Creative Commons, Mischne Torah

Vom Totschlagen und von den Vorkehrungen gegen Lebensgefahr

Mandelstamms Übersetzung habe ich nach mit einer hebräischen und unzensierten Ausgabe der Mischne Torah verglichen, Fehler beseitigt, zensierte Texte selbst übersetzt und mit erklärenden Hinweisen versehen, in der eckigen Klammer [].
Dieses Projekt ist nur möglich dank der Freimann-Sammlung, der Goethe Universität Frankfurt am Main und dank der Software »Transkribus«.

Vom Totschlagen und von den Vorkehrungen gegen Lebensgefahr.

Enthalten sind siebenzehn Vorschriften, von denen sieben Gebote und zehn Verbote sind, nämlich:

1) Nicht zu morden;

2) Kein Lösegeld für das Leben eines Mörders anzunehmen, sondern ihn zu töten;

3) Einen unvorsätzlichen Mörder zu ins Exil zu verbannen;

4) Kein Lösegeld für Denjenigen anzunehmen, ins Exil verbannt wird.

5) Keinen Mörder hinzurichten, bevor der Mörder vor dem Gericht gestanden hat;

6) Einen Verfolgten zu retten, selbst wenn dies das Leben des Verfolgers kosten sollte;

7) Den Verfolger nicht zu verschonen;

8) Nicht gleichgültig dem Blutvergießen zuzusehen;

9) Asylstädte zu bestimmen und die Straßen dahin in gutem Stande zu erhalten;

10) Dem Sühnekalb am Bache den Nacken abzuschlagen.

11) An der Stelle, wo dieses Nackenabschlagen stattfindet, weder zu pflügen, noch zu säen.

12) Keine Blutschuld auf sich zu laden;

13) Geländer zu errichten;

14) Einen Unschuldigen nicht durch Anlässe zum Fehltritt zu bringen;

15) Einem auf dem Wege der Last Unterlegenen, durch Entlastung beizustehen;

16) Demselben auch beim Wiederaufladen behilflich zu sein;

17) Denselben nicht hilflos bei seiner Last zu lassen, und nicht von ihm zu gehen;

Die Auseinandersetzung aller dieser Vorschriften ist in folgenden Kapiteln enthalten.

1. Kapitel — Der Mörder und der Verfolger

1) Wer ein menschliches Wesen aus Israel todschlägt, hat ein Verbot überschritten, denn es steht geschrieben: »Du sollst nicht morden« (Ex. 20, 12; Deut. 5:16). Begeht Jemand vorsätzlich בְּזָדוֹן und in Gegenwart von Zeugen einen Mord, so wird er durchs Schwert hingerichtet; denn es steht geschrieben: »Es werde dies gerächt« (Ex. 21:20), womit die Tradition auf die Hinrichtung durchs Schwert hinweist. Die Hinrichtung wird immer mit dem Schwert ausgeführt, mag der Mörder durch Eisen oder Feuer seine Tat verübt haben.

2) Der Bluträcher ist verpflichtet den Mörder zu töten; denn es steht geschrieben: »Wer die Blutrache zu üben hat, der töte den Mörder« (Num. 35:19). Die Blutrache liegt aber Jedem ob, der erbberechtigt ist. Will der Bluträcher die Blutrache nicht ausüben, oder ist er nicht im Stande zu töten, oder hat der Gemordete keinen Bluträcher, so lässt das Gericht den Mörder durchs Schwert hinrichten.

3) Tötete der Vater seinen Sohn und der Sohn hatte einen Sohn, tötet der Enkel seinen Großvater, weil er der Bluträcher ist. Hatte der Gemordete keinen Sohn, dürfen seine Brüder keine Bluträcher sein, sondern das Gericht töte ihn. Das gilt sowohl für einen Mann, wie für eine Frau.

4) Dem Gericht ist es streng verboten, Lösegeld von einem Mörder anzunehmen, wenn derselbe auch alles Geld in der Welt für sich zum Opfer bringen wollte, selbst dann nicht, wenn der Bluträcher einwilligen sollte, ihn entkommen zu lassen. Denn das Leben des Gemordeten gehört nicht dem Bluträcher an, sondern dem Hochheiligen, gelobt sei Er! Denn es heißt: »Und nicht nehmen sollt ihr Lösegeld für das Leben des Mörders« (Num. 35:31). Die Thora zeigt auch in keiner Beziehung mehr Strenge, als wo es sich um Blutvergießen handelt; denn es steht geschrieben: »Und ihr sollt nicht verrucht machen das Land. Denn das Blut macht das Land verrucht« (Num. 35:33).

5) Weder Zeugen noch andere Zuschauer dürfen den Mörder, der eine Person vorsätzlich בְּזָדוֹן ums Leben gebracht, töten, bevor er nicht vor Gericht gestellt und zur Hinrichtung verurteilt worden ist. Denn es steht geschrieben: »Und der Mörder sterbe nicht, bevor er vor der Gemeinde gestanden zu Gericht« (Num. 35:12). Dies gilt auch von allen anderen Personen, die eine gerichtliche Todesstrafe verwirkt haben dieselben dürfen, wenn sie ihre Tat verübt, nicht eher hingerichtet werden, als sie vor Gericht gestanden und ihr Urteil vernommen haben.

6) Dies bezieht sich aber nur auf diejenigen Fälle, wo Einer das Verbrechen, worauf gerichtliche Todesstrafe steht, bereits begangen hat. Wenn aber Jemand seinen Nächsten verfolgt, in der Absicht, ihn umzubringen, so sind alle Israeliten gesetzlich verpflichtet, und wäre der Verfolger auch nur ein Kind, den Verfolgten von den Händen des Verfolgers zu retten, selbst wenn dies dem Verfolger das Leben kosten sollte.

7) Sobald man nämlich an den Verfolgenden eine Warnung ergehen ließ, und dieser setzt die Verfolgung dennoch fort, mag er immerhin die Warnung gar nicht angenommen haben, so ist es Pflicht, ihn zu töten. Kann man indes den Verfolgten durch Verstümmelung eines Gliedes vom Verfolger erretten, z. B. indem man ihn mittelst eines Pfeiles, eines Steines, oder eines Schwertes, die Hand abhaut, ein Bein bricht, oder ein Auge blendet, so tue man dies lieber. Geht dies aber nicht an, und der Verfolgte kann nur durch den Tod des Verfolgers errettet werden, so töte man ihn selbst, bevor er noch den Mord verübte, denn es steht geschrieben: »So sollst du ihr die Hand abhauen, dein Auge blicke nicht schonend« (Deut. 25:12).

8) Es gilt nämlich gleich viel, ob es sich hier um einen Angriff auf das Geschlechtsorgan oder um einen andern Angriff handele, bei dem das Leben des Angegriffenen auf dem Spiele steht, oder ob der Angriff von einem Mann oder einer Frau ausgehe. Die Schrift will sagen, dass man, sobald einer dem andern einen totbringenden Schlag zu versetzen beabsichtigt, man verpflichtet sei, den Aufgegriffenen zu retten, selbst mit Aufopferung eines der Glieder und wenn dies nicht ausreicht, sogar durch Aufopferung seines [des Verfolgers] Lebens, denn es steht geschrieben »Dein Auge blicke nicht schonend« (ebend.).

9) Es ist auch ein Verbot, das Leben des Verfolgers zu schonen.

Die Lehrer des Gesetzes haben deshalb bestimmt dass es, sobald eine schwangere Frau nur schwer entbunden werden kann, erlaubt sei, ihr das Kind im Leibe zu zerschneiden, sei es nun mittelst einer Flüssigkeit oder mittelst der Hand [mit einem Werkzeug], weil das Kind gewissermaßen als ein Verfolger angesehen, der die Absicht hat, die Mutter umzubringen. Ist aber der Kopf schon hervorgetreten, so darf das Kind nicht mehr verletzt werden, denn wir geben kein menschliches Leben für ein anderes menschliches Leben hin. Und so ist der Lauf der Natur [Jede Geburt ist eine Lebensgefahr].

10) Diese Gebote bleiben sich gleich, ob Einer den Andern verfolgt, um ihn umzubringen, oder ob Jemand eine verlobte Jungfrau verfolgt, um sie zu vergewaltigen, denn es steht geschrieben: »Wie, wenn Jemand sich aufmacht gegen seinen Nächsten und ihn totschlägt, so ist diese Sache«(Num. 22:26). Ferner heißt es: »Die verlobte Jungfrau hätte schreien können, aber es war Niemand da, der ihr hätte beistehen sollen« (Num 22:27), daraus geht nun hervor, dass, wem Jemand da ist, der ihr Hilfe leisten könnte, dieser verpflichtet ist, es auch auf jede mögliche Weise zu bewirken, sogar, wenn es unvermeidlich ist, durch Tötung des Vergewaltigers.

11) So verfährt man auch bei allen verbotenen Beziehungen, außer des Tieres. Man rettet einen Mann vor einem Vergewaltiger. Verfolgt Jemand ein Tier, um es zu vergewaltigen, oder Jemand will am Schabbat eine Arbeitsverrichtung oder Götzendienst treiben, so töte man ihn nicht, wenngleich die Aufrechthaltung des Schabbats und das Verbot gegen den Götzendienst wesentliche Teile unserer Religion sind, vielmehr bringe man ihn, erst nachdem er diese Sünde verübt, vor Gericht, und führe ihn dann, wenn das Urteil über ihn gefällt ist, zum Tode.

12) Verfolgt Jemand eine Frau, packt sie, liegt bei ihr, führt sein Glied in sie ein und obwohl er den Verkehr noch nicht vollendet hatte, darf man ihn nicht töten bis er vor Gericht gestanden [denn das Einführen des Gliedes gilt als Vergewaltigung]. Verfolgt Jemand eine verheiratete Frau und Andere verfolgen ihn, um sie zu retten, während sie ruft „lasst ihn, damit er mich nicht töte“, so höre man nicht auf sie. Vielmehr muss man ihn aufhalten.

13) Kann die Rettung gelingen durch Verstümmelung eines Gliedes des Mörders, Derjenige, der dies tun könnte, nimmt sich aber nicht diese Mühe, sondern bewirkt die Rettung, indem er dem Verfolger das Leben nimmt, und ihn tötet, so wird er als Blutvergießer betrachtet, und hat sogar den Tod [durch den Himmel] verdient. Jedoch darf das Gericht ihn nicht hinrichten lassen.

14) Wer retten kann und nicht rettet, übertritt das Verbot: »Du sollst nicht gleichgiltig beim Blute deines Nächten stehen« (Lev. 19:16). Das Gleiche gilt auch von Demjenigen, der seinen Nächsten im Meere ertrinken, oder Räuber und wilde Tiere über ihn herfallen sah, und im Stande gewesen wäre, entweder selbst oder mittelst anderer Leute ihn zu retten, dies aber nicht tat, ferner von demjenigen, der in Erfahrung bringt, dass Feinde wider Jedem Böses im Sinne führen, oder ihm eine Falle zu legen beabsichtigen, und er es ihm nicht anzeigt, noch ihn davon in Kenntnis setzen lässt, endlich auch von Demjenigen, welcher weiß dass ein Feind oder ein Gewalttätiger wider einen Nächsten Gewalt auszuüben beabsichtigt, den er besänftigen könnte, ohne dass er dies jedoch getan hätte. Alle diese nämlich, und ebenso ihres Gleichen, überschreiten ebenfalls das Verbot: »Du sollst nicht gleichgiltig bei dem Blute deines Nächsten stehen«.

15) Sieht Jemand wie eine Person einer anderen Person in der Absicht sie umzubringen, oder einer Frau, die ihm verboten ist, in der Absicht sie zu vergewaltigen, nachsetzt und sie nicht rettet, obgleich er im Stande gewesen wäre, sie zu retten, der hat die Erfüllung der Mizwa unterlassen »abhacke ihre Hand, nicht soll dein Auge schonen« (Deut. 25:12), und zwei Verbote übertreten, nämlich: »Dein Auge blicke nicht schonend« (Deut. 25:12), und »Du sollst nicht gleichgiltig bei dem Blute deines Nächsten stehen« (Lev. 19:16).

16) Wennschon auf die Übertretung solcher Verbote nicht die Geißelung steht, weil dabei keine eigentliche Handlung verübt wird, so haben dergleichen Fälle doch eine sehr große Bedeutung. Denn wer ein menschliches Leben aus Israel tötet, wird dies so angerechnet, als habe die ganze Welt getötet, und ebenso, wer ein menschliches Leben aus Israel erhält, wird dies so angerechnet, als hätte er eine ganze Welt erhalten.

2. Kapitel — Mord in mittelbarer Täterschaft und andere Mordfälle

1) Wer einen Andern mit eigener Hand, sei es durch einen Schwertstreich, sei es durch einen todbringenden Wurf mit einem Steine oder durch Erdrosselung, oder mittelst Feuers ums leben bringt, also unzweifelhaft selbst den Mord verübte, der wird dem gerichtlichen Urteil gemäß hingerichtet

2) Wer aber Mörder einstellt, oder seine Diener absendet, um einen Andern totzuschlagen, oder Jemanden bindet und einem Löwen vorwirft, der ihn tötet, oder wer sich selbst entleibt [umbringt], ist zwar ein Blutvergießer und hat die Sünde des Todschlages begangen, wofür er dem Himmel gegenüber sein Leben verwirkt hat, doch erkennt das Gericht darauf nicht die Todesstrafe.

3) Woher rühren diese Gesetze? Es steht geschrieben: »Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder durch Menschen vergossen werden« (Gen. 9:6). Diese Worte aber deuten auf Denjenigen, der selbst und ohne Hilfe eines Andern Jemanden totschlägt. Die Worte: »Das Blut in eurem Leibe werde ich fordern« (Gen. 9:5) beziehen sich auf einen Selbstmörder. »Von der Hand eines jeglichen Tieres werde ich es fordern« (ebenda.), deutet auf Denjenigen, der einen Andern den Tieren zum Zerreißen vorwirft. Die Stelle: »Von der Hand des Menschen, von der Hand seines Brudermenschen, werde ich fordern des Menschen Leben« (ebenda.), deutet auf Denjenigen hin, der Mörder einstellt, um seinen Nächsten zu erschlagen. Nun findet sich aber bei allen drei Stellen der Ausdruck »fordern«, was darauf hinweist, dass die Bestrafung solcher Verbrecher dem Himmel anheimgestellt ist.

4) Alle solche Mörder sind nun und ihresgleichen, welche keinem gerichtlichen Urteilsspruch verfallen sind, kann der König von Israel umbringen lassen, wenn es ihm beliebt, kraft seines königlichen Rechts und zum Heile der Welt. So steht auch dem Gericht בֵּית דִּין das Recht zu, nach bestem Ermessen und sobald es einsieht, dass es die Zeitumstände erfordern, ihre Hinrichtung durch einen temporären Befehl zu verfügen.

5) Lässt sie aber der König nicht umbringen, und ist’s auch durch die Zeitumstände nicht geboten, dies zu tun, so ist doch das Gericht verpflichtet, sie jedenfalls so strenge durch Hiebe züchtigen zu lassen, dass sie dem Tode nahe kommen, sie jahrelang in enger und strenger Haft zu halten und sie außerdem noch allerlei Qualen auszusetzen, damit andere Bösewichter dadurch in Furcht und Schrecken gesetzt werden und das Gericht durch eine sanfte Behandlung solcher Verbrecher, ihnen nicht eine Veranlassung zu Frevel und Verderben biete, und keiner von ihnen etwa bei sich denke: auch ich werde gleich jenem meine Feinde aus der Welt schaffen und gleich jenem unbestraft davon kommen

6) Es gilt völlig gleich, ob Jemand einen Erwachsene oder ein Kind von einem Tage, einen Mann oder eine Frau umbringt — er wird hingerichtet, wenn er es vorsätzlich בְּזָדוֹן getan und ins Exil verbannt גּוֹלֶה, wenn es unabsichtlich בִּשְׁגָגָה geschah. Nur wenn es sich um ein neugeborenes Kind handelt und die Schwangerschaft neun Monate gedauert hat. Dauerte die Schwangerschaft weniger als neune Monate, gilt das Kind als Fehlgeburt innerhalb der nächsten drei Monate. Tötet Jemand das Kind innerhalb dieser drei Monate, wird er nicht hingerichtet.

