Abhandlung über das »Schma Jisrael – Höre Israel«
enthaltend ein einziges Gebot der Schrift, nämlich die Lesung des Abschnittes »Höre Israel!« zweimal täglich zu halten, dessen Erläuterung nun in folgenden Kapiteln gegeben wird.
Inhalt
ERSTES KAPITEL — Rezitation, Segensprüche und ihre Zeiten
1) Das »Höre Israel« soll zwei Mal täglich, nämlich morgens und abends rezitiert werden, denn es heißt (Deut. 6:7): »Bei deinem Niederlegen und bei deinem Aufstehen u. s. w.«, also zur Stunde, wo der Mensch gewohnt ist sich zur Ruhe zu begeben, — was auf die Nacht hindeutet, — und zur Stunde wo er aufsteht, was auf den Tag hindeutet.
2) Gelesen werden folgende drei Abschnitte«
»Höre Israel u. s. w.« (Deut. 6:4-9).
»Und es wird geschehen, wenn Du gehorchst« (Deut. 11:13-21).
»Und Gott sprach zu Moses« (Num. 15:37-41).
Begonnen wird mit dem Abschnitt »Höre Israel«, weil darin über die Einheit Gottes, wie auch über die Liebe zu Ihm und dessen Tora geredet wird und dieses der Grundstein alles Wissens und Glaubens ist.
Sodann wird rezitiert »Und es wird geschehen, wenn Du gehorchst«, weil hierin ein Gebot über das Gedenken aller göttlichen Vorschriften enthalten ist, und zuletzt der Abschnitt über die Schaufäden (Zizit), worin auch ein Gebot über das Gedenken aller Vorschriften im Allgemeinen inbegriffen ist.
3) Obgleich aber das Gebot der Beobachtung der Zizit, bei Nacht nicht ausgeführt wird (siehe Zizit 3:7), muss der betreffende Abschnitt während des Abendgebets dennoch gelesen werden; weil dort das Andenken an die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft erwähnt wird und es ein Gebot ist, dass wir uns deren bei Nacht wie bei Tage erinnern sollen, wie es auch heißt (Deut. 16:3): »Damit du gedenkst des Tages deines Auszugs aus Ägypten dein Leben lang«. Das Rezitieren dieser drei Abschnitte in erwähnter Folge, wird im Allgemeinen das Lesen des »Höre Israel« (קְרִיַּת שְׁמַע) genannt.
4) Jeder, der das »Höre Israel« rezitiert, muss unmittelbar nach dem ersten Vers im Stillen dabei zu flüstern »Gelobet sei der Name seiner königlichen Glorie, in Ewigkeit, immerdar בָּרוּךְ שֵׁם כְּבוֹד מַלְכוּתוֹ לְעוֹלָם וָעֶד« — worauf das Rezitieren mit dem Vers: »Und Du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott, u. s. w.« fortgesetzt wird. Über die Einschaltung dieses Verses sagt die Tradition: Als unser Stammvater Jakob in Ägypten seine Söhne vor seinem Sterben versammelt und dieselben über die Einheit Gottes und die Wege des Ewigen, welche auch Abraham und Isaak gewandelt, belehrte, habe er auch die Frage an sie gerichtet: »Vielleicht hegt Einer unter Euch irgend einen, mit der Einheit Gottes, wie ich selbige auffasse, nicht übereinstimmenden Gedanken« — wie auch später unser Lehrer Moses zu uns sprach (Deut. 29:17), »Vieleicht findet sich unter Euch ein Mann oder eine Frau usw.« — da antworteten alle einstimmig und sprachen: »Höre Israel, der Ewige, unser Gott, ist ein einiger Gott«, — nämlich: »Höre, unser Vater Israel, der Ewige, unser Gott usw.« — darauf sprach nun der Greis: »Gelobet sei der Name seiner Glorie ewig und immerdar«; — daher ist es auch Sitte in ganz Israel, das Lob Gottes, das der Greis Israel ausgesprochen, nach jenem Verse zu rezitieren.
5) Vor und nach Rezitation des »Höre Israel», müssen besondere Segenssprüche gesagt werden und zwar bei Tage, zwei Segensprüche vor dem Schma und einer danach, — bei Nacht, zwei vor und zwei nach dem Lesen.
6) Der erste Segensspruch vor dem Rezitieren am Tag ist: »Bildner des Lichts und Schöpfer der Finsternis, יוֹצֵר אוֹר«; der zweite: »Mit ewiger Liebe hast Du uns liebgewonnen ‚אַהֲבַת עוֹלָם אֲהַבְתָּנוּ« — der, nach dem Rezitieren: »Wahr und fest אֱמֶת וְיַצִּיב« Der erste Segensspruchs Nachts, vor dem Rezitieren ist: »Der Du den Abend herabsendest מַעֲרִיב עֲרָבִים«; der zweites: »Mit ewiger Liebe hast Du das Haus Israel, Deines Volkes, liebgewonnen אַהֲבַת עוֹלָם עַמְּךָ יִשְׂרָאֵל אָהַבְתָּ«; — der erste Nachts, nach dem Rezitieren ist: »Wahr und bewährt ist es אֱמֶת אֱמוּנָה« wieder zweite: »Lasse uns ruhen in Frieden הַשְׁכִּיבֵנוּ «.
