Rosch Chodesch

Rosch Chodesch – Neumond und Monatsbeginn

Am vierten Schöpfungstag schuf Gott die Gestirne, aufdaß sie trennen sollen zwischen Tag und Nacht und zu Zeichen seien für Zeiten, Tage und Jahre. Indem wir die Zeit in gleiche, wiederkehrende Zeitabschnitte einteilen, wird sie für uns erfahrbar, – eine wichtige Grundlage für die bewusste Gestaltung unseres Lebens. Seit Jahrtausenden dienen uns hierfür die Gestirne:

Die Sonne in ihrer Stellung zu den Fixsternen zur Festlegung des Frühlingszeitpunktes und somit des Jahresbeginnes gemäß der Thorah; der Mond in seinem ständigen Werden und Vergehen zur Festlegung der Monate, die das Jahr unterteilen. Indem die Gestirne einander am Himmel ablösen, geben sie uns den Tag- und Nacht-Rhythmus mit Stunden, Minuten, Sekunden einerseits und Wochen andererseits, der unser ganzes Leben bestimmt. Auch wenn wir wissen, daß die Mondmonate, die von Neumond zu Neumond dauern, kürzer sind als die Sonnenmonate, die eine abstrakte Unterteilung des Jahres in 12 annähernd gleiche Teile darstellen, so sind uns die Mondmonate doch unmittelbarer erfahrbar und bilden im Judentum die Grundlage der Zeiteinteilung. Da von der genauen Bestimmung des Monatsbeginns auch die korrekte Festlegung der Festtage im Jahr abhängt, war die Bestimmung des Monatsanfangs (Rosch ha Chodesch) eine wichtige Aufgabe des Ältestenrats, des Sanhedrin (Synhedrion), im Alten Israel, der sich auf die Aussagen zweier Zeugen berief, die unabhängig voneinander den neuen Mond wahrgenommen hatten. Alsdann wurde die Heiligung des neuen Monats (Qiddusch ha Chodesch) verkündet, die mit den hierfür vorgesehenen Opfern und besonderen Gesängen im Tempel erfolgte. Von Hillel II (ha Nassi) wurde im Jahr 344 dZ. die direkte Bestimmung des Monatsanfangs ersetzt durch ein kompliziertes, jedoch sehr genaues Berechnungssystem, das den Längenunterschied des Mondjahres gegenüber dem Sonnenjahr ausgleicht, indem in einem 19 Jahre dauernden Zyklus zwischen 12 normale Jahre 7 Schaltjahre mit einem jeweils 15. Mondmonat eingefügt werden, womit das Thorahgebot erfüllt werden kann Pessach immer in der Nacht des Frühlingsvollmondes zu feiern. Die Feier des Monatsanfangs gehört zu den 8 Festtagen, die uns mit der Thorah gegeben wurden, und war zur Zeit des Tempels ein arbeitsfreier Tag mit eigener Opferordnung. In nachbiblischer Zeit wurde zwar das Arbeitsverbot aufgehoben, so daß Rosch ha Chodesch heutzutage ein sogenannter Halbfeiertag ist, der festliche, einerseits besinnliche, andererseits freudige Charakter des Festtags blieb aber bis heute erhalten und wird durch die Besonderheiten der Liturgie betont. Im Zusammenhang mit der Monderneuerung unterscheiden wir vier liturgische Einheiten:

  • Die Vorankündigung und Segnung des neuen Monats (Birkath haChodesch)
  • Yom Kippur Qatan am Vortag des Monatsbeginns
  • Die Verkündung und Feier des Monatsbeginns (Qiddusch haChodesch)
  • Die Segnung des neuen Mondes (Birkath haLevanah)

