Mischne Torah

Das Sanhedrin und die Strafen

Mandelstamms Übersetzung habe ich nach mit einer hebräischen und unzensierten Ausgabe der Mischne Torah verglichen, Fehler beseitigt, zensierte Texte selbst übersetzt und mit erklärenden Hinweisen versehen, in der eckigen Klammer [].

Kapitel 1

1) Es ist ein Gebot der Tora, in jeder Stadt und in jedem Bezirk Richter und Aufseher einzusetzen; denn es steht geschrieben (Deut. 16:18). »Du sollst Richter und Aufseher in deinen Toren einsetzen.« Unter Richtern sind die zu diesem Zweck eingesetzten Beamten zu verstehen, vor denen sich die streitenden Parteien zu verantworten haben. Unter Aufsehern versteht man die den Richtern beigeordneten Beamten, die mit Stock und Riemen vor ihnen hergehen, wenn diese die Straßen, Märkte und Buden besuchen, um Preise und Maße zu überwachen und Missbräuche zu beseitigen. Die Tätigkeit der Aufseher wird durch das Urteil der Richter bestimmt, so dass sie, wenn sie bei jemandem etwas Unrechtes bemerken, ihn vor Gericht bringen müssen, wo er je nach seinem Vergehen gerichtet wird.

2) Diese Verpflichtung, in jeder Stadt und in jedem Bezirk Richter einzusetzen, bezieht sich nur auf das Land Israel. Im Ausland ist man nicht verpflichtet, dieser Verpflichtung in jedem Bezirk nachzukommen, denn es heißt: »Richter und Aufseher sollst du dir einsetzen in allen deinen Toren, die der Herr, dein Gott, dir nach deinen Stämmen gibt« (Deut. 16:18).

3) Wie viele ständige Gerichtshöfe sollten in Israel eingesetzt werden und wie viele Mitglieder sollten sie haben? Vor allen Dingen sollte das große Gericht im Tempel eingesetzt werden, das große Sanhedrin genannt wurde und einundsiebzig Mitglieder hatte. Denn es heißt (Num. 16:16): »Versammle mir siebzig Männer von den Ältesten Israels«, – und Moses war ihnen übergeordnet, denn es heißt: »Sie sollen sich dort mit dir aufstellen«. Sie waren also zusammen einundsiebzig.

Der Gelehrteste unter ihnen soll zu ihrem Vorsteher gewählt werden, der also dem Gericht vorsteht, von den Weisen überall »Fürst des Volkes« genannt wird und gleichsam die Stelle unseres Lehrers Moses vertritt. Dann ist der weiseste unter den übrigen siebzig zum zweiten Oberhaupt zu wählen, der zur Rechten des Volksfürsten sitzt und Ältester des Gerichts genannt wird. Die übrigen der Siebzig nehmen ihre Sitze vor ihnen ein, – nach ihren Jahren und Kenntnissen, und zwar in der Ordnung, dass je größer die Gelehrsamkeit, desto näher zur Linken der Fürsten.

Sie bilden demnach einen Halbkreis, gleichwie die Garben vor der Tenne, damit der Fürst des Volkes mit dem Ältesten des Gerichts alle Mitglieder des Gerichts überblicken kann.

Außerdem sind noch zwei Gerichte von je dreiundzwanzig Mitgliedern einzusetzen, eines an der Pforte des Tempelhofs, das andere an der Pforte des Tempelbergs.

Ebenso sollen in jeder Stadt Israels, in der mehr als hundertundzwanzig Einwohner sind, kleine Gerichte eingesetzt werden, die ihren Sitz am Tor (Marktplatz) der Stadt haben, denn es heißt: »Stellt das Recht am Tor wieder her«.

Die Zahl der Richter soll dreiundzwanzig sein. Der Gelehrteste unter ihnen soll das Haupt sein, und die übrigen sollen vor ihm im Halbkreis sitzen, damit sie alle von ihm überblickt werden können.

4) In einer Stadt mit weniger als hundertundzwanzig Einwohnern sollen drei Richter ernannt werden; denn ein Gericht soll nicht weniger als drei Mitglieder haben, damit sowohl eine Stimmenmehrheit als auch eine Stimmenminderheit im Fall einer Meinungsverschiedenheit über einen strittigen Punkt des Gesetzes vorhanden ist.

5) Wenn in einer Stadt nicht zwei große Gelehrte sind, von denen der eine die ganze Tora lehren und aus ihr Recht sprechen kann, und der andere sie verstehen und gegen sie Einwände erheben kann, so soll in dieser Stadt kein Sanhedrin eingesetzt werden, auch wenn sie Tausende von Einwohnern hat.

6) Wenn in einem Sanhedrin zwei solche große Gelehrte sind, nämlich einer, der die Tora verstehen kann, und der andere, der darüber Vorträge halten kann, so ist das Sanhedrin ausreichend. Sind in dem Sanhedrin drei solcher Männer, so ist es ein mittelmäßiges. Sind aber in ihm vier, die vorzutragen vermögen, so wird es ein weises Sanhedrin genannt.

7) Vor jedem Sanhedrin sollen drei Reihen von Gelehrten, jede zu dreiundzwanzig, aufgestellt werden. Die erste in der Nähe des Sanhedrin, die zweite weiter entfernt und die dritte noch weiter entfernt. Die Plätze in den Reihen werden durch den Grad der Gelehrsamkeit bestimmt.

8) Ist das Sanhedrin geteilter Meinung, so dass noch jemand zu ergänzen ist, so ist der Gelehrteste aus der ersten Reihe zu wählen, worauf der Erste aus der zweiten Reihe den letzten Platz der ersten Reihe einnimmt, um den Ausgeschiedenen zu ersetzen. Und der Erste der dritten Reihe tritt seinerseits an die Stelle des Letzten der zweiten Reihe. Der Letzte der dritten Reihe wird durch Neuwahl ersetzt. Dieses Verfahren wird auch bei der Wahl aller anderen Ergänzungsmitglieder des Sanhedrin angewandt.

9) An jedem Orte, wo ein Sanhedrin besteht, müssen auch zwei Schriftführer vorhanden sein, die stehend zur Rechten und zur Linken des Sanhedrins ihren Platz einnehmen. Sie haben über alles, was im Gericht verhandelt wird, ein Protokoll zu führen, und zwar der eine über das, was für, der andere über das, was gegen den Angeklagten gesprochen worden ist.

10) Warum erfordert die Einsetzung eines Sanhedrins mindestens hundertundzwanzig Einwohner in der Stadt? Damit aus ihrer Mitte gewählt werden können die dreiundzwanzig Mitglieder des Sanhedrins, die drei Reihen der Beisitzer, zehn, die sich ausschließlich den Synagogen widmen, zwei Schriftführer, zwei Gerichtsdiener, zwei Streitende, zwei Zeugen, zwei Gegenzeugen, zwei Entlassungszeugen, zwei Almosenvorsteher nebst einem Gehilfen, damit ihre Zahl bei der Verteilung der Almosen drei sei, und dann ein tüchtiger Arzt, der Chirurg ist, ein Schreiber und ein Schullehrer, welche zusammen hundertundzwanzig machen.

Kapitel 2

1) Zu Mitgliedern des großen wie des kleinen Sanhedrins dürfen nur Gelehrte und Männer von hoher Vernunft gewählt werden, die sowohl durch das Studium der Tora als auch durch großen Scharfsinn ausgezeichnet sind, und die auch in den weltlichen Wissenschaften bewandert sind, wie in der Medizin, der Arithmetik, der Astronomie, ja sogar der Astrologie, so dass sie die Art und Weise der Sterndeuter, Geisterbeschwörer und Zauberer, die Torheiten des Götzendienstes usw. kennen, damit sie in der Lage sind, über jeden Gegenstand zu urteilen.

Außerdem dürfen zu Mitgliedern des Sanhedrins nur Ahroniden, Leviten und solche vornehme Israeliten gewählt werden, aus deren Familien die Ahroniden Frauen wählen dürfen. Denn es heißt in Num. 11:16: »Sie sollen sich dort mit dir aufstellen«, also Männer, die dir gleich sind an Gelehrsamkeit, Gottesfurcht und Familienunbescholtenheit.

2) Die Tora sagt, dass im großen Sanhedrin auch Ahroniden und Leviten sein sollen, denn es heißt (Deut. 17:9): »Und du sollst zu den Priestern, zu den Leviten kommen«. Wenn es aber solche nicht gibt, dann können auch alle Mitglieder Israeliten sein.

3) Zum Mitglied des Sanhedrins soll weder ein zu Alter noch ein Kastrierter ernannt werden, denn beide sind kaltblütig. Ebenso wenig ein Kinderloser, damit jedes Mitglied Mitgefühl kenne.

4) Man darf den König Israels nicht zum Mitglied des Sanhedrin ernennen, denn es ist verboten, ihm zu widersprechen oder nicht zu gehorchen. Man darf aber einen Hohenpriester dazu wählen, wenn er hinreichend gelehrt ist.

5) Auch wenn die Könige aus dem Hause David nicht zum Sanhedrin gehören, dürfen sie über das Volk zu Gericht sitzen. Umgekehrt können sie zum Gericht gerufen werden, wenn eine Person eine Beschwerde gegen sie hat. Die Könige Israels hingegen dürfen weder als Richter fungieren, noch dürfen sie zum Gericht gerufen werden. Der Grund dafür ist, dass sie sich nicht vor den Worten der Tora demütigen und dass es zum Verhängnis führen kann, wenn man sie als Richter einsetzt oder ein Urteil gegen sie fällt.

6) So wie die Mitglieder des Gerichtshofes moralisch untadelig sein müssen, so gilt dies nicht weniger in Bezug auf körperliche Gebrechen (nämlich solche, die beim Tempeldienst hinderlich sein können).

Außerdem ist besonders darauf zu achten, dass alle Mitglieder des Gerichts sich auszeichnen durch graues Haupt, hohen Wuchs, schöne Gestalt, tiefen Verstand und Kenntnis der meisten lebenden Sprachen, damit der Sanhedrin nicht gezwungen sei, sich eines Dolmetschers zu bedienen.

7) Die Mitglieder eines dreiköpfigen Gerichtshofes müssen, wenn auch nicht dieselben Anforderungen wie an die Mitglieder des Sanhedrins gestellt werden, den folgenden sieben Erfordernissen genügen, nämlich: Gelehrsamkeit (Weisheit), Demut, Gottesfurcht, Geldverachtung, Wahrheitsliebe, Volksliebe und einen guten Ruf. Alle diese Eigenschaften werden in der Tora ausdrücklich genannt, denn es heißt dort (Deut. 1:13): »Weise und verständige Männer«, was auf Gelehrsamkeit hinweist, »bei euren Stämmen wohlbekannt«, was auf solche hinweist, an denen das Volk Gefallen findet.

Was macht aber bei den Leuten beliebt? Ein wohlwollender Blick, ein demütiges Herz, ein liebevoller Umgang und Güte in Wort und Tat gegen jedermann. Ferner heißt es: »tüchtige Männer«, – was auf Kraft in der Erfüllung der Pflichten hindeutet, so dass man ein wachsames Auge auf sich selbst habe, seine Begierden beherrsche, damit man weder etwas wirklich Unanständiges zur Schau stelle, noch überhaupt zu bösem Leumund Anlass gebe, sondern stets würdig erscheine. Die Formulierung »tüchtige Männer« bedeutet auch, dass sie ein mutiges Herz haben sollten, um eine unterdrückte Person vor demjenigen zu retten, der sie unterdrückt, wie es in Ex. 2:17 heißt: »Moses stand auf und befreite sie.«

Und wenn schon unser Lehrer Moses demütig war, um wie viel mehr ist es die Pflicht eines jeden Richters, demütig zu sein! Es heißt auch: »die Gott fürchten«, was wörtlich zu nehmen ist. Desgleichen heißt es: »nicht habsüchtig«, welche Worte besagen wollen, dass auch bei rechtmäßigem Gewinn die Gier nach Geld nicht hervortreten soll, dass man nicht dem Reichtum nachjagt, denn »wer dem Reichtum nachjagt, … den wird Mangel treffen« (Prov. 28:22). Schließlich heißt es: »Männer der Wahrheit«, was darauf hinweist, dass sie das Recht aus eigenem Antrieb suchen, die Wahrheit lieben, Unterdrückung hassen und jede Ungerechtigkeit fliehen.

8) Unsere Weisen haben gesagt, dass vom großen Sanhedrin Männer in alle Himmelsrichtungen des Landes gesandt wurden, um denjenigen, den sie für weise, gottesfürchtig, demütig, genügsam, beredt und beliebt hielten, zum Richter in seiner Stadt zu ernennen, von wo aus er zum Richter am Tor des Tempelberges, von da zum Richter am Tor des Tempelhofes und schließlich zum Mitglied des großen Gerichtshofes befördert wurde.

9) War in einem Gericht von drei Personen ein Konvertit, so hatte das Gericht keine Gültigkeit, es sei denn, seine Mutter war Israelitin. War aber einer dieser drei Gerichtspersonen ein Bastard, ja wenn sie alle drei Bastarde waren, so hatte das Gericht vollgültige Kraft. Ebenso, wenn einer der drei Richter auf einem Auge blind war, was bei den Mitgliedern des großen Sanhedrins nicht erlaubt war. Wer aber auf beiden Augen blind war, wurde zu keinem Gericht zugelassen.

10) Obgleich nun kein Gericht weniger als drei Personen umfassen sollte, so war es doch nach der Tora auch einem Einzelnen erlaubt, Recht zu sprechen, denn es heißt: »In Gerechtigkeit sollst du deinen Nächsten richten« (Lev. 19:15). Die Schriftgelehrten aber verordneten, dass es drei Richter sein sollten. Wenn aber nur zwei Richter ein Urteil fällten, so war es ungültig.

11) Wenn jemand als ein erfahrener Mann bekannt war, oder wenn er die Erlaubnis von einem Gericht hatte, so durfte er auch allein Recht sprechen. In diesem Fall aber ist sein Richteramt nicht dem eines Gerichts gleich. Ferner ist es ein Gebot der Weisen, dass er, obgleich er die Erlaubnis hatte, allein zu richten, andere in seinem Amt zu Rate ziehe; denn die Weisen sagen: »Mögest du nie allein richten; denn nur Einer ist’s, der da allein richtet [Gott]«.

12) Jedem steht es frei, sich selbst Recht zu verschaffen, wenn er die Kraft dazu hat. Denn wenn er nach Recht und Gesetz handelt, ist er nicht verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen, auch wenn er durch das Zögern, bis die Sache vor Gericht kommt, keinen Schaden erleidet. Wenn daher sein Gegner, mit seinem Urteil unzufrieden, die Sache vor das Gericht bringt, dieses aber nach gebührender Überlegung das gefällte Urteil als rechtmäßig anerkennt, so bleibt es in Kraft.

13) Obgleich ein Gericht aus drei Mitgliedern vollkommen rechtskräftig ist, so ist doch ein solches, das aus mehr Mitgliedern besteht, immer löblicher. Es wäre gut, wenn das Urteil durch elf gegen zehn Stimmen gefällt würde, und wenn alle Beisitzer des Gerichts gelehrte und würdige Männer wären.

14) Einem Weisen ist es verboten, in einem Gericht zu sitzen, dessen Mitglieder er nicht kennt, denn er könnte sich zu unwürdigen Leuten gesellen und so zur Bildung einer Räuberbande und nicht eines Gerichts beitragen.

Kapitel 3

1) Wie lange tagen die Richter? Das kleine Sanhedrin und das Gericht der Drei beginnen ihre Sitzung nach dem Morgengebet und dehnen sie bis zum Ende der sechsten Stunde des Tages aus. Das große Sanhedrin aber pflegt die ganze Zeit, vom beständigen Morgenopfer bis zum beständigen Abendopfer, mit seiner Sitzung auszufüllen. An den Sabbaten und Feiertagen versammelten sich die Richter im Studienhaus auf dem Tempelberg.

2) Nicht alle Mitglieder des Gerichts der Einundsiebzig müssen immer zusammen auf ihren Plätzen im Tempel anwesend sein, sondern nur dann, wenn es notwendig ist. Zu allen anderen Zeiten durfte sich jeder entfernen, um sein etwaiges Geschäft zu besorgen, nach dessen Beendigung er wieder zurückkehrte. Die Zurückgebliebenen durften aber nicht unter dreiundzwanzig sein. Es musste also ein Jeder, der sich entfernen wollte, seine Zurückgebliebenen überblicken. Fand er dann, dass nach seinem Weggang noch dreiundzwanzig zurückblieben, so durfte er gehen; im entgegengesetzten Fall musste er bleiben, bis einer kam, der ihn ersetzte.

3) Es soll keine Gerichtsverhandlung bei Nacht begonnen werden, denn durch die Überlieferung haben es unsere Weisen gelernt, dass die Gerichtsverhandlung sich ganz ähnlich verhält wie die Besichtigung von Aussatz. Denn es heißt: »Jeder Rechtsstreit, jeder Aussatz« (Deut. 21:5), was darauf hindeutet, dass, wie die Sichtung des Aussatzes immer bei Tag stattfinden muss, so auch die Gerichtsverhandlung nur bei Tag stattfinden soll.

4) Ebenso darf man bei Nacht weder Zeugen vernehmen noch unterschriebene Urkunden beglaubigen. In Geldsachen ist es zulässig, das Urteil bei Nacht zu fällen, wenn die Untersuchung darüber am Tage begonnen hat.

5) Erbteilungen sind ganz wie Gerichtsfälle zu betrachten, denn es heißt von ihnen: »nach der Norm des Gesetzes«; daher ist keine Erbteilung bei Nacht vorzunehmen.

6) Sind zwei Personen zu einem Kranken gekommen, und teilt der Kranke ihnen seinen letzten Willen mit, so können sie ihn niederschreiben, aber keineswegs eine gerichtliche Urkunde daraus machen. Sind sie aber zu dritt gewesen, so hängt es von ihrem Willen ab, ob sie den letzten Willen des Kranken bloß niederschreiben, oder daraus eine gerichtliche Urkunde machen wollen. Letzteres gilt nur, wenn der Besuch des Kranken bei Tage stattgefunden hat. Ist der Besuch bei Nacht erfolgt, so können sie den letzten Willen des Kranken nur niederschreiben, nicht aber gerichtlich beurkunden.

7) Jedes gesetzmäßige israelitische Gericht steht unter der Aufsicht Gottes. Darum sollen auch die Richter in Gottesfurcht, Andacht, Demut und Besonnenheit sitzen. Leichtsinn, Scherz und leeres Geschwätz, sind dagegen verboten. Im Gespräch sollen sie die Tora und die Weisheit zum Gegenstand haben.

8) Wenn das Sanhedrin oder der Fürst der Exilierten einen untauglichen Richter einsetzt, der weder die Weisheit der Tora kennt, noch sonst würdig ist, Richter zu sein, wenn er auch sonst angenehm ist und manches Gute an sich hat, so haben doch die Einsetzenden damit ein schriftliches Verbot übertreten. Denn es heißt: »Ihr sollt im Gericht kein Ansehen der Person gelten lassen« (Deut. 1:17), was unsere Weisen nach der Überlieferung dahin erklären, dass sich dieser Vers auf den bezieht, dem es obliegt, Richter einzusetzen.

Unsere Weisen sagen nämlich: »Du wirst vielleicht denken: Dieser Mann ist schön, ich will ihn zum Richter einsetzen; dieser Mann ist heldenmütig, ich will ihn zum Richter einsetzen; dieser Mann ist mein Verwandter, ich will ihn zum Richter einsetzen«; auf diese Weise aber könnte jemand den Schuldigen freisprechen und den Unschuldigen verurteilen, und zwar nicht aus bösem Willen, sondern aus Unwissenheit.

Darum heißt es: »Ihr sollt im Gericht kein Ansehen der Person gelten lassen«. Die Weisen haben auch gesagt: Wer in Israel einen unwürdigen Richter einsetzt, der vergeht sich, wie wenn er ein Götzenbild aufstellt, denn es heißt: »Du sollst dir kein Götzenbild aufstellen, das der Herr, dein Gott, verabscheut« (Deut. 16:22). Wenn man es dann noch an einem solchen Ort tut, wo Schriftgelehrte sind, ist es, als hätte man einen Götzenhain gepflanzt, denn es heißt: »Du sollst dir keinen Götzenhain pflanzen, auch keinen Baum, neben dem Altar des Herrn, deines Gottes« (Deut. 14:21). Unsere Weisen haben diesen Vers auch zitiert: »Ihr sollt keine silbernen oder goldenen Götzen neben mir machen« (Ex. 20:23) auf Götter (Richter), die nur den Wert von Silber und Gold haben, d.h. auf Richter, die nur wegen ihres Reichtums eingesetzt werden.

9) Man soll nicht vor einen Richter treten, der Geld gezahlt hat, um sein Amt zu erlangen. Unsere Weisen haben sogar geboten, einen solchen zu verachten und zu verschmähen. Sie sagten auch: Das Richtergewand, in das er sich hüllt, möge deinem Auge wie die Decke eines Esels erscheinen.

10) Die Weisen pflegten die richterlichen Ämter zu meiden und sich viel Mühe zu geben, nicht wirklich im Gericht zu sitzen, es sei denn, sie waren überzeugt, dass niemand so würdig sei wie sie, und dass die Ordnung in Gefahr wäre, wenn sie sich dem richterlichen Amt entzögen. Aber auch dann übernahmen sie das Amt nur, wenn das Volk sie sehr drängte und die Gemeindeältesten es sehr verlangten.

Kapitel 4

1) Sowohl im großen als auch im kleinen Sanhedrin und im Gericht der Drei muss mindestens ein Mitglied von einem ordinierten Richter ordiniert sein. Unser Lehrer Moses ordinierte Joschua durch Handauflegung, denn es heißt: »Er legte ihm die Hände auf und setzte ihn ein«. Ebenso wurden die siebzig Ältesten von unserem Lehrer Moses ordiniert, worauf der göttliche Geist auf sie kam. Diese Ältesten ordinierten wieder andere, und diese wieder andere, so dass die Reihe der Ordinierten ununterbrochen bis zu Joschua und unserem Lehrer Moses hinaufreicht. Es ist gleichgültig, ob der zu Ordinierende von einem Volksfürsten oder von einem anderen Ordinierten ordiniert wurde, obgleich der Ordinierende nie wirklich Mitglied des Sanhedrins war.

2) Die Ordination bei den späteren Generationen aber geschah nicht durch Auflegen der Hand auf das Haupt des zum Richteramt Bestimmten, sondern auch durch die Anrede »Rabbi« und die zu ihm gesprochenen Worte: »Du bist ordiniert und hast das Recht, Urteile zu fällen, auch in Fällen, in denen es um Bußgelder geht.«

3) Eine solche Ordination kann nur vor einer Versammlung von drei Personen erfolgen, von denen eine Person bereits ordiniert ist.

4) Mit dem Namen Elohim, »göttliche Richter«, ist nur ein in Israel geweihtes Gericht gemeint, das nämlich aus solchen gelehrten und zum Richteramt befähigten Männern besteht, die von einem Gericht in Israel geprüft, eingesetzt und geweiht worden sind.

5) Vor Zeiten pflegte jeder Ordinierte seine Schüler zu Richtern zu ordinieren. Unsere Weisen aber erteilten diese Ehre zuerst Hillel dem Älteren, und bestimmten, dass niemand ohne Erlaubnis des Volksfürsten zum Richteramte gewählt werde. Jedoch so, dass weder dieser in Abwesenheit des Gerichtsältesten, noch dieser in Abwesenheit des Volksfürsten eine Ordination vornehmen dürfe. Jeder der übrigen Gelehrten aber kann mit Erlaubnis des Volksfürsten ohne weiteres eine Ordination vornehmen, wenn außer ihm noch zwei anwesend sind. Denn jede Ordination muss in Gegenwart von dreien geschehen.

6) Man darf keinen Richter im Ausland ordinieren, auch wenn die Ordinierenden in Israel ordiniert worden sind, ja auch wenn sie sich noch dort befinden, und nur der zu Ordinierende sich im Ausland befindet. Noch viel weniger, wenn die Ordinierenden sich im Ausland befinden, – und die zu Ordinierenden sich im Inland befinden. Befinden sich aber beide im Lande Israel, so kann die Ordination vollzogen werden, auch wenn sich die beiden Parteien nicht an ein und demselben Ort befinden. In diesem Falle hat man nur einen mündlichen Bevollmächtigten, oder die schriftliche Nachricht zu senden, dass jemand ordiniert sei, wodurch er auch die Erlaubnis erhält, selbst Bußgeld zu verordnen, weil eben beide Parteien sich im Inland befinden. Als israelitisches Landesinnere wird aber in dieser Hinsicht das ganze Gebiet angesehen, welches die aus Ägypten zurückgekehrten Israeliten in Besitz genommen haben.

