Diese Woche in der Tora (Dt. 3:23-7:11): Fortsetzung Moschehs Rückblicksrede, Bitte, doch einwandern zu dürfen, und deren göttliche Ablehnung; Ermahnung, die Tora nicht zu ändern; Warnung vor Götzendienst; Zufluchtstädte; Wiederholung der 10 Gebote; das Schma-Gebet; Vermeiden von Mischehen; nochmalige Aufforderung zur Vertreibung der Ka’ananiter.
Der Stand der Dinge…
Aus der Schublade
Alles, was heute im Lande geschieht, ist ein fühlbarer Ausdruck für den Niedergang der moralischen und geistigen Prinzipien des Staates Israel. Der Ausweg aus der Krise fehlender Prinzipien wird mit G~ttes Hilfe durch eine Wende in der Kultur erfolgen, in der Erziehung, den ethischen Grundwerten und in der Gesellschaft; im Leben des Einzelnen, der Familie, der Gesellschaft und der Staatsführung.
Rabbiner Awraham Jizchak Kuk (erster Oberrabbiner Israels) sah bereits vor 85 Jahren voraus, wie die zionistische Bewegung, die nichts mit der jüdischen Religion zu tun haben wollte, das Volk und den Staat in eine Krise der ethischen und geistigen Grundwerte stürzen werde, wie wir sie heute vor uns haben. Schon damals rief er zur Gründung einer geistig-politischen Bewegung zur Einflußnahme auf die nationale Wiedererstehung auf, um diese auf heilige Fundamente zu stellen und sie zu dem zu machen, was sie in Wahrheit sein soll, nämlich die Bewahrheitung des schon unserem Vorvater Awraham gemachten Versprechens: „Und ich werde dich zu einem großen Volke machen… und du sollst ein Segen sein… und es werden sich segnen mit dir alle Geschlechter des Erdbodens“ (Gen. 12,2-3). Ebenso wurde den Kindern Israels am Berge Sinai verheißen, „ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk“ (Ex. 19,6), d.h. der Welt ein Vorbild zu sein. Nicht wie die Ideologen der zionistischen Bewegung im Sinn hatten, aus Israel ein Volk wie alle Völker zu machen und den Staat Israel zu einem Staat wie alle anderen Staaten, nur um in Frieden essen, trinken und ruhen zu können, ohne die Verfolgungen der Diaspora leiden zu müssen. Damit war die Grundlage der gegenwärtigen geistig-moralischen Krise gelegt.
Rabbiner Kuk nannte seine Bewegung „Degel Jeruschalajim“ („Fahne Jerusalems“), weil Jerusalem sowohl in geistiger wie auch in praktischer Hinsicht der Einheit und der Pracht der israelitischen Allgemeinheit Ausdruck verleiht. In Jerusalem offenbart sich die kosmopolitische Bestimmung des „von Zion wird die Lehre ausgehen und das Wort des Ewigen von Jerusalem“ (Jeschajahu 2,3). Der Aufruf Rabbiner Kuks zur Gründung von „Degel Jeruschalajim“ mit dem Ziele der Heiligung und der Erhebung des nationalen Entwicklunsprozesses in unserem Lande ist bis heute nicht in die Wirklichkeit umgesetzt worden, und die Pläne ruhen immer noch in der Schublade.
Nach dem Stand der Dinge ist es höchste Zeit, die Pläne in die Tat umzusetzen. Die Nation braucht dringend diese Einheit, die sich nur durch eine Besinnung auf die jüdischen Grundwerte und Wurzeln, aus denen das Volk Israel schon immer schöpfte, bewerkstelligen läßt.
Die gesellschaftliche und politische Krise verlangt nach nationaler Neuorientierung. Wenn bis heute das Thema der Existenz, d.h. der Sicherheit und der Wirtschaft im Vordergrund stand, so muß nun das Thema der ethischen Grundwerte an die Spitze der nationalen Prioritäten rücken. Die gesellschaftliche Atmosphäre muß und kann auch geändert werden durch die Rückkehr des Volkes zu sich selber, durch Erkennen seines Wertes und durch Rückkehr zu seinem Judentum in Liebe. Diese Aufgabe stellt sich jedem Juden, dem die Einheit der Nation und ihr Frieden lieb und teuer sind.
„Seid fest und laßt uns stark sein für unser Volk, und für die Städte unseres G~ttes“ (Schmu’el II, 10,12).