Die Vorankündigung eines in der nächsten Woche liegenden Monatsbeginns erfolgt im vorangehenden Schabbath-Morgengottesdienst, nach der Thorahlesung, in Verbindung mit einem inständigen Bittgebet, daß Gott uns den kommenden Monat zum Guten und zum Segen erneuere, uns erlöse und uns aus der Verbannung wieder zurückhole (Birkath ha Chodesch). Wie der Mond aus dem scheinbaren Nichts entsteht und zur vollen Schönheit wächst um hernach wieder zum scheinbaren Nichts zu vergehen und dies immer wieder und wieder, so erlebte und erlebt Israel sich selbst in seiner Geschichte, eingebunden in ein immerwiederkehrendes Werden und Vergehen. Dies ist der Grund für die tiefe innere Beziehung, die Israel zum Mond hat« Aber wie jedes Vergehen mit Bangigkeit, Selbstprüfung, Reue und Buße verbunden ist, so ruft jedes Neuerstehen Erleichterung und Jubel hervor. Diese beiden Komponenten sind auch mit Rosch ha Chodesch verbunden» So bürgerte sich gegen Ende des 16. Jh. dZ. in vielen Gemeinden der Brauch ein, den Tag vor dem neuen Monatsanfang als Yom Kippur Qatan, als kleinen Versöhnungstag, zu begehen, indem man fastet und in das Nachmittagsgebet eine bestimmte Ordnung von Bußgebeten einfügt, die der Liturgie des Yom Kippur entnommen sind, Die Weihe des neuen Monats am Neumondstag ist dagegen ein frohes Fest. Nach dem Achtzehnbittengebet im Morgengottesdienst wird das (um einige Psalmen gekürzte) Hallel-Gebet gesagt, in dem es unter anderem heißt: „Diesen Tag hat der Ewige geschaffen; jubeln wir und freuen wir uns an ihm“ In diesem Sinn werden auch alle Trauerbräuche unterlassen, und es wird auch nicht gefastet. In das Achtzehnbittengebet des Morgengottesdienstes und in das Tischgebet wird als besondere Bitte ein Gebet eingefügt, welches mit den Worten beginnt „Unser Gott und Gott unserer Väter. Es steige empor … unser Gedenken … vor Dir“, und das mit inständiger Bitte um Erbarmen und Errettung endet. Da an Rosch ha Chodesch gearbeitet werden darf, werden zur Thorahlesung nur vier Männer aufgerufen; auf die gesonderte Lesung des Maftir-Abschnitts und auf die Haftarah wird verzichtet. Fällt Rosch ha Chodesch dagegen auf einen Schabbath wird an diesem Tag nach der Lesung des Maftir-Abschnitts eine für den Neumondschabbath eigene Haftarah vorgetragen (Jes. 66,1-24), in der es heißt „Es mögen alle mit ihr (das ist Jerusalem) jubeln, die um sie trauerten!“ … „Und von Neumond zu Neumond, von Schabbath zu Schabbath wird kommen alles Fleisch um sich vor Mir zu verneigen,“ Wie an anderen Feiertagen der Thorah trat das Mussafgebet an Rosch ha Chodesch an die Stelle des im Tempel einst durchgeführten Zusatzopfers. Da an diesem Tag der Freude und der Hoffnung von Nöten und Wünschen des Alltags nicht gesprochen werden soll, wird im Mussafgebet anstelle des Achtzehnbittengebets ein Siebenbittengebet gesprochen, dessen Mittelteil einerseits den Neumondstag als „Zeit der Sühne“ anspricht, andererseits aber auch die Hoffnung Israels auf Erneuerung des Heiligtums als Zeichen neuen Heils und der Erlösung zum Ausdruck bringt. Zum Ende des Gottesdienstes wird anstelle des Tagespsalms der Psalm 1o^ gesungen, in dessen 19. Vers es heißt:

„Du hast den Mond gemacht als Maß für die Zeiten …“ Es ist eine Mitzwah, eine heilige Verpflichtung, an diesem Tag die Mahlzeiten etwas üppiger und festlicher zu gestalten als an gewöhnlichen Tagen. Da der Neumond nicht immer genau auf einen Tag fällt, gibt es Monate, an denen Rosch haChodesch 1 Tag, andere, an denen er 2 Tage lang dauert, wobei für die Monatszählung der 2. Tag Rosch haChodesch als erster Tag des Monats gezählt wird» Es ergeben sich so annähernd abwechselnd „volle“ Monate mit 3o Tagen und „unvollständige“ mit nur 29 Tagen Länge. (Bis auf Purim liegen alle „großen“ Feste in den vollen Monaten.)

Nachdem der neue Monat nun begonnen hat, erwartet man in den ersten Tagen das Sichtbarwerden der zunehmenden Mondsichel. Man geht nach Einbruch der Dunkelheit ans Fenster oder hinaus und spricht, wenn man den neuen Mond erblickt, einen Segen über ihn, Birkath haLevanah. In diesem Segen wird Gott gepriesen, der den Himmel und die Gestirne erschaffen hat und ihnen für alle Ewigkeiten ihre Zeiten und gesetzmäßigen Bahnen zugewiesen hat. Dem Mond gab er die Gabe sich zu erneuern. Es sei uns ein herrliches Zeichen in den Tagen, die kommen werden, gleich ihm uns zu erneuern und unseren Schöpfer zu verherrlichen.