7) Die Ordinierenden können auch Hundert auf einmal zum Richteramt ordinieren. Der König David ordinierte dreißigtausend auf einen Tag.

8) Es kann auch ein Richter für ein Spezialgebiet ernannt werden, aber nur, wenn er Kenntnisse in allen Fächern hat. Wenn zum Beispiel ein berühmter Gelehrter über die ganze Tora referieren kann, so darf ein Gericht ihn ordinieren, ihm die Erlaubnis geben, nur über Prozesse zu richten, nicht aber über Erlaubtes und Verbotenes (in Religionssachen); oder die Erlaubnis , über Religionssachen zu richten, nicht aber über Geldprozesse; oder auch die Erlaubnis , über Geldprozesse zu richten, nicht aber über Religionssachen; oder auch die Erlaubnis , Geldprozesse zu schlichten, aber nicht Bußgelder zu fällen; oder die Erlaubnis , Bußgelder zu fällen, aber nicht über die Fehlerhaftigkeit der Erstlinge zu urteilen; oder auch die Erlaubnis , Gelübde zu lösen, oder die Erlaubnis , Blutflecken zu sichten und dergleichen.

9) Ebenso steht es den Ordinierenden frei, diese Erlaubnis nur auf eine gewisse Zeit zu erteilen, indem sie zu dem zu Ordinierenden sagen: »Du erhältst hiermit die Erlaubnis, Prozesse zu richten und zu schlichten, bis der Landesfürst kommt«; oder: »Solange du nicht mit uns in der Stadt bist, und dergleichen mehr«.

10) Ein berühmter Gelehrter, der auf einem Auge blind ist, kann, obgleich ihm dieser Mangel in Geldprozessen nicht hinderlich ist, dennoch nicht zum Richter in dieser Sache ernannt werden, weil er nicht zu allen Fächern zugelassen ist, usw.

11) Wenn es aber nur einen im Lande Israel gibt, der ordiniert ist, so beruft er noch zwei Beisitzer und ordiniert siebzig auf einmal oder einen nach dem andern, worauf er mit diesen siebzig ein großes Sanhedrin bildet, und kann dann auch andere Gerichte einsetzen.

Meiner Meinung nach, wenn alle Gelehrten im Lande Israel übereingekommen sind, Richter einzusetzen und sie zu ordinieren, so sind sie als ordiniert zu betrachten und haben die Erlaubnis Bußgelder zu verhängen, wie auch andere (nach dem gewöhnlichen Brauch) zu Richtern zu ordinieren sind. Warum also trauerten unsere Weisen so sehr über den Verlust der Ordination? Weil dadurch die Bußgelder in Israel aufhören mussten, weil das Volk so zerstreut war, dass es fast unmöglich war, zu einer gemeinsamen Übereinkunft (in Bezug auf die Ordination von Richtern) zu gelangen. Wäre aber auch nur ein einziger aus der ununterbrochenen Reihe der Ordinierten vorhanden gewesen, so hätte er nicht der allgemeinen Übereinkunft bedurft, sondern könnte ohne weiteres überall Richtersprüche fällen, weil er rechtmäßig ordiniert ist. Diese meine Meinung bedarf aber noch der weiteren Erörterung.

12) Ein Gericht, welches im Inland ordiniert worden ist, und sich dann nach dem Ausland begibt, kann auch dort Bußgelder verhängen, ganz wie im Inland, denn das Sanhedrin hat im Ausland ebenso viel Gewalt als im Inland, nur müssen die Mitglieder jenes Gerichtes ordiniert sein.

13) Die Obersten (Fürsten) der Exilierten, die zu Babel waren, waren gleichsam Könige über das Volk (und hatten dazu Macht von den Königen in Persien) und konnten über das Volk überall gebieten und es richten, ob es wollte oder nicht. Der Vers: »Nicht weicht das Zepter von Juda« (Gen. 49:10), bezog sich auf die Oberhäupter der babylonischen Gefangenschaft.

14) Ein jeder würdige Richter, der nun vom Fürsten der Exilierten die Erlaubnis erhalten hat, Recht zu sprechen, konnte sein Amt überall, sei es im In- oder Ausland, auch gegen den Willen der Angeklagten ausüben, obgleich es ihm nicht erlaubt ist, Bußgelder zu verhängen. Ein würdiger Richter aber, der nur von einem inländischen Gericht ernannt worden ist, erhält dadurch die Erlaubnis, im ganzen Inland, auch in den Grenzstädten, Recht zu sprechen, auch gegen den Willen der Angeklagten, im Ausland aber unterliegen diese keinem Zwang. Denn obgleich ein solcher Richter im Ausland sogar Bußgelder verhängen kann, so darf er doch nur Recht sprechen, wenn die Angeklagten sich freiwillig seinem Urteil unterwerfen. Die Angeklagten zu zwingen, sich seinem Urteil zu fügen, steht ihm nur dann frei, wenn er von dem Fürsten der Exilierten eingesetzt worden ist.

15) Ist aber jemand nicht fähig, Richter zu sein, entweder aus Unwissenheit oder aus Unwürdigkeit, so hilft ihm eine Erlaubnis nichts, auch wenn sie von dem Fürsten der Exilierten unter Missachtung der Gesetze oder von einem Gericht irrtümlich erteilt worden ist, gleichwie ein fehlerhaftes Tier, auch wenn es für den Altar bestimmt ist, darum nicht für die Heiligkeit empfänglich ist.

Kapitel 5

1) Die Einsetzung eines israelitischen Königs darf nicht anders erfolgen als durch den Ausspruch eines Gerichts von einundsiebzig Mitgliedern. Ebenso darf man den kleinen Sanhedrin für jeden Stamm und jede Stadt nicht anders einsetzen als durch den Ausspruch des Gerichts der Einundsiebzig. Ebenso darf man einen Stamm, der zum Götzendienst verführt ist, einen falschen Propheten und einen Hohenpriester bei Todesstrafen nicht anders richten als durch das große Gericht der Einundsiebzig. Geldprozesse des Hohenpriesters aber wurden durch das Gericht der Drei gerichtet. Auch darf man einen Ältesten (Richter) nicht anders für widerspenstig erklären, noch eine Stadt für zum Götzendienst verführt, noch eine des Treuebruchs verdächtige Frau zum Fluchtrank verurteilen, als durch das große Oberste Gericht. Ebensowenig darf man eine Erweiterung der Stadt (Jerusalem), oder der Tempelhöfe, noch in den freiwilligen Krieg eintreten und die Entfernung zwischen einer Leiche und den nahegelegenen Städten zu messen, wenn nicht mit Erlaubnis des großen obersten Gerichts. Denn es heißt: »Jede wichtige Sache sollen sie vor sich bringen« (Ex. 28:22).

2) Die Todesstrafe darf nicht von einem Gericht verhängt werden, das aus weniger als dreiundzwanzig Mitgliedern besteht, welches Gericht »Kleiner Sanhedrin« genannt wird; das Gleiche gilt, wenn ein Tier an einem solchen Verbrechen beteiligt ist. Daher wird ein Ochse, der zu Tode gesteinigt wird, und ein Tier, das für bestialische Sexualpraktiken verwendet wird, nur von einem Gericht mit dreiundzwanzig Richtern zum Tode verurteilt. Selbst wenn ein Löwe, ein Bär oder ein Gepard, der domestiziert wurde und Besitzer hat, einen Menschen tötet, wird er aufgrund des Urteils eines Gerichts von dreiundzwanzig Personen hingerichtet. Wenn jedoch eine Schlange einen Menschen tötet, darf sogar ein gewöhnlicher Mensch sie töten.

3) Wer von seiner Frau bösen Leumund macht, kann von vornherein nicht anders als vor dem Gericht der Dreiundzwanzig gerichtet werden, weil noch die Möglichkeit eines Kapitalverbrechens vorhanden ist, indem die Beschuldigung für wahr befunden werden kann, wo dann die Frau gesteinigt wird. Wird aber die Beschuldigung des Mannes für unwahr befunden, und handelt es sich um die Geldbuße, die der Vater der Frau beansprucht, so genügt dazu das Gericht der Drei. Woher aber weiß man, dass Kapitalverbrechen nur vor dem Gericht der Dreiundzwanzig zu verhandeln sind? Abgesehen davon, dass die Tradition dies so überliefert hat, spricht auch die Bibelstelle Num. 35:24 und 25 dafür: »Die Gemeinde soll richten, und die Gemeinde soll retten«. Es wird also eine Gemeinde gegen und eine Gemeinde für den Angeklagten gefordert. Da aber eine Gemeinde nicht weniger als zehn Mitglieder hat, so sind, wenn zwei Gemeinden erforderlich sind, schon zwanzig Richter bestellt, zu denen noch drei hinzukommen müssen, um im Falle einer Meinungsverschiedenheit die erforderliche Stimmenmehrheit zu erhalten.

4) Die Geißelung wird durch das Gericht der Drei bestimmt, obwohl es möglich ist, dass der Verurteilte dabei stirbt.

5) Das Genickschlagen des Sühnekalbes erfolgt in Anwesenheit von fünf Richtern.

6) Die Berechnung der Monate erfolgt durch drei Richter.

7) Die Berechnung des Jahres aber wird von sieben Richtern vorgenommen, die auch, wie wir oben erklärt haben, ordiniert sein müssen.

8)Schadensersatz, wie z. B. wegen Raubes, Verwundung, über das Doppelte, Vier- und Fünffache des Diebstahls, wegen Notzucht, Verführung usw., werden nur von drei erfahrenen, im Lande Israel ordinierten Richtern bestimmt. Andere Geldprozesse aber, wie über Zugeständnisse und Darlehen, erfordern nur einen erfahrenen oder drei einfache Richter. Deshalb können solche Prozesse über Zugeständnisse und Darlehen auch im Ausland verhandelt werden. Denn obgleich ein solches ausländisches Gericht nicht als »göttlich« erscheint, so richtet es doch im Auftrage eines inländischen Gerichtes. Keineswegs aber darf es sich zu Schadensersatz beauftragt halten.

9) Ein ausländisches Gericht kann nur über solche Streitigkeiten entscheiden, die häufig vorkommen und bei denen es sich um einen Vermögensschaden handelt, wie z.B. bei Zugeständnissen, Darlehen und Geldverlusten: Fälle aber, die weniger häufig vorkommen, obgleich sie mit einem Vermögensschaden verbunden sind, wie z.B. wenn ein Vieh ein anderes verletzt, und ferner Fälle, die zwar häufig vorkommen, aber nicht mit einem Vermögensschaden verbunden sind, wie z.B. der doppelte Schadenersatz bei Diebstahl, dürfen ausländische Richter keinesfalls entscheiden. Ebenso wenig dürfen sie die von den Weisen festgestellten Bußgelder auf eine Ohrfeige oder überhaupt auf eine körperliche Beschädigung anwenden. Dasselbe gilt auch für jeden halben Schadenersatz, dessen Verhängung den ausländischen Richtern nicht zusteht, mit Ausnahme des Schadenersatzes für Scherben, weil es sich dabei um eine reine Geldfrage handelt, die keines richterlichen Schadensersatzes bedarf.

10) Alles, was der gleichen Schätzung unterliegt, darf von ausländischen Richtern nicht erhoben werden. Wenn also jemand seinen Nächsten verwundet, so darf für den Schmerz und die Schande, obgleich dafür nach dem Gesetz Schadenersatz zu leisten ist, kein Schadenersatz gefordert werden. Für den Zeitverlust und die Heilmittel aber darf man sehr wohl Schadenersatz fordern, weil damit ein reiner Geldverlust verbunden ist. So entscheiden auch die Geonim, die berichten, dass es in Babylon üblich gewesen sei, für Zeitverlust und Heilmittel Schadenersatz zu entrichten.

11) Hat ein Vieh einen Menschen beschädigt, so können ausländische Richter keinen Schadenersatz fordern, weil dies ein ungewöhnlicher Fall ist. Hat aber ein Mensch seines Nächsten Vieh beschädigt, so muss er den Schaden überall ersetzen, wie wenn er sein Kleid zerrissen, sein Geschirr zerbrochen oder seine Pflanzen verdorben hätte. Gleichermaßen können ausländische Richter den Schadenersatz anordnen, wenn ein Vieh durch Fressen oder Treten irgendeinen Schaden anrichtet; denn dies wird, weil es ganz seiner Natur entspricht, für einen gewöhnlichen Fall gehalten. Ob das Vieh einen Andern auf diese Weise beschädigt, oder ob es Früchte gefressen hat, die zu seiner gewöhnlichen Nahrung gehören, und dergleichen mehr, oder ob es auch Esswaren oder Geschirre beschädigt hat, auf welchen Schaden der volle Schadenersatz steht. In allen diesen Fällen sind die fremden Richter wohl befugt, Schadenersatz zu fordern. Hat sich aber ein Vieh durch ungewöhnliche und wiederholte Schädigung, wie z. B. wenn ein Ochse biss oder stieß, sich plötzlich zu Boden warf oder sprang, oder mit den Hörnern schlug, als schädlich erwiesen, so steht die Erhebung des darauf entfallenden vollen Schadenersatzes den ausländischen Richtern nicht zu, weil im Auslande die Erklärung der ungewöhnlichen Schädlichkeit eines zahmen Viehes nicht zulässig ist. Auch wenn dieses Hausvieh im Inland für schädlich erklärt worden ist und erst dann im Ausland den Schaden verursacht hat, so kann der darauf entfallende Schadenersatz dennoch nicht erhoben werden, weil es sich um einen ungewöhnlichen Fall handelt.

12) Warum ist eine solche Erklärung im Ausland unzulässig? Weil diese Erklärung von einem ordentlichen Gerichte abgegeben werden müsste, ein solches aber im Ausland nicht vorhanden ist, mit Ausnahme etwa der im Inland ordinierten Richter. Findet sich daher ein solches Gericht im Ausland, so kann dasselbe, eben so wie es Bußgelder verhängt, auch die Schädlichkeit eines Viehes durch Zeugnis feststellen.

13) Hat jemand gestohlen oder geraubt, so können ausländische Richter zwar die Einziehung der gestohlenen Sache, nicht aber den doppelten Schadenersatz anordnen.

14) Auch ein solcher Schaden, der zugegeben wird, darf von ausländischen Richtern nicht verhängt werden; denn bei Entweihung, Beschämung und Lösung zahlt man auch nur nach eigenem Eingeständnis. Wenn z. B. jemand sagt: Ich habe die Tochter des N. N. verführt, oder mein Ochse hat den Mann getötet, so dürfen ausländische Richter von ihm keinen Schadenersatz fordern.

15) Schadenersatzforderungen sind nicht als gutachterliche Bußgelder zu betrachten, so dass man den Ersatz dafür erheben und Streitigkeiten darüber im Ausland schlichten dürfte.

16) In ähnlicher Weise können die Gesetze, die auf eine Person Anwendung finden, die einem Nichtjuden Geld gibt, das einem Freund gehört, auch wenn er nur damit droht, von den Richtern im Ausland entschieden werden.

17) Bei auswärtigen gelehrten Versammlungen war es Brauch, den Übeltäter, obgleich von ihm keine Entschädigung gefordert wird, so lange in den Bann zu setzen, bis er seinen Gegner versöhnt oder mit ihm zum Gericht ins Land Israel geht. Hat er ihm aber eine angemessene Entschädigung gezahlt, so soll der Bann aufgehoben werden, gleichviel, ob der Gegner dadurch versöhnt wird oder nicht. Erhält der Geschädigte Geld vom Täter, so soll ihn kein Gericht zur Herausgabe zwingen, wenn es nicht mehr ist als der Schaden.

18) Ein einzelner, allgemein als erfahren anerkannter Richter, auch wenn er ordiniert ist und auch das Recht hat, allein in Geldangelegenheiten zu urteilen, kann ein vor ihm abgelegtes Geständnis nicht als gerichtliches Geständnis ansehen. War aber die Zahl der Richter drei, so soll ein vor ihnen abgelegtes Geständnis, auch wenn sie nicht ordiniert und gelehrt sind, so dass sie keinen Anspruch darauf haben, »göttliche Richter« genannt zu werden, dennoch als durchaus gerichtlich gelten. Auch wenn jemand vor ihnen etwas leugnet, nachher aber von Zeugen überführt wird, so wird er als Lügner erkannt, und seine Ausflüchte werden nicht berücksichtigt, wie wir oben das Nähere darüber erörtert haben. Überhaupt sind drei solcher Richter in Bezug auf Zugeständnisse, Darlehen usw. als ein vollkommen ordiniertes Gericht zu betrachten.

Kapitel 6

1) Wenn sich ein Richter bei der Schlichtung eines Geldprozesses irrt, so kommt es darauf an, ob der Irrtum in einer offenkundigen und allgemein bekannten Sache begangen worden ist, wie zum Beispiel in Rechtssachen, die in der Mischna oder Gemara ausdrücklich erörtert werden, in welchem Falle das Urteil aufzuheben, der Prozess von neuem anzuberaumen und nach den Gesetzen zu schlichten ist. Wenn es aber nicht möglich ist, das Urteil zurückzunehmen, z. B. wenn derjenige, der das Geld ohne Grund genommen hat, in eine ferne Seestadt gereist ist, oder ein Machthaber ist, oder wenn der Richter eine reine Sache für unrein erklärt hat, und eine erlaubte für verboten, und sie den Hunden zum Fraß vorgeworfen hat, und so weiter, so bleibt der Richter von jedem Schadenersatz frei. Denn wenn er auch einen Schaden verursacht hat, so konnte er es doch nicht gewollt haben.

2) Wenn aber der Irrtum in einer Frage der Meinung vorgekommen ist, wie z. B. in einem Falle, in welchem die Tannaim und Amoraim verschiedener Meinung waren, ohne dass der Streitpunkt zu einer bestimmten Entscheidung gekommen wäre, so dass der Richter sich für die Meinung der einen entschied, während die Meinung der anderen allgemein anerkannt war, so kommt es wiederum darauf an, ob er ein erfahrener Richter ist und zugleich die Erlaubnis vom Fürsten der Exilierten erhalten hat, oder ob er auch ohne diese Erlaubnis von den streitenden Parteien als Richter anerkannt worden ist, worauf dann, weil er als erfahrener Richter anerkannt ist, das Urteil aufgehoben werden soll, und wenn dies unmöglich ist, er doch von allem Schadenersatz befreit bleibt. Es bleibt hiermit gleich, ob ihm die Erlaubnis zum Richten von dem Fürsten der Exilierten, oder von einem inländischen Gericht für das Inland, aber keineswegs für das Ausland, wie wir eben erklärt haben, erteilt worden ist.

3) Ist es aber ein erfahrener Richter gewesen, der weder zum Richten befugt, noch von den streitenden Parteien als ihr Richter anerkannt worden ist, oder ist es kein erfahrener Richter gewesen, obgleich er von den streitenden Parteien aufgefordert worden ist, das Recht nach dem Gesetz zu sprechen, und hat er sich in einer Frage der Meinung geirrt, wo er mit eigener Hand das Urteil vollzogen hat, so bleibt die Urkunde in Kraft, er hat aber den Schaden aus eigenen Mitteln zu ersetzen. Hat er aber das Urteil nicht mit eigener Hand vollzogen, so ist das Urteil, soweit möglich, aufzuheben; ist dies nicht möglich, so hat der Richter den Schaden aus eigenen Mitteln zu ersetzen.

4) War aber der Richter weder erfahren, noch von den streitenden Parteien berufen, obgleich er irgendeine Erlaubnis zum Richten erlangt hatte, so gehörte er zwar zu der Klasse der Machthaber, aber keineswegs zu der der Richter, weshalb auch sein Urteil, ob er sich geirrt hat oder nicht, aller Rechtskraft entbehrt, und jede der streitenden Parteien die Sache nach Belieben wieder vor ein ordentliches Gericht bringen kann. Kann dieser es nicht zurückerstatten, oder hat der Richter etwas für unrein oder verboten erklärt, oder etwas Erlaubtes den Hunden vorwerfen lassen, so muss er dennoch den Schaden ersetzen, wie jeder, der einen Schaden verursacht, weil er als ein vorsätzlich Schädigender zu betrachten ist.

5) Wenn der Irrtum darin bestünde, dass der Richter Jemanden zum Schwur verurteilte, der ihn nicht geleistet hatte, und dieser sich daraufhin mit dem Gegner einigte, den Schwur nicht zu leisten, und erst später erfuhr, dass er nicht zum Schwur verpflichtet war, so ist der Vergleich ungültig, wenn er auch schon in Tat durch Angeld übergegangen wäre. Weil alles, was er zu leisten oder abzulösen hatte, nur die Folge davon war, dass er sich von dem ihm irrtümlich auferlegten Schwur befreien wollte, ein durch Irrtum begründetes Angeld aber keine Gültigkeit hat, usw.

6) Wenn zwei streitende Parteien in einer Stadt über das zu wählende Gericht uneinig sind, indem die eine das örtliche, die andere aber das große wählt, weil die Richter des Stadtgerichts sich irren und dadurch einen ungerechten Geldverlust verursachen könnten, so ist die eine Partei zu zwingen, den Prozess in der örtlichen Stadt selbst schlichten zu lassen. Verlangt sie nun aus Furcht vor möglichem Irrtum ein schriftlich abgefasstes und begründetes Urteil, so soll ihr ein solches ausgefertigt und zugestellt, und erst dann die durch das Urteil bestimmte Summe eingezogen werden.

Findet sich aber in der Streitsache wirklich ein Grund, den Rat des großen Gerichtshofes zu Jerusalem einzuholen, so tuen die Richter selbst dies schriftlich durch einen Boten, und fällen dann das Urteil in der Stadt, auf Grund der schriftlich zugestellten Entscheidung des großen Gerichtshofes.

7) Dies aber nur in gewöhnlichen Prozesssachen, wo beide Parteien klagen, oder Forderungen stellen, auch wenn der Gläubiger in der Stadt selbst klagen will, und nur der Schuldner das große Gericht verlangt hat. Hat aber der Gläubiger das große Gericht verlangt, so ist der Schuldner zu zwingen, durch dasselbe den Streit entscheiden zu lassen, weil es heißt: »Der Schuldner ist seines Gläubigers Knecht« (Prov. 22:7). Desgleichen, wenn ein Geschädigter oder Beraubter, der als Kläger auftritt, das große Gericht verlangt, so soll das Stadtgericht den Beklagten zwingen, vor dem großen Gericht zu erscheinen usw.

8) Dies geschieht aber nur, wenn der Verletzte, Beraubte oder Gläubiger Zeugen oder andere Beweise vorbringt. Auf eine leere Anklage soll der Angeklagte nicht aus der Stadt geschickt werden, sondern im Notfall vor dem Stadtgericht schwören und freigelassen werden.

9) So verhält es sich auch in unseren Zeiten, wo wir gar kein großes Gericht haben, sondern Städte, in welchen es große Gelehrte und allgemein als erfahren anerkannte Richter gibt, und wiederum solche Städte, in welchen diesen nicht ebenbürtige Gelehrte fungiren, so dass, wenn der Gläubiger verlangt, sich nach jener Stadt oder jenem Lande zu jenem großen Richter zu begeben, um die Streitsache dort entscheiden zu lassen, man den Schuldner zwingt, ihm dorthin zu folgen. Solches geschah fast täglich in Spanien.

Kapitel 7

1) Wenn die eine streitende Partei einen gewissen Mann als Richter verlangt, die andere aber einen anderen, so sollen diese beiden als Richter gewählten Männer einen dritten Richter wählen und dann mit ihm gemeinsam die Streitsache entscheiden, denn nur so kann das Recht zum Vorschein kommen. Ja, selbst wenn die eine streitende Partei einen Richter gewählt hat, der als großer Gelehrter bekannt und ordiniert ist, um die Streitsache von ihm entscheiden zu lassen, so ist die andere Partei dadurch nicht gezwungen, sich seinem Urteil zu unterwerfen, sondern kann einen Richter ihres Vertrauens wählen.

2) Hat jemand einen Verwandten oder Unzulässigen als Richter oder Zeugen, oder auch einen wegen seiner Sünden Unzulässigen als vollen zweifachen Zeugen, oder als vollen dreifachen Richter anerkannt, und ihm das Recht gegeben, seine oder des Gegners Ansprüche aufzuheben oder zu bestätigen, so kann er, wenn die Sache durch Handschlag (Kinjan) erledigt ist, sein Wort nicht mehr zurücknehmen. Ist aber der Handschlag nicht erfolgt, so kann er, solange das Urteil nicht gefällt ist, wohl zurücktreten. Ist aber das Urteil gefällt und durch Zahlung in Rechtskraft getreten, sei es infolge des Urteils, sei es infolge des Zeugnisses des Unzulässigen, so steht es ihm nicht mehr frei, gegen das Urteil Einspruch zu erheben.

