Um etwas über die Entstehung des jüdischen Volkes und seiner Religion zu erfahren, ist ein Blick in die Tora (hebr., Lehre; griech. Pentateuch) lohnenswert. Sie kann als Gründungsdokument des Judentums verstanden werden. Laut jüdischer Überlieferung wurde die Tora von Mosche (Mose) in hebräischer Sprache niedergeschrieben. Da sie aus fünf Büchern besteht, wird sie auch die Fünf Bücher Mose genannt. Die Namen der fünf Bücher sind Bereschit (Genesis), Schmot (Exodus), WaJikra (Levitikus), BeMidbar (Numeri) und Dwarim (Deuteronomium).
Heute gibt es Übersetzungen von ihr in allen wichtigen Sprachen der Erde. Die Tora ist Bestandteil des Tanach, der Hebräischen Bibel. Er setzt sich aus den drei Teilen Tora, Newi`im (Propheten) und Ketuwim (Schriften) zusammen. Das Christentum bezeichnet den Tanach als Altes Testament. Für die jüdische Religion ist die Tora die zentrale Bezugsquelle. Sie wird mehrmals die Woche feierlich in der Synagoge verlesen und bildet das Herzstück des G-ttesdienstes. In religiösen Lehranstalten auf der gesamten Welt, den Jeschiwot und jüdischen Hochschulen, beschäftigen sich Gelehrte seit Generationen mit dem Studium und der Auslegung des biblischen Worts.
Es wird gleichermaßen als Quelle geistiger Inspiration wie auch als praktische Lebensanweisung betrachtet.
Das Hauptanliegen der Tora besteht darin, dem jüdischen Volk die eigene Entwicklungsgeschichte nahe zu bringen. Bevor der Fokus allerdings darauf gerichtet wird, beginnt das erste Buch Mosche mit einer kurzen „Einführung“ in die Urgeschichte: Es klärt den Leser über die Erschaffung der Welt und die nicht ganz geglückten Anfänge menschlicher Existenz auf Erden auf. Dass sich die Menschheitsgeschichte doch noch zum Positiven ändert, hängt vor allem mit dem Wirken der Stammeltern Awraham und Sara, Jizchak und Riwka, Ja`akow, Rachel und Lea zusammen. Die Tora präsentiert stets deren ganze Persönlichkeit: Sie treten der Leserin und dem Leser mit allen charakterlichen Vorzügen und Schwächen entgegen. Von dieser Offenheit und Ehrlichkeit lebt die Tora, lassen sich Lehren aus ihr ziehen, die bis in die heutige Zeit hinein bedeutsam sind.
Am Anfang des Berichts über Awrams Leben steht die schlichte göttliche Aufforderung: „Zieh Du aus Deinem Land, von Deiner Verwandtschaft und vom Haus Deines Vaters nach dem Land, das ich Dir zeigen werde“. Bereitwillig leistet er mit seiner Frau Sarai diesem Aufruf Folge, verlässt seine Familie und siedelt sich im Land Kanaan an. Damit wird er zum Iwri (Hebräer), zu einem Hinübergehenden. G-tt schließt mit Awram einen Bund und verspricht ihm zahlreiche Nachkommen. Das Land Kanaan wird ihm und seinen Nachfahren als „ewige Heimstätte“ zugesprochen. Als Zeichen dieses Bundes dient die Beschneidung der Vorhaut Awrams und seiner männlichen Abkömmlinge, auf Hebräisch Brit Mila. Hinzu kommt die Namensänderung Awrams in Awraham und von Sarai zu Sara. Zu einer dramatischen Zuspitzung kommt es, als Sara aufgrund von Unfruchtbarkeit keine Kinder gebären und sich das Versprechen G-ttes (zunächst) nicht bewahrheiten kann. Auf Saras Geheiß geht Awraham zu deren ägyptischen Magd Hagar, durch die sie sich Nachwuchs erhofft. Aufgrund von Differenzen wird Hagar fortgeschickt, zunächst während Hagars Schwangerschaft mit ihrem Sohn Jischmael (Ismael), dann (endgültig) nach der Geburt von Saras lang ersehntem eigenen Sohn Jizchak (Isaak). Durch die von ihr vorangetriebene Verbannung der Magd bestimmt Sara aktiv mit, auf welchen Sohn Awrahams die göttlichen Verheißungen zukünftig übergehen. Trotz Saras Eingriff droht der Geschichte ein jähes Ende, als Awraham den göttlichen Befehl