eine gute Botschaft, daß sie sich der Tora nicht zu entziehen brauchen. Die ruchlose Regierung hatte nämlich Religionsverfolgung über Jisraél verhängt, sich mit der Tora nicht zu befassen, ihre Söhne nicht zu beschneiden und den Šabbath zu ent weihen. Was taten Jehuda b. Šamua͑ und seine Genossen? Sie gingen und holten sich Rat von einer Matrone, bei der die Vornehmen Roms zu verkehren pflegten, und diese sprach zu ihnen: Macht euch auf und lärmt nachts. Darauf gingen sie und lärmten nachts, indem sie riefen: O Himmel, sind wir nicht eure Brüder, sind wir nicht Kinder eines Vaters, sind wir nicht Kinder einer Mutter; womit sind wir anders als alle übrigen Nationen und Sprachstämme, daß ihr über uns solch schwere Verordnungen verhängt!? Da hoben sie [die Verfolgung] auf, und diesen Tag machte man zum Feste. Abajje erwiderte: Dies ist für den Fall nötig, wenn [der Adar] Schaltmonat57 ist. R. Aši erwiderte: Du kannst auch sagen, wenn der Monat unvollzählig ist, denn an einem diesen58 folgenden [Tage] ist nur das Fasten verboten und die Trauer erlaubt, diesen aber haben sie, da er zwischen zwei Feiertagen liegt, den Feiertagen selbst gleichgestellt, und an diesem ist auch die Trauer verboten.

Der Meister sagte: Vom achten desselben bis zum Schlusse des Festes ist, weil dann das Wochenfest festgesetzt wurde, die Trauer verboten. Wozu heißt es »vom achten«, er sollte doch »vom neunten« lehren, da es am achten ohnehin verboten ist, weil er zu den Tagen gehört, in denen das beständige Opfer eingeführt wurde!?

Sollte es geschehen, daß die Feier der sieben Tage aufgehoben wird, so ist es am achten noch immer verboten, weil er der erste der Tage ist, an denen das Wochenfest festgesetzt wurde.

Jetzt nun, wo du darauf gekommen bist, kannst du dies auch auf den neunundzwanzigsten [Adar] beziehen: sollte es geschehen, daß die Feier des achtundzwanzigsten aufgehoben wird, so ist es am neunundzwanzigsten noch immer verboten, weil er dem Tage vorangeht, an dem das beständige Opfer eingeführt wurde.

Es wurde gelehrt: R. Ḥija b. Asi sagte im Namen Rabhs, die Halakha sei wie R. Jose; Šemuél sagte, die Halakha sei wie R. Meír.

Kann Šemuél dies denn gesagt haben, es wird ja gelehrt: R. Šimo͑n b.Gamliél sagte: Wozu heißt es59 zweimal »an denen«? Um dir zu sagen, daß es nur an diesen verboten ist, [am Tage] vorher und [am Tage] nachher aber ist es erlaubt. Hierzu sagte Šemuél, die Halakha sei wie R. Šimo͑n b. Gamliél!?

Anfangs glaubte er, es gebe keinen Autor, der so erleichternd wie R. Meír ist, daher sagte er, die Halakha sei wie R. Meír, nachdem er aber hörte, R. Šimo͑n sei noch erleichternder, sagte er, die Halakha sei wie R. Šimo͑n b. Gamliél.

Desgleichen sagte Bali im Namen des R. Ḥija b. Abba im Namen R. Joḥanans, die Halakha sei wie R. Jose: R. Ḥija sprach zu Bali: Ich will es dir erklären: was R. Joḥanan sagte, die Halakha sei wie R. Jose, bezieht sich nur auf das Verbot des Fastens.

Kann R. Joḥanan dies denn gesagt haben, er sagte ja, die Halakha sei wie die anonyme Mišna, und wir haben gelernt: Obgleich sie gesagt haben, man lese sie60 früher und nicht später, so sind an diesen dennoch Fasten und Trauer erlaubt.

Blatt 18b

Wann: wenn am vierzehnten für diejenigen, die sie am vierzehnten zu lesen61 haben, so ist es ja nicht erlaubt, denn in der Fastenrolle heißt es, der vierzehnte und der fünfzehnte [Adar] seien Tage des Purimfestes, an denen die Trauer verboten ist, und Raba sagte, [dies lehre,] daß es für diese an jenem und für jene an diesem62 verboten sei!? Wenn am dreizehnten für diejenigen, die sie am vierzehnten zu lesen haben, so ist dieser ja Nikanortag63!? Und wenn am zwölften für diejenigen, die sie am vierzehnten zu lesen haben, so ist dieser ja Trajantag64!? Doch wohl, wenn man sie am elften liest, dennoch lehrt er, daß dann Trauer und Fasten erlaubt seien!?