7) Die erste Segensformel vor dem Rezitieren, sowohl beim Abend- wie beim Morgengebet, muss mit einem: »Gesegnet seist Du בָרוּךְ« begonnen und damit geschlossen werden. Die übrigen Segenssprüche werden nur mit בָרוּךְ geschlossen, jedoch werden sie damit nicht geöffnet אֵין לָהֶן פְּתִיחָה.
Diese Formeln, wie auch alle übrigen, in ganz Israel üblichen Segenssprüche, sind von dem Schriftgelehrten Esra und seinem Gerichtshof angeordnet worden und niemand darf sich erlauben das Geringste daran zu verändern, zuzusetzen oder auszulassen. Ist demnach vorgeschrieben, irgendeinen Spruch mit dem »Gesegnet seist Du« zu schließen, — darf dieser Schluss nicht umgangen werden, wogegen derselbe nicht hinzugesetzt werden darf, sobald die Vorschrift solches nicht verlangt. Ebenso darf mit keinem »Gesegnet seist Du« begonnen werden, sobald das nicht ausdrücklich vorgeschrieben und wiederum diese Formel nicht umgangen werden, sobald vorgeschrieben worden damit zu beginnen. Mit einem Worte, wer die Formulierung der Weisen in Betreff der Segenssprüche missachtet, wird als fehlend angesehen und muss die Segenssprüche wiederholen. Wer am Morgen das »Wahr und fest« und am Abend, das »Wahr und bewährt« nicht spricht, hat seiner Pflicht nicht Genüge geleistet.
8) Hat jemand den zweiten Segensspruch vor dem ersten gesprochen, sei es morgens oder abends, oder hat die Verwechslung in den Vor- oder Nachsegenssprüchen stattgefunden, so ist er nichtsdestoweniger seiner Pflicht dennoch nachgekommen, weil in Bezug auf die Segenssprüche die Reihenfolge von keinem Belange ist.
Begann dagegen jemand am Morgen mit: »Bildner des Lichtes יוֹצֵר אוֹר« und schloss mit, »Der Du den Abend herabsendest מַעֲרִיב עֲרָבִים «, so ist er seiner Pflicht nicht nachgekommen; — wenn er aber mit: »Der Du den Abend מַעֲרִיב עֲרָבִים « begonnen und mit, »Bildner des Lichts« geschlossen, — so gilt sein Spruch.
Ebenso verhält es sich mit dem Abendsegen, welcher als gültig anzusehen ist, sobald er mit: »Bildner des Lichts« begonnen und mit: »Der Du den Abend« geschlossen. Dagegen ungültig ist, falls er mit letzterem begonnen und mit ersterem geschlossen, — weil alle Segenssprüche nur durch ihren Schluss bedingt werden.
9) Das Rezitieren des »Höre Israel« darf abends, der Vorschrift nach, nur von dem ersten Erscheinen der Sterne יְצִיאַת הַכּוֹכָבִים bis zu Mitternacht חֲצִי הַלַּיְלָה vorgenommen werden. Jedoch kann diese Frist noch bis zum Anbruch der Morgendämmerung עַמּוּד הַשַּׁחַר ausgedehnt werden, — da die Weisen nur aus dem Grunde die Mitternacht als Zeitgrenze vorgeschrieben haben, um absichtlicher Versäumnis vorzubeugen.
10) Jedes Rezitieren des abendlichen »Höre Israel», zwischen Morgendämmerung und Sonnenaufgang, wird als Übertretung der vorschriftmäßigen Frist angesehen, es sei denn bei namhaften Notfällen, wie z. B., Berauschten, Kranken u.dgl. Jedoch wird in letzterem Fall das »Laß uns in Frieden ruhn«, dann nicht mehr gesprochen.
11) Wann ist die Zeit am Tag? Die zum Lesen des »Höre Israel», vorschriftsmäßig bestimmte Zeit ist, etwas vor Sonnenaufgang הָנֵץ הַחַמָּה damit zu beginnen, damit dasselbe beschlossen und der letzte Segensspruch mit dem Sonnenaufgang selbst rezitiert werden könne. Diese Zeit beläuft sich auf etwa 1/10 Stunde (etwa 6 Minuten). Sollte jedoch jemand diesen Zeitpunkt versäumen und das Lesen erst nach Sonnenaufgang begonnen haben, so ist seiner Pflicht dennoch dadurch genügt, da die eigentliche Frist für den Fall unwillkürlicher Versäumnis sich bis zur dritten Tagesstunde erstreckt.
12) Sollte jemand das morgendliche »Höre Israel« nach dem Erscheinen der Morgendämmerung beginnen und noch vor Aufgang der Sonne damit fertig sein, so ist seiner Pflicht genügt, — da für den Notfall, bei plötzlich bevorstehender Reise oder dergleichen, es sogar vorschriftsmäßig von vorn herein gestattet ist, das »Höre Israel« noch vor Sonnenaufgang, mit dem Erscheinen der Morgenröte, zu beginnen.
