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Was ist eine Mikwe?

Mikwe (מִקְוֶה / מקווה wörtlich: Ansammlung, hauptsächlich im Sinne von Tauch oder Ritualbad gebräuchlich)

Zur Wiedererlangung der Reinheit wird vom Tanach bei allen levitischen, durch Krankheiten (Samenfluss, Aussatz), Berührung von Leichen, oder durch die Menstruation hervorgerufenen Unreinheiten ein Reinigungsbad verlangt (Lev. 15, 5ff.; Num. 19,19; Deut. 23,12); ebenso musste der Hohepriester am Jom Kippur vor jeder seiner Amtsverrichtungen ein Tauchbad nehmen (Lev. 16,4; Joma 7, 4).

Dieses, mehr kultischen Zwecken als der körperlichen Reinigung dienende Tauchbad musste aus quellendem (Fluss) oder in Gruben oder sonstigen Bodenvertiefungen, gesammeltem Regenwasser bestehen und verlor durch Einschöpfen in ein Gefäß seine Tauglichkeit.

Wenn auch diese Bestimmungen seit der Zerstörung des Tempels ihre Hauptbedeutung verloren haben, so sind sie aber in Bezug auf Menstruierende und Wöchnerinnen, mit denen sexuelle Kontakte ohne ein nach der Menstruation oder Geburt genommenes Reinigungsbad verboten sind, bis heute von großer Wichtigkeit geblieben.

In jeder jüdischen Gemeinde gab und gibt es darum (oder sollte es geben), seit den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag, eine Mikwe, die den Vorschriften des jüdischen Gesetzes entspricht. Sie muss mindestens drei Kubikellen, das durchschnittliche Maß zur völligen Aufnahme eines Menschenkörpers, umfassen und einen Mindest­inhalt von 800 Liter Wasser haben (Chagiga 11a).

Die Mikwe dient darüber hinaus zum Eintauchen neuer Gefäße, die vor dem Gebrauch ein Reinigungsbad haben müssen (Toweln). Sie hatte und hat vielfach in Orten, in denen es Mangel an Badeeinrichtungen gab, eine nicht hoch genug zu schätzende hygienische Bedeutung.

Die historische Mikwe von Heubach (Hessen), Foto: Chajm Guski

Historische Mikwaot im Rheinland

Architektonisch und künstlerisch-bedeutsame Badeanlagen alter rheinischer jüdischer Gemeinden wurden im 19. Jahrhundert entdeckt und vielfach für Römische Bäder gehalten.

Mikwe in Worms – Foto von Immanuel Giel (Public domain)

Genaue Untersuchungen ergaben, dass diese Bäder, von den Architekten stammten, die die gleichzeitigen romanischen Kirchen und Dome des Ortes erbauten. Sie sind schachtartig bis 25 m tief in die Erde eingelassen, brunnenartige Bauten mit kunstvoller Wendeltreppe, an deren unterem Ende sich Nischen für Reinigungsbäder, sowie für das in der Anlage zumeist auf mittlere Höhe des Rheinwasserspiegels berechnete Tauchbad befinden.

Die Dekoration der Säulen, Konsolen usw. ist in romanischer Bauweise gehalten; die Belichtung durch eine größere Öffnung im oberen Gewölbe.

Erhalten sind die Mikwaot in Worms (urkundlich erwähnt 1557, entdeckt 1896, erbaut vermutlich 1034), Speyer (Anfang oder Mitte des 12.Jhdts., benutzt bis 1534), Deutz (vermutlich Mitte des 15. Jhdt.), als 1914 die Deutzer Brücke gebaut wurde, wurde diese Mikwe mit der historischen Synagoge abgerissen, Andernach (überbaut durch das Rathaus, erbaut um 1220), Friedberg i. Hessen (erbaut um 1260); von Friedberg berichtet Merian, dass die Juden den Brunnen »zu ihrer gewöhnlichen, abergläubischen Reinigung« brauchen.

Der Artikel basiert auf Beiträgen von Rabbiner Dr. Pinchas Kohn