7) Mag nun der Mord an einem gesunden Menschen, an einem dem Tode nahen Kranken, oder selbst an einem verübt worden sein, der in den letzten Zügen lag גּוֹסֵס, alle diese Fälle ziehen die Hinrichtung nach sich. Ist aber Jemand in Folge menschlicher Misshandlungen seinen Geist aufzugeben, z. B. wenn er so geschlagen wurde, dass er dem Tode nahe ist, und in den letzten Zügen sich befindet, so wird, wer ihn tötet, nicht gerichtlich mit dem Tode bestraft [weil er eine angeschlagene Seele tötet].

8) Wer einen, an einer tödlichen Wunde Leidenden טְרֵפָה, tötet ist dennoch vor menschlichem Gericht frei, auch wenn der tödlich Leidende schon gegessen und getrunken hat und draußen umhergegangen ist. Alle Menschen aber werden als gesund angesehen, und deshalb wird auch, wer einen tötet, jederzeit hingerichtet, es sei denn, dass man nachweisen könnte, dass der Gemordete schon früher einen inneren tödlichen Schaden hatte. Wenn nämlich Ärzte es bezeugen, dass er eine innerliche tödliche Wunde hatte, an der er ohnedies unfehlbar hatte sterben müssen, wenn auch nicht ein anderer Umstand seinem Leben früher ein Ende gemacht hätte.

9) Wenn Jemand, der eine innere tödlichen Wunde hat אָדָם טְרֵפָה, einen Andern tötet, so wird er hingerichtet, denn es steht geschrieben: »Und du sollst den Bösen vertilgen aus eurer Mitte« (Deut. 13:6). Dies gilt aber nur, wenn er den Mord in Gegenwart des Gerichts בֵּית דִּין begeht. Geschieht es aber nur in Gegenwart von Zeugen, so ist er frei, denn, wenn die Zeugen als falsch überführt wären שֶׁמָּא יוּזְמוּ, unterlägen sie doch nicht der Todesstrafe, weil ihr falsches Zeugnis nur die Folge hätte haben können, dass ein innerlich tödlich Verwundeter dem Tode zugeführt worden wäre. Nun wird in Prozessen kein Zeugnis als authentisch angesehen, dessen Urheber nicht des Gegenteils überführt, ebenfalls zur Strafe gezogen werden kann. [Die falschen Zeugen werden immer mit der gleichen Strafe bestraft, welche sie verursachen wollten. In diesem Fall gilt es nicht, da die Zeugen keine טְרֵפָה sind.]

10) Die Hinrichtung steht sowohl auf den Mord eines Israel, als auch auf den eines kanaanitischen Sklaven. Wurde der Mord nicht vorsätzlich verübt בִּשְׁגָגָה, so wird derselbe mit dem Exil bestraft גּוֹלֶה.

11) Tötet ein Israel einen Beisaßen [Ben Noach] גֵּר תּוֹשָׁב, wird er vom Gericht nicht hingerichtet [aber durch den Bluträcher], darüber sagt die Schrift »Wenn aber Jemand gegenüber einem Genossen רֵעֵהוּ vorsätzlich handelt« [und der Ben Noach gilt nicht als Genosse] und um so mehr, wenn er einen Nichtjuden tötet [jedoch darf der Bluträcher des Nichtjuden den Mörder umbringen, bei einem unvorsätzlichen Mord wird der Jude verbannt, siehe 5:3]. Tötet Jemand seinen eignen oder fremden Sklaven, wird er hingerichtet, denn ein Sklave hat die Erfüllung der Gebote über sich genommen, demgemäß er auch als Einer angesehen, der zum Erbe des Ewigen gerechnet ist.

12) Welcher Unterschied besteht in solchen Fällen zwischen dem eigenen Sklaven und dem eines Andern? Seinen eigenen Sklaven ist man berechtigt zu prügeln. Wenn man ihm also eine Anzahl Schläge gibt, welche wohl im Stande wär, einen Menschen zu töten und der Sklave erkrankt in Folge dessen wirklich tödlich, stirbt aber erst, nachdem er vier und zwanzig Stunden gelebt, so wird dessen Herr darum noch nicht zum Tode verurteilt, wenn auch der Sklave in Folge der empfangenen Hiebe stirbt, denn es steht geschrieben: »So soll er nicht gerächt werden, denn er ist sein Geld« (Ex. 21:21). Wie sind aber die Worte: »Einen Tag oder zwei Tage zu verstehen« (ebenda) Damit ist ein Tag gemeint, der zwei Tage in sich begreift, nämlich: von einer Tagesstunde an bis zu der nämlichen des darauf folgenden Tages.

13) Schlägt aber Jemand den Sklaven eines Anden und stirbt derselbe in Folge dessen, wenn auch erst nach Verlauf mehrerer Tage, so wird er hingerichtet, weil er ihn Tode geprügelt hat, ganz so, als wenn er dies an eine Freien verübt hätte.

14) Meines Erachtens kann sich Derjenige, der sein Sklaven mit einem Messer, einem Schwerte, oder mit ein Steine, und der geballten Faust oder dergl. schlägt, so dass der der Sklave als unrettbar verloren erklärt werden muss und auch wirklich später stirbt, nicht auf das Gesetz von »Tag oder zwei Tage« berufen, sondern er muss der Todesstrafe verfallen, auch wenn der Sklave erst ein Jahr darnach stirbt. Weil es nur heißt, »mit einer Rute«, die Schrift erlaubt nämlich bloß mit einer Rute, mit einem Stocke, oder mit einem Riemen u. dergl., nicht aber ihn mörderisch zu züchtigen.

15) Wenn Jemand seinen Sklaven verkauft und sich dabei ausbedingt, dass derselbe noch dreißig Tage in seinem Dienste bleiben solle, es sich aber zuträgt, dass der Käufer oder Verkäufer ihn während dieser Zeit schlägt, und ihn dadurch tötet, so steht darauf die Todesstrafe und dem Täter wird nicht die Begünstigung des Gesetzes »von einem oder zwei Tagen« zu Teil. Der gewesene Eigentümer kann sich darauf nicht berufen, weil der Sklave nicht mehr »sein Geld, sein eigenes Geld« ist, und der neue Herr nicht, weil sich der Sklave noch nicht in seiner Gewalt befindet.

16) Ebenso, wer ein halbfreigelassener Sklave ist und ein Sklave zweier Partner, hat nicht das Recht »ein oder zwei Tage«, denn er gilt nicht ihr »Geld«. Deshalb wird man wegen ihm hingerichtet, wie beim Rest des Volkes.

3. Kapitel — Die Tötung und ihre Ermittlung

1) Wenn Jemand einen Andern vorsätzlich mit einem Stein oder einem Holz schlägt und ihn in Folge dessen tötet, so werden der Gegenstand, mit dem der Schlag ausgeführt wurde und die Stelle, welche von demselben getroffen ward, in Betracht gezogen und genau ermittelt אוֹמְדִין, ob ein Schlag mit diesem Gegenstand auf das getroffene Glied absolut tödlich wirken müsse, oder nicht. Denn es steht geschrieben: »Und ob der Schlag mit einem Steine in der Hand ausgeführt wurde, der eine tödliche Wunde bewirken kann, oder ob er ihn mittelst eines Gerätes von Holz, welches eine tödliche Wunde herbeizuführen im Stande ist, erschlagen hat« (Num. 35:17-18). Es wird also dabei vorausgesetzt, dass das Instrument geeignet sei, den Tod zu geben, während es aber keineswegs gleichgiltig ist, ob man Jemanden den Schlag auf das Herz oder auf die Hüfte versetzt.

2) Da geschrieben steht: »Wovon man sterben kann (Num. 35:23), so schließt man, dass die Stelle, die verwundet wurde, in Betracht kommen müsse. Aber ebenso wie das Instrument, womit man schlägt, und der Ort, auf den der Schlag fiel, wird auch die darauf verwandte Kraft in Erwägung gezogen, denn es heißt: »Mit einem Stein in der Hand«, woraus man entnehmen kam dass die Hand dabei ebenfalls in Betracht kommen müsse. Denn, um Jemand in einer Entfernung von zwei Ellen mit einem Stein zu treffen, ist keineswegs ein solcher Kraftaufwand erforderlich, als wenn die Entfernung zehn Ellen betrüge, in welchem Falle es eines größeren Kraftaufwandes bedarf. Ebensowenig ist auch die Wirkung eines Wurfes aus einer Entfernung, von zehn Ellen, der aus einer Entfernung von hundert Ellen zu vergleichen, da sich die Kraft im Verhältnis zu der sich ausdehnenden Entfernung vermindert.

3) So wird auch die Art des Schlagens und die Körperbeschaffenheit des Mörders, wie des Gemordeten in Betracht gezogen und darauf Rücksicht genommen, ob diese erwachsen oder noch unerwachsen sind, ob sie eine starke oder eine schwache, eine gesunde oder eine kranke Lebensbeschaffenheit haben, und dergl. mehr. Denn es steht geschrieben: »Wovon man sterben kann«, woraus aber hervorgeht, dass auf alle Umstände, welche auf den Totschlag irgend welchen Bezug haben, Rücksicht genommen werden müsse.

4) Bei einem eisernen Gerät hat die Tora kein Maaß vorgeschrieben: »Und wenn er ihn mit einem eisernen Gerät geschlagen hat, so dass derselbe gestorben, so ist er ein Mörder« (Num. 35:16), also wenn mit einem Gerät, selbst da es bloß eine Spitze wie eine Nadel hat, ebenso wenn mit einem Bratspieß oder Messer und dergleichen. Schlägt aber Einer den Andern mit einem Stück [unbearbeiteten] Eisen und dergleichen, so unterliegt dasselbe, so wie Holz oder Stein, der Schätzung.

5) Tötet Einer den Andern, ohne sich dabei eines Werkzeuges zu bedienen, z. B. mit der Hand oder durch einen Tritt mit dem Fuße, oder indem er ihm mit dem Kopf einen Stoß versetzt, so ermittelt man dabei die zum Schlage verwandte Kraft, die Leibesbeschaffenheit des Gemordeten, und die Stelle, die dem Stoße ausgesetzt gewesen. Denn es ist ein großer Unterschied, ob Jemand den Andern mit dem Finger stößt, oder ob er ihm mit ganzer Kraft einen Fußtritt gibt, ebenso ob der Schlag auf das Herz, oder auf die Lenden fiel, ebenso kann der Schlag, den ein Schwächling dem robusten und gesunden Menschen gibt, nicht mit dem verglichen werden, den ein Starker dem Schwächling oder einem Kranken versetzt.

6) Woher wissen wir aber, dass solche Schätzungen vorgenommen werden müssen. Es steht geschrieben: »Oder wenn er aus Feindschaft ihn schlägt mit seiner Hand, dass er stirbt, — des Todes sterbe, der ihn geschlagen« (Num. 35:21) wo die Schrift, obschon der Schlag »mit der Hand« versetzt wurde, dennoch darauf hindeutet, dass derselbe auch »aus Feindschaft« erfolgt sein müsse. Hieraus ist aber auch zu folgern, dass bei einem Schlage auch die Kraft, mit der er ausgeführt wurde, in Betracht zu ziehen sei.

7) So wird auch, wenn Jemand einen Andern vom Dache hinunterstößt und dieser dadurch stirbt, die Höhe der Stelle, von welcher er hinuntergestoßen worden und die Stärke des Fallenden in Betracht gezogen, denn wenn ein eintägiges Kind herunterfällt, so ist dies nicht in Vergleich zu bringen mit dem Falle eines Erwachsenen. Woher entnehmen wir aber, dass die Höhe des Falles in Betracht zu ziehen sei? Aus den Worten der Schrift: »Und wenn er ihn aus Hass stößt« (Num. 35:20). Nach meinem Ermessen darf eine Höhe von nicht zehn Handbreiten [80 cm] nicht als todbringend angesehen werden, wie dies früher bei einer Grube hinsichtlich des Viehes gelehrt worden ist.

8) Es gilt ganz gleich, ob Einer den Andern mit einem Steine, oder mit einem Holze schlägt oder ob er mit eine Erdscholle oder mit einem Stücke Salz oder Schwefel oder mit einem Korb voll Erde oder Steinchen oder gar mit einem Stück gedörrten Feigenkuchens schlägt. Denn es steht geschrieben: »Wovon man sterben kann«, d. h. was überhaupt tödlich wirken kann; dies wird aber durch das Gewicht eines Gegenstandes bedingt.

9) Wenn Einer den Andern ins Wasser oder ins Feuer hineintreibt, so wird erwogen, ob derselbe da heraus sich hätte retten können oder nicht. Im ersteren Falle unterliegt der Täter nicht der gerichtlichen Todesstrafe, im zweiten Falle aber wird er hingerichtet. Das Gleiche gilt auch, wenn Einer den Andern so ins Wasser oder ins Feuer drängt, dass er sich daraus nicht retten kann, und darin umkommen muss, wenngleich nicht er es war, der ihn anfänglich dahinein gestoßen hatte.

Dasselbe Recht widerfährt auch dem, der seine Hand auf Mund und Nase eines Andern legt, und sie so lange darauf presst, bis dieser Zuckungen bekommt und seinen Geist aufgibt, oder dem, der einen Andern bindet, und der Kälte oder der Sonnenhitze so lange aussetzt, bis er stirbt oder dem, der einen Andern einmauert, und ihm auf diese Weise alle Luft abschneidet, oder dem, der einen Andern in eine Höhle oder in eine Stube bringt, und daselbst einen solchen Rauch verbreitet, dass dieser ersticken muss oder dem, der einen Andern in ein marmornes Haus setzt, und neben ihm ein solches Feuer anzündet, dass er von der Hitze sterben muss. In allen diesen Fällen wird der Täter hingerichtet, weil er sein Opfer gleichsam mit eigener Hand erstickt hat.

10) Wenn aber Einer den Andern bindet und ihn so dem Hungertode Preis gibt, oder wenn Einer den Andern bindet und an eine Stelle hinlegt, wo später eine solche Kälte oder Hitze eintreten muss, dass derselbe in Folge dessen stirbt oder wenn Einer über den Andern einen Gefäß deckt, das Dachgebälk über ihm abdeckt, oder wenn er ihn von einer Schlange beißen lässt, geschweige denn, wenn Einer gegen den Andern einen Hund, oder eine Schlange hetzt, so wird zwar in allen diesen Fällen der Täter nicht hingerichtet, er gilt aber nichts desto weniger als Mörder und der da jeden Blutvergießer zur Rechenschaft zieht, wird auch ihn zur Rechenschaft ziehen.

11) Auch wenn Einer den Andern in eine Grube stößt, in welcher sich eine Leiter befindet, auf der man wieder heraussteigen könnte, oder wenn Jemand auf einen Andern, der einen schützenden Schild in der Hand hält, einen Pfeil abschießt, und es sich zuträgt, dass ein Dritter hinzukommt welcher die Leiter hinwegzieht, oder jenem den Schild aus den Händen schlägt, so unterliegen beide zwar nicht de richterlichen Verurteilung, aber ihr Blut wird dennoch gefordert werden.