3) Ebenso, wenn einer Partei ein Eid auferlegt worden ist, gegen die Behauptung des Gegners, und dieser sagt: Schwöre bei deinem Leben, so bist du frei von allen meinen Forderungen, oder: Schwöre mir bei deinem Leben, so will ich dir geben, was du verlangst, so kann er sein Wort nicht mehr zurücknehmen, wenn es mit Handschlag geschehen ist. Ist dies aber nicht geschehen, so darf er, solange das Urteil nicht gefällt ist, zurücktreten. Ist aber das Urteil gefallen, und hat er den Eid geleistet, wie er gefordert worden, so kann er sein Wort nicht mehr zurücknehmen, sondern muss bezahlen.

4) Ebenso verhält es sich, wenn jemand zur Leistung eines Eides verurteilt worden ist, derselbe aber den Eid seinem Gegner zuschiebt, so kann letzterer nicht mehr zurücktreten, wenn ihm der Handschlag gegeben worden ist, oder wenn der ihm zugeschobene Eid wirklich geleistet worden ist.

5) Gleiches gilt, wenn jemand, ohne zur Eidesleistung verurteilt worden zu sein, sich zur Eidesleistung verpflichtet, in welchem Fall er sein Wort nicht zurücknehmen kann, sobald ihm der Handschlag gegeben worden ist. Ist dies nicht geschehen, so steht es jeder der Parteien frei, von dem Eid zurückzutreten, auch wenn er ihn vor dem Gericht versprochen hat, solange das Urteil nicht gefällt, oder der Eid nicht geleistet ist.

6) Wenn jemand vom Gericht für schuldig erklärt worden ist, aber Zeugen oder Beweise zu seiner Rechtfertigung vorbringt, so wird das Urteil, wenn es eben gefällt worden ist, aufgehoben oder zurückgenommen. Wenn neue Beweise gebracht werden, wird das Urteil dann immer aufgehoben. Ja selbst wenn die Richter die Vorlegung aller Beweise binnen dreißig Tagen verlangt hätten, und diese Beweise erst später vorgebracht würden, so wird das Urteil dennoch aufgehoben, denn wie kann man dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Beweise erst später gefunden wurden?

7) Hat er aber seine Verteidigung abgeschlossen, so wird das Urteil nachher nicht aufgehoben. Wenn er nämlich gefragt worden ist, ob er Zeugen oder Beweise habe, und er hat es schon verneint, worauf das Urteil gefällt und er für schuldig befunden worden ist, und wenn er dann, als er sich für schuldig befunden sah, sich auf Zeugen und Beweise berufen hat, so wird dies für ungültig erachtet, und seine Zeugen samt seinen Beweisen werden nicht berücksichtigt.

8) Dies aber nur, wenn er Beweise bei sich hatte und Zeugen in derselben Stadt. Sagt er aber: »Ich habe jetzt weder Beweise noch Zeugen, und kommen die Zeugen erst später aus einer fernen Seestadt, oder ist die Mappe oder die versiegelten Papiere des Vaters fremden Händen anvertraut worden, und bringt der Bewahrer sie erst später und liefert so die Beweise, die sie enthalten, so kann der Verurteilte davon Gebrauch machen, und das gefällte Urteil umstoßen.

Warum aber kann dadurch das Urteil umgestürzt werden? Darum, weil der Verurteilte seine zuerst gemachte Aussage als eine solche auffassen kann, welche er nur deshalb gemacht hat, weil er damals die ihm nötigen Beweise und Zeugen noch nicht in Händen hatte. In einem solchen Falle aber, oder wenn er überhaupt eine solche Aussage gemacht hat, und seine Gründe für stichhaltig befunden werden, so wird gesagt, er habe seine Verteidigung noch nicht abgeschlossen, worauf das Urteil aufgehoben werden kann. Hat er aber erklärt, er habe weder Zeugen in der Nähe noch in der Ferne; und auch keine Beweise, weder in seinen Händen noch in denen eines anderen, so kann das auf diese Erklärung gegründete Urteil nicht mehr rückgängig gemacht werden.

9) Dies gilt aber nur für einen Erwachsenen, der verurteilt worden ist und Zeugen oder Beweismittel erst nach Abschluss seiner Verteidigung vorgebracht hat. War es aber ein Erbe, der zur Zeit des Todes des Erblassers noch minderjährig war, und werden gegen den Erben Ansprüche wegen seines Verhältnisses zum Erblasser erhoben, und zwar auch dann, wenn der Erbe inzwischen volljährig geworden ist: so ist seine Erklärung, er habe weder Zeugen noch Beweise, nicht als Beendigung seiner Verteidigung anzusehen, wenn ihm, nachdem er schon vor Gericht schuldig gesprochen worden ist, jemand mitteilt, dass in der Sache seines Vaters solche Zeugnisse vorhanden seien, auf deren Grund man das gefällte Urteil umstoßen könne, oder wenn ihm jemand mitteilt, dass der Erblasser solche Beweise irgendwo in Verwahrung gegeben habe. So sind in diesem Falle die Urkunden sogleich vorzubringen, und das Urteil aufzuheben, weil ein Minderjähriger, der als Erbe eingesetzt ist, unmöglich alle Beweise für die Rechte des Erblassers kennen kann.

10) Wenn jemand vor Gericht ein Versprechen abgibt, dass, wenn er an einem bestimmten Tage nicht erscheint, um den erforderlichen Eid zu leisten, dann die Ansprüche seines Gegners als erfüllt angesehen werden sollen, und allen Ansprüchen des Gegners, ohne Gegeneid, entsprochen werden soll, oder dass, wenn er an dem bestimmten Tage nicht erscheint, er sein Recht verliert, und sein Gegner ohne weiteres von allen seinen Ansprüchen befreit ist, dann ist der Tag wirklich verstrichen, ohne dass er erschienen ist. Es sei denn, dass er den Beweis erbringt, dass er an jenem Tage durch Zwang am Erscheinen gehindert worden ist, so treten die Bedingungen in volle Kraft, und er verliert sein Recht, es sei denn, dass er beweist, dass er an jenem Tage durch Zwang am Erscheinen gehindert worden ist, dann wird er von dieser bindenden Abmachung frei, und nach Vorladung des Gegners leistet er den Eid, ganz wie früher; und so in ähnlichen Fällen.

Kapitel 8

1) War das Gericht geteilter Meinung, so dass die einen die eine Partei für unschuldig, die andern aber für schuldig erklärten, so entscheidet die Stimmenmehrheit. Dies ist ein Gebot der Schrift, denn es heißt (Ex. 23:2): »Nach der Mehrheit zu richten«. Dies bezieht sich aber nur auf Geldstreitigkeiten, wie auch auf die übrigen Gesetze über das Verbotene und das Erlaubte, über das Unreine und das Reine und so weiter. In Fällen aber, wo es um das Leben geht, ob der Verbrecher hingerichtet werden soll oder nicht, hat die absolute Stimmenmehrheit nur dann Gültigkeit, wenn sie sich für den Freispruch ausspricht. Im entgegengesetzten Fall, bei Schuldspruch, muss die Mehrheit wenigstens zwei betragen. Denn es ist uns überliefert, dass die Schrift darauf hinweist mit den Worten: »Du sollst nicht nach den Vielen sein im Bösen«, als wollte sie sagen: Wenn die Mehrheit sich zum Bösen, d. h. zum Todesurteil, neigt, so ist ihrem Beispiel nicht zu folgen, bis die Zahl derer, die sich zu demselben neigen, bedeutend größer, d. h. mindestens zwei ist. Der Beweis dafür ist die zweite Hälfte des Verses, wo es heißt: »Dich nach der Mehrzahl zu beugen«. Zum Guten entscheidet also eine einfache Mehrheit von einer Stimme, zum Schlechten aber mindestens eine Mehrheit von zwei Stimmen.

2) Wenn ein Gericht aus Dreien in der Weise übereinstimmt, dass zwei jemanden für unschuldig und einer für schuldig erklärt, so ist er unschuldig. Sprechen wiederum zwei für schuldig und einer für unschuldig, so ist er schuldig. Erklärt sich aber einer für schuldig und einer für unschuldig und sagt der dritte, er könne sich nicht entscheiden, so müssen, auch wenn zwei sich einstimmig für schuldig oder unschuldig erklären, der dritte aber sagt, er könne sich nicht entscheiden, zwei neue Richter in das Gericht aufgenommen werden.

Erklären sich nun von diesen fünf Richtern drei für den Freispruch und zwei für die Schuld, so ist der Angeklagte unschuldig; erklären sich aber drei für die Schuld und zwei für die Unschuld, so ist der Angeklagte schuldig. Sprechen aber zwei für unschuldig und zwei für schuldig, und der fünfte erklärt, er wisse nicht, wie er sich entscheiden solle, so sollen wieder zwei neue Richter in den Gerichtshof berufen werden. Sprechen aber von diesen fünf Richtern vier für unschuldig oder für schuldig, und erklärt der fünfte, er könne sich nicht entscheiden, oder auch, wenn drei für unschuldig, einer für schuldig, und einer, er könne sich nicht entscheiden, sei es derselbe, der diese Erklärung vor dem Gericht der drei abgegeben hat, oder ein anderer, so ist stets die Stimmenmehrheit maßgebend.

Wenn nun bei fortgesetzter Einberufung neuer Richter die Hälfte für und die andere Hälfte gegen war, und einer von ihnen erklärt hat, er könne sich nicht entscheiden, so werden immer zwei neue Richter eingezogen, was auch der Fall ist, wenn das zu fällende Urteil überhaupt zweifelhaft erscheint, bis zur Zahl von einundsiebzig. Sind nun von diesen fünfunddreißig für schuldig und fünfunddreißig für unschuldig, und einer unentschieden, so wird mit ihm verhandelt, um ihn für oder gegen zu stimmen, damit eine Mehrheit von sechsunddreißig für Schuld oder Unschuld sich ergebe. Gelingt dies aber nicht, und nimmt auch keiner der übrigen Richter sein Wort zurück, so bleibt der Fall als zweifelhaft, das Geld aber dem gegenwärtigen Besitzer.

3) Wer aber sagt, er könne sich nicht entscheiden, ist verpflichtet die Gründe für seine Meinung und die Ursachen seiner Unentschiedenheit anzugeben, wie es diejenigen tun müssen, die sich für die Schuld oder Unschuld des Angeklagten entscheiden.

Kapitel 9

1) Beginnt das Sanhedrin in einem Kapitalverbrechen mit dem Schuldspruch gegen den Angeklagten und wird dieser einstimmig bestätigt, so ist der Angeklagte freizusprechen, bis sich Richter finden, die ihn verteidigen. Erst wenn diese von den Richtern, die den Verbrecher verurteilen, überstimmt werden, ist deren Urteil zu befolgen.

2) Ist das kleine Sanhedrin in einem Kapitalverbrechen uneinig, so dass zwölf Richter für unschuldig und elf für schuldig sprechen, so soll der Angeklagte freigesprochen werden. Sprechen aber zwölf Richter für schuldig und elf für unschuldig, oder elf für und elf gegen den Angeklagten, der dreiundzwanzigste aber ist unentschieden, oder sprechen auch alle zweiundzwanzig für schuldig oder unschuldig, und ein Richter ist unentschieden, so müssen zwei neue Richter hinzugezogen werden. Der unentschiedene Richter gilt in diesem Fall als nicht mehr vorhanden, da er nicht mehr frei ist, ein Urteil gegen den Angeklagten zu fällen. Nach Hinzuziehung der beiden neuen Richter kommen also vierundzwanzig Richter in Betracht, ohne den unentschiedenen Richter mitzuzählen. Sprechen nun von diesen vierundzwanzig Richtern zwölf für »schuldig« und zwölf für »unschuldig«, so ist der Angeklagte freizusprechen. Sprechen aber von diesen vierundzwanzig Richtern zwölf für »unschuldig« und dreizehn für »schuldig«, so ist der Angeklagte freizusprechen, auch wenn einer von ihnen unentschieden bleibt, weil die Mehrheit für »schuldig« zwei beträgt. Sprechen aber von diesen vierundzwanzig Richtern zwölf »schuldig« und zwölf »unschuldig« (wo einer der beiden neuen Richter sich für unentschieden, der vorher unentschiedene aber für unschuldig erklärt), so werden wieder zwei neue Richter hinzugezogen, und so fort, bis die Majorität der für unschuldig stimmenden Richter eins, oder die der für schuldig stimmenden Richter zwei beträgt, wo dann im ersten Falle der Angeklagte freizusprechen, im zweiten Falle aber zu verurteilen ist. Ist aber die Zahl der freisprechenden und der verurteilenden Richter immer gleich geblieben, hat sich aber immer wieder ein Richter als unentschieden erwiesen, oder haben die verurteilenden Richter nur eine Mehrheit von eins, so werden immer wieder zwei Richter hinzugezogen, bis die Zahl einundsiebzig erreicht ist.

Sind nun von diesen sechsunddreißig für unschuldig, und fünfunddreißig für schuldig, so ist der Angeklagte freizusprechen; sind aber sechsunddreißig für schuldig, und fünfunddreißig für schuldig schuldig, so ist so lange zu verhandeln, bis eine der beiden Parteien ihr Urteil dem des Gegners anzuschließen vermag, worauf der Angeklagte entweder freizusprechen oder zu verurteilen ist. Geschieht es aber nicht, so wird die Verhandlung vertagt, bis der Angeklagte freigesprochen ist. Sind fünfunddreißig gegen fünfunddreißig, und einer erklärt sich für unentschieden, so ist der Angeklagte ebenfalls freizusprechen. Sind aber vierunddreißig für unschuldig und sechsunddreißig für schuldig und ein Richter unentschieden, so ist der Angeklagte schuldig, weil die Mehrheit zwei beträgt.

3) Tritt im großen Sanhedrin eine Meinungsverschiedenheit auf, sei es in Kapital-, Geld- oder Ritualfragen, so sollen keine neuen Richter hinzugezogen werden, sondern es soll so lange unter ihnen verhandelt werden, bis eine Majorität zustande kommt. Geht es in einem Prozess um das Leben, so wird so lange verhandelt, bis der Angeklagte freigesprochen oder verurteilt ist.

Kapitel 10

1) Wenn einer von den Richtern bei Kapitalverbrechen auf der Seite der Freizusprechenden oder der Verurteilten steht, nicht aus eigener Überzeugung, sondern weil er sich auf das Urteil seiner Freunde verläßt, so übertritt er ein Verbot der Schrift; denn auf einen solchen beziehen sich die Worte derselben (Ex. 23:2): »Und du sollst nicht in einer Streitigkeit deine Stimme geben, hinneigend«, was die Überlieferung dahin erklärt, dass der Richter nicht denkt: Es genügt mir, dass ich mit NN einer Meinung bin, sondern er richte, wie ihm der vorliegende Fall erscheint.

2) Zu diesem Verbot gehört auch, dass derjenige, der einmal für unschuldig gesprochen hat, in dieser Sache nicht mehr als Ankläger auftritt. Dies aber nur von der Verhandlung an. Bei der Verkündigung des Urteils aber darf der Verteidiger mit den Verurteilenden stimmen.

3) Wenn ein Schüler als Verteidiger aufgetreten ist, bevor er gestorben ist, so gilt er dennoch als Verteidiger.

4) Spricht aber jemand, ich will den Angeklagten verteidigen, verstummt aber oder stirbt, bevor er die Verteidigung ausgeführt oder die Gründe derselben angegeben hat, so gilt die Verteidigung als nicht geschehen.

5) Haben zwei Richter denselben Grund angeführt, auch wenn sie ihn aus zwei verschiedenen Stellen der Schrift herleiten, so gelten sie nur als einer.

6) Von den Weisen ist überliefert, dass sie bei Kapitalverbrechen bei der Einholung von Meinungen nicht mit dem Gelehrtesten beginnen, damit die anderen sich nicht auf seine Meinung verlassen und sich nicht für unwürdig halten, gegen seine Meinung aufzutreten. Vielmehr sage ein jeder seine Meinung nach seiner Überzeugung.

7) Ebenso soll man in Kapitalverbrechen nicht gegen den Angeklagten, sondern für ihn sprechen. Man sage zum Beispiel zum Angeklagten: »Wenn du die Sache, die man dir vorwirft, nicht begangen hast, so sei ohne Furcht«.

8) Wenn jemand von den Jüngern bei Kapitalverbrechen sagt: »Ich kann für die Schuldigen Beweise bringen«, so wird ihm befohlen zu schweigen. Sagt er aber, er wolle für die Unschuld des Angeklagten sprechen, so soll er sogleich in den Sanhedrin gesetzt werden. Erscheint nun die Verteidigung begründet, so wird seinen Worten Gehör geschenkt, und er behält seinen Sitz im Sanhedrin. Sind seine Worte nicht begründet, so behält er seinen Sitz im Sanhedrin nur für diesen Tag. Ja sogar der Angeklagte selbst kann seine eigene Verteidigung vortragen.

9) Wenn ein Gericht bei Kapitalverbrechen einen Unschuldigen irrtümlich für schuldig erklärt hat, so kann es, auch nachdem das Urteil gefällt worden ist, einen Grund, der geeignet ist, das Urteil aufzuheben, vorbringen, um den Angeklagten wieder freizusprechen, in welchem Fall der Prozess von neuem zu beginnen hat. Ist aber der Irrtum von der Art, dass jemand, der die Todesstrafe verdient hat, für unschuldig erklärt worden ist, so darf das Urteil weder aufgehoben noch vorläufig zurückgenommen werden. Dies aber nur von dem Falle an, wenn der Irrtum eine Meinung ist, welche die Sadduzäer nicht als Irrtum anerkennen. Ist aber der Irrtum ein solcher, den auch die Sadduzäer als solchen anerkennen, so ist das Urteil aufzuheben und der Angeklagte zu verurteilen.

Wenn z.B. sie sagen, dass jemand, der ehebrecherischen oder inzestuösen Analverkehr hat, nicht strafbar ist, und sie lassen ihn frei, wird er erneut verurteilt und hingerichtet. Wenn sie aber sagen, dass jemand, der nur mit der Krone seines Geschlechtsorgans in den Anus der Frau eingedrungen ist, nicht verantwortlich ist, und er freigelassen wird. Er wurde nicht erneut verurteilt. Ähnliche Grundsätze gelten für alle vergleichbaren Situationen.

Kapitel 11

1) Was ist der Unterschied zwischen einem Geldprozess und einem Kriminalprozess? Geldprozesse werden vor drei Richtern, Kriminalprozesse vor dreiundzwanzig verhandelt. Bei Geldprozessen wird die Verhandlung ohne Rücksicht auf Schuld oder Unschuld eröffnet, bei Kriminalprozessen wird das erste Wort denjenigen überlassen, welche sich der Unschuld verteidigen, und, wie wir früher gezeigt haben, darf die Verhandlung hierbei niemals vom Standpunkt der Schuld aus eröffnet werden.

Bei Geldprozessen hat eine Mehrheit von eins volle Gültigkeit; bei Kriminalprozessen aber nur im Fall der Freisprechung, im Fall der Verurteilung dagegen eine Mehrheit von zwei. Bei Geldprozessen kann das Urteil ohne Rücksicht auf Freisprechung oder Verurteilung widerrufen werden; bei Kriminalprozessen aber nur im Fall einer möglichen Freisprechung, und fast nie zum Nachtheil des Angeklagten, wie wir oben erklärt haben.

Bei Geldprozessen aber darf jedermann sein Argument vortragen, für die Schuld wie für die Unschuld des Angeklagten, sei er Richter oder Schüler; bei Kriminalprozessen dagegen darf jedermann für den Angeklagten sprechen, aber nur die Richter gegen ihn. Bei Geldprozessen darf derselbe Richter, der für den Angeklagten gesprochen hat, vor der Abstimmung auch gegen ihn sprechen; bei Kriminalprozessen darf nur derjenige, der gegen den Angeklagten gesprochen hat, seine Meinung ändern; wer aber einmal für den Angeklagten gesprochen hat, darf nicht mehr gegen ihn sprechen, ausgenommen bei der Verkündung des Urteils, wo er mit den Verurteilenden stimmen darf, wie wir oben gezeigt haben.

Schließlich dürfen Geldprozesse, wenn sie einmal am Tag begonnen haben, bis in die Nacht hinein fortgesetzt und in derselben entschieden werden; Kriminalprozesse hingegen dürfen nur am Tag verhandelt und entschieden werden. Geldprozesse dürfen auch an einem und demselben Tage entschieden werden, ohne Unterschied, ob sich die Schuld oder Unschuld des Angeklagten herausstellt, Strafprozessen hingegen dürfen nur dann am selben Tag beendet werden, wenn sich die Unschuld des Angeklagten herausstellt; im gegenteiligen Fall wird die Entscheidung auf den nächsten Tag vertagt.

2) Darum dürfen Kriminalprozesse nicht am Tag vor dem Sabbat oder einem Feiertag abgehalten werden; denn man könnte den Angeklagten für schuldig befinden, ohne ihn am folgenden Tage hinrichten zu können; aber den Prozess zu unterbrechen und die Hinrichtung bis nach dem Sonnabend aufzuschieben, ist nicht erlaubt. Der Angeklagte ist daher in diesem Fall bis zum Sonntag in Haft zu halten, worauf sein Prozess beginnt.

3) Obwohl nach der Tora Geldprozesse an jedem Tag abgehalten werden dürfen, indem es heißt: »Und sie sollen das Volk zu jeder Zeit richten« (Ex. 18,26), ist es nach der Anordnung der Schriftgelehrten nicht erlaubt, solche Prozesse am Freitag abzuhalten.

4) Ob es sich nun um das Leben, die Geißelung oder die Verbannung handelt, die genannten Rücksichten sind immer zu nehmen, ausgenommen die, dass die Geißelung vor einem Gericht der Drei verhandelt werden kann. Bei der Verhandlung des Ochsen aber, der gesteinigt werden soll, ist keine dieser Rücksichten zu nehmen, außer dass diese Sache vor einem Gericht von dreiundzwanzig verhandelt werden muss.

5) Der Verführer (zum Götzendienst) wird nicht auf die übliche Weise gerichtet; gegen ihn werden im Geheimen Zeugen aufgestellt, und es ist bei ihm auch keine Warnung nötig, wie bei anderen Kapitalverbrechen. Wird er im Gericht für unschuldig befunden aber jemand behauptet, er könne seine Schuld beweisen, so wird der Prozess von neuem eröffnet. Wird er aber für schuldig befunden und behauptet jemand, er könne etwas für seine Unschuld vorbringen, so wird das Urteil nicht aufgehoben. Auch kann man nicht für ihn sprechen.

Als Richter über ihn dürfen sogar ganz alte Verschnittene und Kinderlose eingesetzt werden, damit man mit ihm kein Mitleid habe, denn Grausamkeit gegen Diejenigen, welche das Volk zum Unsinn verführen, ist Erbarmen für die Welt, denn es heißt: »Damit der Ewige von seinem Zorn abstehe, und dir Erbarmen schenke« (Deut. 13:18).

6) In Geldprozessen, wie auch in Prozessen wegen Reinheit und Unreinheit fängt der höchste Richter an zu sprechen, und die anderen hören seine Gründe an. Dagegen fängt bei Kriminalprozessen ein unterer Richter an, und der höchste unter ihnen spricht zuletzt.

7) In Geldprozessen, wie auch in Entweihungs- und Reinigungssachen, gelten Vater und Sohn, Lehrer und Schüler als zwei Personen. Dagegen werden in Kriminalprozessen, sowie in Geißelungs-, Neumondweihe- und Schaltjahrfestsetzungsprozessen beide immer als eine Person betrachtet.

8) Dass Vater und Sohn als eine Stimme gelten, oder auch als zwei, gilt nur dann, wenn der eine ein Mitglied des Sanhedrins ist, und der andere unter den Schülern sitzt, und von da spricht, er habe etwas für die Schuld oder Unschuld des Angeklagten beizutragen, in welchem Fall man ihn anhört, mit ihm über die Sache verhandelt und ihn zur Zahl der Sprechenden hinzuzählt.

9) Bei der Fällung des Urteils aber dürfen die nicht Verwandten zusammenstimmen, weil Verwandte zum Richteramt nicht zugelassen sind, wie noch erklärt werden wird.

10) Ist ein Schüler gelehrt und verständig, hat aber die Ordination der noch nicht empfangen, so soll ihn der Lehrer in ordinieren, so weit er ihn braucht, um in dieser Sache urteilen zu können, worauf er auch mit ihm in Kriminalprozessen urteilen darf.

10) Ist ein Schüler gelehrt und verständig, hat aber die Ordination der noch nicht empfangen, so soll ihn der Lehrer in ordinieren, so weit er ihn braucht, um in dieser Sache urteilen zu können, worauf er auch mit ihm in Kriminalprozessen urteilen darf.

