Diese Woche in der Tora (Num. 30:2-36:13): Selbstauferlegte Verbote, Vernichtung der Midjaniter, Landzuteilung an die Stämme Gad und Re’uwen, Liste aller Reisestationen während der Wüstenwanderung, Gebot der Austreibung der Kana’aniter, die 6 Levitenstädte, Gesetz von der Zuflucht des Totschlägers, Bodenerbrecht für Frauen; Ende des 4. Buches Moscheh.
Am Schabbes-Tisch…
Hoffen auf das Heil
Rav Joram Elijahu
Rabbiner bei MACHON MEIR
Zu den Fragen, die dem Menschen zukünftig am Tage seines himmlischen Gerichtes gestellt werden, gehört: „Hast du auf das Heil gehofft?“ (Schabbat 31a). Dieses „Hoffen“ bedeutet: Hast du geglaubt, hast du erwartet, warst du dir sicher, dass diese Sache in Erfüllung geht? Rabenu Nissim fügte in seinem Kommentar zum Traktat Schabbat „in deinen Tagen“ hinzu, und Rabbiner Charlap (Leiter der Merkas Harav-Jeschiwa in Jerusalem vor etwa 60 Jahren) schrieb: „Die Hoffnung auf das Heil richtet sich nicht nur auf die Zukunft, sondern bezieht sich auch auf die Gegenwart – jede Stunde zu hoffen, da es möglich ist, dass dann die Erlösung erfolgt, denn sonst reicht die Kraft der Stunde nicht, die Erlösung näher zu bringen, darum wurde der Zeitpunkt ihres letzten Endes geheim gehalten, damit man zu jeder Stunde darauf hoffe und warte“ („Ma’ajanej Hajeschua“ §11). Im täglichen Trott unseres Lebens scheint diese Hoffnung jedoch keinen zentralen Platz einzunehmen. Einerseits Überfluss und Reichtum, andererseits Leiden und Mangel veranlassen den Menschen zur Konzentration auf seine individuellen Angelegenheiten, die ihn von den großen Fragen des Geistes ablenken. Darum müssen wir die Periode der „drei Wochen“ durchmachen, die mit Fasttagen beginnt und auch endet, die „die Herzen erwecken und Wege der Umkehr eröffnen“ sollen (Maimonides, Fastengesetze, 5.Kap.), die an unsere Missetaten und die Taten unserer Väter erinnern, die ihnen und uns jene Leiden verursachten. „Darum ist jedermann an diesen Tagen verpflichtet, seine Taten zu untersuchen und umzukehren, denn das Ziel des Fastens ist die Vorbereitung für die Umkehr“ (Mischna Brura, Fastengesetze). So sind wir also in diesen Tagen der Trauer und des Leides aufgefordert, unsere Blicke zu vertiefen und uns auf ernste Weise mit der ausführlichen Klärung des Fehlens des Tempels zu beschäftigen, und warum dieser Mangel bis heute nicht behoben wurde, und worin unsere Aufgabe bei der Beseitigung dieses Mangels besteht. Der Weg dieser Klärung führt über die Erkenntnis der Größe des Volkes Israel, des Vorzuges des heiligen Landes und das Studium der Bedeutung des Tempels und des dort zu verrichtenden Dienstes. So werden uns diese Tage in den Rest des Jahres entlassen, gerüstet mit dem Gefühl dieses Mangels – und ganz automatisch werden unsere Gespräche im täglichen Leben, beim Torastudium und beim Gebet eine andere Qualität vorweisen. „Denn wenn man nicht den Vorzug des Landes des Heiligen, seine besondere Eigenschaft und Heiligkeit verstandesmäßig erfasst, wie kann man dann für den Aufbau Jerusalems beten?! Die Hoffnung erfolgt nämlich gerade aus tiefstem Herzen, wenn man fühlt, dass einem diese Sache fehlt“ (Rabbiner A.J.Kuk, Mussar Awicha). So lehrte uns auch Rabbi Jehuda Halevi im Buche „Kusari“: „Wer im Herzen der Menschen die Liebe zu diesem heiligen Ort erweckt, ist zweifelsohne Lohnes würdig, und er bringt die Zeit der Erfüllung unser Hoffnung näher“, denn „Jerusalem wird erst wieder erbaut werden, wenn sich die Kinder Israels mit dem innigsten Streben danach sehnen und seine Steine und seinen Staub lieben werden“.