erhält, seinen Sohn Jizchak eigenhändig zu töten. Bereits der hebräische Name dieser Begebenheit – Akedat Jizchak, die Bindung (und nicht Tötung) Isaaks – weist darauf hin, dass Awrahams Stammhalter augenscheinlich nicht sterben soll, sondern es sich vielmehr um eine göttliche Prüfung handelt: G-tt versucht herauszufinden, ob sein „Bundespartner“ bereit ist, sein Liebstes für ihn hinzugeben. Awraham meistert die Prüfung ohne ersichtliches Zögern. Jizchak bleibt am Leben und gründet mit Rivka (Rebekka) eine eigene Familie. In Jizchak finden sich die Versprechen G-ttes an seinen Vater erstmalig erfüllt: Er lebt im verheißenen Land, seine Frau schenkt ihm Zwillinge, den Erstgeborenen Esaw (Esau) und Ja`akow (Jakob). Der jüdischen Tradition zufolge entwickeln sich die beiden Brüder auf je eigene Weise. Esaw reift zu einem Jäger heran, der Götzen huldigt und ansonsten Müßiggang treibt. Ja`akow hingegen wird als Frommer beschrieben, der sein Leben gänzlich dem religiösen Studium widmet. Damit verkörpern die beiden Zwillingsbrüder Menschentypen, die kaum unterschiedlicher sein können. Die Spannung der biblischen Erzählung ergibt sich nun aus der Frage, welcher von beiden Söhnen in die Fußstapfen des Vaters tritt und in den Genuss der göttlichen Verheißungen kommt. Folgt man konsequent dem Geburtsrecht, so müsste dem Erstgeborenen der Vorzug gegeben werden.
Nach Art ihrer Schwiegermutter Sara überlässt auch Rivka nichts der üblichen Rechtsfolge, sondern greift beherzt und mit nicht ganz legitimen Mitteln in die Geschicke ihrer Sprösslinge ein. Durch eine bewusste Täuschung trägt sie entscheidend dazu bei, dass der von ihr bevorzugte jüngere Sohn Ja`akow den Erstgeburtssegen ihres Mannes statt Esaws erhält. Damit zeigt sich hier, wie zuvor bei dem Bericht über Jischmaels und Jizchaks Lebensweg, eine Begünstigung des jüngeren anstelle des älteren Sohnes. Esaw ist bereits zu einem früheren Zeitpunkt von seinem Bruder um das Erstgeburtsrecht gebracht worden. Ungestraft bleibt Ja`akows trickreiches Verhalten allerdings nicht. So wie er seinen Vater belügt und seinen Bruder hintergeht, wird er später vom eigenen Schwiegervater – zumindest zunächst – um die eigene Wunschgattin gebracht. Letzten Endes verwirklicht sich in seinem Fall dennoch das göttliche Versprechen von zahlreicher Nachkommenschaft: Seine beiden Frauen Rachel und Lea schenken ihm, gemeinsam mit ihren beiden Mägden, zwölf Söhne und eine Tochter. Ja`akows besondere Stellung innerhalb der Tora verdeutlicht sich ferner dadurch, dass er bei einem Kampf mit einem Engel den Sieg davonträgt und fortan den Beinamen Jisrael (G-tt kämpft) trägt. Bis in die heutige Zeit ist der Name Bne Jisrael, Kinder Israels, die Bezeichnung für Ja`akows Nachfahren. Gegen Ende des Buches Genesis wird Ja`akows Lieblingssohn Josef infolge einer Intrige seiner eifersüchtigen Brüder nach Ägypten verschleppt. Die Darstellung dieses ersten Buches findet ein Happy End in der Versöhnung Josefs und seiner Brüder. Sein alter Vater Ja`akow zieht mit der gesamten Familie nach Ägypten, wo Josef inzwischen einen hohen Ministerposten bei dem Pharao innehat. Das zweite Buch Mosche greift diesen Erzählfaden unmittelbar auf. Die Kinder Israel leben mittlerweile seit Generationen im Land Ägypten. Aus den zwölf Söhnen Ja`akows sind zwischenzeitlich zwölf zahlenmäßig große Stämme erwachsen. Unter einem neuen Landesherrn haben sie Sklavenarbeiten zu leisten und müssen Erniedrigungen erdulden. Ihre missliche Lage ändert sich erst mit dem Auftritt Mosches auf der Bühne der Zeitgeschichte. Aufgrund eines Erlasses des Pharao des Lebens bedroht, demzufolge alle männlichen