12) Wenn Jemand einen Stein an die Wand wirft, der von derselben abprallt und Jemanden tötet, so hat die gerichtliche Hinrichtung verwirkt, weil das Zurückprallen durch seine Kraftanstrengung bewirkt wurde. Ebenso sind Personen, welche beim Ballspiele, nachdem eine Warnung erfolgt Jemanden, töten nur dann frei von der Strafe, sobald die Tötung innerhalb eines Raumes von vier Ellen erfolgt war, war aber der Getroffene weiter, wenn auch hundert Ellen weit entfernt, so sind sie schuldig, nur muss der Ball die einer tödlichen Wirkung hinreichende Größe haben, wie de bereits oben erklärt worden ist.

13) Wirft Jemand einen Stein nach oben, und derselbe nimmt seine Richtung nach der einen Seite hin, und tötet Jemand, so ist er schuldig. Wenn Einer den Andern bindet, ihn an einen Ort hinschleppt, wo er sich nicht befreien kann, und dann einen Strom Wasser auf ihn herablaufen lässt, der ihm den Tod bringt, so wird er deshalb ebenfalls zum Tode verurteilt. Nur muss die Tötung eine direkte Folge seiner Kraftanstrengung sein.

4. Kapitel — Verantwortung des Mörders und nicht amtliche Strafen

1) Wenn Jemand eine Person zu erschlagen beabsichtig dagegen aber eine andere trifft, so ist er frei, sowohl von der gerichtlichen Hinrichtung als vom Lösegeld und der Verbannung, weil die Asylstädte, wie später noch gezeigt werden soll, in solchen Fällen kein Aufnahmerecht haben [da seine Schuld sehr groß ist. Wenn daher Jemand unter eine Versammlung von Israeliten einen Stein wirft und einen unter ihnen tötet, so unterliegt er nicht dem Urteile des Gerichts [weil er keine bestimmte Person zu töten beabsichtigte].

2) Wollte Jemand einen andern auf die Lenden schlagen, der Schlag war aber nicht stark genug, um auf die Lende geführt eine tödliche Wirkung hervorzubringen, dieser Schlag traf aber das Herz, wo er todbringend sein musste, und der Getroffene gab wirklich seinen Geist auf oder wenn es die Absicht des Schlagenden war, die Herzgegend zu treffen, — wo der Streich eine tödliche Wirkung haben musste, er aber statt dessen die Lende traf, wo der Schlag nicht tödlich war und der Getroffene demungeachtet starb, so ist der Schlagende sowohl von der gerichtlichen Hinrichtung, als auch von der Verbannung befreit, weil Niemand, der ohne Absicht einen Totschlag verübte, mit der Verbannung bestraft werden darf. Hatte er aber die Absicht, ihn auf die Lenden zu schlagen, und zwar mittelst eines Gegenstandes, der, wenn er die Lende trifft, tödlich wirken musste, traf ihn aber stattdessen auf das Herz, so dass der Getroffene sterben musste, so wird der Schlagende hingerichtet. Und so auch in ähnlichen Fällen.

3) Wenn Einer den Andern mit einem Steine oder mit der Faust und dergl. schlägt, so wird der Geschlagene einer Schätzung unterworfen. Ist es nun wahrscheinlich, dass er mit dem Leben davon kommen werde, so muss der Schlagende die fünf Vergütungen leisten (Schaden, Schmerz, Heilung, Arbeitsausfall, Scham), bleibt aber übrigens frei, selbst wenn der Geschlagene in der Folge noch schwer erkrankt und an den Schlägen stirbt.

Findet man aber bei der Schätzung dass er wohl sterben werde, so wird der Schläger sogleich eingekerkert und man wartet dann ab, bis Jener entweder stirbt, in welchem Falle dieser hingerichtet wird, oder bis de Geschlagene wieder aufgekommen, vollkommen genesen ist, gleich anderen gesunden Menschen auf den Füßen steht, und in der Straße einhergeht, in welchem Falle der Schlage die fünf Entschädigungen zu erlegen hat, im Übrigen aber frei ist.

4) Wenn in der Tora steht: »An seiner Krücke עַל מִשְׁעַנְתּוֹ« (Ex. 21:19), so ist dies nicht so zu verstehen, als ob der Kranke an eine Krücke oder an eine Person gelehnt umhergeht, weil selbst ein tödlich Erkrankter im Stande ist, an eine Krücke gelehnt einherzugehen. Die Phrase »an seine Krücke« will also nur andeuten, dass der Kranke, durch sein eigene Kraft aufrecht gehalten, im Stande sei, ohne Beihilfe oder Stütze einherzugehen.

5) Wird der Schlag als todbringend anerkannt und Patient bessert sich Etwas, stirbt aber dagegen doch noch nachdem sich sein Zustand zuvor verschlimmert hatte, so wird der Schlagende hingerichtet. Es ist aber, wenn eine Besserung im Zustande des Patienten eintritt, nicht erlaubt eine zweite Schätzung vorzunehmen, weil doch immer angenommen werden muss, dass derselbe nicht davonkommen werde. [Da die Möglichkeiten unzählig sind, es sei denn, dass er völlig verheilt]

6) Haben zehn Menschen Jemanden mit zehn Stöcken geschlagen und er ist dadurch getötet worden, so sind alle von gerichtlicher Todesstrafe befreit, sowohl wenn Einer nach dem Andern, als wenn Alle gleichzeitig geschlagen haben; denn es steht geschrieben: »Alles was eine menschliche Seele ist כָּל נֶפֶשׁ אָדָם« (Lev. 24:17), welche Worte so zu verstehen sind, dass ein Einziger es sein müsse, der das ganze Leben der Seele auslöscht. Die gleiche Bewandtnis hat es auch, wenn zwei Personen eine dritte ins Wasser stoßen oder sie darin gewaltsam festhalten oder wenn mehrere Personen dasitzen und ein aus ihrer Mitte abgeschossener Pfeil Jemanden trifft und tötet. In sämtlichen hier genannten Fällen sind Alle frei von gerichtlicher Todesstrafe.

7) Haben zehn Personen nach einander Jemanden mit Steinen geworfen, von denen keiner groß genug war, um diesen zu töten und es wirft dann Einer zuletzt einen Stein nach ihm, der wohl im Stande war den Tod herbeizuführen und dieser erfolgt auch wirklich, so wird der zuletzt Werfende dafür hingerichtet.

Wenn ein verurteilter Mörder sich unter andere Personen mischt, so dass man ihn nicht mehr herausfinden kann, so sind sie Alle von der Todesstrafe frei. Ist über den Totschläger der Urteilsspruch noch nicht gesprochen, und er wird unter abgeurteilte Totschläger vermengt, so sind alle von der Hinrichtung befreit, weil über einen Menschen nur dann das Urteil gefällt werden kann, wenn er zugegen ist; doch werden sie Alle eingekerkert.

8) Wenn Einer den Andern zwar in Gegenwart zweier Zeugen umbrachte, die aber nicht gleichzeitig zugegen waren, sondern Einer nach dem Anderen hinzukamen, oder wenn wohl Zeugen zugegen waren, diese aber nicht zuvor eine Warnung ergehen ließen, oder wenn die Zeugen zwar in unwesentlichen, nicht aber in den wesentlichen Punkten sich widersprechen, so werden solche Mörder in einen engen Kerker כִּפָּה eingesperrt, kümmerlich mit Brod und Wasser unterhalten, bis ihnen die Eingeweide zusammenschrumpfen, worauf man ihnen Gerste als Nahrung reicht, so dass ihnen der Unterleib platzt.

9) Andere schwere Verbrecher werden nicht so behandelt, sondern unterliegen der Todesstrafe, sobald das Gericht die selbe über sie ausspricht, oder werden frei, wenn diesele ihnen nicht zuerkannt wird. Denn obgleich es noch schweren Sünden als das Blutvergießen gibt, so sind dieselben für die bürgerliche Ordnung יִשּׁוּבוֹ שֶׁלָּעוֹלָם doch nicht so verderblich, als das Blutvergießen.

Weshalb auch weder der Götzendienst, geschweige denn die Blutschande, oder die Entweihung des Sabbats der Sünde des Blutvergießens zu vergleichen sind. Denn während jene Sünden bloß das Verhältnis des Menschen Gott berühren, kommt hier auch das des Menschen zu seine Nebenmenschen in Betracht. Wer also eine solche Sünde begangen hat, ist ein ausgemachter Bösewicht und alle guten Taten, die er während seines früheren Lebens getan, wiegen dieses Verbrechen nicht auf und retten ihn nicht von der Gesetz, denn es steht geschrieben: »Ein Mensch, gedrückt von einer Blutschuld« (Mischlei 25:17).

Auch der Götzen dienende Achab kann uns hier als warnendes Beispiel dienen, von dem es heißt: »Aber es war keiner wie Aghab« (1 Kön. 21:25). Als nämlich vor Gott, dem Herrn aller Seelen, dessen Sünden und gute Taten erwogen wurden, da fand sich keine Sünde, welche die Ausrottung כְּלָיָה hätte nach sich ziehe können, und Nichts wäre geeignet gewesen, die Schale ganz in die Höhe zu ziehen, als nur die Blutschuld Nabots; wie auch geschrieben steht: »Und da ging der Geist hinaus und erschien vor dem Ewigen« (1. Kön. 22:21; 2. Chron. 18:20), nämlich der Geist Naboth’s und dann heißt es weiter: »Überrede und dir wird es gelingen« (1. Kön. 22:22). Und dennoch hatte dieser Ruchlose den Mord nicht mit eigener Hand begangen, sondern ihn bloß veranlasst! Um wie viel schwerer versündigt sich aber nun Der, welcher mit eigener Hand einen Mord verübt

10) Die Häretiker הַמִּינִין sind jüdische Götzendiener oder Juden, die [absichtlich aus Rebellion] gegen das Gesetz verstoßen, mit der Absicht Gott zornig zu machen לְהַכְעִיס. Sogar wer unkoscheres Essen isst נְבֵלָה oder Wolle mit Flachs שַׁעַטְנֵז trägt, um absichtlich gegen das Gesetz zu verstoßen, gilt als Häretiker מִין. Die Verleugner הָאֶפִּיקוֹרוֹסִין verleugnen die Tora und die Propheten aus Israel, — sie zu töten ist ein Gebot. Wer die Kraft sie öffentlich mit dem Schwert zu töten, der soll sie töten; sonst suche man andere Wege wie man ihren Tod verursachen kann.

Z.B. einer von ihnen fällt in eine Grube, in der eine Leiter steht. Man soll ihm zuvorkommend die Leiter wegnehmen und sagen: Ich bin gerade damit beschäftigt meinen Sohne vom Dache zu holen, ich werde danach zu dir zurückkommen [nicht]. Und ähnliche Sachen.

[In seinem Kommentar zur Mischna Hulin 1:2 schreibt Rambam: »Die Häretiker מִּינִין sind Menschen bei denen die Dummheit ihren Verstand verblendet und die Sinneslust die Seele verfinstert. Sie beschmutzen die Torah und die Propheten und verleugnen die Propheten, ohne Wissen und Verstand; sie verwerfen die Gebote mit Verachtung. Das ist die Gruppe von Jesus dem Christen, Doag, Achitofel, Gechazi und Elischa Acher und Jeder, der ihnen folgt. »Der Name der Frevler soll verwesen« (Prov. 10:7). Einen solchen Menschen erkennt man daran, dass er die Gebote mit Verachtung bricht, ohne an jener Handlung einen Genuss zu haben. So heißt es über ihn (bHul. 13a): „Unsere Lehrer lehrten, der Häretiker schächtet für den Götzendienst, sein Brot ist Brot von Nichtjuden, sein Wein ist Trankopferwein, seine Bücher sind Bücher über Zauberei, seine Früchte sind unverzehnt, seine Kinder uneheliche Mamzerim“. Die Abtrünnigen מְשוּמָד sind die Sadduzäer und die Boëthusäer, zwei Sekten von denen die Ablehnung der mündlichen Tradition begann, wie wir im Kommentar zu Avot 1:3 erklärt haben. Durch sie verkehrte die Wahrheit in Lüge, und die Wege des Lichts in Dunkelheit und Finsternis. „Er begeht Unrecht im Lande des Rechts und die Hoheit des Ewigen sieht er nicht“ (Jes. 26:10). Die Menschen unserer Generation nennen diese Gruppe einfache Häretiker aber Häretiker des Glaubens sind sie nicht; trotzdem sind sie des Todes. Man darf sie in heutiger Zeit töten, weil sie zur wahren Häresie verleiten. Wisse … unsere Zeit ist die Zeit des Exils, wir richten keine Todesstrafen. Jedoch betrifft es nur Juden, die die Todesstrafe verdienen durch Übertretung eines Verbots aber die Häretiker, Sadduzäer und Boëthusäer, ihre Gedanken sind viele, wer von diesen einen Gedanken hervorbringt, wird von vornherein לְכַתחִילָה getötet, damit Israel nicht verderbe und der Glaube nicht verloren gehe. Dieses Gesetzt ist bereits zu Ausführung gekommen in im ganzen westlichen Lande (Spanien).

Wer aber unter solchen Gedanken geboren und aufgewachsen ist, gilt als ein Gezwungener (Marane) und ist gleich einem von Nichtjuden gefangen genommenem Kind, dessen Übertretungen aus Versehen geschehen. Wer aber vorsätzlich ein Verbot übertritt für das er todesschuldig wäre und da wir zum Verhängen von Todesstrafen nicht berechtigt sind, wird er für immer verbannt, nachdem man ihm Peitschenschläge verabreicht hat.«

Aus den Worten vom Rambam geht hervor, dass Juden in Spanien unter muslimischer Herrschaft das Recht hatten, Häretiker zu töten und das auch tatsächlich taten. Aus keinem anderen Land und aus keiner anderen Zeit ist bekannt, dass Häretiker hingerichtet wurden. Siehe Raschba (Schlomo ben Aderet) Responsen 3:393, 5:238; sowie Rivasch (Isaak ben Scheschet) Responsen 234, 251; Schlomo ben Schimon Duran 1:149

Welche Geltung diese Gesetze für die heutige Zeit haben, beschreibt Rabbiner David Zwi Hoffmann in Der Schulchan-Aruch, Berlin: Jüdische-Presse, 1894, S.66-68:

»Aber gegen die damaligen Prinzipien der Gerechtigkeit verstieß das jüdische Gesetz nicht; jeder fand es gerecht und billig, dass die Juden mit ihren Ketzern und Apostaten ebenso streng verfuhren, wie die Christen mit den ihrigen. Wir sind aber fest überzeugt, dass der Schulchan-Aruch. die Verfolgung der Ketzer und Apostaten strengstens wegen Chillul-Haschem (Entweihung des göttlichen Namens) verboten hätte, falls unter den Nichtjuden der damaligen Zeit die Grundsätze der Toleranz so verbreitet gewesen wären, wie heutzutage. Und somit wird jeder Rabbiner, der nach dem Geiste des Schulchan-Aruch und der alten Rabbinen lehrt, die Ausführung jenes gegen die Ketzer und Apostaten gerichteten Schulchan-Aruch-Paragraphen als ein schweres Verbrechen gegen die jüdische Religion bezeichnen, weil dadurch mehr als durch alles Andere der Name Gottes entweiht würde!

Tatsächlich ist also sowohl dieses Gesetz gegen Apostasie und Häresie, eben so wie andere Gesetze, die nach dem Rechtsbewusstsein der Jetztzeit als Ungerechtigkeit gelten könnten, für die heutige Praxis hinfällig, und zwar nicht bloß wegen der ausdrücklichen Erklärungen der späteren Rabbinen, sondern auch wegen der Bestimmungen des Schulchan-Aruch und der alten Rabbinen selbst, dass die Profanation des göttlichen Namens das schwerste Verbrechen gegen das Religionsgesetz ist. Wir behaupten daher mit der aller größten Entschiedenheit, dass die Rabbinen nur dasjenige gegen Nichtjuden erlaubten, was bei den Nichtjuden entweder gar nicht verboten war, oder wenigstens Andersgläubigen gegenüber nicht für unrecht galt, und dass in Folge dessen heutzutage nach dem Schulchan-Aruch und den Rabbinen Alles, was nach dem Staatsgesetze oder der allgemeinen Moral für unrecht gilt, dem Nichtjuden gegenüber viel strenger verboten ist, als gegenüber den Juden. Das Verbot von Chillul-Haschem, das nach jüdischer Lehre als das schwerste religiöse Verbrechen gilt, verbietet strengstens jede Tat, die das Rechtsbewusstsein und die Moral der Zeit nicht billigt, und hebt somit alle diejenigen Gesetze des Schulchan-Aruch vollständig auf.«]

11) Dagegen, Nichtjuden mit denen wir keinen Krieg führen und jüdische Viehhirten und ähnliches, bei diesen soll man ihren Tod nicht verursachen aber es ist verboten sie vor dem Tod zu retten. Z.B. man sah wie einer von ihnen ins Meer fiel, so darf man ihn nicht retten, wie geschrieben steht: »Du sollst nicht gleichgiltig beim Blute deines Nächten stehen« (Lev. 19:16), diese sind aber nicht deine Nächsten.

12) Das gesagte gilt von Juden, die ständig sündigen, in ihrer Bosheit immer verbleiben und sie wiederholen, wie z.B. Viehhirten, die das Gebot des Diebstahls verleugnen und Uneinsichtigkeit bleiben. Dagegen, ein sündiger Jude, der in seiner Bosheit nicht immer verbleibt — er sündigt nur zum eigenen Genuss, wie beim Verzehr von unkoscherem Fleisch — ihn zu retten ist ein Gebot und es ist verboten gleichgültig bei seinem Blute zu stehen.

5. Kapitel — Die Verbannung des unabsichtlichen Mörders

1) Wer unabsichtlich בִּשְׁגָגָה einen Mord begeht, muss aus der Gegend, wo die Tat stattgefunden, nach einer der Asylstädte flüchten. Diese Verbannung ist ein Gebot der Schrift, denn es steht geschrieben: »Er bleibe dort bis der Hohepriester gestorben ist« (Num. 35:25). Dem Gericht ist es untersagt, Lösegeld כֹּפֶר von einem nicht vorsätzlichen Totschläger anzunehmen, um ihm den ferneren Aufenthalt in seinem seitherigen Wohnorte zu ermöglichen, wie auch geschrieben steht: »Auch dürft ihr kein Sühnegeld nehmen von dem Flüchtlinge am Orte des Asyls« (Num. 25:32).

2) Wer einen Andern nicht vorsätzlich tötete, wird nur dann verbannt, wenn der Gemordete unmittelbar darauf verschieden ist. Verwundet Jemand einen Andern aus Versehen, und derselbe erkrankt und stirbt, so wird er, wenn man denselben auch sogleich für tödlich verwundet erkannte, dennoch nicht verbannt, denn es wäre in solchem Falle doch möglich, dass der Verwundete auch selbst zu seinem Tode beigetragen, oder dass der Zutritt der Luft zur Wunde seinen Tod herbeiführte. Auch wenn Einer dem Andern die Luft- und die Speiseröhre im Versehen durchschneidet, und dieser dennoch darnach einige Zeit am Leben bleibt, so braucht, der dies getan, trotzdem nicht zu flüchten. Wenn aber der Gemordete gar nicht zappelte פִּרְכֵּס, oder wenn der Mord in einem verschlossenen Orte, z. B. in einem wohl verwahrten marmornen Hause, verübt wurde so muss der Mörder flüchten, und so auch in anderen Fällen.

3) Ein Israelit, der unabsichtlich einen Sklaven oder einen ansässigen Proselyten גֵּר תּוֹשָׁב (Ben Noach) erschlagen hat, muss flüchten. Das Gleiche muss auch ein Sklave tun, der einen Israeliten oder einen ansässigen Proselyten unabsichtlich erschlagen hat oder auch ein Proselyt, der einen andern ansässigen Proselyten oder einen Sklaven unabsichtlich erschlagen hat. Alle diese werden verbannt, wie auch geschrieben steht: »Den Kindern Israel und den Proselyten, und den Beisaßen unter ihnen (Num. 35:15).«

4) Ein ansässiger Proselyt (Ben Noach), der einen Israeliten unabsichtlich tötet, wird hingerichtet. Obwohl er unersetzlich tötete, gilt der Mensch immer als verantwortlich für seine Taten מוּעָד לְעוֹלָם. Das gleiche gilt, wenn ein ansässiger Proselyt einen ansässigen Proselyten tötet, weil er denkt, dass töten erlaubt sei, ist es einem vorsätzlichen Mord nahe und wird dafür getötet. Ein Nichtjude, der einen Nichtjuden tötet darf keine Zuflucht in den Exilstädten suchen, weil es steht: »Für die Kinder Israels« (Num. 35:15).

5) Ein Sohn, der seinen Vater unabsichtlich ermordet, muss verbannt werden; ebenso auch ein Vater, der seinen Sohn tötet, jedoch nur dann, wenn es nicht beim Unterricht oder bloß bei der Anleitung zu einem fremdartigen Hand werke geschieht, von dem der Sohn keinen Nutzen ziehen kann. Bestraft aber Jemand seinen Sohn beim Studium der Tora oder beim Unterricht in den Wissenschaften, oder während der Anleitung zu einer Profession und er stirbt in Folge dessen, so ist der Vater frei.

6) Das Gleiche gilt nun auch von einem Lehrer, der seinen Schüler bestraft, oder einem Gerichtsdiener, welcher eine Angeklagten züchtigt, der sich weigert vor Gericht zu erscheinen, wenn diese den Schuldigen unabsichtlich töteten, in welchem Falle sie nämlich nicht mit Verbannung bestraf werden. Denn es steht geschrieben: »Holz abzuhauen« (Deut. 19:5), es handelt sich hier also um eine Handlung, der man nicht verpflichtet ist, weshalb jene Strafe nicht in Anwendung kommt bei einem Vater, der seinen Sohn züchtigt, bei einem Lehrer, der seinen Schüler bestraft, noch bei einem Gerichtsdiener, da diese den unvorsätzlichen Mord bei Ausübung ihrer Pflichten begangen haben.

7) Zunächst flüchtet sowohl der vorsätzliche, als der unvorsätzliche Totschläger nach einer der Asylstadt, worauf das Gericht derjenigen Stadt, wo der Mord vorgefallen, dorthin sendet, den Mörder holen lässt und über ihn Gericht hält, wie geschrieben stehe: »So sollen die Ältesten seiner Stadt nach ihm senden und ihn von dort abholen lassen« (Num. 19:12). Erfolgt nun das Todesurteil, so wird er hingerichtet, wie geschrieben steht: »Und sie ihn in die Hände des Bluträchers liefern« (ebenda). Wer freigesprochen wird, wird befreit, wie heißt: »Die Gemeinde soll den Totschläger aus der Hand des Bluträchers retten« (Num. 35:25). Wem aber das Exil zuerkannt wird, der wird wieder dorthin zurückgebracht, denn es steht geschrieben: »Und die Gemeinde soll ihn zurückbringen nach seiner Asylstadt« (ebenda).

8) Bei der Rückreise werden ihm zwei Gelehrte beigegeben, mit den Worten: »Man behandle ihn nicht wie einen der Blut vergossen hat, nur aus Versehen ist ihm dies begegnet«, deren Aufgabe es ist, zu verhüten, dass der Bluträcher ihn nicht auf der Rückreise töte.

9) Ein Bluträcher, der einen unvorsätzlichen Mörder außerhalb des Bereiches seiner Asylstadt erschlägt [1,5 km], ist frei, denn es steht geschrieben: »Ihm kann die Todesstrafe nicht zuerkannt werden« (Deut. 19:6).

10) Dies gilt nun sowohl, wenn er ihn auf dem Wege zur Asylstadt, noch bevor er dieselbe erreichte, als auch, wenn ihn auf seiner Rückreise, in Gegenwart der ihm zu seinem Schutz mitgegebenen Begleiter ermordete. Hat der Schuldige, nachdem er die Asylstadt bereits erreicht hatte, wieder mutwillig die Grenzen derselben überschritten, so hat er se Leben preisgegeben und der Bluträcher hat das Recht ihn zu töten. Tötet ihn aber irgend ein Anderer, so ladet dieser dadurch keine Schuld auf sich, denn es steht geschrieben »Es findet bei ihm keine Blutschuld statt« (Num. 35:27).

11) Überschreitet er aus Versehen den Umkreis seiner Asylstadt, so muss derjenige, welcher ihn tötete, sei es ein Bluträcher oder eine andere Person, deshalb flüchten. Tötet ihn aber Jemand innerhalb des Bereiches seiner Asylstadt, so wird dieser, auch wenn es ein Bluträcher ist, hingerichtet.

12) Der Altar hat ebenfalls die rechtliche Wirkung einer Asylstätte, denn es heißt beim vorsätzlichen Mörder: »So sollst du ihn von meinem Altare hinwegführen zum Tode« (Ex. 21:14), woraus zu schließen ist, dass derjenige, welcher einen unvorsätzlichen Mord begangen, beim Altar nicht getötet werden darf. Wenn sich daher Jemand der einen unabsichtlichen Mord verübte, im Asylbereich des Altars befindet und wird dort vom Bluträcher erschlagen, so verfällt dieser in Folge dessen eben so gut der Hinrichtung als wenn er es innerhalb einer Freistadt getan hätte.

13) Dies Asylrecht ist jedoch nur auf die oberste Fläche des Altars גַּגּוֹ im Ewigen=Hause בֵּית הָעוֹלָמִים beschränkt, und gilt auch nur zu Gunsten eines im Altardienste begriffenen Priesters, wogegen aber dieser Ort einem Nichtpriester oder einem Priester, der im Augenblicke, wo man ihm nach dem Leben trachtet, grade keinen Dienst verrichtet, keinen Schutz gewährt. Eben so wenig findet ein diensttuender Priester Schutz, wenn er nicht grade auf der obersten Fläche des Altars sich befindet, sondern sich nur in dessen Nähe aufhält, oder sich auf die Ecken desselben stützt.

14) Dies Alles gilt aber nur von einem zur Verbannung Verurteilten; wer hingegen aus Furcht vor dem Urteil des Königs oder des Gerichts [aus Not], dem er als Opfer fallen könnte, zum Altar läuft und sich an denselben lehnt, der wird verschont. In diesem Falle reißt man ihn vom Alter nicht weg, um ihn hinzurichten, es sei denn, dass er vom Gericht, nach erfolgtem vollständigen Zeugenverhör und gehöriger Verwarnung, in aller, bei solchen Fällen üblichen Förmlichkeit, zum Tode verurteilt worden wäre. [Dann reißt man ihn vom Altar weg.]

6. Kapitel — Definition des unabsichtlichen Mordes

1) Die unvorsätzlichen בִּשְׁגָגָה Mörder werden in drei Klassen geteilt.

2) Zur ersten Klasse werden Diejenigen gerechnet, welche im Zustande völliger Unachtsamkeit הַעֲלָמָה גְּמוּרָה Jemand töten; von ihnen heißt es: »Wer aber nicht Acht gehabt hat« (Ex. 21:13), und ihre Strafe besteht darin, dass sie nach einer Asylstadt flüchten müssen, wie bereits oben erwähnt.

3) Zur zweiten Klasse werden Diejenigen gerechnet, welche Andere durch ein Versehen בִּשְׁגָגָה ums leben gebracht, welches an einen unabwendbaren Unfall grenzt הַשְּׁגָגָה קְרוֹבָה לְאֹנֶס, wenn nämlich die Tötung in Folge eines ungewöhnlichen Vorfalls geschah מְאֹרַע פֶּלֶא, dergleichen dem Menschen, im gewöhnlichen leben, nur sehr selten zu begegnen pflegen. Ein solcher Mörder unterliegt nicht der Verbannung, und ein Bluträcher, der ihm das Leben nimmt, wird hingerichtet.

4) Zur dritten Klasse rechnet man diejenigen Mörder, welche durch ein an leichtfertig grenzendes Versehen הַשְּׁגָגָה קְרוֹבָה לְזָדוֹן den Tod Anderer herbeigeführt haben, z. B. wenn die Tötung die Folge einer schweren Fahrlässigkeit פְּשִׁיעָה zu sein scheint, oder wenn der Schuldige hätte vorsichtig sein sollen, es aber unterlassen hatte. Ein solcher wird auch nicht verbannt. Seine Sünde ist so schwerer Natur, dass sie durch eine bloße Verbannung nicht gesühnt werden könnte, weshalb auch die Asylstädte ihm kein Asyl bieten können, denn die Asylstädte schützen nur Denjenigen, welchem die Verbannung zuerkannt ist. Überall also, wo der Bluträche einen solchen Mörder trifft, steht es ihm frei denselben zu töten.

5) Einem Solchen blieb nichts Anderes übrig als rückgezogen und stets auf seiner Hut vor dem Bluträcher zu sein. So verhält es sich auch mit anderen Totschlägern welche den Mord in Gegenwart eines einzigen Zeugen und ohne vorhergegangene Warnung verübt haben. Wenn die Bluträcher einen Solchen erschlagen, hat er dafür keine Strafe zu erleiden אֵין לָהֶן דָּמִים, denn dieser [der Todschläger mit nur einem Zeugen] hatte auf keinen Fall mehr Recht auf Schonung, als ein unvorsätzlicher Mörder.

6) Wenn z. B. Jemand einen Stein nach einem öffentlichen Platze wirft, und dadurch einen Andern tötet oder wenn er eine Mauer nach einem öffentlichen Platze zu zertrümmert und ein Stein trifft Jemanden und tötet ihn, mag nun das Zertrümmern der Mauer bei Tag oder bei Nacht geschehen sein, so wird eine solche Handlung immer als eine vorsätzliche betrachtet [3. Klasse] קָרוֹב לְמֵזִיד, und das Asylrecht hat dann gar keine Geltung. Hier kommt eine nicht zu entschuldigende Fahrlässigkeit פְּשִׁיעוּת in Betracht, denn man hätte früher nachsehen müssen [ob da Menschen sind] und dann erst den Wurf machen oder den Umsturz der Mauer bewirken müssen.

7) Zertrümmert Jemand die Mauer des Nachts nach einem Misthaufen zu und zwar an einer Stelle, wo häufig Menschen hinkommen, so betrachtet man ihn, als einem vorsätzlichen Mörder [3. Klasse] קָרוֹב לְמֵזִיד und das Asylrecht findet bei ihm keine Anwendung. Geschieht es aber an einer Stelle, welche nie von der Menge betreten wird, so wird seine Handlung mehr als ein Unfall קָרוֹב לְאֹנֶס angesehen [2. Klasse], und er wird nicht verbannt.

8) Ist es ein Misthaufen, wo man seine Notdurft nur des Nachts, aber nicht bei Tage zu verrichten pflegt, und es kommt Jemand, setzt sich dorthin und wird von einem aus der umgeworfenen Wand abspringenden Steine erschlagen, so muss der, welcher die Wand zertrümmert, flüchten. [1. Klasse, nicht 3. Klasse, weil am Tage niemand zugegen ist und nicht 2. Klasse, weil jemand am Tage zugegen sein könnte.]

Setzte sich Jemand dorthin, nachdem sich der Stein schon von der Mauer habgelöst hatte, und wird dann durch dessen Herabfallen getötet, so braucht Derjenige, welcher die Mauer umgeworfen, nicht zu flüchten.

9) Auch wenn Jemand einen Stein wirft, und es steckt ein Anderer, nachdem der Stein schon aus der Hand des Werfenden entwichen ist, seinen Kopf [zum Fenster] hinaus und wird getroffen, so ist der Werfende frei von der Verbannung, denn es steht geschrieben: »Und er trifft seinen Nächsten« (Deut. 19:5), weshalb auf den Fall wo Jemand sich selbst dem Wurfe darbietet, dieses Gebot keine Anwendung finden kann.

10) Ist der unvorsätzliche בִּשְׁגָגָה Mörder als ein Feind des Gemordeten bekannt, so kann er nicht in der Asylstadt aufgenommen werden [der König kann ihn töten lassen, siehe Könige 3:10], denn es steht geschrieben: »Er war ihm aber nicht Feind« (Num. 35:23), weil von ihm vorausgesetzt wird, dass er mit Vorsatz handeln wollte. Wen nennen wir aber Feind? Denjenigen, der mit einer andern Person aus Hass מִפְּנֵי הָאֵיבָה drei Tage lang nicht spricht. So wird er auch den vorsätzlichen Mördern gleichgestellt und geht des Asylrechts verlustig. Ferner der sich in einen Winkel zurückzieht und daselbst einen Andern unabsichtlich umbringt; wer einen Andern mit dem Körper stößt, wer zwei Dinge zu werfen beabsichtigt und vier wirft, wer in dem Wahne lebt, dass es erlaubt sei zu morden; wer Absicht hegt, den Einen zu morden und dagegen einen Anden umbringt, selbst wenn er die Absicht gehabt hätte ein Vieh zu töten und dagegen einen Israeliten traf [der sein Feind war, alle diese haben kein Recht auf Asyl].

11) Wenn Jemand in eines Andern Hof ohne Erlaubnis eintritt und dieser ihn unabsichtlich בִּשְׁגָגָה tötet, so ist er frei von Verbannung, denn es steht geschrieben: »Und wem Einer mit seinem Nächsten in den Wald geht« (Deut. 19:5); hier ist also von einem Orte die Rede, wohin es dem Gemordeten freistand zu gehen, so gut wie in einen Wald. Wenn daher Jemand in die Werkstatt eines Zimmermanns ohne dessen Erlaubnis eintritt und ein Span abspringt, sein Gesicht trifft und ihn tötet, so ist der Zimmermann von der Verbannung befreit. Bat aber der Eintretende zuvor um Erlaubnis, so muss der Zimmermann flüchten.

12) Wenn Jemand ein Fass aufs Dach heraufzieht und das Fass fällt, nachdem der Strick gerissen, auf ein Andern herab und tötet ihn oder wenn Jemand auf eine Leiter hinaufsteigend herabfällt, und einen Andern tötet, so ist er frei von der Verbannung, denn solche Handlungen werden als Unfälle אָנוּס angesehen, weil sie nicht oft vorkommen und deshalb den Wundern gleichzustellen sind.

Wenn aber Jemand ein Fass von oben herablässt und es herunterstürzt und einen Andern tötet oder wenn Jemand, von einer Leiter herabsteigend, auf einen Andern fällt, oder wenn Jemand mit der Walze glättet, diese aber herabfällt und unten Jemanden totschlägt, so müssen diese flüchten; denn es steht geschrieben: »Dieses hat er auf ihn geworfen, dass er gestorben ist« (Num. 35:23). Der Gegenstand muss also eine Richtung nehmen, wie bei einem gewöhnlichen Fall, denn nur dann ist ein entstandener Schaden eine natürliche Folge, weil die eigene Schwere die Gegenstände rasch nach unten zieht. Deshalb hätte jener beim Herunterlassen vorsichtig sein sollen, und es auf eine sichere Art einrichten müssen; weil er dies aber nicht getan, muss er flüchten. Dies gilt nun auch in anderen ähnlichen Fällen.

13) Bei einem Fleischer, wenn er auf die übliche Weise, beim Zerlegen des Fleisches und der Knochen, das Beil in die Höhe hebt, dasselbe nach hinten schwingt, und dann wieder herunterlässt, gilt als Regel, dass er nicht flüchtig zu werden braucht, wenn er Jemand beim Zurückziehen des Schlachtmessers, nämlich beim Aufschwung vorn und beim Herunterlassen nach hinten, tötet. Wogegen er flüchten muss, wenn er Jemanden beim Zuschlagen mit dem Schlachtmesser tötet, d. h. beim Aufschwingen von hinten und beim Herunterlassen nach vorn; die Hauptregel dabei ist, dass wenn ein Mord durch das Niederlassen des Schlachtmessers veranlasst wurde, man fliehen muss, wo hingegen man vom Exil befreit ist, wenn man durch das Zurückziehen des Schlachtmessers tötet, selbst wenn das Zurückziehen nur als eine Vorbereitung zum Zuschlagen angesehen werden musste.

14) Wenn z. B. Jemand eine Leiter besteigt, ihm eine Sprosse unter den Füßen bricht und er herabfallend einen Andern tötet, so braucht er nicht die Flucht zu ergreifen. Eben so wenig der, welcher einen Gegenstand nach der einen Seite hin werfen will, und selbiges nach einer andern fällt oder Derjenige, der einen Stein, ohne davon zu wissen, auf seinem Schoße liegen hat, den er beim Aufstehen auf Jemanden fallen lässt und diesen dadurch tötet, ferner auch ein Blinder, der aus Versehen Jemand umbringt. Alle diese Personen unterliegen nicht der Strafe der Verbannung, weil ihre Handlungen einem Unfall קְרוֹבִין לְאֹנֶס nahe kommen.

15) Dagegen muss Derjenige die Flucht ergreifen, welcher einen Stein im Schoße liegen hatte, von dem er recht wohl wusste, den er aber wiederum vergessen, und alsdann beim Aufstehen auf einen Andern hatte fallen lassen, dessen Tod nun dadurch herbeigeführt worden war. Denn es steht geschrieben »Aus Versehen בִּשְׁגָגָה« (Num. 35:11), woraus zu entnehmen dass er früher von dem Vorhandensein des Steines unterrichtet gewesen sein musste.

Springt das Eisen der Axt ab, so muss er flüchten. Springt das Eisen der Axt ab beim Schlag auf das Holz, braucht man nicht zu flüchten, weil der Totschlag nicht unmittelbar durch die Kraft des Schlagenden bewirkt wurde, sondern durch eine von diesem in Bewegung gesetzten Kraft, weshalb man die in Folge derselbe geschehene Tötung, als einen Unfall אֹנֶס anzusehen hat. So ist auch Derjenige befreit von der Verpflichtung zur Ergreifung der Flucht, welcher mittelst eines Steines von einer Dattelpalme Datteln herabwirft, welche auf ein Kind fallen und dieses töten, weil das Herabfallen der Datteln nur eine Wirkung der mittleren Kraft war. Dasselbe gilt aber auch in ähnlichen Fällen.

7. Kapitel — Die Verbannung und die Rückkehr

1) Wenn ein Schüler nach einer Asylstadt flüchten muss, so sorge man dafür, dass sein Lehrer ihn dorthin begleiten könne, denn es steht geschrieben: »dass er leben bleibe« (Deut. 19:5), welche Worte so zu verstehen sind, dass man dafür sorgen müsse, dass er daselbst leben bleibe. Nun ist aber das Leben eines Weisen, oder eines die Weisheit liebenden Mannes, ohne Tora-Studium, dem Tode gleich zu erachten. Ebenso sorge man auch, wenn ein Lehrer flüchtig werden muss, dass mit ihm auch seine Jeschiwa hinwegziehe.

2) Wenn ein Sklave nach einer Asylstadt verbannt wird, so hat sein Herr nicht nötig ihn zu ernähren, während der Ertrag von seiner Hände Arbeit nichts desto weniger dem Herrn angehört. Eine Frau hingegen, welche nach einer Asylstadt zu flüchten genötigt war, muss von ihrem Mann ernährt werden, und dieser darf sie keineswegs mit den Worten abfertigen: Bestreite deinen Lebensunterhalt mit dem, was du dir mit deinen Händen erwirbst, — es sei denn, dass dieser Erwerb hierzu ausreiche.

3) Wenn ein Totschläger, der zur Verbannung verurteilt worden ist, noch ehe er die Flucht antreten konnte, stirbt, so werden seine Knochen in die Asylstadt gebracht. Ein Totschläger, der in einer Asylstadt starb, wird auch daselbst begraben und sobald der Hohepriester stirbt, werden seine Gebeine von dort nach der Grabstätte seiner Vorfahren gebracht.

4) Andere in einer Asylstadt ansässige Leviten werden, wenn sie sterben, weder in der Stadt selbst, noch in deren Bereiche beerdigt, denn es steht geschrieben: »Und deren Bezirke seien für das Vieh und ihre Habe, und all ihren Lebensbedarf« (Num. 35:3), hier ist also nur des Bedarfs für das Leben gedacht, nicht aber dessen, was man zum Zwecke der Beerdigung nötig hat.

5) Wenn ein Totschläger in seiner Asylstadt wieder einen unvorsätzlichen Totschlag verübt, so muss er aus einem Stadtviertel nach dem andern flüchten, darf aber nie aus der Stadt heraustreten. Wenn ein Levit in seiner Wohnstadt einen Mord begeht, so muss er nach einer andern levitischen Stadt flüchten, weil sämtliche dem Stamme Levi zugehörenden Städte das Asylrecht besitzen, worauf wir später wieder zurück kommen werden (8:9). Hat Jemand den Todschlag außerhalb der Leviten Städte begangen und flieht nach seinem levitischen Wohnorte, so übt dieser das Asylrecht zu seinen Gunsten.

6) Wenn der größere Teil der Einwohner einer Stade aus Totschlägern besteht, so hört sie auf das Asylrecht auszuüben, denn es steht geschrieben: »Und er spricht in die Ohren der Stadtältesten seine Worte« (Josua 20:4), also wird vorausgesetzt, dass seine Worte nicht den ihrigen gleich seien. So hat auch eine Stadt, in welcher sich keine Ältesten befinden, kein Asylrecht, weil geschrieben steht »Den Ältesten dieser Stadt«.

7) Wenn ein Totschläger nach seiner Asylstadt flüchtet und die Einwohner ihm Ehre erweisen wollen, so muss er zu ihnen sagen: Ich bin ein Totschläger. Erwidern sie ihm: Dennoch erweisen wir dir Ehre — so kann er es von ihnen ruhig annehmen.

8) Der Flüchtling darf die Asylstadt niemals verlassen, selbst nicht einer Pflichterfüllung halber, oder um ein Zeugnis, mag es sich nun dabei um Gelder oder Menschenleben handeln, abzulegen, selbst dann nicht, wenn das Leben eines Menschen dadurch gerettet werden, oder wenn ein Jude aus den Händen der Nichtjuden, aus einem Fluss, aus einem Feuer oder einem Einsturz, dadurch gerettet werden könnte, auch sogar dann nicht, wenn ganz Israel seiner Hilfe bedürfte, wie wenn er z. B. Joab, Sohn der Zoruja wäre [Feldherr Davids Armee], und wenn auch alle diese Veranlassungen vorhanden wären, so darf sich der Totschläger dennoch niemals vor dem Tode des Hohenpriesters herauswagen. Denn wenn er trotzdem rausgeht, so gibt er sich dem Tode preis, wie bereits oben näher auseinandergesetzt worden ist (5:10).

9) Auch der nur durch mehrfache Kleider Erkennbare Priester הַמְּרֻבֶּה בִּבְגָדִים, sowohl der amtlich Fungierende Priester הַכֹּהֵן הַגָּדוֹל הָעוֹבֵד, als auch der außer Dienst sich Befindende Priester, Alle ermöglichen durch ihren Tod die Rückkehr des Totschlägers. Der zum Kriege gesalbte Priester hingegen ist nicht geeignet durch seinen Tod die Rückkehr des Flüchtlings zu ermöglichen, weil man ihn nur als einen gewöhnlichen Priester betrachtet.

10) Wenn das Verbannungsurteil über einen Totschläger zu einer Zeit ausgesprochen wird, wo kein Hohepriester vorhanden ist, oder wenn Jemand einen Hohepriester totschlägt, oder gar dieser [der Hohepriester] einen Mord begeht, und kein anderer Hohepriester während dessen vorhanden ist, so müssen jene flüchtig werden, und dürfen nie mehr die Asylstadt verlassen.

11) Stirbt der Hohepriester, nachdem das Verbannungsurteil des Totschlägers ausgesprochen worden, und noch bevor er seine Flucht angetreten, so braucht dieser nicht mehr zu flüchten. Stirbt aber der Priester, noch vor Fällung des Urteils, so darf der Totschläger erst nach dem Tode des neuen Hohenpriesters, bei dessen Amtsantritt sein Urteil gesprochen wurde, in seine Heimat zurückkehren.

12) Fand es sich, nachdem das Urteil gesprochen war, dass der Hohepriester, der Sohn einer geschiedenen Frau, oder einer Frau sei, welche die Leviratsehe vollzogen hat, so wird die Hohepriesterstelle als nicht besetzt betrachtet, und das Urteil ist demnach zu einer Zeit gesprochen, wo kein Hohepriester vorhanden war, aus diesem Grund ist es ihm nicht gestattet, jemals seine Asylstadt zu verlassen.

13) Ein Totschläger, der nach dem Tode des Hohenpriesters, in seine Heimat zurückgekehrt ist, steht allen anderen Personen gleich, so dass der Bluträcher, wenn er ihn dann noch tötet, dafür hingerichtet wird, weil die Missetat bereits durch die Verbannung gesühnt war.

14) Wenngleich er nun aber seine Sünden abgebüßt hat, so tritt er dann dennoch nicht wieder in seine früheren Ämter שְׂרָרָה ein, sondern er darf seine ganze übrige Lebenszeit hindurch dann keine weitere Würde mehr bekleiden, weil er einmal einen so bedeutenden Unfall herbeigeführt hatte.

15) Wennschon Derjenige, welcher seinen Vater vorsätzlich verwundete, zu Folge eines Richterspruchs hingerichtet wird, grade so wie Jemand, der einen Andern ermordete, so brauche dennoch der, welcher seinen Vater oder seine Mutter unabsichtlich verwundete, keineswegs flüchtig zu werden, weil die Tora nur Demjenigen, der vorsätzlich ein Menschenleben hinmordete, die Flucht auferlegte, wie wir bereits oben gezeigt haben.

8. Kapitel — Die Asylstädte

1) Es ist geboten, die Asylstädte zu bestimmen, wie auch geschrieben steht: »Drei Städte sollst Du bestimmen« (Deut. 19:2). Die Bestimmung hinsichtlich der Asylstädte hat nur in Erez Israel Gültigkeit.

2) Sechs Städte waren zu Asylstädten erklärt worden; drei derselben hatte nämlich unser Lehrer Moses jenseits des Jordans dazu bestimmt, und drei derselben waren von Josua im Lande Kanaan dazu angewiesen worden.

3) Keine der Asylstädte hatte das Aufnahmerecht bevor nicht alle übrigen gehörig abgesondert waren, denn es steht geschrieben: »Sechs Freistädte sollt ihr haben« (Deut. 19:2), wodurch unser Lehrer Moses, hochseligen Andenkens, nur zu verstehen gibt, dass die drei Asylstädte jenseits des Jordans, das Asylrecht nicht ausüben können, bevor die drei kanaanitischen Asylstädte nicht gehörig abgesondert werden. Warum aber sonderte er sie sogleich ab? Er dachte bei sich: Da einmal die Pflichterfüllung mir in die Hand gelegt ist, so will ich sie auch gern üben.