Aus dem Talmud
Die Auseinandersetzung
Rav Lior Engelmann
Rabbiner an der Jeschiwa Ateret Kohanim/Jeruschalajim
Häufig scheint uns, die Schuld für unsere diversen Schwächen liege woanders, nämlich wo wir keinen Einfluss haben. „Wäre ich nur etwas begabter, etwas klüger, etwas gesünder“ denkt der Mensch bei sich, ließe sich sein Leben in angenehme Bahnen lenken. „Wäre meine Frau nur etwas anders, würde sie mich nur etwas besser verstehen, wäre sie nur etwas idealistischer, würde sie etwas anders aussehen… würde sich unsere Liebe in himmlische Höhen schwingen. Könnten wir bloß unsere Kindheit retroaktiv ändern, die Schule, in der wir lernten, die Kinder, die wir in die Welt setzten, die Arbeit, der wir nachgehen… würden die Dinge heute ganz anders aussehen!“.
Solche Gedanken finden sich im Talmud in folgender Geschichte: „Rabbi Mani pflegte bei Rabbi Jizchak bar Elijaschiw zu verkehren, und als er ihm einst klagte, dass die Reichen im Hause seines Schwiegervaters ihn quälen, sprach dieser: So mögen sie arm werden. Und sie wurden arm. Später klagte er ihm, dass sie ihn bedrängen [für ihren Unterhalt zu sorgen]; da sprach er: So mögen sie reich werden. Und sie wurden reich. Als er ihm einst klagte, seine Frau gefalle ihm nicht, fragte er ihn: Wie heißt sie? Jener erwiderte: Channa. [Da sprach er:] So möge Channa schön werden. Und sie ward schön. Hierauf klagte er ihm, sie sei gegen ihn anmaßend; da sprach er: So möge Channa hässlich werden. Und sie wurde hässlich.
Zwei Schüler, die zu Rabbi Jizchak bar Elijaschiw zu kommen pflegten, sprachen einst zu ihm: Möge doch der Meister für uns beten, dass wir weise werden! Dieser erwiderte: Einst besaß ich [die Macht], habe sie aber fortgeschickt“ (Ta’anit 23b).
Rabbi Mani war davon überzeugt, die Probleme mit seiner Frau hätten ihren Ursprung im Verhalten ihrer Familie und ihrer außerordentlichen Hässlichkeit. Manche Kommentatoren erklären, dass sie sich seiner Größe gegenüber klein fühlte, und er glaubte, wenn sie schöner wäre, würden sich ihre Gefühle ihm gegenüber bessern. – Rabbi Mani war einer der großen talmudischen Weisen und Wundern würdig, die von einer Änderung der natürlichen Weltordnung zeugten, und entsprechend verhielt sich ihm gegenüber Rabbi Jizchak. Als die Quälgeister aus der Familie seiner Frau verarmten, sollten seine Leiden wohl ein Ende haben. Rabbi Jizchaks Gebet wurde erhört, sie wurden arm – doch Rabbi Manis Lage besserte sich nicht. Nun verfolgten sie ihn mit der Bitte um Unterstützung. Auch in der Beziehung mit seiner Frau, die von ihrer Schönheit abhängig zu sein schien, zeigte sich keine Besserung. Im Gegenteil, nun musste er mit ihrem Stolz fertig werden, den sie nach ihrer Verschönerung entwickelte.
Als sich zwei Schüler an Rabbi Jizchak mit der Bitte um sein Gebet für ihre Weisheit wandten, erfüllte er sie nicht. Er sagte nur: „Einst besaß ich [die Macht], habe sie aber fortgeschickt“. Vielleicht erhörte man ihn nicht mehr im Himmel (so nach dem Raschikommentar), vielleicht nahm er auf sich, seinen Schöpfer nicht mehr mit solchen Dingen zu bemühen (so nach Rabenu Gerschom).
Die Hoffnung auf Lösung aller menschlichen Probleme durch eine Änderung von außen, durch eine wirtschaftliche Änderung, Änderung des Aussehens und Erhöhung der Begabung verflüchtigt sich. Rabbi Mani muss sich der Erkenntnis beugen, dass die Sache allein von ihm abhängt, von dem seelischen Verhältnis, das er in seinem Innern zu den Ereignissen entwickelt, und nicht von technischen Änderungen. Die Probleme mit seiner Frau und ihrer Familie wurden durch die Gebete Rabbi Jizchaks nicht beseitigt, sie nahmen nur eine andere Gestalt an, und die wahre Lösung findet sich nur bei Rabbi Mani selber. Man kann anscheinend nicht vor der Auseinandersetzung mit seinen Problemen fortlaufen. Die Mühe des Menschen ist eine zwangsläufige Angelegenheit, und ebenso zwangsläufig gelangt sie zu ihm von außen über seine Umgebung, in die ihn der Herr der Welt hinein gesetzt hat.