Neugeborenen der Hebräer zu töten sind, wird Mosche durch eine glückliche Fügung von der Pharaonentochter gerettet und wächst am Herrscherhof als deren Ziehsohn auf. Trotz dieser Umstände bewahrt er sich ein jüdisches Bewusstsein, mitgeprägt durch seine leibliche Mutter, die zu seiner Amme wird. Daher betrachtet er die hebräischen Fronknechte seines Ziehgroßvaters, des Pharao, als Brüder. In einer Kurzschlusshandlung erschlägt er einen ägyptischen Aufseher, als dieser gerade einen hebräischen Sklaven misshandelt. Mit dem Bekanntwerden der Tat flieht Mosche vor der drohenden Bestrafung nach Midian. Nach der Hochzeit mit der Tochter des dortigen Priesters wird er Schafhirte. In der Wüste am Berg Horeb erhält er von G-tt, der aus einem brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch zu ihm spricht, den Auftrag zur Führung der Kinder Israel von Ägypten nach Kanaan. Ihm zur Seite gestellt wird sein Bruder Aharon (Aaron). Mirjam, seine Schwester, tritt ebenfalls in Erscheinung. Da sich der Pharao als besonders hartnäckig erweist und seine hebräischen Sklaven partout nicht in die Freiheit zu entlassen gedenkt, schickt G-tt durch Mosche zehn Plagen über das Land. Selbst nachdem die Kinder Israel nach der zehnten Plage, der Tötung der Erstgeborenen Ägyptens, das Land endlich verlassen dürfen, ändert der Pharao erneut seine Meinung und setzt den befreiten Sklaven mitsamt seinem Kampfesheer nach. Die Hebräer werden schließlich zu Zeugen des völligen Untergangs der ägyptischen Streitmacht. Der Auszug aus Ägypten schenkt den Kindern Israel den Grad an Freiheit, der notwendig für die Verwirklichung ihrer Aufgaben ist. Das Pessachfest (Passa) erinnert die Juden bis auf den heutigen Tag an dieses Ereignis. Die Wüste ist ein Ort, an dem sich Leben nur unter äußerst widrigen Bedingungen entfaltet und bestehen kann. Hier dominieren Hitze, Wassermangel und Kargheit, allesamt Faktoren, die diesen Ort zu einem unliebsamen Lebensraum für Menschen werden lassen. Umgeben von dieser Wüstenlandschaft, von diesem „Nichts“, reifen die zwölf Stämme Israels während einer 40-jährigen Wanderschaft zu Am Jisrael, dem Volk Israel heran. In der Wüste gehen die ehemaligen Sklaven durch einen Bundesschluss eine gefestigte Beziehung mit G-tt ein, in deren Rahmen sie Gehorsam gegenüber seinen Mizwot geloben. Sie zielen darauf ab, innerhalb des Volkes eine soziale Ordnung herzustellen und es auf ein Leben im heiligen Land gemäß dem Willen G-ttes vorzubereiten. G-tt bekundet, Israel als sein Volk anzunehmen und das verheißene Land zu geben. In diesem Kontext geht Mosches Rolle weit über die eines reinen Volksanführers hinaus. Er ist der Überbringer der zehn Gebote am Berg Sinai und Mittler zwischen Volk und G-tt. Ein Prophet, der dadurch, dass er als einzig Lebender G-ttes Präsenz gewahr werden darf, zum größten Propheten der jüdischen Geschichte wird. Das jüdische Volk ehrt ihn bis heute mit dem Titel Mosche Rabbenu (unser Lehrer Mosche). Die biblische Erzählung berichtet bis zum Ende des Buches Numeri von der weiteren Wanderung des Volkes Israel vom Berg Sinai bis an die Grenze des verheißenen Landes. Das daran anschließende letzte Buch der Tora enthält eine lange Rede von Mosche. In ihr finden sich neben einem Rückblick über die lange Wüstenwanderung Gesetze, die teilweise an denen der vorangehenden Tora-Bücher anknüpfen. Der große Prophet darf wegen einem Vergehen das heilige Land nicht selbst betreten. Er begibt sich auf den Berg Nebo, von dessen Gipfel aus G-tt ihm einen Überblick über das Land Kanaan gewährt. Mosche verstirbt dort und wird in einem unbekannten Grab im Land Moab beigesetzt.
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Ein Land, das von Milch und Honig fließt“ – Leben im heiligen Land
Die Aufgabe, das Volk Israel in das verheißene Land zu führen, übernimmt nun Jehoschua Bin Nun (Josua). Das Buch Josua beschreibt die Eroberung Kanaans und die Verteilung des Landes unter den zwölf Stämmen. Nach dem Tod Jehoschuas sind es Schoftim (Richter), die dem Volk bis zur Einführung der Monarchie als militärische Heerführer vorstehen. Gegen Ende der Richterzeit werden zunächst Schaul (Saul), dann David durch den Priester Schmuel (Samuel) zu ersten Königen in der Geschichte Israels gesalbt. Unter König David entsteht ein territorial gesichertes Großreich Israel, zu dessen Hauptstadt Jeruschalajim (Jerusalem) ausgerufen wird. Durch die Hinaufführung des Aron HaKodesch (Bundeslade) mit den zehn Geboten wird die Stadt darüber hinaus zum religiösen Zentrum des Reiches. Dank seiner besonderen Persönlichkeit und einzigartigen Wirkungskraft wird David in der jüdischen Tradition als idealer König gesehen. Die messianischen Hoffnungen im Judentum richten sich auf die zukünftige Regentschaft eines Herrschers aus seinem Hause. Während Davids Sohn Schlomo (Salomo) das israelitische Königreich zunächst noch als ein Ganzes regieren und in Jeruschalajim sogar einen zentralen Tempel errichten darf, zerfällt das Reich im Jahr 928 v.d.Z. unter der Herrschaft seines Sohnes in zwei Hälften: Im nördlichen Teil entsteht das so genannte Nordreich Israel, im Süden Juda. Nach der Reichsteilung ist das gebietsmäßig größere Nordreich für gut 200 Jahre Heimat für zehn der zwölf Stämme Israels. Nach mehrjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen nehmen es die Assyrer ein. Damit endet die Geschichte des israelitischen Nordreichs. Ein Großteil seiner Bevölkerung wird im Rahmen einer assyrischen Umsiedlungspolitik verschleppt. Ihr Verbleib ist ungeklärt. Das Südreich Juda behauptet sich unter Regentschaft der Nachfahren König Davids nach der Reichstrennung fast 350 Jahre. Im Gegensatz zum Nordreich bleibt es mittels Tributzahlungen von einer kriegerischen Konfrontation mit Assyrien verschont. Zu Beginn des 6. Jahrhunderts v.d.Z. kann Jeruschalajim den wiederholten Belagerungen durch die Babylonier zunächst noch standhalten. 586 v.d.Z. wird schließlich der vorerst letzte König Judas mit seinem Hof und der Oberschicht nach Babylonien verbracht. Der von Schlomo errichtete Tempel wird in Schutt und Asche gelegt, die Stadtmauer Jeruschalajims geschleift.
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An den Strömen Babylons saßen wir und weinten“: Das babylonische Exil Damit beginnt für die meisten Judäer nun eine Exilszeit in Babylonien, der erst 50 Jahre darauf, mit dem Edikt des Perserkönigs Kyros, ein Ende gesetzt wird. Der geistigen Elite der deportierten Judäer kommt im Exil die schwierige Aufgabe zu, das Vakuum, das durch den Verlust von Heimat und Tempel entsteht, zu füllen. So werden in der Fremde altbekannte Traditionen bewahrt und der Ein-G-tt-Glaube gepflegt. Zum Zentrum des religiösen Lebens werden Tora-Gelehrsamkeit und Gebete. An die Stelle des einstigen (Tier-)Opferdienstes im Tempel rückt nun das Gebet, Awoda ScheBaLew (der Dienst mit dem Herzen). G-ttesdienste werden in eigenen Gebetsräumen abgehalten, die zu Vorläufern der Synagoge werden. Durch die Pflege jüdischer Traditionen und den Zusammenhalt als Gruppe gelingt es den Judäern, das Exil zu überdauern. Als ihnen im Jahr 539 v.d.Z. unter der Herrschaft der Perser die Rückkehr in die einstige Heimat und der Wiederaufbau des Tempels ermöglicht wird, entschließen sich viele für diese Option. Etliche aber haben sich so weit am Ort etabliert, dass sie einen Verbleib im Land vorziehen.
Die Zeit des Zweiten Tempels
Den judäischen Rückkehrern gelingen über einen langen Zeitraum Aufbau und Erhalt eines politischen und geistigen Zentrums in Jeruschalajim, das durch rechtzeitiges Beugen gegenüber den Forderungen fremder Großmächte weitgehend autonom bleibt. Dass die Bewohner Judas sich gegen religiöse Fremdbestimmung zur Wehr setzen, lässt sich am Beispiel des Makkabäer-Aufstands verdeutlichen. Als der seleukidische Herrscher Antiochos Statuen von Fremdgöttern im Jerusalemer Tempel aufstellt und die Juden mit Androhung der Todesstrafe von ihrer Religion abbringen will, organisiert sich 167 v.d.Z. eine Gegenwehr. An der Spitze der Judäer steht die Familie des Priesters Matitjahu, dessen Söhne, allen voran Jehuda Makkabi – daher der Name „Makkabäer“ –, Jeruschalajim und den Tempel wieder einnehmen können. An dieses Ereignis, vor allem an die Reinigung des Tempels und die Wiederaufnahme des regulären Opferdienstes, erinnert seither Chanukka, das Lichterfest. Die Stadt Jeruschalajim bleibt im weiteren Verlauf der Geschichte Schauplatz bedeutsamer Ereignisse. Um 20 v.d.Z. lässt der von Rom abhängige König Hordos (Herodes) den Tempelbezirk aufwendig erneuern und um das Areal eine stattliche Mauer errichten. Ein Teil dieser Mauer, der Kotel HaMaarawi, wird heute von vielen als der heilige Ort des Judentums betrachtet. Als im Jahr 66 n.d.Z. eine Revolte gegen die römische Vorherrschaft ausbricht, kommt es zu mehrjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen. An ihrem Ende wird der Aufstand niedergeschlagen, Jeruschalajim eingenommen und der Tempel in Flammen gesetzt. Mit der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n.d.Z. verlieren die Juden ihren religiösen Mittelpunkt, verbunden mit der endgültigen Einbuße staatlicher Souveränität. Der Kampf gegen Rom ist zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht für alle Juden beendet: Gut 1000 Freiheitskämpfer verschanzen sich mehrere Jahre auf Mezada (Massada), einer schwer einnehmbaren Bergfestung am Toten Meer. Bedroht durch eine bevorstehende Einnahme, ziehen die jüdischen Widerständler den gemeinsamen Selbstmord der Kapitulation vor. Aufgrund seiner historischen Bedeutung vereidigt der Staat Israel heute seine Rekruten auf Mezada. Zu einem letztmaligen Aufstand der Juden gegen Rom kommt es im Jahr 132 n.d.Z. Nach seiner Zerschlagung kommt es zum Ausbau Jeruschalajims als römische Stadt Aelia Capitolina, benannt nach Kaiser Aelius Adrianus und dem Schutzgott Roms. Für lange Zeit ist den Juden das Betreten der Stadt nur am 9. Aw, dem Trauertag für die Tempelzerstörung, gestattet. Die Trauer um den Tempel, gemischt mit der Sehnsucht nach dem Land Israel wird zum Bestandteil jüdischen Denkens und Fühlens. Trotz ihrer Zerstreuung in alle Himmelsrichtungen bleiben die Juden aufgrund des Glaubens an den einen Gott, ihrer gemeinsamen Geschichte und Herkunft, sowie der Hoffnung auf Rückkehr in die einstige Heimat ein Volk. Parallel zu den gravierenden historischen Veränderungen kristallisiert sich innerhalb des jüdischen Gelehrtenstands ein Bestreben heraus, Lehre und Leben des Volkes Israel durch die Zusammenstellung eines umfangreichen Schriftwerks zu sichern: Der Talmud nimmt Gestalt an.