4) Künftig, in den Zeiten des Königs Messias, werden zu diesen sechs Städten noch drei andere Asylstädte auserkoren werden, denn es steht geschrieben: »Dann sollst du noch drei Städte hinzutun zu jenen dreien« (Deut. 19:9). Wo aber werden die neu hinzukommenden Asylstädte angewiesen werden? Unter den Städten des Keni, des Kenisi und des Kadmoni, welche unserem Ahnherrn Abraham bei der Stiftung des Bundes zugesprochen (Gen.15:18-19), dem ungeachtet aber später nicht erobert worden waren; auf diese aber deutet die Tora hin, mit den Worten: »Wenn aber der Ewige, dein Gott, dein Gebiet erweitert« (Deut. 19:8-9).

5) Das Gericht ist verpflichtet, die Straße, welche nach den Asylstädten führt, in gutem Stande zu erhalten, d. h. sie stets ausbessern zu lassen, sie zu erweitern, und alle dort befindlichen Anlasse zum Straucheln und Anstoßen hinwegschaffen zu lassen. Ferner darf auf dem Wege dahin weder Hügel, Tal noch Fluss zum Hindernis werden; über letzteren schlage man eine Brücke, damit der Flüchtling nicht aufgehalten werde, denn es steht geschrieben: »Richte dir den Weg ein« (Deut. 19:3). Die Breite der nach der Asylstadt führenden Landstraße darf nicht weniger als zweiunddreißig Ellen betragen [16 m]. Bei allen Scheidewegen, müssen sich Wegweiser mit der Aufschrift befinden: Zur Asylstadt! — damit die Totschläger es bemerken, und sich darnach zu richten wissen.

6) Jährlich, am fünfzehnten Adar, sendet das Gericht Beauftragte zur Instandsetzung der Straßen hinaus, welche alle schadhaften Stellen ausbessern müssen, und wenn sich das Gericht hierin nachlässig erweist, so rechnet die Schrift es ihm so an, als hätte es Blut vergossen.

7) Auch wird gleich bei der Bestimmung der Weg zwischen der einen und der andern Asylstadt gemessen, auf dass sie alle drei gleich weit von einander abstehen, wie auch geschrieben steht: »Richte dir den Weg ein« (ebenda).

8) Man bestimme zu Asylstädten, weder große Städte, noch große oder kleine Festungen, sondern bloß Städte mittlerer Größe, auch verlege man sie nur nach Orten, wo Märkte gehalten werden, und wo hinreichender Vorrat an Trinkwasser vorhanden ist. Befindet sich aber kein Wasser im Ort, so wird es dorthin geleitet. Ferner dürfen nur Orte zu Asylstädten auserkoren werden, welche eine beachtliche Einwohnerzahl haben. Hat die Einwohnerzahl einer Asylstadt abgenommen, so suche man sie zu vermehren. Sind Wohnungen daselbst verfallen, so suche man daselbst Priester, Leviten und Israeliten anzusiedeln. Auch darf man dort weder Netze ausbreiten, noch Stricke aushängen, damit die Bluträcher nicht Gelegenheit haben, häufig dorthin zu kommen.

9) Alle Städte der Leviten haben das Asylrecht, und also ist jede von ihnen eine Asylstadt, denn es steht geschrieben: »Außerdem bestimmt noch zweiundvierzig Städte, nämlich: alle Städte, die ihr den Leviten einräumt; im Ganzen also achtundvierzig Städte« (Num. 35:6-7). Diese also hat die Schrift hinsichtlich des Asylrechts alle untereinander gleichgestellt.

10) Worin aber unterscheiden sich die eigens als Asylplätze angewiesenen Asylstädte von den levitischen Städten? Dadurch, dass während die Asylstädte gleichmäßig, den mit Bedacht und den zufällig dorthin Kommenden, das Asylrecht gewähren, die übrigen levitischen Städte nur Denjenigen aufzunehmen das Recht haben, der sie absichtlich aufsucht. Ferner unterscheiden sich die eigentlichen Asylstädte von den levitischen dadurch, dass die in ersteren sich aufhaltenden Totschläger keinen Mietzins zu zahlen brauchen, während dieselben in den anderen Städten den Wirten, bei denen sie wohnen, Miete bezahlen müssen.

11) Das einer Stadt zustehende Asylrecht erstreckt sich auch auf deren Gebiet. Steht ein Baum innerhalb des Gebietes einer Asylstadt, während dessen Zweige über die Grenze des Stadtgebiets hinüberragen, so sind die unter diesen Zweigen stehenden auch schon des Asylrechts teilhaftig. Steht aber der Baum außerhalb des Stadtgebiets, und dessen Zweige reichen in das Stadtgebiet hinüber, so wird der am Stamme Stehende, auch schon als des Asylrechts teilhaftig angesehen, und wer ihn daselbst tötet, wird mit dem Tode bestraft. Wenn nun zwar der Umkreis das Asylrecht gewährt so darf dennoch der Totschläger daselbst nicht wohnen, denn es steht geschrieben: »Und er bleibe wohnen in ihr« (Num. 35:25), also nicht in ihrem Umkreise.

9. Kapitel — Das genickgebrochene Kalb

1) Wenn ein Erschlagener auf der Erde liegend gefunden wird und es unbekannt ist, wer ihn erschlagen hat, so lasse man ihn daselbst liegen bis fünf Älteste vom hohen Gericht zu Jerusalem herzugekommen, wie auch geschrieben steht »So sollen deine Richter und deine Ältesten hinausgehen (Deut. 21:2). Es ist nun die Pflicht dieser Ältesten die Entfernung von dem Orte, wo der Erschlagene gefunden wurde, nach den Städten ringsumher abzumessen, ja selbst wenn der Erschlagene neben einer Stadt gefunden wurde, wo man also sicher annehmen könnte, dass dieselbe die nächstliegende sei, so ist es dennoch Pflicht die Messung vorzunehmen.

2) Nachdem man gemessen und die nächste Stadt ausgemittelt hat, wird der Erschlagene auf derselben Stelle beerdigt, wo man ihn gefunden. Die Ältesten aus Jerusalem reisen nach Hause und das Gericht der nächst gelegenen Stadt bringt dann ein vom Gelde der Einwohner gekauftes Rinderkalb, und führt es zu einem schnell fließenden Bache hinab, worauf die Thora mit dem Worte »Eithan אֵיתָן« hinweist (Deut. 21:3).

3) Darauf wird dem Kalbe, mit dem Schlachtmesser קֻפִּיס durch einen Schlag von hinten, das Genick gebrochen. Alsdann wäscht das Gericht samt allen Ältesten dieser Stadt, auch wenn ihrer hundert anwesend wären, sobald der Nacken des Kalbes gebrochen, daselbst die Hände, und sie sprechen dabei folgende Worte in Hebräischer Sprache: »Unsere Hände haben dieses Blut nicht vergossen und unsere Augen Nichts gesehen«, (Deut. 21:7) was nämlich soviel heißen soll, als: Wir haben den Gemordeten, da er zu uns kam, nicht ohne Nahrung entlassen, wir haben ihn nicht gesehen und ohne Schutz weiter gehen lassen. Hierauf sprechen die Priester folgende Worte in Hebräischer Sprache: »Vergib deinem Volke Israel….« (Deut. 21:8) und gehen dann ihres Weges. Der Hochheilige aber, gelobt sei Er, vergibt alsdann die Blutschuld wie geschrieben steht: »Und es soll ihnen gesühnt sein die Blutschuld« (ebenda).

4) Bei den Messungen, welche die Auffindung eines Erschlagenen zur Folge hat, wird die größte Genauigkeit beobachtet, — doch wird die Parallellinien= Methode hierbei nicht angewendet, ebenso wird nur die Messung der Entfernung nach einer Stadt hin vorgenommen, welche ein aus drei und zwanzig Mitgliedern bestehendes Gericht hat, auch ist keine Messung der Entfernung nach Jerusalem hin, weil Jerusalem als ein keinem Stamme angehörendes Gebiet, nie ein Kalb zum Zweck des Nackenbrechens darzubringen braucht, wie geschrieben stehe: »In dem Lande, das der Ewige, dein Gott, dir zum Besitz gegeben« (Deut. 21:1).

5) Wurde ein Ermordeter in der Nähe von Jerusalem oder einer Stadt gefunden, woselbst sich kein Gericht befindet, so lasse man letztere außer Acht und nimmt die Messung der Entfernung nach einer andern im Umkreise liegenden Stadt vor. War der Ermordete in der Nähe der Grenze סְפָר oder einer Stadt gefunden, wo die Mehrzahl der Einwohner aus Nichtjuden besteht, so unterlässt man die Messung ganz weil man dann annimmt, dass der Gefundene von einem Nichtjuden ermordet worden sei.

6) Nur dann liegt es der nächsten Stadt ob, das Nackenbrechen zu vollziehen, wenn die Zahl der daselbst befindlichen israelitischen Bevölkerung die Seelenzahl der Israeliten einer entfernten Stadt übertrifft. Ist aber die israelitische Bevölkerung der entfernteren Stadt zahlreicher als die der hier gelegenen, so gibt die Mehrzahl den Ausschlag und dies muss das Kalb herbeischaffen.

7) Obwohl es den Bestimmungen der Tora gleich bleibt sich nach der Mehrzahl, oder nach der Entfernung zu richten, so hat dennoch in der Regel die Mehrzahl allein den Vorzug.

8) Findet man den Erschlagenen in gleicher Entfernung zweier Städte und die Einwohnerzahl beider ist auch gleich, so bringen beide gemeinschaftlich ein Kalb zum Zweck des Nackenbrechen dar und sprechen dabei den Klausel aus: Ist die eine Stadt näher, so gelte das Kalb als das ihrige, wo dann die andere ihren Anteil derselben als Geschenk überlässt, soll aber die andere Stadt die nähere sein, so sei es umgekehrt, weil immer anzunehmen ist, dass durch Menschenhand nie eine völlig genaue Messung vorgenommen werden kann.

9) Von welchem Teile des Körpers an beginnt man die Messung? Von der Nase. Findet man den Kopfe an einer anderen Stelle als den Körper, so bringt man den Köper zum Kopfe und beerdigt ihn daselbst. Ebenso muss bei jedem Leichnam, dessen Beerdigung eine Pflicht ist, der Körper zum Kopfe gebracht, und das Ganze an Ort und Stelle begraben werden.

10) Findet man mehrere Leichen neben einander, so muss man die Messung von der Nase einer jeden einzelnen beginnen. Ergibt es sich nun, dass eine Stadt der Gesamtzahl der Leichen am nächsten liegt, so muss dieselbe einem Kalb den Nacken für alle diese Leichen brechen. Liegen aber die Leichen über einander, so wird bei der obersten [Leiche] mit der Messung begonnen.

11) Es steht geschrieben: »Wenn ein Erschlagener gefunden wird« (ebenda), also sind hier ausgenommen die Erwürgten und Solche, die sich noch bewegen können, da man von ihnen nicht sagen kann, dass sie mittelst des Schwertes erschlagen worden seien; — »am Boden«, also nicht unter Schutt verborgen; — »liegend« also nicht an einem Baume aufgehängt; — »auf dem Felde« nicht aber auf dem Wasser umherschwimmend; »ohne dass es bekannt wäre, wer ihn erschlagen«, wenn dies also bekannt ist, so unterlasse man das Nackenbrechen des Sühnekalbes.

12) Wenn auch nur ein einziger Zeuge den Mörder gesehen hatte, mag es nun ein Sklave, eine Frau oder ein als zum Zeugen unzulässiger sein, so wird in allen diesen Fällen das Nackenbrechen nicht vollzogen. Aus diesem Grund hat jetzt aber auch, da die Mordtaten sich mehrten, das Nackenbrechen der Kälber ganz aufgehört.

13) Behauptet ein Zeuge, dass er den Totschläger gesehen, und ein anderer stellt es dagegen in Abrede, indem er sagt: »Du hast ihn nicht gesehen«, so muss das Nackenbrechen begangen werden, jedoch nur wenn sie beide gleichzeitig hinzugekommen sind. Sagt aber der Eine zuerst: ich habe den Mörder gesehen, so wird seine Aussage in dieser Hinsicht als die zweier Zeugen betrachtet, und wenn nun später ein Anderer kommt, welcher dem widerspricht, sagend: »Du hast ihn nicht gesehen« so bleibt die Aussage des Andern unbeachtet und das Nackenbrechen findet nicht statt.

14) Kommen zwei Zeugen, nachdem der erste sein Zeugnis abgelegt, und widersprechen ihm mit den Worten: »Du hast ihn nicht gesehen« so werden sie als zwei einander widersprechende Zeugenpaare betrachtet und man nimmt das Nackenbrechen vor.

Wenn eine Frau aussagt: Ich habe den Mörder gesehen, und eine andere widerspricht ihr, indem sie sagt: Du hast ihn nicht gesehen, so muss das Nackenbrechen vorgenommen werden, sowohl wenn beide zusammen hinzugekommen sind, als auch wenn einzeln nach einander.

Sage zwei: Wir haben ihn gesehen, und ein Dritter entgegnet ihn Ihr habt ihn nicht gesehen, so findet das Nackenbrechen nicht statt. Sagt Einer: Ich habe ihn gesehen, und zwei Andere erwidern ihm: Du hast ihn nicht gesehen, so wird das Nackenbrechen vollzogen.

15) Dies gilt aber nur, wenn alle drei Zeugen sich hinsichtlich ihrer Zulässigkeit als Zeugen gleich sind. Sagt aber ein Zeuge: Ich habe den Mörder gesehen, und zwei Frauen, oder sonst zwei unzulässige Zeugen, sagen: Du hast ihn nicht gesehen, so unterbleibt das Nackenbrechen.

16) Sagen zwei Frauen oder zwei andere unzulässig Zeugen: Wir haben den Mörder gesehen, während ihnen ein Zeuge mit den Worten widerspricht: Ihr habt ihn nicht gesehen, so begehe man das Nackenbrechen, denn selbst wem hundert Frauen oder andere unzulässige Zeugen vorhanden sind, und ein einziger zuverlässiger Zeuge ihren Aussagen widerspricht, so werden sie alle nur als eine einzige Person und ein einziger Zeuge betrachtet.

17) Sagen drei Frauen oder drei unzulässige Zeugen aus: Wir haben den Mörder gesehen, und vier Frauen oder vier unzulässige Zeugen sagen dagegen: Ihr habt ihn nicht gesehen, so muss das Nackenbrechen vorgenommen werden. Überhaupt gilt überall die Regel, dass man, wenn unzulässige Zeugen vorhanden, sich nach der Mehrzahl richten müsse.

10. Kapitel — Das Nackenbrechen und der Bach

1) Das Gesetz in Betreff des Nackenbrechens, das an einem Kalbe zu vollziehen ist, war nur in Erzel Israel und in der Landschaft jenseits des Jordans eingeführt.

2) Das Kalb, dem der Nacken gebrochen wird, darf nicht über zwei Jahre alt sein; ist es älter, wenn auch nur um einen Tag, so ist es nicht geeignet. Obgleich nun Leibesfehler dasselbe nicht ungeeignet machen, so ist dennoch ein mit tödlichen Schäden behaftetes Kalb ungeeignet, weil bei demselben, wie beim geheiligten Vieh der Ausdruck: »Zur Sühne« gebraucht wurde.