In Erwartung der vollkommenen Erlösung bald und in unseren Tagen,
Rav Dov Begon (Leiter MACHON MEIR)
Am Schabbes-Tisch…
Das erhörte Gebet
Rav Asri’el Ari’el
(Ortsrabbiner „Ateret“)
Diese Zeilen entstanden in einer großen und schweren Zeit der Erwartung der Errettung, in einer Stunde, in der das Herz voll des Gebetes und die Augen voller Tränen sind, zur Rettung der Siedlungen Israels im Katif-Gebiet und im nördlichen Schomron, zu einer Zeit, in der uns kein Prophet beisteht und niemand weiß, was sein wird, und wie es sein wird.
Unser Lehrer Moscheh plagte sich sehr bei seinem Flehen, in das gute Land jenseits des Jordans eintreten zu dürfen. Wir können sicher nicht behaupten, er habe nicht angemessen gebetet. Lernen wir doch die Gesetze des Betens gerade von Moschehs Gebet. Es sieht allerdings so aus, als wäre sein Gebet nicht erhört worden. „Und es ereiferte sich der Ewige über mich um euretwillen und hörte nicht auf mich“ (Dt. 3,26). Wie ist diese Sache zu verstehen?
Zuerst müssen wir uns klarmachen, daß ein Gebet nicht als absolutes „Wundermittel“ dient. Bemühe dich selbst! Wenn einer von uns für eine bestimmte Sache betet, von der G~tt weiß, daß sie nicht gut für den Bittsteller ist – käme etwa jemand auf den Gedanken, daß das Gebet G~tt „zwingen“ könnte, diesem Menschen, oder einem anderen, etwas zu tun, das nicht gut ist? Das Gebet wirkt nur dort, wo die erbetene Sache gut und nützlich ist, nur wird das Gebet gebraucht, um die Sache in Gang zu bringen. Wer diesen Wochenabschnitt näher studiert und die Erläuterungen der talmudischen Weisen z.B. im Midrasch hinzuzieht, wird einige Gründe finden, warum G~tt die Sache für die Entwicklung von Volk und Welt nicht zuträglich hielt.
Allerdings wäre es ein Irrtum, zu glauben, Moschehs Gebet hätte überhaupt keine Wirkung gezeitigt. Moscheh bat: „Laß mich doch hinübergehen, daß ich sehe das schöne Land“ (Dt. 3,25). Entsprechend antwortete ihm G~tt: „Steige hinauf auf den Gipfel des Pisgah und erhebe deine Augen gen Westen..“ (V.27). Zwar wirst du das Land nicht wie gewünscht aus der Nähe sehen, sondern nur vom Rande, aber sehen wirst du es. Das Sehen des Landes bedeutet nicht nur einen kurzen, neugierigen Blick, sondern eine echte Realität. Das Sehen steht für das Bestreben, für das Sehnen und die Sehnsucht. Jene Sehnsüchte bewirken einen starken Antrieb, und wenn nicht in der Gegenwart – dann in der Zukunft. Damit ist nicht die ferne Zukunft gemeint, vielmehr können die ersten Schritte sofort stattfinden. „Und beauftrage Jehoschua und ermutige und kräftige ihn; denn er soll vorausziehen diesem Volke und er soll ihnen das Land zuteilen, welches du siehest“ (V.28). Die Beauftragung Jehoschuas, seine Ermutigung und seine Kräftigung erfolgen aufgrund des Sehens Moschehs vom Gipfel des Pisgah. Die Macht dieses Sehens bildet die Grundlage des Versprechens „er soll ihnen das Land zuteilen“, nicht irgendein Land, sondern gerade das Land „welches du siehest“. Und all dies durch die Kraft seines Gebetes.
Ein Gebet geht niemals ins Leere. Nicht immer erzielt es das Gewünschte; doch eine Wirkung hat es immer – manchmal hier und jetzt, manchmal im Verborgenen, manchmal in Teilen, manchmal zu einem späteren Zeitpunkt, manchmal an einem anderen Ort.
Breiten wir unser Gebet vor dem Herrn der Welt aus: „Unser Vater, unser König, öffne die Tore des Himmels für unser Gebet… Unser Vater, unser König, lasse uns doch nicht leer vor dir ausgehen… Unser Vater, unser König, sei diese Stunde eine Stunde des Erbarmens und eine Zeit von dir ausgehenden Wohlwollens“ – zu dieser Zeit und an diesem Ort, vor unseren Augen!
Zionismus und Tempel
Rav Jakov Ari’el
(Stadtrabbiner von Ramat Gan)
In den historischen Vorgängen der letzten Generationen können wir zwischen zwei Gedankenkreisen unterscheiden: der eine existenziell-realistisch, der andere idealistisch. Beide Kreise nähren einander gegenseitig. Der existenzielle Kreis ermöglicht das Stehen mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität. Ohne ihn blieben Visionen abstrakte Träume, ohne jeden Berührungspunkt mir der Wirklichkeit. Andererseits bedeutet der idealistische Kreis den Lebensquell, Ursprung von Inhalten und Motivation, der das ganze Werk in Schwung hält.
