Ganz gleich wie unsere persönliche Stellungnahme bezüglich des Jenseits und der Frage nach dem „warum“ des Leidens ausfällt, wichtig ist:
– was man mit seinem Leben anfängt,
– die Einsicht, daß das Leben eine Aufgabe ist,
– die Zeit nicht unverrichteter Dinge verstreichen zu lassen (siehe „Sprüche der Väter“).
Kurzum, es gilt, aus dem Leben das beste zu machen, und weil der Mensch im Dienst G-ttes steht, ist Gesundheit so wichtig.
Ein Kranker hat demnach die Aufgabe, wieder gesund zu werden. Seinen Mitmenschen obliegt die ethische und „heilige“ Pflicht des Krankenbesuchs („Bikkur cholim“) als Ausdruck der Nächstenliebe. G-tt selbst hat den kranken Abraham am dritten Tag nach seiner Beschneidung besucht (1. Mose 18,1) und in Psalm 41,4 heißt es: „Der Ewige wird ihn stützen auf dem Schmerzenslager …”. Wie wichtig der Krankenbesuch ist, geht aus folgender Talmudstelle hervor:
Vom Besuch hängt Leben und Tod ab
Als Raw Chelbo bresthaft wurde, ging Raw Kahana hinaus und machte bekannt: Raw Chelbo ist übel dran! Aber es gab niemand, der kam. Er sagte zu ihnen: Ist es nicht so geschehen, dass einer von den Schülern Rabbi Akiwas erkrankte und die Weisen nicht eintraten, um in zu besuchen? Da trat Rabbi Akiwa ein, um ihn zu besuchen. Weil sie dann vor ihm fegten und sprengten, lebte er auf. Er sagte zu ihm: Meister, du hast mich aufleben lassen. Rabbi Akiwa ging hinaus und trug vor: Jeder, der nicht Kranke besucht, ist, als ob er Blut vergieße. (Ned 39b/40a)
Also wird jeder, der einen Krankenbesuch unterlässt, zum Mörder. Es existiert auch kein Maß, d. h. es kommt nicht auf das Ansehen der Person an und ein Krankenbesuch kann 100mal am Tag erfolgen, falls nötig(“ … sogar ein Großer bei einem Kleinen, … sogar hundertmal am Tag“ (Ned 39b)). Vorausgesetzt, der Besucher liebt den Kranken wie sich selbst, wird dem Betroffenen 1/60. seines Leidens genommen. Die Religion der Erkrankten sollte ohne Bedeutung sein („und man besuche die Kranken aus den Völkern mitsamt den Kranken Israels, … des Friedens wegen.“ (Gittin 61a). Kranke besucht man weder am frühen Morgen noch am Abend, damit sie nicht über ihren Zustand getäuscht werden, denn morgens fühlen sie sich oftmals besser, abends oftmals schlechter. Zudem sollten in den ersten drei Tagen nur Verwandte und Freunde kommen; überhaupt ist maßgeblich das, was dem Kranken Erleichterung bringt. Als Beispiel dienen hier die Speisevorschriften für Schwerkranke am Jom Kippur: „Einen Kranken lasse man nach dem Ermessen von Erfahrenen essen; und wenn keine Erfahrenen da sind, lasse man ihn nach seinem eigenen Ermessen essen, bis er sagt: Es ist genug“ (Mischna Joma VIII,5).
Wer die Pflicht des Krankenbesuchs erfüllt – eine Tätigkeit nicht nur zur Befriedigung psychischer Bedürfnisse, sondern im Grunde eine Tat von religiöser Bedeutung – wird im Diesseits bereits belohnt, den wahren Lohn aber empfängt man im Jenseits (Schabbat 127a).