3) Alle Arbeitsverrichtungen machen das Kalb unbrauchbar, wie dies auch hinsichtlich der roten Kuh der Fall ist, denn es steht geschrieben: »Mit der noch nicht gearbeitet worden und die kein Joch gezogen« (Deut. 21:3). Wenn nun aber diese Worte, so gut wie alle übrigen Arbeiten, auch das Arbeiten im Joche in sich begreifen, warum ist denn des Joches noch ins Besondere dabei gedacht? Weil damit bezeichnet werden soll, dass das Auflegen eines Joches das Tier ungeeignet macht, sowohl wenn es darin arbeitet, als wenn es nicht darin arbeitet, so dass es, wenn es nur um eine Handbreite [8 cm] sich damit fortbewegt hat, wenn auch nicht beim Pflügen oder sonstiger Arbeit, dadurch unbrauchbar wird, während andere Arbeiten es nur dann unbrauchbar machen, wenn es dieselben wirklich verrichtete

4) Lässt man das Tier eine Arbeit zu seinem eigenen Nutzen verrichten, z. B. wenn man über dasselbe ein Tuch ausbreitet, um es vor Fliegen zu schützen, so wird es dadurch nicht ungeeignet; geschieht es aber nicht seines Nutzens wegen z. B. wenn man über dasselbe ein Kleid ausbreitet, um das selbe fortzubringen, so wird das Tier dadurch untauglich wie bereits in der Abhandlung von der roten Kuh [1:7] zur dargetan worden ist.

5) Man begeht das Genickbrechen nur bei Tage, dabei, wie beim heiligen Vieh, der Ausdruck: »Zur Sühnen כַּפָּרָה« vorkommt — aber jede Tageszeit ist hierzu geeignet. Man darf nicht zweien Kälbern zu gleicher Zeit den Nacken brechen, weil es unpassend ist, die durch das Gesetz gebotenen Pflichterfüllungen gleichsam auf einander zu häufen.

6) Von dem Kalbe, dem das Genick gebrochen werden soll, darf in keiner Weise Nutzen gezogen werden, vielmehr muss dasselbe an dem Platze, wo ihm der Nacken gebrochen wurde wurde, auch begraben werden. Das Kalb wird von dem Augenblicke an der ferneren Nutzung unzulässig, wo es nach dem Bache herabgeführt, also noch bevor ihm Nacken gebrochen worden ist. Stirbt es oder wird es abgeschlachtet, nachdem es zum Bache gelangte, so bleibe nichts desto weniger die Benutzung verboten, und es muss an Ort in Stelle begraben werden.

7) Werden die Zeugen einer Unwahrheit überführt, so kann man vom Kalb Nutzen ziehen. Wenn nämlich ein Zeuge aussagt: Ich habe die Mörder gesehen, und es kommen zwei andere Zeugen hinzu, welche dem ersteren mit den Worten widersprechen: Du hast ihn nicht gesehen, worauf man das Kalb aussucht und zum Bache herabführt, um ihm da den Racken zu brechen; nun aber ergibt sich’s, dass die zwei Zeugen einer Unwahrheit überführt werden, so muss in solchem Falle das Kalb der Benutzung freigegeben werden.

8) Wenn der Mörder entdeckt wird, bevor noch dem Kalbe der Nacken abgeschlagen worden, so kann es wieder in die Herde eintreten. War dem Kalbe schon der Nacken gebrochen, als der Mörder entdeckt war, so muss es auf derselben Stelle begraben werden; denn man hatte es ja von Anfang an nur des Zweifels wegen herbeigebracht, da es nun aber zur Sühne des Zweifels gedient, so ist auch sein Zweck erfüllt. Indessen wird der Mörder, obergleich er erst, nachdem dem Kalbe der Nacken gebrochen, ermittelt worden, dennoch hingerichtet, denn es steht geschrieben: »Und du sollst hinwegräumen das unschuldige Blut« (Deut. 21:9).

9) Das Bett des Baches, wo dem Kalbe der Nacken gebrochen worden, darf nie wieder besäet, noch sonst bearbeitet werden, denn es steht geschrieben: »Worin nicht gearbeitet noch gesät wird« (Deut. 21:4). Wer nun eine Arbeit am eigentlichen Boden des Baches selbst vornimmt, z. B. wer dort pflügt, gräbt, säet und pflanzt u. dergl, der wird gegeißelt.

Dagegen ist es erlaubt, dort Flachs zu kämmen und Steine zu behauen, weil dies eben so viel ist, als wenn man dort ein Kleid webte oder es aufnähte, welche Arbeiten keineswegs Arbeiten am eigentlichen Boden zu nennen sind, deshalb sind nämlich auch die Worte: »Worin nicht gearbeitet, noch gesät« (ebenda) beigefügt, damit dies als Norm diene, dass eben so wie das Säen eine Arbeit am eigentlichen Boden ist, so sind auch andere Arbeiten dort nur dann verboten, wenn sie am Boden selbst vorgenommen werden.

10) Wenn die Bewohner der nächsten Stadt es versäumen, ein Kalb herbeizubringen, damit demselben das Genick gebrochen werde, so werden so sie so lange gezwungen, bis sie ihrer Verpflichtung nachkommen, selbst wenn schon mehrere Jahre darüber verstrichen wären. Denn die zu einem Sühnekalb Verpflichteten bleiben es, selbst nach der Verstreichung des Versöhnungstages.

11. Kapitel — Das Geländer und offenstehende Getränke

1) Es ist ein Gebot der Schrift, um das Dach herum ein Geländer מַעֲקֶה anzubringen, wie auch geschrieben steht: »Du sollst ein Geländer um dein Dach machen«, (Deut. 22:8) aber nur um das Dach eines Wohnhauses; bei Vorratshäusern und Viehställen ist dies dagegen nicht erforderlich. Auch ein Haus, das keine vier Ellen auf vier Ellen hat, bedarf keines Geländers.

2) Ein Haus, welches zwei Besitzern gemeinschaftlich gehört, muss ein Geländer haben, denn es steht geschrieben »Wenn Jemand davon herabfiele«, (Deut. 22:8) also lässt es die Schrift hier nur auf den Fallenden ankommen. Wenn dem aber so ist, warum liegt dann hier der Nachdruck auf den Worten »Dein Dach«. Weil man andeute will, dass Synagogen und Lehrhäuser eine Ausnahme bilden, da dieselben nicht bestimmt sind, bewohnt zu werden. Ist der öffentliche Platz höher gelegen als das Dach des Hauses so braucht man kein Geländer anzubringen, denn es ist bloß gesagt: »Wenn Jemand vom Dache«, aber nicht auf das Dach fiele (ebendaselbst).

3) Das Geländer darf nicht niedriger als zehn Handbreiten hoch sein [80 cm], wenn dem Herabfallen vollkommen vorgebeugt werden soll. Auch muss es stark genug sein, dass ein Mensch sich daran lehnen könne, ohne Gefahr zu laufen herabzufallen. Wer aber sein Dach ohne Geländer lässt, hat gleichzeitig die Erfüllung eines Gebotes unterlassen und ein Verbot übertreten, denn es steht geschrieben: »dass du keine Blutschuld auf dein Haus bringest« (ebenda). Indessen steht auf die Übertretung einer solchen Vorschrift noch nicht die Geißelung, weil dabei keine eigentliche Handlung geschah.

4) Was nun vom Dache gesagt ist, gilt auch von allen andern Plätzen, wenn dieselben Gefahr bringen können und Jemand daran leicht zu verunglücken und ums leben zu kommen in Gefahr ist. Wenn z. B. Jemand einen Brunnen oder eine Grube, mit oder ohne Wasser, im Hofe hat, so ist er verpflichtet, um dieselben einen Erdwall von zehn Handbreiten Höhe [80 cm] anzubringen, oder auf dieselben einen Deckel zu legen, damit Niemand hineinfalle und getötet werde.

Dieselbe Bewandtnis hat es auch mit jeder Art von Anstößen, wenn dieselben Lebensgefahr herbeiführen können; es ist nämlich dann Pflicht, dieselben aus dem Wege zu räumen und der Gefahr mit aller Vorsicht vorzubeugen, denn es steht geschrieben: »Hüte dich und hüte deine Seelen (Deut. 4:9). Wenn er nun aber die Gefahr drohenden Anstöße nicht beseitigt und dieselben liegen lässt, so hat er die Vollziehung eines Gebotes unterlassen und außerdem ein Verbot, nämlich das: »Du sollst keine Blutschuld veranlassen« übertreten.

5) Die Weisen haben viele Dinge verboten, weil sie das Leben gefährden. Wer solche Verbote überschreitet, sagend: »Ich bringe doch nur mich selbst in Gefahr und wer hat sich darum zu kümmern«? Oder: »Ich mache mir Nichts daraus«, wird mit der Geißelung des Ungehorsams gezüchtigt מַכַּת מַרְדּוּת.

6) Solche Warnungen sind nun folgende: Es darf Niemand den Mund an eine ausströmende Wasserröhre setze und daraus trinken. Es darf Niemand des Nachts aus Flüsse und Teichen trinken, damit er nicht unversehens einen Blutegel verschlinge; ferner darf man nicht offenstehendes Trinkwasser genießen, weil eine Schlange oder ein ähnliches kriechendes Tier daraus getrunken haben könnte, was dem Trinkenden das Leben kosten könnte.

7) Die Getränke, welche man, wenn sie offen stehen, nicht trinken darf, sind folgende: Wasser, Wein, selbst gemischter und solcher, der bereits angefangen hat, einen essigsauren Geschmack zu bekommen, ferner: Milch, Honig und Lacke. Bei allen anderen Getränken aber ist es von keinem Belang, wenn sie offen stehen, da die giftigen Tiere davon nicht trinken.

8) Zerriebener Knoblauch und zerschnittene Melonen, welch offen gestanden, sind verboten, ebenso auch andere Früchte der Art. Beim gekochten oder gärenden תּוֹסֵס Weine hat das Offenstehen Nichts auf sich. Der Wein wird als gärend bezeichnet von der Stunde des Kelterns an gerechnet, drei Tage lang. Auch bei warmem Wein, Wasser oder warmer Milch hat das Offenstehen Nichts zu sagen, so lange Dampf aufsteigt. Auch bei Getränken, welche tropfenweise herabträufeln, und zwar so lange als das Träufeln dauert; weil nämlich die kriechenden Tiere da, vom Blasenschlagen der Flüssigkeit und vom Dampfe, abgehalten werden und nicht zu trinken wagen.

9) Auch bei Wasser, wohin Früchte eingelegt waren, bei Kochwasser und Wasser von Lupinen hat das Offenstehe ebenfalls keine Folgen. Wasser, worin eingelegte oder gekochte Dinge, oder Lupinen eingeweicht wurden, ist, wenn es den Geschmack verändert, dem Einfluss des Offenstehens nicht ausgesetzt. Ist aber der Geschmack unverändert geblieben, so ist es verboten. So wird auch das Wasser, worin man für einen Kranken Quitten und Pflaumen abgewaschen, des Offenstehens wegen verboten.

10) Beim Weine, der mit scharfen Gewürzen, z. B. mit Pfeffer, oder mit bitteren Stoffen, z. B. wie Absinth versetzt ist, so dass sich sein Geschmack veränderte, ist das Offenstehen von keinem Belang. Dies gilt auch von anderen Getränken.

11) Getränke, welche dem Verbote des Offenstehens unterliegen, werden unerlaubt, wenn sie offen stehen, sowohl des Tages wie des Nachts, selbst wenn ein Mensch daneben schläft, weil die kriechenden Tiere sich vor einem Schlafenden nicht scheuen. Ein wie langes Offenstehen ist erforderlich um das Verbot herbeizuführen? So lange als ein kriechendes Tier Zeit braucht um unter den Henkel des Geschirres herauf zu kommen, zu trinken und nach seinem Orte zurückzukehren.

12) Das Verbot der Benutzung von offenstehendem Wasser wird durch eine Menge bedingt, welche hinreichend ist, das Gift darin wirksam werden zu lassen und deren Genuss demnach auch schädlich sein muss. Ist aber davon so viel da, dass das Gift sich darin verliert, sei es nun in Gefäßen enthalten oder am Erdboden, so ist es erlaubt. Dies gilt auch von anderen Getränken.

13) Wenn eine Quelle auch noch so spärlich fließt, so kann doch von einem Offenstehen derselben nicht die Rede sein. Wenn man einen offenen Krug in einen Kasten, in eine Kiste, in einen Schrank, in ein Futteral oder in eine Grube, selbst von hundert Ellen Tiefe, stellt, oder auch in einen Turm von hundert Ellen Höhe, oder in einen reinen getünchten Saal, so ist doch der Inhalt des Kruges verboten. Hat man aber den Kasten oder den Schrank zuerst untersucht und dann den Krug hineingesetzt, so ist dessen Inhalt erlaubt. Ist aber ein Loch im Kasten, so ist dessen Inhalt verboten, jedoch nur dann, wenn das Loch so groß ist, dass ein kleines Kind den Finger hineinstecken könnte. Wenn von einem Fasse welches offen gestanden, neun Personen getrunken haben, ohne zu sterben, so ist’s dennoch dem Zehnten untersagt, davon zu trinken. So erzählt man sich, dass dereinst erst der zehne Trinker gestorben ist, und zwar nur deshalb, weil das Schlaugengift sich nach unten abgesetzt hatte. Indessen gibt es Giftstoffe von kriechenden Tieren, welche obenauf schwimmen und wieder andere, welche in der Mitte der Getränke sich festsetzen. Deshalb besteht ein allgemeines Verbot, welches selbst dann in Gültigkeit bleibt, wenn die Flüssigkeit durch das Seihtuch hindurch gegossen worden ist. Auch von einer unbedeckt gestandenen Melone darf man nichts genießen, selbst wenn zuvor neun Personen davon gegessen hätten und unbeschädigt geblieben wären.

15) Wasser, welches offen gestanden hat, darf man nicht nach einem öffentlichen Platze zu ausgießen, noch damit im Zimmer den Fußboden besprengen, oder Lehm damit einmengen. Eben so wenig darf man Gesicht, Hände oder Füße damit waschen, noch es seinem eigenen oder seines Nächsten Vieh zum trinken geben, wohl aber kann man einer Katze davon zu trinken geben.

16) Ein mit offen gestandenem Wasser gekneteter Teig, wenn selbiger auch Priesterhebe wäre תְרוּמָה, muss verbrannt werden. Ist dieser Teig sogar schon verbacken, dann ist das davon gewonnene Brot verboten.

12. Kapitel — Verbote von Lebensgefahr und des Blinden Hindernisse

1) Ein Vieh, Tier oder Geflügel, die von einer Schlange oder einem anderen giftigen Tiere gebissen worden sind, oder Gift gefressen haben, das einen Menschen, ehe es in deren Säfte überging, töten könnte, sind der Gefährlichkeit halber verboten. Findet man daher irgend ein Vieh, Tier oder Geflügel mit verstümmelten Füßen vor, so muss es, wenn es auch des Zerrissen seins wegen erlaubt ist, dennoch zum Genuss verboten bleiben, der möglichen Lebensgefahr halber, da es nämlich von einem Kriechtier gebissen sein könnte, und bleibe so lange unerlaubt, bis man es gehörig untersucht hat.

Wie hat man die Untersuchung anzustellen? Man lässt es in einem Ofen braten, und wenn dann das Fleisch nicht zerfällt und keine von dem andern Braten abweichende Beschaffenheit wahrzunehmen ist, so ist der Genuss desselben erlaubt.

2) So sind auch wurmstichige נִקּוּרֵי Feigen, Weinbeeren, Gurken, Kürbisse, Melonen und sonstige honighaltige Früchte, sie mögen noch so groß sein, gepflückt oder noch wachsend, und selbst wenn selbige in einem Gefäße verwahrt sind, verboten, wenn sie nur noch in saftigem Zustande angefressen befunden werden, weil eine Schlange dieselben durchlöchert haben könnte. Ja selbst wenn man einen Vogel oder eine Maus davon fressen sieht, so sind sie dennoch verboten, weil immer zu besorgen ist, dass sie nur bereits vorhandene giftige Löcher erweiterten.