Manchmal lenkt das große Werk die ganze Aufmerksamkeit des Menschen auf das praktische Schaffen, bis er das eigentliche Ziel, für das er so viel Kraft investiert, aus den Augen verliert. Die Beschäftigung mit den zahlreichen Einzelheiten und mit den dabei auftauchenden Problemen lenken ihn von der Grundidee ab. Er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Eine plötzliche Erschütterung oder ein aufregendes Ereignis können den Menschen wieder auf den ursprünglichen Pfad zurückbringen. Dadurch wird er veranlaßt, von Neuem zu überdenken, woher er kommt und wohin er geht. Dasgleiche gilt für Vorgänge auf historischer und nationaler Ebene.
Unser langes Exil (Galut) begann mit der Zerstörung des Tempels. Wir kennen kein anderes Ereignis oder Datum, auf das wir den Anfang der Galut beziehen können, außer der Tempelzerstörung am 9. Aw („Tischa be’Aw“). Das Bestreben zur Rückkehr nach Hause ermöglichte dem jüdischen Volk, den Kopf über den Sturmwellen zu halten, die während der langen und furchtbaren Galut über uns hereinbrachen. Nach Hause bedeutete ganz einfach: zum Hause, zum Tempel. Zurück zum Ausgangspunkt. Nicht nur das Land Israel, nicht nur Jerusalem, sondern Zion die Ausgezeichnete, der Tempelberg in vollem Bau und Pracht.
Eine der schwierigsten Dienste im Tempel war das Abmessen des Mehlopferanteils [Kemiza; „Handfülle“, eine Menge, die der diensttuende Priester mit drei Fingern einer Hand maß] – „weder gestrichen noch gehäuft, sondern nur reichlich“ (Joma 48a). Jeder, der am Opferdienst teilnimmt, muß sich in diesem komplizierten Dienst üben, der sowohl im Grunde wahr als auch nützlich ist, sowohl idealistisch als auch realistisch.
Die zionistische Idee entsprang dem Wunsch der Rückkehr zum Tempelberg. Rabbiner Zwi Kalischer begann seinen ideellen und praxisorientierten Weg [der Rückkehr nach Zion] mit der Fragestellung der Erneuerung des Opferdienstes in der Neuzeit. Er legte diese Frage, und die seiner Ansicht nach mögliche Lösung, seinem Lehrmeister Rabbiner Akiva Eger aus Posen und weiteren Toragrößen seiner Generation vor, wie z.B. dem „Chatam Sofer“ aus Pressburg, Rabbi Jakov aus Lissa, Rabbiner Ettlinger aus Altona, Rabbiner Gutmacher u.a. Diese religionsgesetzliche Korrespondenz löste eine reichhaltige Literatur des Für und Wider aus, die weite Kreise im jüdischen Volk erfaßte und die Herzen für die Sehnsucht nach Zion und Jerusalem öffnete. Allen Teilnehmern an der religionsgesetzlichen Diskussion war vollkommen klar, daß unter den gegebenen politischen Umständen der Bau des dritten Tempels nicht ausführbar war. Darum verblieb diese Diskussion, in deren Folge viele Bücher von hoher Qualität zu diesem Thema geschrieben wurden, im Kreise der Theorie. Ihre große Bedeutung aber zeigte sich durch ihre Existenz an sich, sowie in der Öffnung der Herzen für die Möglichkeit der zukünftigen Verwirklichung der Idee.
Um seine Idee in die Tat umzusetzen, entschied Rabbiner Kalischer, zuallererst müsse Grund und Boden erworben und Landarbeiter ausgebildet werden. Zu diesem Zwecke gründete er ein Komitee und organisierte Geldmittel. Dank seiner Aktivitäten konnten die Grundstücke „Mikwe Israel“ bei Jaffo und die Siedlung „Moza“ bei Jerusalem erworben werden. Auch die Zustimmung der „Alliance“ zum Bau der ersten Schule für Landwirtschaft im Lande ist auf seinen Einfluß zurückzuführen.
Das ist ein Beispiel für das wunderbare Zusammenwirken von Vision und Tat, und der Fähigkeit, von den Höhen des Idealismus herabzusteigen in die prosaischen Niederungen der praktischen Ausführung, wobei aber auch bei der Arbeit in den Niederungen die Augen auf die Höhen gerichtet bleiben, und das Bestreben zum jederzeitigen Aufstieg zum Berg wird auch nicht dadurch unterbrochen, daß derzeit noch nicht bekannt ist, wie der Gipfel erreicht werden wird.