11) Zu Geldprozessen ist jedermann befugt, auch ein Konvertit, wenn nur seine Mutter eine Israelitin gewesen, andere Konvertiten aber darf er richten, auch wenn seine Mutter keine Israelitin gewesen ist. Ebenso ist ein Bastard und einer, der auf einem Auge blind ist, berechtigt, Geldprozesse zu richten; Kriminalprozesse aber dürfen nur Lewiten, Kohanim und solche Israeliten richten, mit denen Kohanim sich ehelich verbinden können. Keiner der Richter aber darf blind sein, auch nicht auf einem Auge, wie wir oben erklärt haben.

Kapitel 12

1) Das Verfahren in Kriminalprozessen geht folgendermaßen vor sich: Sobald die Zeugen vor Gericht erschienen sind und ausgesagt haben: wir haben N.N. gesehen, wie er dieses oder jenes Vergehen begangen hat, so wird ihnen die Frage vorgelegt, ob sie ihn persönlich kennen und ob sie ihn gewarnt haben. Wenn sie antworten, dass sie ihn nicht kennen oder nicht sicher sind, dass sie ihn nicht gewarnt haben, so ist er freizusprechen.

2) Die Warnung ist in allen Fällen erforderlich, ob der zu Warnende ein Gelehrter oder ein Unwissender ist, denn die Warnung geschieht nur zu dem Zweck, sich zu vergewissern, ob die Tat aus Versehen oder mit Absicht begangen wird. Man warnt auf diese Weise, man sagt: »Höre auf oder unterlasse das, denn du übst ein Vergehen, durch das du den Tod oder die Geißelung herbeiführst«. Und wenn er es unterlässt, so soll er freigesprochen werden. Auch wenn er schweigend oder mit dem Kopf nickend zustimmt, bleibt er frei. Auch wenn er antwortet: »Ich weiß es«, bleibt er frei. Denn um ihn bestrafen zu können, muß er sich gleichsam selbst dem Tode ausliefern, indem er sagt: »Ich will dies tun, ungeachtet aller Strafen.« Die Ausführung des Vergehens muß unmittelbar auf die Warnung folgen, während er gleichsam noch spricht. Tritt aber zwischen seinen Worten und der Vollendung der Tat eine Pause ein, so bedarf es einer zweiten Warnung. Was diese anbelangt, so ist es gleich, ob sie von einem der Zeugen, oder von einer Frau, oder von einem Knecht gegeben wird, ja ob er auch nur die Stimme des Warnenden hört, ohne ihn zu sehen, oder ob er sich selbst warnt, die Warnung hat immer Kraft genug, die Vollstreckung nach sich zu ziehen.

3) Wenn aber die Zeugen aussagen, es habe eine Warnung gegeben, und sie wüßten davon, so suchen die Richter sie an ihre Furcht vor dem Herrn zu erinnern, und das geschieht auf diese Weise bei den Verbrechern. So spricht man zu ihnen: »Vielleicht beruht eure Aussage auf bloßer Wahrscheinlichkeit oder auf Hörensagen, oder vielleicht beruft ihr euch auf einen anderen Zeugen, einen anderen bewährten Mann, oder vielleicht wisst ihr nicht, dass wir euch noch strengen Prüfungen und Untersuchungen unterziehen werden; bedenkt aber, dass die Strafprozesse nicht von der bloßen Bedeutung der Geldprozesse sind, denn bei jenen zahlt man das Geld, und es ist vergeben, bei diesen aber bleibt das Blut des Angeklagten und das seiner Kinder an dem Zeugen haften bis an das Ende der Welt, wie auch von Kain gesagt wird: (1. Mose 4,10)«. 4,10) »die Stimme des schreienden Blutes deines Bruders«, d.h. sein Blut und das seiner Kinder.

Darum ist auch der Mensch allein auf dieser Erde erschaffen worden, um zu zeigen, dass derjenige, der einen Menschen tötet, vor Gott so angesehen wird, als hätte er eine ganze Welt getötet. Wer aber einen Menschen rettet, der wird gelten, als habe er eine ganze Welt gerettet. Bedenkt aber, dass, obgleich alle Menschen in der Gestalt des ersten Menschen geboren werden, doch kein Gesicht dem anderen gleicht, so dass gleichsam jeder das Recht hat, die Welt als um seinetwillen geschaffen zu betrachten. Wiederum könnet ihr denken, was geht uns diese Untat an. Dagegen heißt es in der Schrift (Lev. 5:1): »Und er ist ein Zeuge, wenn er entweder gesehen oder gewußt hat«; ferner könntet ihr fragen, warum wir das Blutvergießen jenes Menschen herbeiführen sollen. Dagegen heißt es jetzt (Prov. 11:10): »Und über die Vernichtung der Gottlosen ist ein Freudengesang. …«. Wenn nun die Zeugen trotz dieser Ermahnungen an ihren Worten festhalten, so wird man den wichtigsten Zeugen allein im Verborgenen befragen und ihn durch Untersuchungen und Prüfungen auf die Probe stellen, wie wir in der Abhandlung »Von den Zeugen« erörtern werden. Wird sein Zeugnis für wahr befunden, so wird der zweite befragt und geprüft wie der erste. Und wenn es hundert Zeugen gäbe, so müßte sich jeder von ihnen diesen Untersuchungen und Prüfungen unterziehen.

Sind nun alle Zeugen übereinstimmend, so beginnt die eigentliche Gerichtsverhandlung mit der Verteidigung, wie wir oben erklärt haben, indem dem Angeklagten gesagt wird: »Fürchte nichts, wenn du nichts verbrochen hast«, und das Gerichtsverfahren nimmt seinen Lauf. Findet sich eine Rechtfertigung für ihn, so wird er freigesprochen, andernfalls wird er ins Gefängnis gebracht, wo er bis zum nächsten Tag bleibt. An diesem Tag denken zwei und zwei Richter über die Sache nach, essen sehr wenig, trinken den ganzen Tag keinen Wein und bleiben die ganze Nacht zu Hause, entweder zu zweit, um miteinander zu verhandeln, oder jeder für sich, um weiter über die Sache nachzudenken.

Am nächsten Morgen versammeln sich alle früh im Gericht. Der Richter nun, der für den Angeklagten war, erklärt: ,Ich habe für den Angeklagten gesprochen und bleibe bei meiner Meinung.’» Derjenige aber, welcher gegen den Angeklagten war, spricht: »Ich habe gegen den Angeklagten gesprochen und bleibe bei meiner Meinung«, oder auch: »und nehme sie nun zurück, indem ich mich für die Unschuld des Angeklagten erkläre«. Wenn die Mitglieder vergessen haben, wer sich aus den gleichen Gründen für oder gegen den Angeklagten ausgesprochen hat, in welchem Falle ihre Meinungen, wie wir oben erklärt haben, nur als eine Stimme gelten, so werden sie durch die Gerichtsschreiber, die wie gewöhnlich die angegebenen Gründe niederschreiben, daran erinnert, worauf das Verfahren fortgesetzt wird.

Findet sich eine Rechtfertigung für den Angeklagten, so wird er freigesprochen; erscheint es notwendig, noch Richter hinzuzuziehen, so wird dies getan; sind aber die Verurteilten in der Mehrzahl und wird der Angeklagte wirklich für schuldig befunden, so wird er zur Hinrichtung abgeführt. Der Richtplatz aber soll außerhalb des Gerichts sein, fern von demselben; denn es heißt (Lev. 24, 14): »Den Fluchenden soll man hinausführen, hinaus vor das Lager.« Meines Erachtens muss der Richtplatz ungefähr sechs km vom Gericht entfernt sein, gleich der Entfernung zwischen dem Gericht unseres Lehrers Moses, das sich an der Tür des Stiftszeltes befand, und dem israelitischen Lager.

4) Sobald das Urteil gefällt ist, darf man nicht zögern, es zu vollstrecken, und die Hinrichtung muss noch am selben Tag stattfinden. War die Angeklagte schwanger, so soll man nicht bis zur Niederkunft warten; war sie aber schon in den Wehen, so soll man bis zur Geburt warten. Stattdessen gibt man ihr einen Schlag auf die Gebärmutter, damit der Fötus zuerst stirbt. Liegt sie dagegen schon in den Wehen, so wartet man, bis sie geboren hat. Wann immer eine Frau hingerichtet wird, ist es erlaubt, sich an ihren Haaren zu bedienen.

5) Ist das Sühnopfer für den zum Richtplatz Geführten schon dargebracht, so soll man ihn nicht eher töten, als bis man ihn mit dem Blut des Sühnopfers und des Schuldopfers besprengt hat. Ist aber das Urteil schon gefällt, ehe das Opfer geschlachtet ist, so soll man die Darbringung des Opfers nicht abwarten, um dem Urteil nicht Abbruch zu tun.

Kapitel 13

1) Wer zur Hinrichtung verurteilt ist, wird aus dem Gericht geführt, indem einer, mit einer Fahne in der Hand, an der Tür des Gerichts steht und ein Reiter zu Pferd in einiger Entfernung von ihm. Ein Herold schreitet dem Verurteilten voran und ruft aus: »N. N. wird zur Hinrichtung durch diese oder jene Todesart geführt, weil er dieses Verbrechen an diesem Ort, zu dieser Zeit und vor diesen oder jenen Zeugen begangen hat. Wer für den Verurteilten eine Rechtfertigung weiß, der komme und bringe sie vor.«

Sagt nun jemand, er könne etwas zur Rechtfertigung des Angeklagten vorbringen, so hebt der Gerichtsdiener die Fahne, und sofort eilt der Reiter auf dem Pferd dem Verurteilten nach und bringt ihn zum Gericht zurück. Ist die Rechtfertigung begründet, so wird er freigesprochen, ist sie nicht begründet, so wird er auf den Richtplatz zurückgebracht. Sagt der Angeklagte selbst, er könne noch etwas zu seiner Rechtfertigung vorbringen, so soll man ihn das erste und zweite Mal zurückführen, auch wenn seine Worte nicht haltbar sind, denn es ist zu befürchten, dass er dann aus Furcht nicht imstande ist, Worte zu finden, wozu ihm Gelegenheit gegeben wird, wenn man ihn wieder zu Gericht führt. Findet man, nachdem dies zum zweiten Male geschehen ist, seine Worte nicht haltbar, so soll er zum dritten Male nur dann wieder in’s Gericht zurückgeführt werden, wenn er haltbare Gründe vorzubringen im Stande ist, wozu ihn zwei Gelehrte auf den Richtplatz begleiten, um alle seine Worte zu hören. In diesem Falle kann er auch öfter ins Gerichte zurückgeführt werden. Finden aber diese Gelehrten, die ihn begleiten, keine triftigen Gründe, so soll seinem Begehren, zurückgeführt zu werden, nicht stattgegeben werden. Die Zeugen gegen den Angeklagten sollen an ihm die Todesstrafe vollziehen, zu der er verurteilt ist. Ist der Angeklagte ein Mörder, und weigern sich die Zeugen, ihn zu richten, so soll der Tod durch andere vollstreckt werden. Etwa zehn Ellen vom Richtplatz entfernt soll er seine Sünden bekennen; denn es ist Brauch, dass alle Hingerichteten ihre Sünden bekennen, und wer das tut, hat Anteil am künftigen Leben. Ist der Angeklagte zu unwissend, um dieses Sündenbekenntnis in der üblichen Weise abzulegen, so lasse man ihn nur sagen: »Mein Tod sei die Sühne für alle meine Sünden«. Auch wenn er weiß, dass gegen ihn falsches Zeugnis abgelegt worden ist, soll er sich diesem Brauch unterwerfen.

2) Nachdem der Angeklagte seine Beichte abgelegt hat, wird ihm eine Dosis Weihrauch mit einem Becher Wein verabreicht, damit seine Gedanken verwirrt und er berauscht wird; danach wird er dem Tod überantwortet, zu dem er verurteilt ist.

3) Der Wein, der Weihrauch, der Stein, das Schwert, die Tücher zum Erdrosseln, das Holz für den Galgen, die Fahnen, die beim Zug zum Richtplatz gebraucht werden, und das Pferd, das dazu bestimmt ist, den Verurteilten zurückzubringen, sollen aus der Gemeindekasse beschafft werden. Wer aber zu diesen Gegenständen freiwillig etwas beitragen will, soll es tun.

4) Das Gericht nimmt nicht an der Beerdigung des Hingerichteten teil. Wenn ein Gericht eine Person hinrichten lässt, ist es ihr für den Rest des Tages verboten zu essen. Dieses Verbot ist in dem Verbot (Lev. 19:26) enthalten: »Du sollst nicht über dem Blut essen«. Den Angehörigen der vom Gericht Hingerichteten wird kein Trostmahl gereicht. Diese Handlungen sind verboten, werden aber nicht mit der Geißel bestraft.

5) Hat die Vollstreckung an einem Zwischenfeiertag stattzufinden, so essen die Richter vor der Verkündung des Urteils, als ob sie noch weiter zu verhandeln hätten. Das Urtheil wird dann kurz vor Sonnenuntergang gefällt und vollstreckt.

6) Über den, der gerichtlich zum Tode verurteilt worden ist, soll man nicht trauern; ja, seine Angehörigen sollen nach der Hinrichtung sowohl den Richtern als auch den Zeugen den Friedensgruß erweisen, um zu zeigen, dass sie in ihrem Herzen keinen Groll hegen, weil sie ein gerechtes Urteil gefällt haben. Wenn auch die sichtbare Trauer verboten ist, so ist es doch erlaubt, die Gebräuche zu befolgen, die am Tage der Hinrichtung üblich sind, weil diese Trauer nur aus dem Herzen kommt.

7) Wenn jemand nach seiner Verurteilung flieht und vor ein anderes Gericht gebracht wird, so wird sein Prozess nicht noch einmal wiederholt, sondern wo immer zwei Männer sich gegen ihn erklären und sagen: »Wir legen das Zeugnis gegen N.N. ab, dass er von jenem Gericht zum Tode verurteilt worden ist, auf Grund der Aussage der Zeugen X und Y«, so wird N.N. sofort hingerichtet. Dies aber nur von einem Mörder; andere Verurteilte aber dürfen von einem anderen Gericht nur auf Grund des Zeugnisses der ersten gleichen Zeugen, dass er bereits verurteilt worden sei, hingerichtet werden, wobei sie selbst Hand an ihn legen müssen, aber auch nur dann, wenn dieses Zeugnis vor einem Gericht der Dreiundzwanzig abgelegt worden ist.

8) Ist jemand von einem Gericht im Ausland verurteilt worden, und nimmt er Zuflucht zu einem Gericht im Land Israel, so wird sein Prozess in allen Fällen von neuem begonnen. Sitzen aber in diesem Gericht dieselben Mitglieder, die ihn im Ausland verurteilt haben, so bleibt das Urteil in Kraft, obgleich es im Ausland gefällt wurde, und das Gericht sich jetzt im Inland befindet.

Kapitel 14

1) Das Gericht konnte vier Todesstrafen verhängen: Steinigung, Verbrennung, Enthauptung und Erdrosselung. Steinigung und Verbrennung werden in der Tora ausdrücklich erwähnt. Durch die Tradition aber, die auf unseren Lehrer Moses zurückgeht, wird angenommen, dass unter jeder Todesstrafe, die in der Schrift nicht näher bestimmt ist, die Erdrosselung zu verstehen ist. Jeder Mörder aber soll mit dem Schwert getötet (enthauptet) werden. Ebenso sollen die Einwohner einer Stadt, die zum Götzendienst verführt werden, bestraft werden.

2) Es ist ein Gebot der Schrift für das Gericht, eine dieser Todesarten an dem zu vollziehen, der sie verwirkt hat. Ein König darf nur eine dieser Strafen anwenden, nämlich die Enthauptung.

3) Wenn nun ein Gericht einen zum Tode Verurteilten nicht hinrichten lässt, so hat es ein Gebot nicht befolgt. Ein Verbot aber übertreten sie nur, wenn sie einen Zauberer nicht hinrichten lassen, denn es heißt: »Eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen«.

4) Die Steinigung ist als Tod schwerer als der Tod durch Verbrennen, dieser aber schwerer als der Tod durch das Schwert, dieser aber schwerer als der Tod durch Erdrosseln. Wer aber zu zwei Todesstrafen auf einmal verwirkt ist, soll durch die schwerere zum Tode verurteilt werden, ob er nun zwei Verbrechen nacheinander oder ein Verbrechen begangen hat, auf das zwei Todesstrafen stehen. Auch wenn er zuvor zur leichteren Todesstrafe verurteilt war und erst danach die schwerere Strafe verwirkt hat und diese über ihn verhängt wird, soll er durch diese zum Tode verurteilt werden.

5) Mann oder Frau, ohne Unterschied, werden durch diese vier Todesstrafen dem Tode übergeben.

6) Wenn Verurteilte, die zu verschiedenen Todesstrafen verurteilt worden sind, sich untereinander vermischen, so sollen sie durch die am wenigsten schwere Todesstrafe zum Tode verurteilt werden.

7) Hat sich ein Verurteilter unter Unschuldige gemischt, oder ist ein noch nicht Verurteilter unter Verurteilte geflohen, so dass er nicht unter ihnen gefunden werden kann, so soll weder der eine noch der andere zum Tode verurteilt werden; denn das Urteil über einen Menschen darf nur in seiner Gegenwart gefällt werden.

8) Wer sich wehrt, so dass das Gericht ihn nicht fesseln kann, um an ihm die gesetzliche Todesstrafe zu vollziehen, den sollen die Zeugen auf jede Weise töten, weil er zum Tode verurteilt ist. Das übrige Volk hat kein Recht, mit der Tötung zu beginnen. Wenn also die Zeugen ihre Arme verlieren, darf der Verurteilte nicht getötet werden. Sind aber die Zeugen schon vorher des Gebrauchs ihrer Arme beraubt worden, so darf der Verurteilte auch von anderen getötet werden. Dies alles aber nur von einem gewöhnlichen Verurteilten; von einem Mörder aber, dessen Urteil schon gefällt ist, darf man sich aller Mittel und Leute bedienen, bis er tot ist.

9) Diejenigen, die vom Gericht zum Tode verurteilt worden sind, sollen nicht in den Gräbern ihrer Eltern in der Gemeinde Israel begraben werden, sondern es sollen zu diesem Zweck zwei Begräbnisstätten eingerichtet werden, eine für die Gesteinigten und Verbrannten, die andere für die Enthaupteten und Erwürgten. Diese Einrichtung beruht auf mündlicher Überlieferung. Wenn das Fleisch verwest war, pflegte man die Gebeine zu sammeln und in den Familiengräbern beizusetzen. Für den Sarg und die Totengewänder mussten die Angehörigen der Verurteilten sorgen.

10) Die Richter sollen alles reiflich erwägen, bei der Verhängung eines Todesurteils langsam vorgehen und nichts übereilen. Ein Gericht, das alle sieben Jahre einen Angeklagten zum Tode verurteilt, wird ein grausames Gericht genannt. Wenn es aber das Gesetz erfordert, jeden Tag Hinrichtungen vorzunehmen, so soll man es tun. Nie aber soll man zwei an einem Tage hinrichten, sondern das Urteil über den einen soll heute, über den anderen morgen gefällt werden, ausgenommen der Fall, dass zwei Personen wegen desselben Vergehens verurteilt werden, wie der Ehebrecher und die Ehebrecherin. Beide können am selben Tag gerichtet und zum Tode verurteilt werden. Ist aber die Ehebrecherin die Tochter eines Priesters, in welchem Fall sie zu verbrennen und er zu erdrosseln ist, so dürfen sie nicht beide an einem Tage hingerichtet werden.

11) Strafprozesse sollen nur so lange geschlichtet werden, als der Tempel in Jerusalem steht und auch nur so lange, als das große Gericht in der Tempelhalle tagt. Denn von dem widerspenstigen Ältesten heißt es: »Dem Priester nicht zu gehorchen« (Deut. 27:12) Durch die Überlieferung haben die Weisen überliefert, dass, solange ein Priester am Altar opfert, Strafprozesse zwar geschlichtet werden können, aber nur dann, wenn das große Gericht an seinem Platz ist.

12) Solange der Tempel noch stand, pflegte auch das große Gericht seine Sitzungen in der Marmorhalle abzuhalten, die sich in dem für die Israeliten bestimmten Tempelhof befand. Nur war dieser Platz nicht geheiligt, indem niemand außer den Königen aus dem Stamme Davids in dem eigentlichen Tempelhofe sitzen durfte. Als aber die gute Ordnung untergraben wurde, wanderte das Gericht von Ort zu Ort, so dass es in zehn solcher Orte Zuflucht fand, deren letzter Tiberias war, wo es sich gänzlich auflöste und seitdem bis jetzt nie wieder zusammengerufen wurde. Es ist aber eine auf die Überlieferung gegründete Hoffnung, dass das große Gericht wieder zuerst in Tiberias versammelt werde, um von dort in den Tempel verlegt zu werden.

13) Vierzig Jahre vor der zweiten Zerstörung des Tempels hörten alle Strafprozesse in Israel auf, obgleich der Tempel fortbestand, weil der Sanhedrin auswandern musste und sich nicht mehr an dem ihm gebührenden Ort, nämlich im Tempel, befand.

14) Zu der Zeit, wo im Lande Israel Strafprozesse geschlichtet werden, können solche auch im Ausland geschlichtet werden, doch nur vor einem solchen Sanhedrin, der im Inland geweiht ist, wie wir vorhin erklärt haben; denn ein Sanhedrin kann sowohl im Inland als im Ausland fungieren.

Kapitel 15

1) Die Steinigung wird wie folgt vorgenommen: Vier Ellen von der Steinigungsstätte entfernt soll der Verurteilte entkleidet werden, aber seine Blößen sollen vorne bedeckt sein. Eine Frau soll nicht nackt gesteinigt werden, sondern mit einem Hemd bekleidet. Auf die zwei Mann hohe Richtstätte steigen nun der Verurteilte mit gefesselten Händen und die Zeugen. Einer von diesen gibt nun dem Verurteilten einen Stoß in die Lenden, so dass dieser kopfüber mit dem Herzen zur Erde fällt. Hat dieser Sturz den Tod zur Folge – so ist die Hinrichtung vollendet, denn es heißt ( Ex. 19:13): »Gesteinigt oder zerschmettert soll er werden«, woraus hervorgeht, dass es gleich ist, ob der zu Steinigende den Stein von oben empfängt oder selbst auf die Erde geschleudert wird. War aber der Sturz nicht tödlich, so heben die Zeugen einen bereitliegenden Stein, von der Schwere zweier Menschenkräfte, über den Verurteilten, worauf dann der zweite Zeuge mit seinen Händen den Stein losläßt und so auf das Herz des zu Steinenden fallen läßt. Erfolgte darauf der Tod, so war der Verurteilte hingerichtet; – war dies nicht der Fall, so stand es ganz Israel zu, mit der Steinigung fortzufahren. Denn es heißt: »Die Hand der Zeugen sei zuerst an ihm, ihn zu töten, und die Hand des ganzen Volkes danach« ( Deut. 17:7).

2) Der Götzendiener soll nur auf dem Marktplatz hingerichtet werden, wo er seine Abgötterei getrieben hat. War die Stadt mehrheitlich von Heiden bewohnt, so soll man ihn vor der Tür des Gerichts steinigen. Dies wird aus der mündlichen Überlieferung nach den Worten der Schrift gefolgert: »an deinen Toren«, was so viel bedeutet wie das Tor, wo er den Götzendienst getrieben hat, nicht aber das Tor des Gerichts, wo das Urteil gefällt wurde.

3) Das Gebot der Verbrennung wird wie folgt vollzogen: Man versenkte den Verurteilten bis zu den Knien in Dünger, wickelte ein hartes Tuch um ein weiches und umwickelte den Hals damit, dann zog jeder der beiden Zeugen das Tuch zu sich, bis der Verurteilte den Mund auftat, in welchen dann geschmolzenes Zinn oder Blei oder dergleichen gegossen wurde, wodurch das Innere verbrannt wurde.

4) Die Hinrichtung mit dem Schwert geschieht durch Abschlagen des Kopfes.

5) Auch bei der Erdrosselung wird der Verurteilte bis zu den Knien in Dünger versenkt, worauf ein hartes Handtuch um ein weiches gewickelt und um den Hals des Verbrechers geschlungen wird und jeder der Zeugen an jedem Ende des Handtuchs zieht, bis der Verbrecher das Leben aushaucht.

6) Es ist ein Gebot der Schrift, den Gotteslästerer und den Götzendiener zu hängen, denn es heißt ( Deut. 21:23): »Denn ein Aufgehängter ist der Fluch Gottes«, welche Worte sich ausdrücklich auf den Gotteslästerer beziehen. Von einem Götzendiener aber heißt es (Deut. 25:30): »Er lästert den Herrn«. Aufgehängt wird aber nur ein Mann, keine Frau, denn es heißt ( Deut. 21:22): »Wenn an einem Menschen eine Sünde gefunden wird, die des Todes schuldig ist, und er wird hingerichtet, so sollst du ihn aufhängen.