Nein, am zwölften für diejenigen, die sie am vierzehnten zu lesen haben, und wenn du einwendest, dieser sei Trajantag, so hat man ja den Trajantag aufgehoben, weil an diesem Šema͑ja und dessen Bruder Aḥija getötet wurden. So verfügte R. Naḥman ein Fasten auf den zwölften, und als die Rabbanan ihm vorhielten, dieser sei ja Trajantag, erwiderte er, man habe das Trajan[fest] aufgehoben, weil an diesem Šema͑ja und dessen Bruder Aḥija getötet wurden.

An diesem sollte es doch schon deshalb [verboten] sein, weil er dem Nikanortage vorangeht!? R. Aši erwiderte: Wenn man sogar seine eigene [Feier] aufgehoben hat, wie sollte man an diesem die des Nikanortages berücksichtigen!?

Welches Bewenden hat es mit dem Nikanortage (und dem Trajantage)?

Es wird gelehrt: Nikanor war einer von den griechischen Eparchen, und jeden Tag pflegte er seine Hand gegen Jehuda und Jerušalem zu schwingen und zu sprechen: Wann fällt dieses in meine Hand, daß ich es zertrete!? Als aber die Ḥasmonäischen Herrscher an Übermacht gewannen und [die Griechen] besiegten, schlugen sie ihm die Daumen der Hände und Füße ab und hingen sie vor den Toren Jerušalems auf, indem sie sprachen: An dem Munde, der in Hochmut sprach, und an den Händen, die gegen Jerušalem schwangen, soll nun Rache geübt werden! Welches Bewenden hat es mit dem Trajantage?

Man erzählt: Als Trajan den Julianus65 und dessen Bruder Papos in Lud töten wollte, sprach er zu ihnen: Wenn ihr zum Volke gehört, dem Ḥananja, Mišaél und A͑zarja angehörten, so mag euer Gott kommen und euch aus meiner Hand retten, wie er Ḥananja, Mišaél und A͑zarja aus der Hand Nebukhadneçars rettete. Diese erwiderten ihm: Ḥananja, Mišaél und A͑zarja waren überaus fromme Männer und würdig, daß ihnen ein Wunder geschehe, auch war Nebukhadneçar ein erlauchter König und würdig, daß seinethalben ein Wunder geschehe; dieser Frevler aber ist gemein und nicht würdig, daß seinethalben ein Wunder geschehe. Wenn wir uns vor Gott des Unterganges schuldig gemacht haben und du uns nicht tötest, so gibt es für Gott viele Henker; viele Bären und Löwen hat Gott auf seiner Welt, die uns überfallen und töten können. Der Heilige, gepriesen sei er, hat uns nur deshalb in deine Hand geliefert, um dereinst unser Blut aus deiner Hand zu fordern. Dennoch ließ er sie sofort töten. Man erzählt, noch rührten sie sich nicht von der Stelle, da kamen zwei Räte aus Rom und zerschlugen sein Gehirn mit Stöcken.

MAN VERFÜGE DIE GEMEINDEFASTEN NICHT MIT DEM DONNERSTAG BEGINNEND &C. MAN VERFÜGE KEIN FASTEN AUF NEUMONDE &C. Was heißt »begonnen«66?

R. Aḥa sagt, wenn man drei, R. Asi sagt, wenn man ein [Fasten abgehalten hat]. R. Jehuda sagte im Namen Rabhs: Dies67 ist die Ansicht R. Meírs im Namen des R. Šimo͑n b.Gamliél, die Weisen aber sagen, man faste und beende es. Mar Zuṭra trug im Namen R. Honas vor: Die Halakha ist, man faste und beende es.

Tempelhof (cf. Jechezkel 44,21), dh. wenn der Tempel besteht.