„Channa heißt sie“ – auf die Frage von Rabbi Jizchak antwortet Rabbi Mani: „Channa [heißt sie]“. Im Kommentar „Anaf Josef“ zu „Ejn Jakov“ (Sammlung der Agadot im Talmud) steht Folgendes: „Er sagte Channa – ein Ausdruck von Eifersucht. Sie wurde Channa genannt, um ihre Eifersucht bekannt zu machen, mit der sie auf ihre Nebenfrau Pnina wegen derer Kinder eifersüchtig war“ (siehe Beginn des Prophetenbuches Schmu’el). Nach dieser Erklärung wusste Rabbi Mani selber, dass es die Eifersucht war, die an der Wurzel der komplizierten Beziehungen zu seiner Ehefrau zu suchen war, und Rabbi Jizchak half ihm, ihre Eigenschaft zu „verschönern“, „so möge Channa schön werden“, durch die Offenbarung, dass die Sache nur von ihm selber abhing.
Wollen wir dem noch eine eigene Erklärung hinzufügen. Channa heißt so wegen ihres „Chen“, ihrer anmutigen Ausstrahlung. Im Gegensatz zu „Joffi“, äußerlich sichtbarer Schönheit, offenbart sich der „Chen“, die innere Schönheit, nur demjenigen, der in die Seele schauen kann. Esther war „grünlich“, das heißt: ohne äußerliche Schönheit, und trotzdem fand sie Gefallen in den Augen eines jeden, der sie sah, „weil ein Band von Gnade über sie gespannt war“ (Megilla 13a). Pnina und Channa symbolisieren äußere und innere Schönheit, „Joffi“ und „Chen“. Pnina heißt so nach den „Pninim“, den schönen Perlen, die die Frau von außen schmücken. Es ist leicht, sie wegen ihrer Schönheit und ihrer Kinder zu lieben, mit denen Elkana durch sie gesegnet war. Trotzdem hing Elkana sehr an Channa, obwohl sie unfruchtbar war, wegen der innerlichen Verbindung, ihres besonderen „Chen“, der diese Verbindung zustande brachte.
Da die Frau Rabbi Manis nun Channa hieß, sollte ihm damit angedeutet werden, nicht ihre Umwandlung in eine Schönheit zu verlangen, sondern sich intensiv auf ihren „Chen“ zu konzentrieren, so wie er war – und damit ihre Beziehung verbessern.
Rabbi Jizchak wollte danach nicht mehr für solche Wandlungen beten; „Einst besaß ich [die Macht], habe sie aber fortgeschickt“, verkündete er. Nach der Erklärung Rabenu Gerschoms wollte er seinen Schöpfer nicht mehr dafür bemühen. Trotz der Fähigkeit von Rabbi Jizchak, so zu beten, dass seine Gebete immer erhört werden, auch wenn dazu die Schöpfungsordnung verändert werden muss, benutzte er diese Kraft nicht mehr, denn diese Wandlungen bewirkten ja nicht die gewollte Errettung, vielmehr musste sich der Bittsteller selber bemühen, seine Probleme zu lösen.
Wollen wir hier noch festhalten, dass diese Erklärung von dem für seinen „Bann“ berühmten Rabenu Gerschom stammt (er lebte vor etwa 1000 Jahren in Mainz und war einer der bedeutendsten Rabbiner seiner Epoche). Zwei der von ihm erlassenen Bestimmungen gehören direkt zu unserem Thema – die eine, die eine Ehescheidung gegen den Willen der Frau verbietet, und die andere, die die Polygamie verbietet. Der Gedanke, man könne mit Zerbrechen des Eherahmens oder durch Hinzunahme einer weiteren Frau, die vielleicht Eigenschaften vorweist, die der anderen fehlen, die Probleme überspielen, ist nichts anderes ale eine Wahnvorstellung. Ohne eine gründliche Bereinigung der Probleme wird sich der Mann auch in der nächsten Ehe mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert sehen. Der richtige Weg führt demnach nicht in die Flucht vor den Problemen, sondern in die Auseinandersetzung mit ihnen. Der Mensch muss sich selbst ändern und erneuern!