7) Das Hängen wird auf folgende Weise vollzogen. Nachdem der Verurteilte gesteinigt worden ist, wird auf der Erde ein Balken errichtet, an dessen oberem Ende ein Balkenarm befestigt wird. Dann werden die Arme, des schon Getöteten, zusammengelegt, und dieser kurz vor Sonnenuntergang an den Galgen in die Höhe gezogen, und bald wieder heruntergelassen. Lässt man ihn aber die ganze Nacht über hängen, so übertritt man ein Verbot, denn es heißt. (Deut. 21:23): »Du sollst seinen Leichnam nicht über Nacht hängen lassen.«

8) Es ist ein Gebot, alle Verurteilten an dem Tag zu begraben, an dem sie hingerichtet werden, denn es heißt ( Deut. 21:23): »Du sollst ihn an demselben Tage begraben. Aber nicht nur, wenn man die Verurteilten nicht sofort begräbt, verstößt man gegen dieses Verbot, sondern auch, wenn man die Toten über Nacht liegen lässt. Wenn dies aber geschieht, um den Toten zu ehren, indem man ihm Totenkleider und einen Sarg beschafft, so übertritt man das Verbot nicht.

9) Man soll niemanden an einen Baum hängen, der noch in der Erde wurzelt, sondern an einen Baum, der schon gefällt ist, damit man ihn nicht mehr umhauen muss, denn der Galgen soll mit dem Verurteilten begraben werden, damit kein Andenken an das Böse bleibe und man sagen könne: »Das ist der Baum, an dem NN gehängt wurde.« – Ebenso müssen der Stein, der bei der Steinigung verwendet wurde, das Schwert, das bei der Enthauptung verwendet wurde, und die Tücher, die bei der Erdrosselung verwendet wurden, im Umkreis von vier Ellen des Hingerichteten begraben werden, aber nicht mit ihm in demselben Grab.

10) Es sind achtzehn Fälle, auf welche die Steinigung steht: Wer Unzucht treibt mit seiner Mutter, mit seiner Schwiegermutter, mit seiner Schwiegertochter, mit einer Braut, mit einem Mann, mit einem Vieh. Ferner: wer sich einem Vieh hingibt, ein Gotteslästerer, ein Götzendiener. Wer eines seiner Kinder zum Molochdienst bestimmt, ein Totenbeschwörer, ein Vogeldeuter, ein Anstifter zum Götzendienst, ein Verführer dazu, ein Zauberer, ein Entheiliger des Sabbats. Wer den Vater oder die Mutter verflucht, ein entarteter und widerspenstiger Sohn.

11) Auf zehn Verbrechen steht die Verbrennung, nämlich: Wenn eines Priesters Tochter Ehebruch treibt, wer mit seiner Tochter, Enkeltochter, Stieftochter, Tochter der Stieftochter, Tochter des Stiefsohnes, seiner Schwiegermutter der Mutter seiner Schwiegermutter Unzucht treibt, letzteres aber nur unter der Bedingung, dass die eigene Frau noch lebt. Werden diese Verbrechen nach dem Tod der Frau begangen, so steht darauf nur die göttliche Strafe der Ausrottung, welche die Blutschande betrifft.

12) Enthauptet werden zwei: der Mörder und der Verführer zum Götzendienst.

13) Sechs werden erwürgt: der Ehebrecher, wer Vater oder Mutter verletzt, wer einen Menschen entführt, ein ungehorsamer Richter, ein falscher Prophet und wer im Namen eines Götzen weissagt. Die Zahl aller Verbrecher, die durch das Gericht mit dem Tode bestraft werden sollen, ist also sechsunddreißig.

Kapitel 16

1) Wie es ein Gebot der Schrift ist, mit dem Tode zu bestrafen, wer ihn verdient, so ist es auch ein Gebot zu geißeln, wer die Geißelung verdient. Denn es heißt ( Deut. 25:2): »Und der Richter soll ihn hinstrecken und vor ihm geißeln lassen«. Die Geißelung wird zwar vom Gericht der Drei verhängt, hat aber die Bedeutung einer Hinrichtung.

2) Man kann in unseren Tagen und an allen Orten nach der Tora die Geißelung vollziehen lassen, wenn sie von drei ordinierten Richtern verhängt wird, nicht aber aufgrund eines Urteils gewöhnlicher Richter.

3) Dagegen ist jede Geißelung, die ausländische Richter irgendwo vollziehen lassen, nur die Geißelung wegen Widerspenstigkeit (die rabbinischen Ursprungs ist).

4) Niemand darf gegeißelt werden, der nicht vorher durch Warnung und Zeugen überführt worden ist. Auch müssen sich die Zeugen der gleichen Untersuchung und Prüfung unterziehen, wie bei einem Strafprozess. Wenn jemand ein Verbot übertritt, das einem Gebot entgegensteht, und Zeugen warnen ihn mit den Worten: »Tue es nicht; denn wenn du das Verbot übertrittst, ohne zugleich das Gebot zu erfüllen, das ihm entgegensteht, so wirst du der Geißelung verfallen« – und er dennoch das Verbot übertritt, ohne das Gebot zu erfüllen, so wird die Geißelung an ihm vollzogen. Obwohl die Warnung einen zweifelhaften Fall betraf, denn wenn er das Gebot erfüllt hätte, wäre er von der Strafe frei gewesen, gilt auch die bedingte Warnung als Warnung.

5) Wenn jemand gegen ein solches Verbot verstößt, auf das sowohl die Geißelung als auch die Hinrichtung steht, z.B. wenn er ein Rind mit seinem Jungen zugleich einem Götzen schlachtet, so kommt es darauf an, ob man ihn vor der Todesstrafe gewarnt hat, in welchem Fall er gesteinigt wird, ohne gegeißelt zu werden, weil er eine schwerere Strafe als die Geißelung verwirkt hat, oder ob man ihn nur vor der Geißelung gewarnt hat, in welchem Fall man nur die Geißelung an ihm vollzieht.

6) Nach den Gesetzen von der Geißelung sind nur zwei Zeugen nötig, um die Tat festzustellen, während ein Zeuge genügt, um dem Übertreter das wirkliche Vorhandensein eines Verbotenen darzutun. Sagt z. B. jemand, dies dort sei Nierenfett, jene Früchte seien gemischte Weingartenfrüchte, diese Frau sei eine Geschiedene oder eine Ehebrecherin und so weiter. Wenn aber der Gewarnte, trotz aller Warnung in Gegenwart zweier Zeugen von jenem isst oder jene heiratet, so verfällt er der Geißelung, auch wenn der Anfang des Vergehens nur in Gegenwart eines Zeugen geschehen ist. Widerspricht er aber dem Zeugen, indem er sagt, das Fett sei kein Nierenfett, die Frau sei weder geschieden noch ehebrecherisch, und begeht dann das Vergehen, so verfällt er nicht der Geißelung, es sei denn, das Verbotene sei von zwei Zeugen festgestellt worden.

7) Schweigt er, während ein Zeuge das Verbotene feststellt, und erhebt er erst Einspruch, nachdem er trotz Ermahnung die Sünde begangen hat, so soll dieser Einspruch nicht berücksichtigt, sondern die Geißelung vollzogen werden.

8) Die Geißelung wird wie folgt vollzogen. Man binde den Beschuldigten an einen Pfahl, und zwar so, dass beide Hände gefesselt sind, worauf ihn der Urteilsvollstrecker ergreift und ihm die Kleider vom Leib reißt, ob sie nun zerreißen oder nicht, bis die ganze Brust entblößt ist; denn auf die Kleider darf nicht geschlagen werden, weil es heißt: »Und er soll ihn schlagen«, also nicht auf das Kleid. Dann tritt der Geißler auf den hinter ihm liegenden Stein, in der Hand drei Riemen aus Kalbsfell, von denen einer doppelt, die anderen vierfach geflochten sind, und dazwischen zwei weitere Riemen aus Eselsfell, alle zusammen von der Breite einer Hand und von der Länge des Oberkörpers bis zum Nabel, mit einem Griff, der die Breite einer Hand hat.

9) Der Geißler muss viel Verstand und wenig Kraft haben. Er erhebt die Geißel mit beiden Händen und schlägt mit einer Hand, aber mit ganzer Kraft auf den zu Geißelnden ein, und zwar so, dass ein Drittel der Hiebe auf die Brust, zwei Drittel auf den Rücken, wobei ein Drittel auf jede Schulter fallen.

10) Der zu Geißelnde darf während der Geißelung weder stehen noch sitzen, sondern muss eine gebückte Haltung einnehmen, denn es heißt: »Der Richter soll ihn ausstrecken und ihn vor seinem Angesicht geißeln« (Deut. 25:2), nämlich so, dass die Augen des Richters auf den Verurteilten gerichtet sind und er während des Schlagens nicht auf einen anderen Gegenstand schaut. Daraus folgt auch, dass man nicht zwei Sünder auf einmal geißeln darf.

11) Der Oberste unter den Richtern soll bei der Geißelung folgende Verse vorlesen: »Wenn du dich nicht bemühst zu tun usw.« »Und der Ewige wird dir eine außerordentliche Züchtigung auferlegen u. s. w.«, wobei er es so einrichten soll, dass die Lesung dieser Verse gleichzeitig mit den Schlägen endet. Ist aber die Geißelung noch nicht zu Ende, so hat er dieselben Verse von neuem zu lesen und so lange zu wiederholen, bis die Geißelung zu Ende ist. Der zweite unter den Richtern zählt die Hiebe, der dritte aber spricht fortwährend zu dem Geißler: »Schlage«, und dieser darf während der ganzen Geißelung jeden Hieb nur auf diesen Befehl hin austeilen.

12) Hat der Geißler einen Schlag mehr gegeben, als festgesetzt war, so hat der Urteilsvollstrecker ein Verbot der Schrift übertreten, denn es heißt: »Er soll nicht mehr Schläge geben« (Deut. 25:3). Denn man kann vom Leichteren auf das Schwerere schließen, dass, da die Schrift schon bei einem zu Züchtigenden jeden Schlag zu viel verbietet, dies erst recht bei einem Unschuldigen der Fall sein muss. Wenn also jemand seinen Nächsten schlägt, und wäre es auch nur ein Knecht, so empfängt er die Geißelung, wenn nicht auf den Schlag die Geldbuße, von dem Wert einer Pruta wenigstens, steht. Steht aber auf dem Schlag die Geldbuße, so wird der Schlagende durch die Geldbuße von der Geißelung befreit, weil beides bei den Strafen nicht zusammen verhängt werden darf, wie wir schon früher an mehreren Stellen erklärt haben.

Kapitel 17

1) Wie wird die Geißelung am Schuldigen vollzogen? Nach seiner körperlichen Beschaffenheit, denn es heißt zuerst: (Deut. 25:2) »Nach dem Maß seiner Schuld in einer bestimmten Zahl«. Dann aber: »Vierzig Hiebe soll man ihm geben«, woraus zu schließen ist, dass man wohl nicht mehr als vierzig Hiebe geben dürfe, selbst wenn der Verurteilte so stark wie Simson wäre. Wohl aber dürfe man die Zahl verringern, wenn der zu Geißelnde schwach ist, denn er könnte sterben, wenn man ihn über seine Kräfte hinaus geißeln wollte. Daher sagten die Weisen, dass man auch einem völlig gesunden Verurteilten nicht mehr als neununddreißig Hiebe verabreiche. Man müsse also die Zahl um eins erhöhen, damit die gesetzliche Zahl voll sei.

2) Bei der Beurteilung des Verurteilten, wie viele Schläge er ertragen könne, wähle man nur eine solche Zahl, die durch drei teilbar sei. Scheint er z. B. zwanzig Schläge ertragen zu können, so soll man ihm nicht einundzwanzig geben, damit die Zahl durch drei teilbar sei, sondern in diesem Falle die zuerst kleinere, durch drei teilbare Zahl wählen (18). Wenn man ihm vierzig Hiebe gegeben hat, und es stellt sich heraus, dass er, nachdem die Geißelung begonnen hat, schwach ist und nicht mehr als neun oder zwölf Hiebe ertragen kann, die er schon ausgehalten hat, so ist er frei. Wurden ihm anfangs nur zwölf Hiebe auferlegt, und erweist er sich nach begonnener Geißelung als stark und kann mehr ertragen, so bleibt er dennoch frei von einer härteren Strafe, als sie nach anfänglichem Ermessen verhängt wurde.

3) Hat man einen Verurteilten heute für fähig befunden, zwölf Hiebe zu ertragen, die Geißelung aber bis morgen verschoben, und findet man ihn dann fähig, achtzehn Hiebe zu ertragen, so sollen ihm nur zwölf Hiebe gegeben werden. War aber das richterliche Gutachten von der Art, dass dem Verurteilten erst am folgenden Tag zwölf Hiebe aufgezählt werden sollten, die Geißelung selbst aber bis auf den dritten Tag verschoben wurde, so sollen ihm achtzehn Hiebe gegeben werden, wenn man ihn dann im Stande findet, achtzehn zu ertragen. Denn die Bestimmung, die sich auf die Zukunft erstreckt, hat keine volle Gültigkeit.

4) Hat jemand mehrere Geißelungen verwirkt, sei es nun für verschiedene Vergehen, oder auch für ein einziges, auf welches mehrere Geißelungen stehen, so kommt es darauf an, ob man die Strafe nach einmaliger Beurteilung vollzieht oder nicht. Denn im ersteren Fall empfängt er auf einmal die ihm bestimmte Zahl von Peitschenhieben und ist frei. Im letzteren aber wird jede Peitsche nach Wiederherstellung des Wohlbefindens einzeln verabreicht. Hat z. B. jemand zwei Geißelungen verwirkt, und man hält ihn für fünfundvierzig Hiebe gewachsen, so bekommt er diese Anzahl Hiebe und ist frei. Hat man aber die Beurteilung nur mit Rücksicht auf die erste Geißelung vorgenommen, gleichgültig, ob durch sie die Zahl drei, neun oder dreißig festgesetzt und vollzogen worden ist, – so soll man in Rücksicht auf die zweite Geißelung eine neue Beurteilung vornehmen, und so für alle folgenden Geißelungen, die er verwirkt hat.

5) Wenn aber ein Verurteilter bei der Geißelung aus Furcht entweder Stuhlgang oder Urin absetzte, so wird er dadurch von der Geißelung befreit. Denn es heißt (Deut. 25:3): »Und ein Bruder könnte vor deinen Augen verächtlich werden«. Sobald also jemand verächtlich wird, wird er dadurch von jeder fernen Strafe befreit. Geschah es aus Furcht vor der Geißelung, auch wenn er schon dazu geführt worden war, und auch wenn es am Abend selbst geschah, so soll die Geißelung nach dem darüber gefällten Urteil vollzogen werden. Ist über ihn dasselbe mit Rücksicht auf zwei Geißelungen gefällt worden, und geschieht ihm ein solcher Zwischenfall, sei es bei der ersten, sei es bei der zweiten Geißelung, so ist er von jeder weiteren Geißelung befreit. Reißt der Riemen bei der zweiten Geißelung, so wird der Verurteilte dadurch frei. Geschieht dies bei der ersten Geißelung, so wird er nur von der ersten Geißelung frei, aber nicht von der zweiten.

6) Wenn der Verurteilte schon an den Pfahl gebunden war, er aber die Bande sprengt und flieht, so soll er ohne weitere Geißelung frei sein.

7) Wer gesündigt hat und dafür gegeißelt worden ist, wird nach der Geißelung wieder vollkommen in alle seine Rechte eingesetzt, denn es heißt: »Und dein Bruder könnte vor deinen Augen verächtlich erscheinen«. Er ist also nach der Geißelung wieder als Bruder anzusehen. Auch wer die Strafe der Ausrottung verwirkt und zugleich die Geißelung erlitten hat, wird durch diese von der Strafe der Ausrottung befreit.

8) Hat der Hohepriester sich versündigt, so soll er nach dem Urteil der Drei gegeißelt werden wie ein anderer, und er soll wieder in sein hohes Amt eingesetzt werden.

9) Wer aber als Vorsteher einer Hochschule ein Vergehen begeht, der soll mit der Geißelung bestraft werden, ohne dass er nach der Geißelung wieder in sein Amt zurückkehren darf; – ja, er darf nicht einmal mehr als gewöhnliches Mitglied des Sanhedrins fungieren, denn in heiligen Angelegenheiten darf man nur erhöhen, nicht erniedrigen.

Kapitel 18

1) Folgende Personen unterliegen der Strafe der Geißelung: Jeder, der gegen ein Gebot der Schrift verstößt, worauf die Strafe der Ausrottung, aber nicht der gerichtliche Tod steht, z.B. wenn jemand am Pessachfest Talg, Blut oder Gesäuertes (Hametz) genossen hat. Ferner, wer gegen ein Verbot der Schrift verstößt, worauf die Strafe des Todes Gott überlassen ist, z.B. wer Unverzehntes isst, oder wenn ein unreiner Priester Tevel isst. Ferner, wer ein Verbot übertritt, mit dem eine Handlung verbunden ist, wie z.B. derjenige, der Fleisch isst, das in Milch gekocht ist, oder der sich Kleider aus gemischten Stoffen (schaatnes) macht. Nicht gegeißelt wird aber ein Verbot, mit dem keine Handlung verbunden ist, wie Verleumdung, Rachsucht, Missgunst, Verbreitung falscher Gerüchte.

2) Auf ein Verbot also, mit dem keine Tat verbunden ist, folgt nicht die Geißelung, ausgenommen aber: wer falsch schwört, wer Opfer vertauscht und wer seinen Nächsten mit dem Namen Gottes flucht. Auf ein Verbot, das nur als Warnung vor der gerichtlichen Todesstrafe dienen soll, z. B. »Du sollst nicht ehebrechen«, »Du sollst am Sabbat keine Arbeit tun«, folgt die Geißelung nicht. Ebenso steht die Geißelung nicht auf einem Verbot, das mit Schadenersatz verbunden ist, z.B. »Du sollst nicht stehlen«, »Du sollst nicht rauben«. Ferner steht die Geißelung nicht auf der Übertretung eines Verbots, das mit einem Gebot endet, wie z. B. »Du sollst die Mutter nicht mit den Kücklein nehmen«, »Du sollst den Rain des Feldes nicht abmähen«: es sei denn, dass man nachher das damit verbundene Gebot nicht erfüllt. Ferner steht die Geißelung nicht auf der Übertretung eines Verbotes, das in einem allgemeinen Sinne gegeben ist. Auf alle anderen Verbote steht die Geißelung.

3) Unter einem allgemein ausgedrückten Verbot ist ein Verbot zu verstehen, das sich auf mehrere Gegenstände zugleich bezieht, wie z.B. »Ihr sollt nicht über dem Blut essen«. Die Geißelung wird auch dann nicht über den Sünder verhängt, wenn sich ein Verbot ausdrücklich auf mehrere Gegenstände zugleich bezieht, aber nicht mit jedem Gegenstand ein besonderes Verbot verbunden ist nach den Worten der Tora oder der Tradition. Wenn es z.B. in der Schrift heißt: »Ihr sollt von ihm weder gebraten noch gekocht essen«, so wird er nicht zweimal gegeißelt, wenn er beides gleichzeitig isst, sondern nur einmal. Dagegen heißt es von dem frischen Getreide: »Weder Brot noch geröstete noch gedörrte Ähren sollt ihr essen«, womit drei Geißelungen auferlegt werden, denn die Überlieferung lehrt, dass dieser Vers auf die Teilung des Verbotes hinweist, ebenso wie der Vers (im Deut. 18:10,11): »Es soll bei dir nicht gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer führt, Zauberei treibt usw.«, wodurch ebenfalls mehrere Gegenstände in dieselbe Kategorie des Verbotes gebracht werden. Es wird aber deutlich, dass sich das Verbot auf jeden einzelnen dieser Gegenstände bezieht, denn es heißt wiederum: »Ihr sollt nicht zaubern, ihr sollt nicht hexen«, was deutlich macht, dass jeder Gegenstand für sich verboten ist.

4) Wer vor Gericht wegen eines Verbots, auf dem Ausrottung steht, gegeißelt worden ist und wegen desselben Verbots ein zweites Mal gegeißelt worden ist, wie z. B. wenn jemand Talg isst, dafür gegeißelt worden ist, abermals Talg isst und zum zweiten Mal gegeißelt worden ist, und dann doch zum dritten Mal dasselbe Verbot übertritt, so soll man ihn nicht mehr geißeln, sondern in einen Kerker sperren, der so beschaffen ist, dass der Verurteilte nur stehen, nicht aber liegen kann, und in welchem ihm nur notdürftig Wasser und Brot gereicht wird, bis sein Unterleib von krankhaften Krämpfen befallen ist, worauf man ihm Gerstenspeisen zu essen gibt, bis der Magen platzt.

5) Wer ein Verbot übertritt, auf das Ausrottung oder gerichtliche Todesstrafe steht, und auf die Ermahnung den Kopf schüttelt oder sie schweigend übergeht, der soll weder getötet noch gegeißelt werden, wie wir schon gesagt haben. Tut er aber dasselbe zum zweiten Male, wird abermals gewarnt, und schüttelt auch auf die Warnung den Kopf oder schweigt, so soll er weder getötet noch gegeißelt werden. Tut er aber dasselbe zum dritten Mal, nachdem er vorher gewarnt worden ist, und antwortet auf die Warnung mit Kopfschütteln oder Schweigen, so soll er in den Kerker gesperrt werden, bis er stirbt. Wer aber auf die Warnung nicht hört, soll wegen Ungehorsams gegeißelt werden, weil das Vergehen dennoch begangen wurde. Diese Geißelung wegen Ungehorsams steht auch auf der Übertretung eines einfachen Gesetzes der Schriftgelehrten.

6) Wenn jemand eines der Opfergefäße aus dem Tempel stiehlt, den Namen Gottes mit dem Namen einer falschen Gottheit verflucht oder mit einer götzendienerischen, nichtjüdischen Frau ein Verhältnis hat, wird das Gericht sich nicht damit befassen. Stattdessen werden sie von den Eiferern geschlagen. Ebenso wurde ein Priester, der den Gottesdienst unrein verrichtete, nicht von seinen Mitbrüdern vor Gericht gebracht, sondern von den jungen Priestern aus dem Tempel geschleppt, wo man ihm mit einem Beil den Schädel einschlug. Es ist auch eine Vorschrift der Schrift, dass das Gericht den Verbrecher nicht aufgrund seiner eigenen Aussage geißeln oder hinrichten darf, sondern nur aufgrund der Aussage zweier Zeugen. Wenn Josua den Achan und David den amalekitischen Proselyten auf ihr eigenes Zeugnis hin töten ließ, so war dies nur ein durch die Zeitverhältnisse bedingter Fall, – oder ein königlicher Akt. Der Sanhedrin aber darf weder hinrichten noch geißeln wegen einer Selbstbeschuldigung, denn es ist möglich, dass jemand sich in einer Art von Wahnsinn beschuldigt, oder einer von jenen unglücklichen Verzweifelten ist, die sich den Tod wünschen, wie man Beispiele kennt, dass sie sich das Schwert in den Leib stechen, oder von Dächern stürzen – und so auch die Beschuldigung erfinden könnten, um sich den Tod zu geben. Mit einem Worte, dies ist der Wille des Königs.

Kapitel 19

1) Dies sind die Verbote, auf deren Übertretung die Strafe der Ausrottung, nicht aber die gerichtliche Todesstrafe, sondern die Geißelung steht. Ihre Zahl ist einundzwanzig.

I) Der mit seiner Schwester Geschlechtsverkehr hat,

II) Der mit seines Vaters Schwester Geschlechtsverkehr hat,

III) Der mit der Schwester seiner Mutter Geschlechtsverkehr hat,

IV) Der mit der Schwester seiner Frau Geschlechtsverkehr hat,

V) Der mit seines Bruders Frau Geschlechtsverkehr hat,

VI) Der mit der Frau des Bruders seines Vaters Geschlechtsverkehr hat,

VII) Der Geschlechtsverkehr hat mit einer Frau, die sich der Reinigung enthält (Nidda).

VIII) Wer Talg isst,

IX) Wer Blut trinkt

X) Wer Gesäuertes am Pessah verzehrt, und

XI) Wer am Versöhnungstag isst;

XII) Wer am Versöhnungstag arbeitet;

XIII) Wer den Rest eines Opfers isst, und

XIV) Wer von einem Pigul-Opfer isst;

XV) Der Unreine, der von dem heiligen Opfer isst;

XVI) Der Unreine, der in die Halle des Tempels geht;

XVII) Der heiliges Vieh im Ausland schlachtet;

XVIII) Wer im Ausland opfert

XIX) Wer heiliges Öl mit Fett mischt;

XX) Wer sich mit heiligem Öl salbt

XXI) Wer heiliges Räucherwerk mit Fett vermischt.

