»Adon Imnani« aus dem Jozer für den ersten Tag Schawuot in deutscher Übersetzung. Der Text entstand im 10. Jahrhundert und wurde von »Schimon bar Jitzchak« verfasst.
Ich bin ein Zögling des Herrn, seiner Hausgenossen eine; mich gab er dem Menschen zum Erwerb, mein Schöpfer, Gott.
Als er sein Weltgebäude entwarf, zog er mich zu Rate, und unter den holden Zöglingen seines Schoßes war ich die vornehmste seiner Unterhaltung. Ihm folgte ich auf dem Fuße, weilte unter seinem Zelt, schmachtete nach ihm, war seiner Werke erstes.
Meine Gesetze hat er aufbewahrt, meinen Günstlingen zum Heile; eine geheime Wissenschaft von je, von Ewigkeit her. Begriffe aufzuhellen, die reinste Wahrheit zu ergründen, das Unbegreiflichste zu erforschen, war mein Amt von jeher.
Im Himmel halte ich meinen Aufenthalt; meine Anmut war ihm wohlgefällig; mich hat er frühe hervorgebracht, vor der Erde Urzeit. Ich bin der Reinheit Inbegriff, eine Masse von Klarheiten.
Ja, ich kann mich rühmen: vor meiner Geburt waren jene Meerestiefen noch nicht.
Das eigentümliche der Zeit, des Raums und jener Wölbung hat er wesentlich durch mich bestimmt, ehe noch Quellen waren; jene weitausgespannten Himmel, samt deren Feuer- und Wasserwesen, entstanden zwei Tage nach mir, nebst den Wassermassen.
Meine Grundsteine waren eingelegt, meine Pfeiler befestigt, meine Teppiche umgehängt, bevor noch Berge eingesenkt wurden.
Ich bin das All im Ganzen, so wie das Urwesen in jedem Einzelnen; ich bin eingeschränkt nach meinem eigenen Maß und war schon, ehe Hügel noch waren.
Mir hat er Systeme mitgeteilt zum Entzücken, er hatte noch nichts erschaffen, weder den Erdball noch dessen Umriss.
Meinen Gesetzen sind unterworfen die Schwere und die Größe; ohne mich hätten diese Schollen sich nicht geballt, noch der Urstoff des Erdenkloßes.
Zweiunddreißig zierliche und anmutige Pfades hat er innerhalb meiner Grenzen beleuchtet, als er die Himmel bereitete; mir hat er Verborgenheiten offenbart, mich nannte er sein Geheimnis.
Der Grundriss zur Schöpfung war ich für seine göttliche Majestät dort; mein Rat war ihm ein Wink zur Bestimmung der Weltordnung; mich hat er statt des Zirkels gebraucht, als er den Umriss der Welt gezeichnet.
Zur Erhaltung der Erde hat er veränderliche Jahreszeiten eingesetzt, und abgewogen die Fluten aus der Fläche des Abgrundes. Ich bin die Seherin der weitbewohnten Welt, meine Predigten sind allergötzend; auch waren meine Tritte nicht enge, als er jene Himmel ausgedehnt. Sie ruhen auf unerschütterlichen Pfeilern; in ihrer blauen Tasse bilden Wolken sich, wenn Feuchtigkeiten gerinnen und stocken in jener Höhe.
Brüllend stürmen dort Wogen heran, und begegnen der Küste im schrecklichen Kampfe aber er hat es mit Sandhügeln umkettet, das unermessliche Meer; der scheitern des Abgrunds empörte Quellen, sie weichen schüchtern nach ihrem Grund zurück, in den Schoß der Ihrigen; das getrennte Gewässer lenkt wieder ein, weil er dem Meer Schranken gesetzt.
So hat er die Welt vollendet, seine göttliche Vernunft gründete auf Weisheit sie; was man Welturstoffs, was man Wasser nennt, war noch nicht.
Er hat die Elemente zusammengefügt, ihren Bestandteilen Festigkeit verliehen; so bleiben sie ihrer Bestimmung getreu und übertreten nicht Gottes Geheiß. Aber, nur auf den Redlichen der Erde ruhet diese ganze Schöpfung; ihre Tugenden sind es, die sie vor Zerrüttung bewahren, ihre Tugenden sind die Grundfeste, worauf er die Pfeiler der Erde gestützt.
Dieses Werk (Übersetzung aus dem Siddur, von Wolf Heidenheim), das durch talmud.de gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschränkungen.