Omerzeit

Über die Omerzählung

In der Frühlingsvollmondnacht feiern Israeliten in der ganzen Welt das Pessach-Fest der Befreiung. Denn sie waren in der Sklaverei in Ägypten dazu bestimmt zu sterben. Für sie aber wurde das Pessach-Lamm geopfert, und sie wurden von G-tt vom Tod zum Leben ausgelöst, von der Knechtschaft zur Freiheit befreit, aus dem Zustand dumpfer Verzweiflung auf den Weg zu menschlicher Vervollkommnung geführt. Die körperliche Befreiung war die Grundlage dafür, dass das Volk Israel dann auch zu seiner eigentlichen Bestimmung herangeführt werden konnte, dem Empfang von G-ttes Weisung, der Thorah.
Zwischen beiden Ereignissen liegt ein Zeitraum von 7×7 Tagen, also 49 Tagen, beginnend am zweiten Tag nach der Pessach-Nacht. Zur Zeit, als der Tempel noch stand, brachte man an jedem dieser Tage einen Scheffel von der neuen Gersten-Ernte, das ist ein Omer, als Opfer dar. So nennt man diese Zeit die Omerzeit und zählt auch heute diese Tage noch nach den dargebrachten Omer. Es ist eine schwierige Zeit, eine Zeit voller Trauer. In dieser Zeit starben einst tausende der Schüler des bedeutenden Lehrers Rabbi Aqiva an einer schrecklichen Seuche, die erst am 33. Tag der Omerzeit ein Ende fand, der so zu einem Freudentag in dieser Zeitperiode wurde. In dieser Zeit auch mussten später sehr viele Juden für die Heiligung des Heiligen Namens sterben, im Mittelalter und später, als immer wieder böswillige Verleumdungen zu tödlichem Judenhass führten. In dieser Zeit liegt der Gedenktag an den Beginn des verzweifelten jüdischen Warschauer Ghettoaufstands, der heute zugleich der Gedenktag an die Opfer des nationalsozialistischen Auslöschungsversuchs des Judentums (Schoah) ist. Andererseits erhielt das Volk Israel in dieser Zeit den Schabbath, den wöchentlichen Ruhetag, als ein erneutes Befreiungsgeschenk G-ttes, das es dem Menschen möglich macht am Ende einer Arbeitswoche wieder ein freier Mensch sein zu können (Ex 16, 25 – 30).
Auch die Wiedergeburt eines jüdischen Staatswesens im Heiligen Land nach fast 2000-jährigem Exil fällt in diese Zeit: Der israelische Unabhängigkeitstag.
Nach erfolgter Befreiung war es für das aus der Sklaverei herausgeführte Volk nicht einfach die Mentalität eines unfreien Menschen zu überwinden und abzustreifen. Seit dem Auszug aus Ägypten gab es immer wieder Krisen und Rückfälle. Aber G-tt führte das Volk zu sich heran und legte ihm die Vision eines Bundes zwischen Ihm und dem Volk dar. Es sollte Ihm als ein heiliges Volk gehören. Ihm Partner in Seinem Heilsplan werden.Das Volk nahm dieses Angebot bereitwillig an und erklärte:

Alles, was der Ewige gesprochen hat, wollen wir tun. (Ex 19,8 ; Ex 24,3)

Das Volk heiligte sich, und am 50. Tag nach dem Auszug aus Ägypten offenbarte Sich G-tt dem Volk Israel in Blitz und Donner, sprach über ihm die 10 Gebote und übergab ihm Seine Heilige Weisung. Auch wenn das Volk dieser Aufgabe dann tatsächlich zunächst noch nicht gewachsen war und auf einem weiterhin mühevollen Weg erst noch wachsen und reifen musste um würdiger Partner G-ttes zu werden, so wird doch dieser Tag als der Tag der Thorah-Übergabe gefeiert. Wie einst heiligen sich Juden auch heute vor diesem Tag. Sie gehen in das rituelle Tauchbad, die Miqwe, und lautem sich. Wer es vermag, bleibt in der Nacht wach. Man liest die Nacht über in geselliger Runde eine Kurzfassung der gesamten Thorah.
Dem geläuterten Zustand entspricht es, dass man an diesem Tag milchige Speisen isst. Wie für eine Hochzeit schmückt man die Synagoge mit grünem Laub. Im G-ttesdienst wird zu Beginn der Thorahlesung eine von Rabbi Meir ben Yitzchaq im frühen Mittelalter verfasste Hymne gelesen, die mit dem Wort „Aqdamuth“ beginnt und den Schöpfer und das Volk Israel besingt. Jede der Verszeilen endet mit der Silbe ,tha die mit dem letzten und dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets geschrieben wird und versinnbildlichen soll, dass das Lesen der Thorah zyklisch ist, nach jedem Ende stets der Neuanfang folgt. Dieser Tag, der die 7-Wochen-Periode abschließt, heißt auch Abschlusstag. Sein bekanntester Name aber ist Wochenfest, hebräisch Schavuoth.
Da zur Zeit des Tempels an diesem Tag die Erstlingsfrüchte, vor allem der Weizen, als Opfer dargebracht wurden, heißt dieses Fest auch Fest der Erstlingsfrüchte und wird auch Tag des Getreideschnittes genannt.
An diesem Tag liest man die Geschichte von Ruth, die aus Liebe zu G-tt und dem Volk Israel ihre Heimat verlassen hatte und um ihre Schwiegermutter und sich zu ernähren hinter den Schnittern die stehen geblichenen Ähren sammelte. Aufgrund ihrer Treue wurde sie erhöht und wurde die Stammmutter Dawids, aus dessen Haus der Gesalbte G-ttes, der Maschiach, am Tag der Erfüllung der Thorah kommen wird.