2) Dies sind die Fälle, auf welche die göttliche Todesstrafe steht, zugleich aber auch die Geißelung, weil sie die Übertretung eines Verbotes, mit dem eine Handlung verbunden war, in sich schließen. Ihre Zahl ist achtzehn.

I) Wenn ein Nicht-Priester von der Priesterhebe, es sei rein oder unrein istt,

II) Wenn er vom Zehntenhebe isst

III) Wenn er von den Erstlingsfrüchten, nachdem sie nach Jerusalem gebracht sind, isst

IV) Wenn er von der Teighebe isst;

V) Wer Unverzehntetes, von dem weder die große, noch die Zehntenhebe schon genommen ist, und

VI) Wer von einem Teig, von dem die Chala noch nicht abgenommen ist, isst;

VII) Wenn ein unreiner Priester reine Hebe isst;

VIII) Wenn ein Priester in das Allerheiligste ohne Amtsveranlassung tritt;

IX) Wenn ein Priester das Heiligtum während des Tempeldienstes verläßt;

X) Wenn ein bloßer Levit den Tempeldienst der Priester verrichtet;

XI) Wenn ein nicht-Priester den Tempeldienst verrichtet;

XII) Wer ohne Kleider den Tempeldienst verrichtet, wird wie ein nicht-Priester betrachtet, und bekommt die Geißelung;

XIII) Wenn ein unreiner Priester den Tempeldienst verrichtet.

XIV) Wenn ein Betrunkener den Tempeldienst verrichtet.

XV) Wenn einer, der an demselben Tag die Reinigung durch Untertauchen vorgenommen, den Tempeldienst verrichtet.

XVI) Wenn ein der Entsühnung Wartender den Tempeldienst verrichtet

XVII) Wenn Jemand mit ungeordneten Haaren, und

XVIII) Wenn Jemand mit zerrissenem Kleide den Tempeldienst verrichtet.

3) Wer aber den Tempeldienst verrichtet, ohne vorher seine Hände und Füße zu heiligen, der soll nicht gegeißelt werden, obgleich die Todesstrafe darauf steht, weil es ein Gebot (aber kein Verbot) ist. Ebenso wird ein Prophet, der seine Prophezeiung zurückhält oder seinen eigenen Worten zuwider handelt, wie auch derjenige, der die Worte eines Propheten übertritt, nicht gegeißelt, obwohl auf diese drei Vergehen die Todesstrafe steht, weil diese Verbote alle nur aus einem Gebot hervorgehen, denn es heisst: »Ihm sollt ihr gehorchen« (Deut. 18:15). Ein Verbot aber, das aus einem Gebot hervorgeht, ist als ein Gebot zu betrachten, dessen Übertretung nicht die Geißelung nach sich zieht.

4) Die Verbote der Schrift, auf welche weder die Strafe der Ausrottung noch die gerichtliche Todesstrafe steht, sondern nur die Geißelung, sind an der Zahl hundertachtzehnundsechzig. Sie sind:

I) Wer ein Götzenbild macht;

II) Wer ein Götzenbild als Schmuck verfertigt;

III) Wer sich mit irgendeiner Handlung dem Götzendienst zuwendet;

IV) Wer ein Standbild aufstellt;

V) Wer einen Baum am Tempel pflanzt;

VI) Wer einen Mosaik-Quaderstein (wie zu heidnischen Zwecken) pflastert;

VII) Wer im Namen eines Götzen ein Gelübde tut;

VIII) Wer in eines Götzen Namen schwört;

IX) Wer vom Göztentum irgend einen Nutzen zieht;

X) Wer eine verführte (verbrannte) Stadt wieder aufbaut;

XI) Wer aus einer solchen Stadt Nutzen zieht;

XII) Wer heidnische Sitten nachahmt;

XIII) Wer sich Hexereien treibt;

XIV) Wer dem Wahrsager naht;

XV) Wer Zauberei treibt;

XVI) Wer Beschwörungen spricht;

XVII) Wer Tote beschwört;

XVIII) Wer den geschriebenen Namen Gottes auslöscht, und dergleichen tut, als z. B. die Steine des Altars auseinander reisst, oder Holz vom Tempelgebäude verbrennt;

XIX) Wer das Feuer auf dem Altar auslöscht;

XX) Wer auf den Altar vermittelst einer Leiter hinaufsteigt;

XXI) Wer in die Tempelhalle mit verunreinigenden Kleidern tritt;

XXII) Wer mit unreinen Krankheiten behaftet, sich in den Bereich des Tempelberges begibt;

XXIII) Wer die Tragestangen von der Bundeslade entfernt;

XXIV) Wer das Brustschild des Hohenpriesters von seinem Brustgewand abreisst;

XXV) Wer den Kragen des heiligen Oberhemdes zerreisst;

XXVI) Wer auf dem goldenen Altar Opfer darbringt;

XXVII) Wenn ein Priester in den Tempel nicht während des Tempeldienstes tritt;

XXVIII) Wenn ein Gebrechlicher sich in den Tempel begibt;

XXIX) Wenn ein Betrunkener hineintritt;

XXX) Wenn ein Gebrechlicher den Tempeldienst verrichtet;

XXXI) Wenn ein Unbeschnittener den Tempeldienst verrichtet;

XXXII) Wenn ein Priester den Levitendienst verrichtet;

XXXIII) Wenn ein Priester in den Tempel mit langen Haaren tritt;

XXXIV) Wenn ein Priester in den Tempel mit zerrissenen Kleidern tritt;

XXXV) Wer fehlerhaftes Vieh zu Opfern weiht;

XXXVI) Wer es als solches schlachtet;

XXXVII) Wer das Blut von fehlerhaftem Vieh sprengt;

XXXVIII) Wer die Fettteile desselben als Opfer verdampfen läßt;

XXXIX) Wer heidnische, fehlerhafte Opfertiere darbringt;

XL) Wer geweihte Opfertiere verletzt — so lange nämlich der Tempel stand;

XLI) Wer sich der Opfertiere zur Arbeit nutzt;

XLII) Wer an solchen die Schur vornimmt;

XLIII) Wer Sauerteig oder Honig als Räucheropfer darbringt;

XLIV) Wer die freiwilligen Letztgaben aus Sauerteig bereitet;

XLV) Wer Opfer ohne Salz darbringt;

XLVI) Wer die Gabe einer Hurre, oder das gegen einen Hund Eingetauschte — darbringt;

XLVII) Wer Öl auf die freiwillige Gabe des Sünders gießt;

XLVIII) Wer darauf Weihrauch tut;

XLIX) Wer Öl auf die Opfer einer des Ehebruchs Verdächtigen gießt;

L) Wer darauf Weihrauch tut;

LI) Wer den Kopf eines Vogels, der als Sündopfer gebracht wurde, von seinem Rumpf trennt

LII) Wer die Altar-Heiligtümer vertauscht;

LIII) Wer heiliges Opferfleisch, nachdem es entweiht, isst;

LIV) Wer von den unzulässig gewordenen Opfertieren isst;

LV) Wenn ein Priester Fleisch vom allerheiligsten Opfer außerhalb des Tempelhofes isst:

LVI) Wenn ein Nicht-Priester von dem Fleisch der allerheiligsten Opfer, nach dem Blutsprengen isst;

LVII) Wenn ein Nicht-Priester das Fleisch von einem Erstlinge isst;

LVIII) Wenn eine Priestertochter, die mit einem Nicht-Priester verheiratet ist, von der Brust und den Schenkelstücken des Opfers, selbst nachdem sie Witwe wurde, isst;

LIX) Wenn eine entweihte Priestertochter von der Priesterhebe isst;

LX) Wenn Jemand von den einfachen, heiligen Opfern, außerhalb Jerusalem, isst;

LXI) Wer von den einfachen, heiligen Opfern, vor der Blutsprengung, isst;

LXII) Wer von dem Fleisch eines Erstlings, außerhalb Jerusalem, isst;

LXIII) Wer vom zweiten Zehnten, der schon in Jerusalem sich befand, außerhalb Jerusalems, isst;

LXIV) Wenn ein Priester Erstlingsfrüchte, nachdem sie in die Stadt Jerusalem gebracht waren, bevor sie im Tempelhofe abgelegt wurden, isst;

LXV) Wenn ein Priester von den Erstlingsfrüchten, die bereits im Tempelhofe abgelegt waren, außerhalb Jerusalem, isst;

LXVI) Wer vom zweiten Zehnten, der in Jerusalem vor der Einlösung entweiht wurde, isst;

LXVII) Wenn ein Unreiner von dem reinen zweiten Zehnten in Jerusalem isst;

LXVIII) Wenn Jemand an dem zweiten Zehnten, während der ersten Trauerzeit, isst. Dasselbe gilt für alle Heiligtümer;

LXIX) Wenn ein Unbeschnittener von den Priesterheben isst;

LXX) Wer von dem freiwilligen Opfer eines Priesters, oder überhaupt von Etwas, das als ganzes Brandopfer dient, isst;

LXXI) Wer von dem Fleisch zu verbrennender Sühnopfer, so wie auch von Allem, das verbrannt werden muss, isst;

LXXII) Wer das Pessach-Lamm bei Gesäuertem schlachtet;

LXXIII) Wer an dem Pessach-Lamm Knochen am ersten oder zweiten Feiertage bricht;

LXXIV) Wer von dem Fleisch desselben Etwas aus der Gesellschaft fortträgt;

LXXV) Wer davon außerhalb der Gesellschaft isst;

LXXVI) Wer davon halb Gebratenes oder Gekochtes isst;

LXXVII) Wer von Heiligtümern absichtlich anderweitigen Nutzen zieht;

LXXVIII) Wer von Früchten, von denen der Zehnte noch nicht genommen wurde, isst — oder auch, wer, wenn die Priesterheben bereits davon genommen waren, der Armenzehnte aber nicht, davon isst;

LXXIX) Wer von dem Fleisch eines Tieres isst, welches der gerichtlichen Steinigung verfallen war, obwohl es geschlachtet wurde;

LXXX) Wer von einem unreinen Tier isst;

LXXXI) Wer von einem unreinen Vogel isst;

LXXXII) Wer von einem unreinen Fische isst;

LXXXIII) Wer von einem geflügelten Ungeziefer isst (z. B. Fledermaus);

LXXXIV) Wer von den auf dem Lande kriechenden Tieren isst;

LXXXV) Wer von den im Wasser kriechenden Tieren isst;

LXXXVI) Wer von den kriechenden Landtieren isst, selbst wenn sie sich nicht genetisch fortpflanzen;

LXXXVII) Wer von den in Früchten erzeugten Würmern isst, nachdem sie sich von der Frucht entfernt;

LXXXVIII) Wer vom Aas isst;

LXXXIX) Wer vom Fleisch eines zerrissenen Tieres isst;

XC) Wer ein Glied von einem lebendigen Tieres isst;

XCI) Wer von den Blutadern des Schenkels isst;

XCII) Wer Fleisch in Milch gekocht isst;

XCIII) Wer Fleisch in Milch kocht;

XCIV) Wer von neuem Getreide, bevor das Erstlingsmaaß dargebracht wurde, isst;

XCV) Wer von vorreifen Früchten, (d. h. solchen, die auf Bäumen wachsen, welche noch nicht die vollkommene Entwicklung haben, d.i. die Zeit der ersten vier Jahr nach der Pflanzung) isst:

XCVI) Wer Mischfrüchte aus einem Weingarten isst;

XCVII) Wer Mischgesäuertes am Pessach-Fest isst;

XCVIII) Wer Gesäuertes Nachmittags (am vierzehnten des Monats Nissan) isst;

XCIX) Wer Gesäuertes in seinem Bereiche liegen läßt, oder auch wenn Jemand z. B. seinen Teig in Säuerung am Pessach übergehen läßt;

C) Wer vom Wein zu Götzenopfern trinkt;

CI) Wenn ein Nasir vom Weinstock Trauben gegessen hat;

CII) Wenn ein Nasir sich das Haar scheert;

CIII) Wenn ein Nasir sich bei einem Toten entweiht;

CIV) Wer das Haar einer Aussatzwarze rasiert;

CV) Wer die Kennzeichen des Aussatzes wegschneidet, oder mit Feuer verbrennt;

CVI) Wer an dem Sumpf pflügt, wo dem Sühnekalb der Nacken abgeschlagen wurde;

CVII) Wer im Lande Israel im siebenten Jahre säet;

CVIII) Wer im siebenten Jahr die Bäume beschneidet;

CIX) Wer den Getreide-Nachwuchs nicht auf eine ungewöhnliche Weise mähet;

CX) Wer den Obst-Nachwuchs in gewöhnlicher Weise einsammelt;

CXI) Wer in dem Jubeljahr säet;

CXII) Wer in diesem Jahr auf gewöhnliche Weise Getreide erntet;

CXIII) Wer in diesem Jahr auf gewöhnliche Weise einsammelt;

CXIV) Wer den Rain des Feldes abmähet und ihn den Armen entzieht;

CXV) Wer die Nachlese im Weinberg selbst hält, und sie dadurch den Armen entzieht;

CXVI) Wer die Getreide-Nachlese auf den Feldern selbst vornimmt, anstatt sie den Armen zu überlassen;

CXVII) Wer einzelne im Weinberg abgefallene Trauben aufliest, und sie dadurch den Armen entzieht;

CXXIII) Wer einzelne vergessene Garben selbst aufsammelt, statt sie den Armen zu lassen;

CXIX) Wer die Vogelmutter samt ihren Jungen ausnimmt, ohne der ersteren die Freiheit wieder zu geben;

CXX) Wer im Lande Israel Mischgetreide säet;

CXXI) Wer im Lande Israel Misch-Reben zieht;

CXXII) Wer Mischfruchtbäume auf einander pfropft;

CXXIII) Wer verschiedene Tierarten sich irgendwo begatten läßt;

CXXIV) Wer ein Mischgespann irgendwo anwendet;

CXXV) Wer den Mund des Viehes während der Arbeit irgendwo verschließt;

CXXVI) Wer ein Tier mit seinen Jungen irgendwo, an ein und demselben Tage schlachtet;

CXXVII) Wer seinen Nächsten mit eigener Hand pfändet, ohne ihm das Pfand zurückzugeben;

CXXVIII) Wer eine Witwe pfänden läßt, ohne ihr das Unterpfand wiederzugeben;

CXXIX) Wer solche Geschirr pfändet, in denen Speisen bereitet werden;

CXXX) Ein Lügen gestrafter Zeuge, von dem man kein Schadenersatz erheben kann;

CXXXI) Wer seinem Nächsten einen solchen Schlag zufügt, der keinen wirklichen Schaden, im Wert einer Pruta verursacht;

CXXXII) Der ausschweifende und widerspenstige Sohn, auf das erste Zeugniss gegen ihn;

CXXXIII) Ein, seine Frau verdächtigender Ehemann, der seines Unrechts überführt wird;

CXXXIV) Wer seinem Nächsten mit dem Namen Gottes flucht;

CXXXV) Wer Lügen beschwört;

CXXXVI) Wer Nichtiges beschwört;

CXXXVII) Wer sein Gelübde bricht:

CXXXVIII) Wer am Schabbat über die Grenze seines Bereiches hinausgeht;

CXXXIX) Wer an Feiertagen arbeitet;

CXL) Wer sich das Seitenhaar am Kopf beschneidet;

CXLI) Wer die Bartenden beschneidet;

CXLII) Wer sich eines Todesfalles wegen ins Fleisch einschneidet;

CXLIII) Wer sich eines Todesfalles wegen das Haupthaar ausrauft;

CXLIV) Wer sich Schriftzüge in die Haut tätowiert;

CXLV) Wer Kleider aus Mischgeweben anlegt;

CXLVI) Wer Fruchtbäume in vernichtender Absicht umhaut;

CXLVII) Wenn ein Mann Frauenkleider anlegt;

CXLVIII) Wenn eine Frau Männerkleider anlegt;

CXLIX) Ein Priester, der sich durch Berührung eines Toten entweiht;

CL) Ein Priester, der eine Hurre geehelicht und dieser Frau beigewohnt;

CLI) Wenn ein Priester eine Geschiedene heiratet und ihr beigewohnt;

CLII) Ein Priester, der eine Entweihte ehelicht und ihr beiwohnt;

CLIII) Wenn der Hohepriester einer Witwe beiwohnt, selbst ohne sie geehelicht zu haben;

CLIV) Wer seine geschiedene Frau, nachdem sie mit einem Andern verehelicht war, wieder heiratet;

CLV) Wer die einer Leviratsehe Entgegensehende heiratet;

CLVI) Wer einer Prostituirten beiwohnt;

CLVII) Ein Bastard, der eine ehrenhafte Israelitin heiratet und ihr beiwohnt;

CLVIII) Ein an den Geschlechtsteilen Leidender, der eine Israelitin ehelicht und ihr beiwohnt;

CLIX) Wer einen Mann kastriert, oder sonst auch Hausvieh, Tiere und Vögel kastriert;

CLX) Wenn ein Notzüchtigender sich von der Genotzüchtigten scheidet, ohne sich ihr wieder zu nähern;

CLXI) Wer sich von seiner Frau, die er in falschen Ruf brachte scheidet, ohne sich wieder mit ihr zu vereinen;

CLXII) Wer mit verwandten Frauen einen ungeziemenden, wenn auch nicht geradezu verbrecherischen Umgang pflegt. Ein solcher heisst auch: ein der Blutschande Verdächtigter;

CLXIII) Wer sich mit Heiden verschwägert;

CLXIV) Ein amonitischer Konvertit, der eine Israelitin geheiratet und ihr beigewohnt;

CLXV) Ein moabitischer, Proselyt, der eine Israelitin geheiratet und ihr beigewohnt;

CLXVI) ein König, der sich mehr Frauen nimmt, als in der Tora erlaubt ist;

CLXVII) ein König, der mehr Pferde erwirbt, als in der Tora erlaubt ist;

CLXVIII) ein König, der mehr Reichtum als nötig ansammelt.

Demnach ist die Zahl aller, die Geißelung verwirken, — zweihundertundsieben. Als Abkürzung dafür gilt der Spruch: »Die Fremden werden gegeißelt«.

Kapitel 20

1) Das Gericht soll niemanden nach bloßen Vermutungen verurteilen, sondern nur nach den Aussagen von Zeugen, die klare Beweise vorlegen. Haben sie ihren Nächsten nachjagen sehen, und haben den Verfolger gewarnt, und sind doch von ihm abgewiesen worden, oder sind ihm in eine Ruine nachgeeilt, und haben bei ihrem Eintritt den Verfolgten tot gefunden, und noch in Todeszuckungen, das blutige Schwert aber in der Hand des Andern, so kann das Gericht, weil die Zeugen den Hieb ihn nicht haben führen sehen, den Angeklagten auf diese Anklage hin nicht hinrichten lassen. Auf einen solchen Fall, und dergleichen ähnlichen, bezieht sich der Vers: »Einen Unschuldigen und Schuldlosen sollst du nicht töten« (Ex. 23:7).

Desgleichen, wenn zwei Zeugen gegen jemanden aussagen, er habe Götzendienst getrieben, aber so, dass der eine ihn die Sonne, der andere aber den Mond habe anbeten sehen, und beide ihn auch vorher gewarnt haben, so werden diese beiden Zeugen doch nicht zusammengezogen. Denn es heißt: »ein Unschuldiger und ein Schuldloser«, so müssen wir den Vers so erklären, dass, solange noch ein Fall denkbar ist, den Beklagten als unschuldig oder schuldlos darstellen zu können, man ihn nicht hinrichten darf.

2) Ebenso wenig soll das Gericht einen zum Verbrechen Gezwungenen hinrichten lassen, obwohl das Verbrechen freiwillig begangen worden wäre und die Todesstrafe nach sich gezogen hätte. Auch in dem Fall, wo das Gebot befiehlt, sich lieber töten zu lassen, als das Verbrechen zu begehen, und auch wenn dadurch der Name Gottes entweiht würde, soll der Verbrecher dennoch nicht dem gerichtlichen Tod überantwortet werden; denn es heißt: »Und dem Mädchen sollst du nichts tun« (Deut. 22:26), welche Vorschrift dem Gericht zur Warnung dient, keinen zu einem Verbrechen Gezwungenen zu bestrafen.

3) Wenn ein Mann gezwungen wird, mit einer ihm verbotenen Frau Geschlechtsverkehr zu haben, wird er vor Gericht zur Verantwortung gezogen. Denn eine Erektion kann nur aus freiem Willen erfolgen. Wird dagegen eine Frau vergewaltigt, wird sie freigesprochen. Das gilt selbst dann, wenn sie mitten in der Vergewaltigung sagt: »Lass ihn doch weitermachen«. Es ist ihre natürliche Neigung, die sie überwältigt hat.

4) Es ist den Richtern verboten, Mitleid mit einem Mörder zu haben, damit sie nicht denken: »Da der Ermordete schon tot ist, wird es wohl nicht fromm sein, wenn wir auch ihn töten«, und so die Hinrichtung nicht energisch betreiben; denn es heißt: »Dein Auge soll sich nicht erbarmen, und du sollst das reine Blut sühnen« (Deut. 19:13). Desgleichen soll der Richter kein Mitleid mit dem haben, der die Züchtigung erleiden soll; denn er soll nicht denken: »Dieser Mann ist arm, und hat es doch nicht mit Absicht getan«: sondern er soll die Strafe ohne Mitleid erheben, selbst von seinem letzten Vermögen; denn es heißt hier: »Dein Auge soll sich nicht erbarmen«.

Ebenso darf der Richter in Geldprozessen kein Mitleid mit einer Partei haben; er soll nämlich nicht denken: »Dieser Mann ist arm, sein Gegner ist reich, und da es sowohl meine Pflicht als die Pflicht des Reichen ist, den Armen zu ernähren, so will ich ihn in diesem Rechtsfall rechtfertigen, auf welche Weise er sich mit Ehre erhalten retten kann«; denn gerade davor warnt die Tora mit den Worten: »Du sollst den Armen nicht schonen« (Ex. 23:3) und: »Du sollst das Angesicht des Armen nicht schonen« (Lev. 19:15).

Auch das Verbot, einen Großen vor Gericht zu schonen, ist zu befolgen, und zwar wie folgt: Wenn zwei zum Gericht kommen, der eine ein großer Gelehrter, der andere ein ganz Ungebildeter, so beeil dich nicht, dem großen Gelehrten den Friedensgruß zu bringen, ihm ein freundliches Gesicht zu machen oder ihm Ehrenbezeugungen zu erweisen, damit dadurch sein Gegner nicht eingeschüchtert werde. Der Richter darf sich keinem von beiden zuwenden, bis das Urteil gefällt ist, denn es heißt eben: »Du sollst das Angesicht des Großen nicht schonen« (Lev. 19:15). Die Weisen sagen: »Denke nicht, dieser ist ein reicher Mann, der Sohn angesehener Eltern; wie sollte ich ihn beschämen und seine Schmach mit ansehen? Dagegen heißt es: »Du sollst das Angesicht nicht schonen usw.«

5) Stehen zwei vor dir, von denen der eine ein Frommer und der andere ein Schurke ist, so denke nicht: Da dieser ein Schurke ist und wahrscheinlich lügt, der andere aber die Wahrheit sagt, so werde ich das Urteil zum Nachteil des Schurken fällen; denn es steht in der Schrift: »Du sollst das Recht eines Armen in seinem Streit nicht verdrehen«; denn ob er auch arm ist an guten Taten, so sollst du doch sein Recht nicht verdrehen.

6) »Ihr sollt nicht Unrecht tun im Gericht« (Lev. 19:15, 35) – diese Worte beziehen sich genau auf denjenigen, der das Recht verdreht, der den Schuldigen für gerecht, den Gerechten für schuldig erklärt; aber auch derjenige, der das Recht erschwert, indem er in klar erwiesenen Fällen zu lange mit der Entscheidung zögert, um eine der streitenden Parteien hinzuzuziehen, ist unter die Verdreher des Rechts zu rechnen.

7) Jeder Richter, der im Gericht voreilig ist, das heißt voreilig in der Urteilsfällung, indem er eine Sache entscheidet, bevor er sie in sich selbst so reiflich erwogen hat, dass sie ihm klar wie die Sonne erscheint, der heißt ein Narr, ein Böser, ein Übermütiger. Unsere Weisen haben geboten: »Seid klug im Gericht«, und so heißt es bei Hiob: »Und eine Rechtsfrage, die ich nicht kenne, suche ich zu ergründen« (Hiob 29:16).