  1. Jonah 3,10.↩︎

  2. Jo. 2,13.↩︎

  3. Die am Neujahrsfeste gesprochen werden; cf. Rh. Blatt 32a.↩︎

  4. Die am Neujahrsfeste gesprochen werden; cf. Rh. Blatt 32a.↩︎

  5. Tehillim 120,1.↩︎

  6. Ib. 121,1.↩︎

  7. Ib. 130,1.↩︎

  8. Ib.102,1.↩︎

    1. Melachim 8,37.
    ↩︎
  9. Jirmejahu 14,1.↩︎

  10. Den 7. des Achtzehngebetes, ohne die genannten Gebete einzuschalten.↩︎

  11. Dh. nur beim Bestehen des Tempels.↩︎

  12. Cf. supra Blatt 10a Anm. 271.↩︎

  13. Wajikra 10,6.↩︎

  14. Jeschajahu 61,3.↩︎

  15. Tehillim 91,15.↩︎

  16. Jes 63,9.↩︎

  17. Das Hebräische hat für Staub [Erde] u. Asche das gleiche Wort.↩︎

  18. Dh. des Widders, der an seinerstatt dargebracht u. verbrannt wurde; cf. Bereschit 22,13ff.↩︎

  19. Nach der 1. Ansicht ist auch dieser zulässig.↩︎

  20. Auf dem Jiçḥaq geopfert werden eollte; cf. 2. Diwrej hajamim 3,1.↩︎

  21. מוריה von ירה, bezw. ירא fürchten.↩︎

  22. מוריה von ירה, bezw. ירא fürchten.↩︎

  23. Jonah 3,8.↩︎

  24. Jonah 3,8.↩︎

  25. Jonah 3,8.↩︎

  26. Mischlej 28,13.↩︎

  27. Echa 3,41.↩︎

  28. Hand und Herz, dh. Buße tun u. von der Sünde lassen.↩︎

  29. Jirmejahu 12,8.↩︎

  30. Des Achtzehngebetes; in diesen wird diese Formel eingeschaltet.↩︎

  31. Nechemja 9,5.↩︎

  32. So in der Bibel; bei den Assyrern Jappu, bei den Griechen J oppe, heute, wie bei den Arabern Jaffa od. Jafa.↩︎

  33. Cf. 1. B. Schmuel 7,5; 15,11; 8,6.↩︎

  34. Ist ganz unbekannt; vielleicht im folgenden Schriftverse angedeutet.↩︎

    1. Melachim 18,37.
    ↩︎
  35. D. u. Š. begründeten das jüd. Reich, u. auch sie flehten für dieses.↩︎

  36. Auch in der Jetztzeit, wo der Tempel nicht besteht.↩︎

  37. Der weiß, welcher Priesterwache (cf. Nechemja Kap. 12) er entstammt, u. die Tage ihres Dienstes kennt.↩︎

  38. Auch wenn er die Diensttage seiner Priesterwache kennt, weil bei einer etwaigen Erbauung des Tempels die Einteilung derselben geändert werden könnte.↩︎

  39. Dh. der Umstand, daß er seine Priesterwache nicht kennt, gereicht ihm zum Nutzen, u. das Weintrinken ist ihm ganz erlaubt. Nach anderer Erklärung ist unter Verderb die Zerstörung des Tempels zu verstehen.↩︎

  40. Damit sie es nicht auf die Dienstwoche auf schieben.↩︎

  41. Jeschajahu 33,17.↩︎

  42. Jechezkel 44,20.↩︎

  43. Beim Naziräer; Bamidbar 6,5.↩︎

  44. Sc. in den↩︎

  45. Wajikra 10,9.↩︎

  46. Jechezkel 44,20.↩︎

  47. Jechezkel 44,21.↩︎

  48. Der eingeklammerte Passus ist ein Zusatz der kursierenden Ausgaben, der aber mit der Parallelstelle Syn. 22b im Widerspruche steht.↩︎

  49. Daß sie einander gleichen; der Beweis wird aus dem Buche Jeḥezqél erbracht.↩︎

  50. Daß nämlich ein unbeschnittener Priester den Tempeldienst nicht verrichten dürfe; cf. Zeb. Blatt 18b.↩︎

  51. Jechezkel 44,9.↩︎

  52. Cf. Men. Blatt 65a.↩︎

  53. Cf. Men. Blatt 65a.↩︎

  54. Demnach sollte in der angezog. Lehre der 2. Nisan als Beginn dieser Halbfeiertaere genannt werden, da die Begründung, damit es auch am vorangehenden Tage, dh. am 29. Adar, verboten sei, nach RJ. hinfällig ist.↩︎

  55. Wenn zwischen dem 28. Adar u. dem 1. Nisan 2 Tage liegen.↩︎

  56. Den in der Fastenrolle genannten Feiertagen.↩︎

  57. In der oben angezogenen Lehre aus der Fastenrolle.↩︎

  58. Die Esterrolle, falls das Lesen derselben verlegt werden muß; cf. Meg. Blatt 5a.↩︎

  59. Cf. Meg. Blatt 2a.↩︎

  60. Für Leute, die sie am 14. zu lesen haben, am 15., u. für Leute, die sie am 15. zu lesen haben, am 14.↩︎

  61. An dem Fasten und Trauer verboten sind.↩︎

  62. An dem Fasten und Trauer verboten sind.↩︎

  63. Im Texte Lulianus (1 statt j bei Eigennamen ist im T. nicht selten). Šema͑ja u. Aḥija sind mit Julianus u. Papos identisch (genannt הרוגי לזד die Märtyrer von Lud). Schon zur Zeit des 2. Tempels war es bei den Juden Brauch, neben ihrem jüd. Namen auch einen hellenischen zu führen (cf. Joh. 1,42; Apostelgesch. 13,9; 15,22) od. den hebräischen zu hellenisieren.↩︎

  64. Daß man dann die begonnenen Fasten nicht unterbreche.↩︎

  65. Daß man im genannten Falle das Fasten nicht beende.↩︎