Geschichte, Personen

Simon Bernfeld

von Isidor Singer und Peter Wiernik

Deutscher Publizist und Rabbiner; geboren in Stanislau, Galizien, am 6. Januar 1860. Sein Vater, der ein guter rabbinischer Gelehrter und auch in weltlichem Wissen gut bewandert war, war sein erster Lehrer. Schon früh begann er, Hebräisch zu schreiben, und im Alter von dreizehn Jahren übersetzte er einen deutschen Roman ins Hebräische. Sein erster Artikel, »Über die Vertreibung der Juden aus Nürnberg«, wurde in »Ha-Maggid« von 1879 (Nr. 22) veröffentlicht, ebenso wie verschiedene andere Beiträge aus seiner Feder.

Rabbiner Dr. Simon Bernfeld


1879 ging Bernfeld nach Königsberg, wo er für einige Zeit eine Redaktionsstelle bei M. L. Rodkinsons hebräischer Wochenzeitung Ha-Ḳol innehatte. Im Herbst 1880 verließ er Königsberg in Richtung Breslau, wo er mehrere Monate in großer Not verbrachte. Anfang 1881 ging er nach Lyck, Preußen, um Assistent von David Gordon, dem Herausgeber von »Ha-Maggid«, zu werden. Er blieb dort fast ein Jahr lang und schrieb auch nach seinem Weggang aus Lyck noch mehrere Jahre lang Artikel und Leitartikel für diese Zeitschrift. Ende 1881 kehrte er nach Königsberg zurück und nahm nach einem Jahr der Vorbereitung ein Studium an der dortigen Universität auf, wo er bis zum Sommer 1883 blieb.

Mit seiner Ankunft in Berlin im Sommer 1883 begann ein neuer Abschnitt in Bernfelds Leben. Er schrieb sich an der Universität der deutschen Hauptstadt ein und besuchte gleichzeitig die »Hochschule für die Wissenschaft des Judentums«. 1885 wurde er regelmäßiger Mitarbeiter der Zeitschrift Ha-Meliẓ (St. Petersburg) und erwarb im selben Jahr seinen Doktortitel. Im März 1886 wurde er zum Oberrabbiner der spanischen und portugiesischen Gemeinde von Belgrad, der Hauptstadt von Serbien, und zum Direktor der jüdischen Schule in dieser Stadt gewählt. Dieses Amt hatte er etwa sieben Jahre lang inne.

Bernfeld wohnt dann in Berlin und beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Schreiben in Hebräisch und Deutsch. Er ist ein deutscher Schriftsteller von vielfältigem und beachtlichem Niveau. Sein Werk »Juden und Judenthum im Neunzehnten Jahrhundert« (Berlin, 1898), das den dritten Band der von Dr. Paul Bornstein herausgegebenen Reihe »Am Ende des Jahrhunderts« bildet, ist ein verdienstvolles Werk, und dasselbe gilt für seinen Aufsatz »Der Talmud, Sein Wesen, Seine Bedeutung und Seine Geschichte« (Berlin, 1900). Auch seine neue Bibelübersetzung, die ab 1901 erschien, ist hoch gelobt worden (siehe »Allg. Zeit. des Judenthums«, 1901, Nr. 13).

Eine neue Bibelübersetzung nimmt immer ein erhöhtes Interesse in Anspruch. Die Klage, das wir noch immer keine gute, d. h. ebenso wortgetreue wie lesbare Übersetzung der Heiligen Schrift besitzen, die ein Hausbuch der jüdischen Familie werden könnte, ist eine alte und berechtigte. Wir begrüßen deshalb ein neues Unternehmen, das diesem Übelstand abzuhelfen sich bemüht, mit aufrichtiger Freude.
Es ist das eine vollständige Übersetzung der Heiligen Schrift auf durchaus traditioneller Grundlage, aber mit allen Hilfsmitteln der modernen Wissenschaft, die Dr. S. Bernfeld als Frucht jahrelanger Arbeit soeben im Verlage von S. Calvary & Co. in sehr guter handlicher Ausgabe erscheinen ließ. Die Übersetzung ist deutsch, das ist scholl ein Vorteil gegenüber anderen nicht nur jüdischen, sondern auch protestantischen Bibelübertragungen, die eben nicht immer deutsch sind; sie ist eine sinngemäße und dem Originaltext genau entsprechend. Voran geht eine gute orientierende Einleitung, die einen allgemeinen Umriss über die Entstehung der Bibel den Lesern bauet, wie auch üben den Text des biblischen Schrifttums, über die Übersetzungen und Kommentare bis ans die Neuzeit Rechenschaft gibt. Bernfeld hat sich zumeist streng an die Massora gehalten, der wir es allein zu verdanken haben, dass wir einen ordentlichen Bibeltext besitzen; er weicht also an keiner Stelle vom Wortlaut ab, sondern folgt treu den masoretischen Vokalen und Akzenten. Selbst in der Aussprache der Eigennamen hat er sich an die Tradition gehalten und nicht die Umschreibung der Septuaginta angenommen, was wir in Rücksicht auf den Zweck des Buches nur billigen können.
Seine Übersetzung ist, wie schon bemerkt, sinngemäß und wortgetreu ohne sklavisch dem Buchstaben zu folgen. Auch ist es ihm gelungen, schwere, ja bisher fast unverständliche Stellen vollständig zu erklären. Wir verweisen nur auf die Übersetzung von Kapitel 6 Vers 13, Kapitel 9 Vers 5 in Jesaja und könnten die Zahl dieser Stellen noch ansehnlich vermehren. Ein abschließendes Urteil über das ganze Werk mag nach Vollendung des Werkes einer besonderen sachgemäßen Beurteilung Vorbehalten werden.

Allgemeine Zeitung des Judentums vom 29. März 1901, Seite 156

Seine Hauptbedeutung liegt jedoch auf dem Gebiet der neuhebräischen Literatur. Er gehört zu der jüngeren Klasse klarer und eindringlicher Schriftsteller, die neues Leben in die moderne hebräische Literatur gebracht und den journalistischen Teil davon zu einer Eminenz erhoben haben, die sie vorher nicht erreicht hatte. Bernfeld ist ein kluger Journalist, der über verschiedene Themen schreibt. Neben zahllosen Artikeln in verschiedenen Zeitschriften hat er populäre Werke über Geschichte, Philosophie und ähnliche Themen verfasst; auf dem Gebiet der Geschichte der Juden, die er besonders studiert hat, hat er wertvolle Originalarbeiten geleistet.

Die wichtigsten seiner Werke sind: Da’at Elohim (Gotteserkenntnis), eine Geschichte der religiösen Philosophie der Juden von den rudimentären philosophischen Systemen der Bibel bis zu denen von Ascher Ginzberg, dem Denker des modernen nationalen Judentums (Warschau, 1897); Dor Tahapukot, eine Monographie über die Mendelssohnsche Periode (ib. 1896-98); und Biographien von S. L. Rapoport (1899), von Michael Sachs (Berlin, 1900) und von Gabriel Riesser (Warschau, 1901).

Rabbiner Bernfeld starb am 3. Februar 1940 in Berlin.

Bibliographie

  • Sefer Ziḳkaron, S. 131-133 (autobiographische Skizze);
  • Lippe, Bibliogr. Lexikon, ii., iii., s.v.;
  • Zeitlin, Bibliotheca Hebraica, s.v.