8) Ein jeder Richter, dem ein Streitfall vorgelegt wird, der ihm mit einem schon früher vorgekommenen, von ihm erforschten und entschiedenen ähnlich zu sein scheint, und der, während in derselben Stadt ein größerer Gelehrter wohnt, diesen Streitfall nach der bloßen Ähnlichkeit entscheidet, ohne sich erst bei jenem Gelehrten Rat zu holen, – der ist unter die Bösen zu rechnen, deren Herz im Gericht übereilt ist; und die Weisen sagen: »Unglück über Unglück komme über einen solchen«. Denn alle diese und ähnliche böse Eigenschaften, die zum Übermut gehören, bringen eben den Richter dazu, das Recht zu verdrehen. Die Worte: »Denn viele Erschlagene hat sie hingestreckt« (Prov. 7:26) beziehen sich auf einen Richter, der, ohne den Gelehrten befragt zu haben, Recht spricht. Die Worte: »Und groß ist die Zahl ihrer Erschlagenen« (ebd.) beziehen sich wiederum auf einen, der, obwohl er die volle Würde eines Richters hat, sich aber weigert, Recht zu sprechen, wenn seine Mitbürger seiner bedürftig sind; wenn aber jemand weiß, dass ein anderer da ist, der das Richteramt würdiger ausüben könnte als er, und er deshalb das Amt nicht selbst übernimmt, so ist er sehr lobenswert. Wer sich aber von der Rechtsprechung fernhält, der hält sich auch fern von Feindschaft, Raub, falschem Schwur. Wessen Herz aber im Gericht trotzig ist, der heißt ein Narr, ein Böser, ein Übermütiger.

9) Ein Schüler darf in Gegenwart seines Lehrers kein Urteil fällen, es sei denn, er sei 12 km von ihm entfernt, wie das Lager der Israeliten groß war.

10) Denke nicht, dass alle diese Punkte sich nur auf einen Rechtsfall beziehen, wo es sich um die Einforderung beträchtlicher Summen von einer Partei und deren Aushändigung an die andere handelt; im Gegenteil sei die Rechtsfrage über 1000 Mina, und die über eine Peruta (1 Pfennig) ganz gleich in deinen Augen, in jeder Hinsicht.

11) Die Richter sollen nicht von vornherein über eine Streitfrage, die weniger als eine Peruta zum Gegenstand hat, zu Gericht versammeln; werden sie aber zu einer Streitfrage über den vollen Wert einer Peruta angerufen, so sollen sie die Sache schon ganz verhandeln, auch wenn das Ergebnis auf weniger als eine Peruta ausfiele.

12) Wer das Recht eines gewöhnlichen Israeliten verdreht, übertritt ein Verbot der Schrift, denn es heißt: »Ihr sollt kein Unrecht tun im Gericht« (Lev. 19:15); betrifft die Sache aber einen Fremdling, so übertritt man zwei Verbote, denn es heißt auch: »Du sollst das Recht eines Fremdlings nicht verdrehen« (Deut. 24:17); betrifft die Sache überdies noch eine Waise, so übertritt man drei Verbote, denn es heißt auch: »Das Recht eines Fremdlings, einer Waise« (ebd.).

Kapitel 21

1) Es ist ein Gebot der Schrift, dass der Richter gerecht richten soll, denn es heißt: »Mit Gerechtigkeit sollst du deinen Nächsten richten« (Lev. 19:15). Was aber bedeutet »Gerechtigkeit im Gericht«? Dass man den einen nicht lange reden lässt, während man dem anderen gebietet, sich kurz zu fassen; dass man dem einen nicht ein freundliches Gesicht zeigt und mit ihm freundliche Worte spricht, während man gegen den anderen unfreundlich ist und mit ihm hart umgeht.

2) Erscheint von zwei streitenden Parteien die eine in kostbarer, die andere aber in schäbiger Kleidung, so kann der Richter der vornehmen Partei gebieten: entweder kleide diesen Mann so, wie du gekleidet bist, oder kleide dich so, wie er gekleidet ist, bevor du deine Klage vorbringst, damit ihr in völliger Gleichheit vor Gericht erscheine.

3) Der eine der streitenden Parteien soll nicht dadurch bevorzugt werden, dass er sitzt, während der andere steht, denn beide sollen stehen. Wenn es der Wille des Gerichts ist, beide sitzen zu lassen, so kann dies geschehen, aber nicht so, dass der eine einen vornehmeren Sitz einnimmt als der andere, sondern beide sollen in gleicher Reihe nebeneinander sitzen, in jedem Fall aber ist den streitenden Parteien das Sitzen nur während der Verhandlung über ihren Streitfall erlaubt, das Urteil aber müssen beide stehend anhören, denn es heißt: »Und das Volk stand vor Moses« (Ex. 18:13). Unter »Fällen des Urteils« ist die Erklärung zu verstehen: »Du, NN, hast recht, du, NN, hast unrecht«. Das oben Gesagte über das Sitzen bezieht sich jedoch nur auf die streitenden Parteien, die Zeugen hingegen dürfen nur stehen, denn es heißt: »Und die beiden Männer sollen aufstehen« (Deut. 19:17).

4) Wenn ein angesehener Gelehrter mit einem Ungelehrten vor Gericht erscheint, so soll der Gelehrte sich setzen und der Ungelehrte sich setzen; tut er es nicht, so kann er stehen bleiben. Ein Schüler des Richters soll, wenn er einen Rechtsstreit hat, nicht vor Beginn desselben zu seinem Lehrer, dem Richter, kommen und sich wie gewöhnlich zum Studium setzen, es sei denn zur dafür bestimmten Stunde.

5) Nach dem Beschluss der Gemara ist es aber schon bei allen Gerichten Brauch geworden, sowohl die streitenden Parteien als auch die Zeugen sitzen zu lassen, um eventuelle Zwistigkeiten zu beseitigen, da wir jetzt nicht mehr die Macht haben, die Rechtsordnung wie vor Zeiten in ihrem ursprünglichen Zustand zu handhaben.

6) Wenn verschiedene streitende Parteien zur selben Zeit vor dem Richter erscheinen, so soll der Prozess der Waise dem Prozess der Witwe vorgehen, denn es heißt: »Richtet die Waise, und schlichtet den Streit der Witwe« (Jes. 1:17), – desgleichen der Prozess der Witwe dem Prozess des Gelehrten, und der Prozess des Gelehrten dem Prozess des Ungelehrten; in jedem Fall aber soll der Prozess einer Frau vor dem Prozess eines Mannes geführt werden, denn die Schamhaftigkeit der Frau ist groß.

7) Dem Richter ist es verboten, die Worte einer streitenden Partei anzuhören, bevor die Gegenpartei erschienen ist, und auch dann nur in deren Gegenwart, und er soll nur ein einziges Wort anhören, denn es heißt: »Hört zwischen euren Brüdern« (Deut. 1:16). Wer eine Partie gesondert anhört, übertritt ein Verbot, denn es heißt: »Du sollst kein falsches Gerücht aufgreifen« (Ex. 23:1).

Wer eine Partei gesondert anhört, verstößt gegen ein Verbot, denn es heißt: »Du sollst kein falsches Gerücht aufnehmen« (Ex. 23:1). In diesem Verbot finden wir auch eine Warnung für die Zuhörer und Verbreiter von Verleumdungen, wie auch für jeden, der ein falsches Zeugnis ablegt. Ebenso wird jeder Kläger gewarnt, seine Sache nicht in Abwesenheit seines Gegners vor den Richter zu bringen; für diese, wie für alle ähnlichen Fälle, heißt es: »Halte dich fern vom falschen Wort« (Ex. 23:7).

8) Der Richter soll sich die wechselseitigen Klagen, die ihm vorgebracht werden, nicht durch einen Dolmetscher vortragen lassen, sofern er die Sprache der streitenden Parteien selbst kennt und ihre Rede versteht. Ist er aber ihrer Sprache nicht so kundig, dass er ihnen Bescheid geben kann, so ist es erlaubt, dass der Dolmetscher sich erhebt, um ihnen das Urteil mitzuteilen und den Grund darzutun, weshalb der eine für gerecht, der andere für unschuldig erkannt worden ist.

9) Der Richter hat die Klagen der streitenden Parteien anzuhören und selbst zu wiederholen, denn es heißt: »Und der König sprach: Diese spricht: Das lebende Kind ist mein, und das tote Kind ist dein« (1. Kön. 3:23), worauf er das Urteil im Geiste abwägt und danach den Rechtsspruch fällt.

10) Woher wissen wir aber, dass der Richter nicht zum Anwalt der streitenden Parteien werden darf? Weil es heißt: »Du sollst nicht falsch reden« (Ex. 23:7). Er soll also sagen, was er für Recht hält, und dann schweigen; auch darf keiner der Richter von sich aus die geringste Einwendung machen; selbst wenn eine der streitenden Parteien nur einen einzigen Zeugen aufbietet, darf der Richter sich nicht die Bemerkung erlauben, das Zeugnis eines einzelnen sei nicht gültig, sondern muss mit dem Angeklagten sprechen: »Hier ist ein Zeuge gegen dich aufgetreten, in der Hoffnung, dass der Angeklagte bekennen werde, dass das Zeugnis dieses Mannes wahr sei;« erst wenn Jener selbst sagt: »Dies ist nur ein einziger Zeuge, und hat keine gesetzliche Glaubwürdigkeit gegen mich, dann tue der Richter, was seines Amtes ist, und so in ähnlichen Fällen mehr.

11) Bemerkt aber der Richter einen Umstand, der zur Rechtfertigung einer der streitenden Parteien dienen könnte, und den diese vorbringen will, aber nicht in die rechten Worte zu fassen weiß, oder sieht er einen der streitenden Parteien in Verlegenheit, eine gerechte Einwendung zur Verteidigung ihrer Sache zu machen, und ist überzeugt dass ihm diese Verteidigung vor Aufregung und Enttäuschung entgeht, oder dass er sie aus Mangel an Verstand nicht sogleich findet, so ist es dem Richter erlaubt, ihm von Zeit zu Zeit zu helfen und ihn über die fraglichen Punkte aufzuklären, denn auf Fälle dieser Art können folgende Worte angewendet werden: »Öffne deinen Mund dem Stummen« (Prov. 31,8), doch muss der Richter in solchen Fällen sehr vorsichtig vorgehen, um nicht als Richter und Anwalt in einer Person zu erscheinen.

Kapitel 22

1) Wenn zwei Leute mit einer Streitsache zu dir kommen, von denen der eine sanftmütig und der andere hartherzig ist, so darfst du, bevor du ihre Klage angehört hast, oder auch, nachdem du dies getan hast, ohne dass aber irgendetwas darin auf die Gerechtigkeit der Sache einer der beiden Parteien hinweist, – zu ihnen sagen, dass du nicht Richter in ihrer Streitsache sein willst, aus Furcht, dass, wenn der Hartherzige von dir für ungerecht befunden würde, er dich als seinen Richter verfolgen könnte, – wenn du aber schon ihre Klage gehört und daraus erkannt hast, wer von beiden eine gerechte Sache habe, so darfst du dich der Schlichtung der Sache nicht mehr entziehen, denn es heißt: »Ihr sollt euch vor niemandem fürchten« (Deut. 1,17): Denke nicht: »Dieser Mann ist ein Bösewicht, er könnte meinen Sohn töten, meine Scheune anzünden, meine Pflanzung umhauen«. – Wenn ein Fall dieser Art vor einen öffentlichen Richter kommt, muss dieser unbedingt die Schlichtung des Falles übernehmen.

2) Desgleichen, wenn ein Schüler, vor dem Richter, seinem Lehrer, sitzend, etwas zu Gunsten des Ärmeren der Prozessparteien und zu Ungunsten des Reichen einsieht, ohne den Richter sogleich darauf aufmerksam zu machen, so verstößt er auch gegen das Verbot: »Ihr sollt vor keinem Menschen Furcht haben«; auf einen solchen Fall bezieht sich auch der oben angeführte Vers: »Vom falschen Wort bleibe fern«; – der Richter aber seinerseits darf keinen unweisen Schüler vor sich dulden, eben weil es heißt: »Vom falschen Wort bleibe fern«: »Vom falschen Wort wende dich ab«.

3) Aus demselben Vers ersehen wir auch, dass ein Schüler, sobald er seinen Lehrer, den Richter, in einem Irrtum befangen sieht, nicht denken soll, er wolle abwarten, bis der Richter das Urteil gefällt hat, um es dann umzustoßen und seinen Lehrer eines Besseren zu belehren, damit das Urteil seinen Namen trage.

4) Des Richters Pflicht ist es, die streitenden Parteien vor Beginn der Verhandlung zu fragen: Wollt ihr strenges Recht oder friedliche Ausgleichung? – Wollen sie das letztere, so tut der Richter wohl, es zu vollziehen; ein Gericht, der immer nur friedliche Ausgleichung vollzieht, ist vorzüglich lobenswert; auf ein solches beziehen sich auch die Worte: »Friedensrecht richtet in euren Toren« (Zech. 8:16). Welches Recht könnte am besten mit Frieden verbunden sein? Wohl nur der friedliche Ausgleich! Ähnlich heißt es von David: »Und David war Recht und Gerechtigkeit seinem ganzen Volk«. Dies alles aber bezieht sich nur auf die Zeit vor der Fällung des Urteils, obgleich die Beschwerden schon angehört worden sind und man weiß, auf welcher Seite das Recht ist, so ist es doch noch wohlgetan, einen friedlichen Ausgleich herbeizuführen; ist aber das Urteil schon gefällt, indem der Richter gesprochen hat: Du NN hast Recht, du NN hast Unrecht, so ist es nicht mehr gestattet, gerichtliche Schritte zu einer gütlichen Ausgleichung zu tun, sondern dann möge »das Recht das Gebirge durchbohren«.

5) Obwohl aber die streitenden Parteien bereits einer friedlichen Schlichtung vor Gericht zugestimmt haben, können sie dennoch das strenge Recht verlangen, solange ihnen nicht ein Handschlag als Garantie dafür abverlangt worden ist.

6) Die Kraft des gütlichen Vergleichs ist noch größer als die des Urteils, denn wenn zwei Ungelehrte ein Urteil fällen, so gilt es als unrechtmäßig, und die streitenden Parteien können ihr Wort zurücknehmen. Wenn aber die letzteren eine gütliche Einigung erzielt haben und darüber den Handschlag empfangen haben, so können die streitenden Parteien ihr Wort nicht mehr zurücknehmen.

7) Es ist verboten, dass einer der Richter beim Verlassen des Gerichts sagt: Ich habe für oder gegen diesen oder jenen gesprochen, aber meine Kollegen waren anderer Meinung, und was konnte ich gegen die Mehrheit der Stimmen tun. Wenn er aber so spricht, dann gehört er zu der Kategorie: »Wer Geheimnisse ausplaudert, ist ein Verleumder« (Prov. 11:13). Es begab sich einmal, dass der Schüler eines Richters Worte ausplauderte, die vor zweiundzwanzig Jahren in der Hochschule verhandelt worden waren, und das Gericht ließ ihn aus der Hochschule hinausführen und veröffentlichen, dass er ein Verleumder sei.

8) Wenn eine der streitenden Parteien verlangt, dass man ihr das Urteil schriftlich mitteile, so schreibe man wie folgt: NN ist mit seinem Gegner NN vor dem Gericht zu NN erschienen, in der und in der Sache, und ist für schuldig (oder unschuldig) befunden worden. Man soll ihm diese Urkunde aushändigen, ohne die Personen zu nennen, die für oder gegen ihn gesprochen haben, sondern bloß das Gericht, nach dessen Urteil er für schuldig oder unschuldig befunden worden ist.

9) Die Art und Weise, wie die Männer von Jerusalem Gericht hielten, war folgende: Man führte die Streitenden vor, hörte ihre gegenseitigen Klagen an, lud die Zeugen vor, und verhörte auch diese, worauf das anwesende Volk sich zurückziehen mußte. Währenddessen berieten sich die Richter unter sich und fassten die nötigen Beschlüsse, worauf die Streitenden wieder vorgerufen wurden, und der Älteste der Richter alsdann sprach: »Du bist schuldig, du NN aber bist für unschuldig befunden worden«, damit niemand von den Streitenden wisse, welcher vor den Richtern für, welcher gegen ihn gesprochen habe.

10) Wenn ein Richter weiß, dass einer seiner Kollegen ein Räuber oder sonst ein Übeltäter ist, so ist es ihm verboten, mit ihm zu Gericht zu sitzen. Männer von reinen Sitten pflegten so zu verfahren: Sie setzten sich nie zu Gericht, ohne ihre Beisitzer genau zu kennen, sie unterzeichneten kein Schriftstück, ohne zu wissen, wer die Mitunterzeichner seien, sie pflegten zu keinem Mahl zu gehen, ohne die Mitspeisenden zu kennen.

Kapitel 23

1) »Du sollst kein Bestechungsgeld annehmen« (Deut. 16:19), nicht nur, um das Recht zu unterdrücken, sondern auch, um den Gerechten gerecht und den Ungerechten schuldig zu sprechen. Wer letzteres tut, verstößt gegen ein Verbot der Schrift, und auf ihn bezieht sich das Wort: »Verflucht sei, wer Bestechungsgeld annimmt« (Deut. 27:25). Der Richter, der Geschenke annimmt, kann gezwungen werden, sie dem Geber zurückzugeben, wenn dieser es verlangt.

2) So wie hier der Empfänger ein Verbot übertritt, so ist es auch der Geber, denn es heißt: »Und vor einen Blinden sollst du keinen Stein des Anstoßes legen« (Lev 19:14).

3) Der Richter, der mit großem Prunk im Gericht sitzt, um seinen Gerichtsdienern und Schreibern mehr Sporteln zu geben, gehört zu der Zahl derer, die sich der Gewinnsucht hingeben. Darin bestand eben das Vergehen der Söhne Samuels, und sie wurden dafür mit den Worten bezeichnet: »Und sie gaben sich der Gewinnsucht hin und nahmen Bestechungsgelder an« (1. Sam. 8:3).

Nicht nur Bestechung durch Geld, sondern auch Bestechung durch Worte ist verboten. Es geschah einmal, dass ein Richter, als er in ein Boot stieg, um einen Fluss zu überqueren, von jemandem unterstützt wurde, und als dieser in einer Streitsache vor ihm erschien, sagte der Richter: Ich fühle mich nicht mehr befugt, Richter in deiner Sache zu sein. Einem anderen geschah es, dass ihm jemand eine Daune von seinem Gewand nahm und den Speichel vor ihm auf der Erde vergrub, worauf der Richter zu ihm sagte, er fühle sich nicht mehr befugt, Richter in seiner Sache zu sein. Ein andermal geschah es, dass jemand einem Priester, der zugleich Richter war, eine der priesterlichen Abgaben brachte, worauf dieser sich ebenfalls weigerte, Richter in seiner Sache zu sein. Wieder ein anderes Mal geschah es, dass einer der Gärtner des Richters, der ihm sonst jeden Freitag die Feigen vom Feld zu bringen pflegte, diese einen Tag vor der Zeit, nämlich schon am Donnerstag, brachte, weil er zugleich seine Streitsache vor den Richter bringen wollte, worauf ihm aber der Richter erklärte, er halte sich nicht mehr für befugt, in dieser Sache als Richter aufzutreten; obgleich die Feigen des Richters Eigentum seien, habe ihn der Umstand, dass der Gärtner sie früher als sonst gebracht, zu dieser Äußerung veranlasst.

4) Ein Richter, der sich von jemandem etwas leiht, darf in der Streitsache nicht mehr Richter sein, es sei denn, dass er nicht in der Lage wäre, ihm einen ähnlichen Dienst zu leisten. Ist dies aber der Fall, so ist er berechtigt, in der Streitsache Richter zu sein, da die Dienste sich gegenseitig aufheben.

5) Ein Richter, der für die Verkündigung seines Urteils ein Bestechungsgeld annimmt, dessen Urteil ist ungültig, vielmehr ist es so zu verstehen, dass die Bestechung in die Augen fällt. Ist aber der Richter mit einer Arbeit beschäftigt gewesen, und sind zwei Personen zu ihm gekommen, um ihm eine Streitsache vorzutragen, und verlangt er, dass man ihm jemanden schaffe, der unterdessen seine Arbeit fortsetze, während er ihre Streitsache vorbringe, oder verlangt er ohne weiteres Entschädigung für den dadurch erlittenen Zeitverlust, so ist dies erlaubt. Jedoch nur unter der Bedingung, dass er durch die verlangte Entschädigung erkennbar nur für die versäumte Zeit, nicht aber darüber hinaus entschädigt wird, und dass die Zahlung dieser Entschädigung von beiden streitenden Parteien zu gleichen Teilen und in Gegenwart beider erfolgt. Nur in diesem Fall ist die Zahlung anzunehmen.

6) Einen Freund darf der Richter nicht richten, auch wenn er nicht gerade sein Busenfreund ist, noch einen Feind, auch wenn er kein erklärter Feind ist, der ihn offensichtlich verfolgt, sondern beide Parteien müssen in den Augen des Richters ganz gleich sein. Der Richter, der keine der streitenden Parteien kennt, weder dem Namen noch den Taten nach, ist dazu am meisten befugt.

7) Zwei Gelehrte, die einander hassen, sollen nicht zusammen als Richter in einem Gericht sitzen, weil dieser Hass zu falschen Entscheidungen führen könnte, indem der eine das Urteil des anderen umstößt.

8) Der Richter muss sich allezeit betrachten, als schwebe ein Schwert über seinem Kopf oder als wäre ein Abgrund vor seinen Füßen, dass er erkenne, wenn er richtet, vor wem er richtet, und wer ihn dereinst richten wird, wenn er vom Wege der Wahrheit abgewichen ist. Denn es heißt: »Gott steht in der Gemeinde Gottes« (Psalm 82:1), und es heißt ferner: »Sehet, was ihr tut, denn ihr sprecht nicht für Menschen Recht, sondern für Gott« (2. Chr. 19:6).

9) Jeder Richter aber, der das Recht nicht nach der Wahrheit spricht, ist schuld daran, dass Gott sich von Israel abwendet. Jeder Richter aber, der unrechtmäßig von dem einen nimmt, um es dem andern zu geben, wird es mit dem Tode büßen vor dem Ewigen, wie auch geschrieben steht: »Und er wird ihre Bedrücker an der Seele strafen« (Prov. 22, 23). Jeder Richter jedoch, der nach der Wahrheit Recht spricht, und sei es auch nur für eine Stunde, wird so angesehen werden, als hätte er das Weltall in Ordnung gebracht, und ist gleichsam die Ursache, dass die Gottheit mitten unter Israel wohnt, wie es auch heißt: »Gott wohnt in der Gemeinde Gottes« (Psalm 82:1). – Vielleicht denkt der Richter: »Warum soll ich mir eine solche Last auferlegen? Aber die Schrift sagt dazu: »Und mit euch in der Sache des Rechts« (2. Chr. 19:6), was so viel heißt wie: Der Richter sollte auch nicht befürchten, sich zu irren, er hat hier nur nach seiner Ansicht zu handeln.

10) Die streitenden Parteien müssen von dem Richter anfangs als böse Menschen und als ungerecht angesehen werden; in diesem Sinne muss er auch die Tatsachen nach seiner eigenen Meinung beurteilen. Nach Erledigung der Streitsache aber, wenn beide Parteien sich freiwillig dem Rechtsspruch unterworfen haben, soll er sie wieder als rechtschaffene Menschen betrachten und als solche beurteilen.

Kapitel 24

1) In Geldprozessen darf der Richter, nach seiner Meinung von dem, was ihm wahr erscheint, aus fester, innerer Überzeugung ein Urteil fällen, obgleich er keine offenkundigen Beweise für seine Meinung hat, um so mehr, wenn er mit Bestimmtheit weiß, dass die Sache sich so verhält, wie er sie annimmt.

Wenn z. B. jemand vor Gericht zur Leistung eines Eides verurteilt wird, und ein bei ihm beglaubigter Mann, auf den er sich sonst in jeder Hinsicht verlassen kann, dem Richter als sicher mitteilt, dass der zur Leistung des Eides Verurteilte nicht im besten Ruf stehe: so steht es dem Richter frei, die Leistung des Eides dessen Gegner aufzuerlegen, damit seine Forderung nach Leistung des Eides befriedigt werde, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil das Herz des Richters dem Beglaubigten vertraut. Ja selbst wenn die Mitteilung von einer Frau oder einem Knecht stammt, auf jeden Fall aber so viel Einfluss auf die Meinung des Richters hat, dass sie ihm volles Vertrauen einflößt, so soll der Richter sich darauf verlassen und danach urteilen, um so mehr aber, wenn der Betreffende sich wirklich hinsichtlich des Eides verdächtig gemacht hat.

Gleiches gilt, wenn dem Richter ein Schuldschein vorgelegt worden ist, und ein Mann, dem er vertraut, behauptet, dieser Schuldschein sei bereits getilgt; – wenn diese Behauptung selbst von einer Frau oder einem Verwandten des Beklagten stammt (wenn nur der Richter diese Behauptung für glaubwürdig hält) – so kann der Richter dem Beklagten sagen: Du musst nicht zahlen, bis dein Ankläger darauf schwört. Oder auch, wenn ein Schuldschein von einem Andern vorgelegt worden ist, so kann er diesem völlig einwandfreien Schuldschein zuerst das Recht geben, denjenigen aber, der durch die Worte eines Anderen verdächtig geworden ist, beiseiteschieben oder vor den Kläger werfen, ohne ihn weiter zu berücksichtigen.