3) Auf Feigen und Weinbeeren, an denen die Stiele abgebrochen sind, ist das Offenstehen nicht einwirkend. Daher ist es auch gestattet, ohne Bedenken des Nachts Feigen oder Weinbeeren zu genießen. Eine angestochene Feige, wenn sie getrocknet und gedorrt ist und eine angestochene Dattel in getrockneten Zustande, sind erlaubt.

4) Es ist verboten, Münzen und Dinare in den Mund zu nehmen, da dieselben mit trockenem Speichel von Krätzigen und Aussätzigen oder mit Schweiß behaftet sein können, und aller Schweiß, mit Ausnahme desjenigen vom Gesicht, Giftig ist.

5) So soll man auch nicht die Handflächen unter dem Arme legen, weil man einen Aussätzigen oder etwas Giftiges damit berührt haben könnte, da man gewohnt ist mit den Händen umherzutasten. Auch soll man keine Speise unter ein Bett stellen, selbst nicht während man mit der Mahlzeit beschäftige ist, weil unversehens da etwas Schädliches hineinkommen könnte.

6) Eben so wenig soll man ein Messer in einem Paradiesapfel אֶתְרוֹג oder Rettich stecken lassen, weil sich Jemand an dessen Schneide Schaden tun, ja sogar sich töten könnte. So darf man sich auch nicht unter eine geneigte Wand, oder über eine baufällige Brücke oder in eine Ruine begeben, auch nicht nach anderen Orten, wo Gefahr droht.

7) Ebenso ist es einem Juden verboten mit einem Nichtjuden allein zu sein, weil sie des Blutvergießens wegen verdächtigt sind. Auch soll man sie nicht auf dem Wege begleiten. Trifft man einen Nichtjuden auf dem Wege, umgehe man ihn von seiner rechten Seite. Geht man ein Gefälle hoch oder runter, soll der Jude nicht unter dem Nichtjuden gehen, vielmehr gehe der Jude oben und der Nichtjude unten, denn vielleicht wird er auf ihn fallen, um ihn zu töten. Auch soll man sich nicht vor ihm bücken, vielleicht wird er ihm den Schädel zertrümmern.

8) Frag ein Nichtjude: Wohin gehst du? — So soll antworten, dass man einen langen Weg vor sich hat, so wie Jakov Esaw antwortete: »Ich aber will gemächlich weiterziehen, so schnell das Vieh vor mir und die Kinder es zulassen, bis ich zu meinem Herrn nach Seir komme« (Gen. 33:14).

9) Es ist verboten von einem Nichtjuden Medizin zu anzunehmen, es sei denn der Kranke hat keine Aussicht zu überleben. Auch ist es verboten sich von einem Häretiker heilen zu lassen, sogar wenn es keine Aussicht auf Heilung gibt, denn vielleicht wird man [aus Dank für die Genesung] seiner Ideologie folgen.

Es ist erlaubt von Nichtjuden Medizin anzunehmen für seine Tiere oder für eine äußerliche Wunde, wie eine Kompresse מְלוּגְמָא oder ein Verband רְטִיָּה. War die Wunde lebensbedrohlich, ist es nicht erlaubt Medizin anzunehmen. Für jegliche Wunde, für die man Schabbat einweiht hätte, soll man Medizin von einem Nichtjuden nicht annehmen.

10) Man darf einen nichtjüdischen Arzt befragen und er sagt: Diese und jene Medizin ist gut für dich und so und so stellst du sie her. Jedoch soll man es von ihm diese Medizin nicht annehmen.

11) Es ist verboten sich im Privaten von einem Nichtjuden rasieren zu lassen, vielleicht wird er ihn töten. Ist der Jude eine wichtige Person, so ist es erlaubt, weil er sich fürchten wird, ihn zu töten. Wenn er dem Nichtjuden als eine wichtige Person erschein, dass er sich von ihm fürchtet und ihn nicht tötet, dann ist es erlaubt von ihm rasiert zu werden.

12) Es ist verboten Nichtjuden Kriegsgeräte zu verkaufen, ebenso ist es verboten ihre Waffen zu schärfen, ihnen Messer, Prangerketten, Fußfesseln, rohes Eisen, Bären und Löwen zu verkaufen und ebenso jede Sache, die Menschen Schaden zufügen kann. Dagegen ist es erlaubt Schilde zu verkaufen, weil sie nur dem Schutze dienen.

13) So wie der Verkauf [dieser Gegenstände] an Nichtjuden verboten ist, so ist der Verkauf an Juden verboten, die an Nichtjuden weiterverkaufen könnten. Es ist erlaubt Waffen an die Streitmacht des Landes [in dem man wohnt] zu verkaufen, weil sie Juden beschützen.

14) Alles was Nichtjuden zu verkaufen verboten ist, darf man auch nicht an jüdische Räuber verkaufen, weil man so die Übertreter des Gesetze unterstützen würde. Jeder, der Blinden ein Hindernis auf dem Weg legt, ihnen einen falschen Ratschlag gibt oder sie in der Übertretung des Gesetzes unterstützt, und da sie blind sind sehen sie nicht den Weg der Wahrheit wegen ihrer Herzenslust wegen, jeder der das tut übertritt ein Gebot ohne Handlung, wie es steht: »einem Blinden sollst du kein Hindernis in den Weg legen« (Lev. 19:14). Kommt jemand von dir einen Rat zu erbitten, gibt ihm einen angemessenen Rat.

15) Es ist verboten einen guten Ratschlag einem Nichtjuden oder einem bösen Diener zu geben, sogar um eines Gebotes wegen; solange er in seiner Bosheit verbleibt, ist es verboten. Daniel wurde nur geprüft [in der Löwengrube], weil er Nebukadnezzar geraten hatte, eine Spende zu geben, wie es heißt: »Darum, König, möge dir mein Rat gefallen: Tilge deine Sünden durch Gerechtigkeit und deine Verschuldungen durch Barmherzigkeit gegen die Elenden, wenn dein Glück von Dauer sein soll« (Dan. 4:24).

13. Kapitel — Das Ab- und Aufladen von Tieren

1) Wenn Jemand einem Andern auf dem Wege begegnet, dessen Vieh unter seiner last erliegt, so ist es Vorschrift das Vieh, sowohl wenn es unter einer gewöhnlichen, als wem es unter einer übermäßigen Last erlegen, abzuladen. Dies aber ist auch ein Gebot, denn es steht geschrieben: »Mache es ihm leichter« Ex. 23:5).

2) Aber man darf nicht bloß abladen und den Eigentümer dann in seiner Verlegenheit zurücklassen, sondern man muss ihm behilflich sein, das Vieh wieder aufzurichten und dasselbe wieder zu beladen, wie auch geschrieben steht: »Du sollst denselben wieder aufrichten« (Deut. 22:4). Dies gilt auch als ein besonderes Gebot. Wer also den Eigentümer in Bestürzung lässt und ihm weder ab noch aufladen hilft, hat die Erfüllung eines Gebotes unterlassen und auch ein Verbot übertreten, nämlich: »Du darfst nicht sehen den Esel deines Bruders« (ebenda).

3) Sieht ein Priester das Vieh auf einem Begräbnisplatze liegen, so darf er sich deshalb nicht entweihen, so wenig er sich entweihen darf, um etwas Verlorenes dem Eigentümer wieder zuzustellen. So ist er auch, wenn er alt ist, und das Auf- und Abladen sich nicht mit seiner Würde vereinigen lasse, davon befreit.

4) Es gilt als Regel, dass Derjenige, welcher, wenn es eigenes Gut wäre, es auf- und abladen würde, auch verpflichtet ist, diesen Dienst seinem Nächsten zu erweisen. Will aber Jemand eine besondere Handlung der Mildtätigkeit ausüben und mehr leisten als das Gesetz erfordert, so steht es ihm, sobald er eines andern Vieh unter der last von Stroh oder Reisern und dergleichen erliegen sieht, frei, selbst wenn er der größte Fürst wäre, dem Eigentümer beim Ab- und Aufladen beizustehen.

5) Hat nun Jemand schon einmal auf- und abladen geholfen, und das Vieh stürzt abermals zusammen, so ist er verpflichtet, wieder von Neuem auf- und abzuladen, wenn es nun auch hundert Mal hintereinander fortginge; denn es steht geschrieben: »Mache es ihm leichter« (Ex. 23:5), »Aufrichten sollst du dasselbe mit ihm« (Deut. 22:4). Deshalb muss er dem Eigentümer das Vieh eine Parasange [4 km] weit führen helfen, wenn ihm derselbe nicht etwa ausdrücklich sagt: Ich bedarf deiner Hülfe nicht mehr.

6) Auf eine wie große Entfernung erstreckt sich die Pflicht der Hilfeleistung beim Ab- und Aufladen? Auf die Entfernung, in welcher das Sehen dem Antreffen gleich zu achten ist [128 m]; denn es steht ja gleichzeitig noch geschrieben: »So du siehst und so du begegnest« (Ex. 23:4-5). Auf welche Strecke findet demnach diese Bezeichnung ihre Anwendung? Die Weisen haben angenommen, dass die Verpflichtung in Kraft trete, sobald zwischen beiden Teilen eine Strecke von nicht mehr als zweihundert sechsundsechzig und zweidrittel Ellen sich befinde, welche Strecke einen Teil eines Mils ausmacht, wenn man denselben in sieben und einen halben Teil einteilt. In einer größeren Entfernung existiert die Pflicht zu Hilfeleistung nicht.

7) Es ist eine Vorschrift der Thora, dem Anderen unentgeltlich beim Abladen beizustehen; auch beim Auflade Hilfe zu leisten gebietet die Vorschrift, aber nur gegen Lohn; eben so bekommt auch Derjenige Lohn, der das Vieh eine M Parasange weit leiten hilft [4 km].

8) Findet Jemand ein fremdes Vieh auf den Wege liegen, so ist es seine Pflicht, dasselbe, wenn auch der Herr des Tieres nicht zugegen ist, abzuladen und dann wieder zu beladen, denn es steht geschrieben: »Mache es ihm leichter«, »Aufrichten sollst du dasselbe« also jedenfalls (ebenda). Wenn aber dem so ist, wozu dann der Ausdruck: »Mit ihm«? (ebenda). Für den Fall, dass der Eigentümer des Viehs zugegen ist und, untätig bei Seite gehend, zum Begegnenden sagt: Da es einmal deine Pflicht ist, und du allein abladen willst, so lade ab, — in welchem Falle für ihn dann allerdings die Verpflichtung zur Hilfeleistung nicht mehr existiert, denn es steht geschrieben: »Mit ihm«. Ist jedoch der Eigentümer des Viehs alt oder krank, so muss man auch allein auf- und abladen.

9) Das Vieh des Nichtjuden und die Ladung eines Juden: Führt der Nichtjude das Tier, existiert die Pflicht zur Hilfeleistung nicht. Wenn nicht, muss man ab- und aufladen, wegen des Schmerzes, den der Jude erleidet. Ebenso beim Vieh eines Juden und bei der Ladung eines Nichtjuden, muss man ab- und aufladen wegen des Schmerzes, den der Jude erleidet. Dagegen, beim Vieh und bei der Ladung eines Nichtjuden, muss man sich damit nicht beschäftigen, außer wenn es zur Feindseligkeit führen könnte מִשּׁוּם אֵיבָה.

10) Wenn von mehreren neben einander gehenden Eseln der eine kranke Füße hat, so ist es den übrigen Eseltreibern nicht gestattet, an diesem einen vorüberzugehen und ihn zu verlassen; ist der Esel aber bereits zu Boden gefallen, so ist es ihnen gestartet weiter zu gehen.

11) Begegnen sich zwei Esel, von denen der eine beladen ist, und der andere einen Reiter trägt, an einer schmalen Stelle des Weges, so muss letzterer dem ersteren Platz machen. Ist der eine von ihnen beladen und der andere ungeladen, so muss der leergehende dem beladenen Platz machen. Trägt der eine einen Reiter und der andere geht leer, so muss der leergehende dem, welcher geritten wird, weichen. Sind beide beladen, geritten oder unbeladen, so mögen sie sich über den Vortritt unter einander einigen.

12) Dasselbe gilt nun auch, wenn zwei Schiffe, welche sich einander begegnen, eine Stelle passieren müssen, wo beide gleichzeitig vorbeisegelnd notwendig untergehen müssten; dagegen aber, wenn sie dieselbe nacheinander passieren, unbeschädigt hindurch kommen können; oder auch wenn zwei Kamele, welche eine steile Höhe ansteigen, einander begegnen, so dass sie, wenn sie gleichzeitig hinaufsteigen wollten, sich beide der Gefahr des Herunterfallens aussetzen würden, während sie, wenn eins dem andern folgt, die Besteigung mit Sicherheit ausführen können; in einem solchen Falle also richte man sich nach folgendem Grundsatze: Ist eins beladen, und das andere nicht, so lasse letzteres dem ersteren den Vortritt; kommt eins aus der Nähe und das andere von weit her, so weiche das nahe dem ferneren; kommen beide aber aus der Nähe, oder beide aus der Ferne, und sind beide beladen, so mögen sie, da sie gleiche Not haben, eine Übereinkunft hinsichtlich einer Geldentschädigung mit einander treffen. In solchen und ähnlichen Fällen heißt es: »Mit Gerechtigkeit richte deinen Nächsten« (Lev. 19:15).

13) Wenn Jemand zwei Reisenden begegnet, von denen das Vieh des Einen unter der Last erliegt, während das Tier des Andern zwar abgeladen ist, ohne dass jedoch Jemand da wäre, der dem Eigentümer die Last wieder aufladen hälfe, so ist es in solchem Falle Pflicht, um Tieren die Quälerei zu verkürzen, da zuerst zu helfen, wo es abzuladen gibt und dann erst dem beizustehen, welchem aufgeladen werden muss. Dies gilt aber nur für den Fall, wenn beide Reisende in gleicher Weise Freunde oder Feinde des Begegnenden sind. Ist aber der eine ein Feind und der andere ein Freund, so gebietet die Vorschrift zuerst dem Feinde aufladen zu helfen um damit gleichsam den inneren bösen Antrieb des Herzens zu besiegen.

14) Wenn in der Tora von einem Feinde die Rede ist, so ist damit nicht bloß ein Individuum gemeint, welches einer anderen Nation der Erde angehört, sondern auch ein dem Stamme Israel Angehöriger. Wie ist es aber denkbar, dass ein Israelit dem andern Feind sein könnte, während doch die Schrift vorschreibe: »Hasse deinen Bruder nicht im Herzen« (Ex. 19:17). Die Weisen erklären sich die Möglichkeit eines solchen Falles auf folgende Weise: Wenn nämlich Jemand, der allein war, einen Andern ein Gesetz verletzen sah, und dieser seiner Warnung ungeachtet nicht davon abstand, so ist es Pflicht, ihn so lange zu hassen, bis er Buße tut, und von seinem bösen Wandel ablässt.

In einem solchen Falle also ist es Pflicht des Hinzukommenden, wenn auch der Andere noch keine Buße getan und man ihn bestürzt bei seiner Last stehend findet, demselben beim Ab- und Aufladen Hilfe zu leisten, und ihn nicht ohne Beistand vergehen zu lassen, da er, um sein Eigentum zu retten, genötigt sein würde, hier längere Zeit zu verweilen, und dadurch in Lebensgefahr geraten könnte; während die Tora die Erhaltung jedes israelitischen Lebens, sei es nun das eines Frevlers oder eines Frommen, mit Nachdruck befiehlt, denn beide sind ja Teilnehmer an dem Reiche des Ewigen, und bekennen sich gleichmäßig zu den Grundartikeln der Religion, wie auch geschrieben steht: »Sage ihnen, spricht der Ewige, Gott, dass mir, so wahr ich lebe, nicht der Tod des Bösewichts gelegen ist, sondern nur die Umkehr des Bösewichts von seinem Wandel, und sein ferneres Leben« (Hesekiel 33:11).