Gleiches gilt, wenn jemand mit der Behauptung auftritt, er habe dem ohne Testament verstorbenen NN etwas in Verwahrung gegeben, und zum Beweis Zeichen der Verwahrung angibt; so kann der Richter, sobald der Kläger sonst das Haus des Erblassers nicht oft besucht hat, wenn der Erblasser nicht in den Umständen oder in der Lage war, einen solchen Gegenstand zu besitzen, und er selbst die Überzeugung gewinnt, dass der besagte Gegenstand nicht Eigentum des Verstorbenen gewesen ist, den Erben desselben auffordern und dem wahrscheinlichen Besitzer, welcher die Zeichen angibt, ausliefern; und desgleichen in ähnlichen Fällen mehr; denn Entscheidungen dieser Art sind nur dem Gewissen des Richters überlassen, der auch nach seiner Meinung von der Rechtmäßigkeit des Anspruches urteilt und richtet.

Aber zu welchem Zweck hat die Tora zwei Zeugen vorgeschrieben? Für den Fall, dass zwei Zeugen vor dem Richter erscheinen, in welchem Fall der Richter nach ihrer Aussage zu urteilen hat, auch wenn er nicht überzeugt ist, ob die Zeugen wahr oder falsch gesprochen haben.

2) Alle diese Fälle sind wohl die Hauptgrundlagen des Rechtes; da sich aber Gerichte angehäuft haben, die nicht so ehrenhaft, oder auch die darin sitzenden sonst einfältig, aber nicht scharfsinnig und weise genug sind, so haben die meisten israelitischen Gerichtsbehörden die Übereinkunft getroffen, dass kein Eid der Gegenpartei überlassen werden solle, es sei denn, dass etwa klare Gründe vorhanden sind. Ferner, dass man keinen Schuldschein verdächtigen und sein Wahrscheinlichkeitsrecht aufheben soll, auf die bloße Aussage einer Frau oder eines Zeugen, wenn auch sonst wohl zulässig, und dergleichen ähnliche Fälle mehr.

Auch soll der Richter nicht nach seiner bloßen Meinung, sobald diese nicht auf einer klaren Kenntnis der Tatsache beruht, ein Urteil fällen, damit nicht jeder unwissende Richter spreche: »Mein Herz vertraut den Worten dieses Mannes, – mein Verstand verläßt sich darauf«. Ebenso wenig darf man Waisen auf die bloße Wahrscheinlichkeit der Verhältnisse des Verstorbenen oder des Klägers etwas abverlangen, wenn nicht gerade klare Beweise dafür sprechen

Hat aber ein glaubwürdiger Zeuge über solche Verhältnisse ausgesagt, und ist der Richter überzeugt, dass der Zeuge die Wahrheit gesagt hat, so soll er nicht eilfertig das Urteil fällen und die Beachtung des Zeugnisses vernachlässigen, sondern so lange mit den streitenden Parteien verhandeln, bis entweder die Behauptung des Zeugen sich als wahr und begründet erweist, oder die Parteien sich gütlich geeinigt haben; im entgegengesetzten Fall aber soll der Richter von der Schlichtung des Prozesses absehen.

3) Woher aber wissen wir, dass, wenn der Richter überzeugt ist, in dem Bericht über den Gang der Tatsachen getäuscht worden zu sein, er nicht denken soll: Ich will doch nach dem Bericht urteilen, und die Sünde falle auf den Kopf der Zeugen? Denn es heißt in der Schrift: »Vom falschen Wort wende dich ab«.

Wie aber soll er sich in solchen Fällen verhalten? Er untersuche und erforsche die Sache durch Erkundigungen und Nachforschungen so lange, als solches bei Kriminalverbrechen vorgeschrieben ist, – wenn er sich dann überzeugt, dass kein Betrug vorliege, so spreche er das Urteil nach dem Zeugnis der Zeugen, – schwankt er aber in seiner Meinung über die Verdächtigkeit der Sache, indem er sich entweder nicht ganz auf das Zeugnis der Zeugen verlassen mag, – oder er neigt zu der Meinung, dass einer der Streitenden ein Betrüger und hinterlistiger Mensch sei, der auch die Zeugen hinter das Licht führen könne, obgleich diese sonst zuverlässige Männer sind, die in ihrer Einfalt aussagen, nachdem sie von jenem getäuscht worden sind, oder es ist dem Richter endlich aus dem Gang der Sache klar geworden, dass hier einige Widersprüche bestehen, die er aber nicht aufdecken mag: so ist es ihm in allen solchen Fällen verboten, ein Urteil zu fällen, sondern er soll sich eines solchen Rechtsgeschäfts enthalten und es einem anderen überlassen, ihn in seiner Unschuld zu schlichten; denn in solchen Fällen ist alles nur eine Sache des Gewissens, und die Schrift sagt: »Denn das Recht gehört Gott« (Deut. 1:17).

4) Es stand dem großen Sanhedrin frei, die Geißelung auch an solchen zu vollziehen, die sie, nach dem Buchstaben des Gesetzes, nicht gerade verschuldet hatten, und einen hinrichten zu lassen, der, nach der Form des Gesetzes, nicht hätte verurteilt werden dürfen. Dies aber nicht, um die Worte der Tora zu übertreten, sondern um einen Schutzwall um dieselbe zu errichten; denn wenn das Gericht wahrnahm, dass das Volk, in Bezug auf irgendeinen Punkt, zu nachlässig war, so stand es ersterem zu, einen solchen Schutzwall zu errichten, durch geeignete Maßregeln, um das Gesetz wieder in Autorität zu setzen, – aber diese Maßregeln hatten nur einen vorübergehenden Wert, ohne dass selbige als Gesetz für immer bleiben sollten.

Es gab einen Vorfall, bei dem ein Mann ausgepeitscht wurde, weil er sich mit seiner Frau unter einem Baum vergnügte. Es geschah einst, dass jemand, der am Sabbat auf einem Pferde ritt, – dies geschah aber zur Zeit der griechischen Herrschaft, unter Antiochos – vor Gericht geführt und dort gesteinigt wurde; wiederum geschah’s, dass Simon, der Sohn Schetachs, achtzig Hexen zu Aschkelon an einem Tage hängen ließ, obwohl hierbei nicht alle Formalitäten der Untersuchung, Nachforschung, Warnung und des klaren, gesetzlichen Zeugnisses beobachtet wurden, sondern diese Maßregel nur ein zeitliches Erfordernis nach seiner Einsicht war.

5) Aber auch überall und zu allen Zeiten stand es dem großen Sanhedrin frei, denjenigen geißeln zu lassen, der in der öffentlichen Meinung im Rufe stand, Blutschande zu treiben, – aber nur, wenn es sich, wie wir schon erklärt haben, um ein ununterbrochenes Gerücht handelte, nicht aber, wenn dieser böse Ruf eine von seinen Feinden ausgestreute üble Nachrede war. Ebenso stand es den Richtern frei, einen auf diese Weise berüchtigten Menschen herabzuwürdigen.

6) Der Sanhedrin hatte auch immer das Recht, Geld, das jemandem gehörte, für Gemeingut zu erklären, und es entweder ganz zu vernichten, oder nach seiner Einsicht jemand anderem zuzusprechen, um dadurch die Lücken der Religion auszufüllen und die Risse derselben zu verstopfen, oder einen, der seine Gewalt missbrauchte, zu züchtigen: »Und wer nicht in drei Tagen sich stellt, nach dem Rat der Fürsten und Ältesten, dessen ganzes Vermögen soll beschlagnahmt werden« (Esra 10:8), woraus wir auch ersehen, dass die Freiguts-Erklärung, durch ein Gericht vollkommene Gültigkeit hat.

7) Ebenso durfte das Sanhedrin auch denjenigen, der es nicht verwirkte, in den Bann und in die Ächtung erklären, wenn es sich darum handelte, die Lücken des Gesetzes auszufüllen, je nach seiner Einsicht, oder die Zeitumstände es erforderten; doch hatte es zu erklären, dass nach den Formalitäten Ächtung auf sein Geheiß ausgesprochen wurde, und die Sünde öffentlich zu verkünden; denn so heißt es auch: »Verflucht sei Meros, spricht der Ewige, verflucht seien seine Einwohner, dass sie dem Ewigen nicht zu Hilfe gekommen sind« (Richter 5:23).

8) Auch konnte der Sanhedrin mit demjenigen streiten, der dies verdient, ihn verfluchen, schlagen, bei den Haaren ausreißen und ihn zwingen, vor Gott zu schwören, dass er dies oder jenes nicht tun werde oder nicht getan habe, wie es auch heißt: »Und ich zankte mit ihnen und verfluchte sie und schlug einige von ihnen und raufte ihnen die Haare aus und beschwor sie vor Gott« (Nehemia 8:25).

9) Ebenso hatte der Sanhedrin das Recht, jemanden an Händen und Füßen zu binden, in den Kerker zu werfen, von sich zu stoßen, auf dem Boden zu schleifen, wie es auch heißt: »So zum Tode, zur Verbannung, auch zur Bestrafung mit Gütern und persönlicher Freiheit« (Esra 7:26). Alle diese Fälle hängen von der Einsicht und dem Wohlwollen des Gerichts ab, je nach Zeit und Umständen; aber die Absichten des Richters müssen dabei zur Ehre Gottes sein, und die Ehre der Menschen darf ihm nicht gering erscheinen, wodurch er ein Gebot der Schriftgelehrten übertreten würde; um so vorsichtiger muss er sein in Bezug auf die Ehre der würdigen Kinder Abrahams, Isaaks und Jakobs, die an der wahren Lehre festhalten, damit er ihnen nicht zu nahe trete, es sei denn, um die Ehre des Allerhöchsten zu verherrlichen; denn wer die Tora verachtet, der wird von den Menschen verachtet, und wer die Tora ehrt, der wird von den Menschen geehrt. Die Verehrung der Tora aber ist nichts Anderes, als: Nach ihren Gesetzen und ihrem Recht zu handeln.

Kapitel 25

1) Niemand soll sich in der Gemeinde herrschsüchtig und übermütig benehmen, sondern immer nur demütig und gottesfürchtig. Ein Vorsteher der Gemeinde, der in unfrommer Absicht der Gemeinde zu viel Furcht einflößt, wird dafür bestraft werden und wird sich keines gelehrten Sohnes erfreuen, denn es heißt: »Weil ihn die Leute fürchten, wird er keinen sehen, der ein weises Herz hat« (Hiob 37:24).

2) Ebenso ist es verboten, die Menschen zu verachten, auch wenn sie ungebildet sind, und über die Häupter des heiligen Volkes hinwegzugehen. Denn wenn sie auch ungebildet und von niedrigem Stande sind, so sind sie doch die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs und sind die Heerscharen Gottes, die er mit großer Macht und starken Armen aus Ägypten erlöst hat. Im Gegenteil, er trage die Mühsal der Gemeinde und ihre Lasten, wie unser Lehrer Moses, von dem gesagt wird: »Wie der Erzieher den Säugling trägt« (Num. 11:12). Die Schrift sagt: »Und ich gebot euren Richtern« – in diesen Worten liegt eine Ermahnung an den Richter, die Last der Gemeinde zu tragen wie der Erzieher seinen Säugling.

Geht hin und lernt von Moses, dem Lehrer aller Propheten, von dem der Heilige, gepriesen sei Er, ihn nach Ägypten sandte, es heißt: »Und er gebot ihnen zu den Kindern Israel«, was die Überlieferung dahin erklärt, dass er Moses und Ahron gebot: »Auch wenn sie euch fluchen, auch wenn sie euch steinigen«.

3) Wie aber dem Richter geboten ist, sich nach diesen Gesetzen zu verhalten, so ist es auch der Gemeinde geboten, dem Richter Ehre zu erweisen, denn es heißt: »Und ich gebiete euch« (Deut. 1), dies ist eine Aufforderung an die Gemeinschaft, einen Richter mit Ehrfurcht zu behandeln. Er soll sich in ihrer Gegenwart nicht erniedrigend verhalten, und er soll sich auch nicht leichtsinnig verhalten.

4) Denn wenn einer zum Vorsteher der Gemeinde eingesetzt worden ist, darf er in Gegenwart von drei Personen keine niedere Arbeit verrichten, damit er sich nicht vor ihnen entwürdigt, – wenn ihm aber schon die Arbeit öffentlich verboten ist, wie viel mehr muss er sich der Fresserei, des Trinkens, des Umgangs mit Ungelehrten und der öffentlichen Gelage enthalten.

Wehe, wehe den Richtern, die dem nachgeben! Die Schmach der Tora des Mose, deren Gesetze sie verachtet haben, die sie zur Erde erniedrigt und in den Staub gezogen hat, wird über sie kommen. Dadurch haben sie sich selbst und ihre Kindeskinder in dieser und in jener Welt ins Unglück gestürzt.

5) Es ist verboten, den Gerichtsboten mit Geringschätzung zu behandeln, indem man ihm in Bezug auf den Bann so viel Glauben schenkt wie zwei Zeugen; denn wenn er aussagt: NN hat mich oder den Richter beleidigt, oder er hat sich geweigert, vor Gericht zu erscheinen, so wird NN daraufhin in den Bann getan. Eine gerichtliche Bekanntmachung wegen Nichterscheinens aber darf man über niemanden veröffentlichen, wenn nicht etwa zwei Zeugen bezeugen, dass er sich geweigert hat, vor Gericht zu erscheinen.

6) Der Gerichtsbote begeht durch seine Zeugenaussage nicht die Sünde des Leumunds; wer einen Gerichtsboten misshandelt, kann sogar vom Gericht die Geißelung erhalten.

7) Sagt der Gerichtsbote: »NN hat mich gesandt – und hat dabei nur einen von den Richtern genannt, der Geforderte aber weigert sich zu kommen, so darf das Bannurteil noch nicht aufgenommen werden, bis er seine Botschaft im Namen aller drei Richter ausgerichtet hat. Dieses hat aber nur dann Gültigkeit, wenn der Bote an einem solchen Tag, der nicht zur gewöhnlichen Richtersitzung bestimmt ist, jemanden anfordert. Erfolgt aber die Botschaft an einem Tage, der dazu bestimmt ist, so dass es allgemein bekannt ist, dass die Richter versammelt sein werden, so haben die Worte des Gerichtsboten, wenn er sie selbst im Namen eines einzigen Richters ausgesprochen hat, die gleiche Wichtigkeit, wie wenn er sie im Namen aller drei Richter ausgesprochen hätte.

8) Hat das Gericht jemanden geladen, und er hat sich geweigert, vor das Gericht zu kommen, so soll er mit dem Bann belegt werden, und es soll darüber ein Protokoll aufgenommen werden, wofür er dem Schreiber die Gebühr zahlen soll; sobald aber der Geladene erscheint, soll das Protokoll vernichtet werden. Ist über jemanden ein Protokoll aufgenommen worden, weil er das Urteil nicht befolgt hat, so wird das Protokoll vernichtet, sobald er sagt: »Ich unterwerfe mich dem Urteil«, – hat das Gericht jemanden auf einen bestimmten Tag zum Erscheinen bestimmt, und ist der ganze Tag verstrichen, ohne dass er sich gestellt hat, so wird über ihn am Abend ein Bannprotokoll aufgenommen. Dies jedoch hat nur dann seine Gültigkeit, wenn der Geforderte sich in derselben Stadt befand, und er aus bloßem Ungehorsam nicht erschienen. War er aber in der Umgebung, oder bald in der Stadt, bald auswärts, so hat man ihm den Montag, Donnerstag und wieder Montag zur Frist bestimmt; ist aber dieser zweite Montag verstrichen, ohne dass er sich gestellt hat, so darf das Bannprotokoll dennoch erst am folgenden Tag aufgenommen werden.

9) Man soll solche Vorladungen weder auf den Monat Nissan noch auf den Monat Tischri legen, weil das Volk dann zu sehr mit den Feiertagen beschäftigt ist; auch darf es nicht auf den Tag vor dem Sabbat oder anderen Feiertagen geschehen. Es ist aber erlaubt, im Monat Nissan eine Vorladung auszusprechen, dass man sich nach dem Ablauf dieses Monats einfinden solle, – und ebenso darf man im Monat Tischri jemanden vorladen, dass er sich nach dem Ablauf dieses Monats einfinden solle; es ist aber nicht erlaubt, eine Vorladung auf den Tag vor dem Sabbat auszusprechen, auch wenn das Erscheinen des Vorgeladenen nach dem Sabbat angesetzt ist, denn am Tag vor dem Sabbat ist jedermann zu sehr zerstreut.

10) Ist Jemand in der Stadt, und der Gerichtsbote trifft ihn nicht zu Hause an, so soll keine bestimmte Vorladung geschehen, bis der Bote den Vorgeladenen selbst findet, um ihm die Vorladung persönlich mitzuteilen. Ist aber der Vorgeladene in einem Dorfe vor der Stadt, und pflegt er sonst an diesem Tage in die Stadt zu kommen, so kann der Bote auch dem Nachbarn, selbst einer Frau, sagen: »Wenn NN kommt, so teilt ihm mit, dass das Gericht ihm diese und diese Zeit bestimmt, vor Gericht zu erscheinen. Erscheint er dann nicht, so soll er in den Bann getan werden, aber nur in dem Falle, wenn der Vorgeladene bei seiner Ankunft in der Stadt auf seinem Weg nicht an dem Gerichtshaus vorbeigekommen ist; kommt er aber hier vorbei, so soll er nicht eher in den Bann getan werden, als bis der Gerichtsbote ihm selbst die Vorladung mitgeteilt hat, denn die Nachbarn können ihm davon nichts gesagt haben, denkend: Er musste ja am Gerichtshaus vorbeikommen, und ist wahrscheinlich dorthin gegangen, und hat seine Sache erledigt. Desgleichen, wenn er erst am folgenden Tag in die Stadt gekommen ist, darf sich das Gericht auch nicht auf die Nachbarn verlassen, weil diese vergessen haben können, ihm davon zu sagen.

11) Wenn jemand vor Gericht erscheint, das Urteil anerkennt, irgendeine Zahlung zu leisten hat, sich aber entfernt, ohne die Schuld zu tilgen, so soll er nicht in den Bann kommen, bis man ihn auf einen Montag, Donnerstag und wieder einen Montag vorlädt, dann erst soll der Bann über ihn verhängt werden, und er soll darin gelassen werden, bis er seine Schuld getilgt hat, wenn er aber dreißig Tage die Sache auf sich beruhen lässt, ohne um Aufhebung des Bannes zu bitten, so soll er in die Ächtung kommen.

Kapitel 26

1) Wer einem Richter Israels flucht, übertritt ein Verbot der Schrift, denn es heißt (Ex. 22:27) »Einen Richter sollst du nicht verfluchen.« Ebenso übertritt ein Verbot, wer einem Fürsten flucht, sei es dem Vorsitzenden des großen Sanhedrin oder einem weltlichen König. Und nicht nur, wenn man einem Richter oder Fürsten flucht, sondern auch, wenn man sonst einem Israeliten flucht, übertritt man ein Verbot, denn es heißt (Lev. 19:14): »Du sollst keinem Tauben fluchen«; warum aber heißt es: einem Tauben? Um anzudeuten, dass auch ein solcher Fluch, der nur einem Nichthörenden gilt und daher nur einen sich nicht beleidigt Fühlenden trifft, mit der Geißelung geahndet wird. Es scheint mir, dass man sich der Geißelung schuldig macht, wenn man ein Kind verflucht, das sich schon zu schämen weiß; das Kind ähnelt einem Tauben.

2) Wer einem Toten flucht, soll freigesprochen werden. Wenn aber schon einem gewöhnlichen Israeliten das Fluchen verboten ist, warum brauchte die Schrift noch besondere Verbote gegen den Fluch des Richters und des Fürsten zu erlassen? Um denjenigen, der flucht, mit der doppelten Geißelung zu bestrafen, so dass, wer einen gewöhnlichen Israeliten flucht, – es sei ein Mann oder eine Frau, groß oder klein, – sich dadurch der Geißelung schuldig macht, – wer einen Richter flucht, zweier Geißelungen, wer aber einen Fürsten flucht, dreier Geißelungen. Wer aber seinem Vater flucht, der soll vier Geißelungen auf sich laden, – drei Namensentweihungen für jeden und eine für den Vater.

3) Wer sich selbst flucht, der zieht sich die Geißelung ebenso zu, als wenn er einen andern flucht; denn es heißt: »Hüte dich und deine Seele« (Deut. 4:9). Gleichviel aber, ob man sich selbst, oder seinen Nächsten, oder den Richter, oder den Fürsten verflucht, – die Geißelung steht nur in dem Falle darauf, wenn es bei einem der Namen Gottes geschieht, z. B. Jah, Elohim, Schaddai usw., oder bei einem der Zunamen Gottes, z. B. der Allbarmherzige, der Allereifrigste usw. Und wie man sich schon dadurch schuldig macht, wenn man bei dem bloßen Zunamen Gottes flucht, so wird folglich die Geißelung auch auf den Fluch stehen, der in irgendeiner Sprache ausgesprochen wird, denn die Namen, welche die Völker Gott beilegen, sind doch wenigstens wie die hebräischen Zunamen Gottes zu betrachten.

In dem Worte Arur (verflucht) liegt zugleich Fluch, Schwur und Ächtung.

4) Die Geißelung soll nicht eher vollzogen werden, als bis man den Fluchenden vor Zeugen gewarnt hat, wie es in allen anderen Fällen üblich ist. Ist aber keine vorherige Warnung erfolgt, oder ist weder bei dem Namen noch bei einem der Zunamen Gottes geflucht worden, z. B. wenn jemand schlechthin sagte: verflucht sei NN, – oder wenn der Fluch nicht ausdrücklich ausgesprochen, sondern nur gefolgert werden konnte, z. B. wenn jemand sagte: »NN sei nicht gesegnet vor dem Ewigen«, oder: »Gott segne ihn nicht«, und dergleichen, so wird die Geißelung nicht vollzogen.

5) Obgleich aber die Geißelung an einem solchen nicht vollzogen wird, so steht doch der Bann auf der Beleidigung, die einem Gelehrten angetan wird, und wenn die Richter es für gut halten, den Beleidiger mit der Geißlung oder anderen Strafen zu belegen, so steht ihnen solches frei, weil Jener einen Ältesten entehrt. Beschimpft aber jemand selbst einen Ungelehrten, so sollen die Richter immer den Beleidiger nach den Erfordernissen der Zeit und nach der Würde des Beschimpften und des Beschimpften bestrafen.

6) Obgleich es aber dem Richter, wie dem Fürsten frei steht, manchmal auf die ihnen geschuldeten Ehrenbezeugungen zu verzichten, so dürfen sie doch den über sie ausgesprochenen Fluch nicht ungeahndet lassen. Gleichwie, wenn jemand aus dem Volke demjenigen verzeiht, der ihn verflucht hat, das Gericht ihn doch geißeln lassen muss, weil er durch sein Vergehen der Geißelung verfallen ist. Ist aber Jemand in den Bann gefallen, weil er vor Gericht ungehorsam gewesen, und wollen die Richter ihre beleidigte Ehre nicht bestrafen, so steht es ihnen frei, einen solchen nicht in den Bann zu tun, doch nur in dem Falle, wenn dadurch nicht zugleich die Ehre des Schöpfers angegriffen wird. Denn, wenn z. B. das ganze Volk gegen die Tora wäre und überhaupt gegen die Richter zu ungehorsam geworden, so ist es Pflicht der Richter, das Volk durch Strafen und Züchtigungen nach ihrer Einsicht zu bändigen.

7) Wer ein Urteil von nichtjüdischen Richtern und ihren Gerichten fällen lässt, der gilt als ein böser Mensch. Es ist, als hätte er die Tora unseres Lehrers Moses entehrt, gelästert und seine Hand gegen sie erhoben.Das gilt auch dann, wenn seine Gesetze mit den Gesetzen des jüdischen Volkes identisch sind. Darauf weist Exodus 21:1 hin: »Das sind die Urteile, die du ihnen vorlegen sollst.« »Vor ihnen« und nicht vor den Nichtjuden; »vor ihnen« und nicht vor dem gemeinen Volk.

Das folgende Verfahren sollte befolgt werden, wenn die Nichtjuden ein mächtiges Rechtssystem haben und der Angeklagte eine hartnäckige und mächtige Person ist, deren Besitz nicht durch das Rechtssystem des jüdischen Volkes enteignet werden kann. Man sollte ihn zuerst vor die jüdischen Richter laden. Wenn er nicht kommen will, kann man die Erlaubnis des Gerichts einholen und sein Eigentum vor dem Gegner retten, indem man den Fall vor ein nichtjüdisches Gericht bringt.