13) Das durch Umstände verzögerte Rezitieren des »Höre Israel« nach der dritten Tagesstunde, wird keineswegs als »der Pflicht genügend« betrachtet, sondern gleichsam nur als bloßes Lesen in der Tora angesehen. Jedoch können die Segenssprüche vor und nach dem Rezitieren, während des ganzen Tages gesprochen werden, selbst wenn man das »Höre Israel« erst nach der dritten Tagesstunde begonnen hat (da diese Segensprüche nur Lobsprüche sind).
ZWEITES KAPITEL — Art und Weise der Rezitation
1) Wer den ersten Verses des »Höre Israel« liest, d. i. שְׁמַע יִשְׂרָאֵל, יי אֱלֹהֵינוּ יי אֶחָד, und die Andacht seines Herzens darauf nicht richtet, hat seine Pflicht nicht erfüllt. Bei den anderen Versen erfüllt er seine Pflicht, auch wenn er die Andacht seines Herzens darauf nicht richtet. Sollte sogar jemand sich nur mit dem Lesen der Tora, oder der Korrektur eines der Abschnitte, während der vorschriftsmäßig bestimmten Zeit beschäftigt haben und nur beim Lesen des ersten Verses andächtig gewesen sein, so ist der Pflicht des Rezitierens Genüge geschehen.
2) Das »Höre Israel« kann ohne Weiteres sowohl stehend oder liegend rezitiert werden, wie auch gehend oder auf einem Tier reitend, nur nicht mit dem Gesicht zur Erde oder gegen die Decke gewendeter Lage, welches vorschriftsmäßig nicht erlaubt ist. Man soll es auf der Seite liegend rezitieren. Dagegen ist es beleibten Leuten oder Kranken denen es beschwerlich wäre sich ganz zur Seite zu wenden, — gestattet, von obiger Verordnung eine Ausnahme zu machen, insofern sie sich beim Sprechen des »Höre Israel« nur um ein Weniges zur Seite neigen.
3) Wer das »Höre Israel« gehend rezitiert, ist verpflichtet, während des ersten Verses stehen zu bleiben, dagegen kann er beim Hersagen der folgenden Verse seinen Gang fortsetzen.
Überfällt jemanden die Müdigkeit beim Rezitieren, so versuche man ihn wenigstens während des ersten Verses munter zu erhalten, beim Sprechen der übrigen aber nicht vom Schlaf abzuhalten, falls ihn derselbe übermannen sollte.
4) Wer das »Höre Israel« rezitieren will, während er mit Arbeit beschäftigt ist, ist verpflichtet mit derselben so lange innezuhalten, bis er die ganze erste Abteilung gesprochen hat, damit ihre Andacht nicht zur Nebensache werde. Der Rest des Spruches dagegen kann bei fortgesetzter Arbeit rezitiert werden. Sollte sich sogar jemand auf dem Wipfel eines Baumes, oder der Zinne einer Mauer befinden, so ist es ihm gestattet, auch dort das »Höre Israel« mit demselben, vorangehenden und ihm folgenden Segenssprüchen zu rezitieren.
5) Wäre jemand mit dem Studium der Tora befasst ist, während die vorgeschriebene Zeit zum Rezitieren des »Höre Israel« herannaht, so ist er ebenfalls verpflichtet, sich so lange zu unterbrechen, bis er den Spruch samt den Segensformeln beendet. Ist dagegen jemand mit öffentlichen Angelegenheiten beschäftigt, so unterbreche er sich keineswegs, sondern verrichte seine Lesung dann, wenn die Beendigung des Geschäftes es ihm gestattet.
6) Ist jemand beim Essen, im Bad, beim Scheren, in einer Gerberei mit Umdrehen von Fellen beschäftigt oder einem Prozess vor Gericht folgt, so beende er zuerst seine Beschäftigung und rezitiere nachher das »Höre Israel«. Sollte aber jemand aus Besorgnis die vorgeschriebene Zeit zu versäumen, seine Beschäftigung unterbrochen haben, so ist dies lobenswert.
7) Sollte jemand, Morgens sich im Bad befinden und noch so viel Zeit übrig haben, herauszusteigen und sich anzukleiden, bevor noch die Sonne aufgegangen, so tue er dies und rezitiere dann das »Höre Israel«. Besorgt es ihn aber, dass ihm keine Zeit übrig bleibe alles Dieses noch vor Sonnenaufgang zu bewerkstelligen, so bedecke er sich gleichsam mit dem Wasser und spreche daselbst den Spruch; — jedoch darf dieses weder in übel duftendem, noch in Spülwasser und wiederum nicht in ganz klarem Wasser geschehen, weil in Letzterem seine Blöße sichtbar wäre; — dieses zu verhüten muss sich im trüben Wasser bedecken, worauf er an Ort und Stelle das »Höre Israel« sprechen darf.
8) Während des Lesens soll niemand mit den Augen blinken, mit den Lippen zucken, oder Zeichen mit den Fingern geben, weil dieses unanständig ist und das Rezitieren dadurch zur Nebensache würde. Auch soll man die Worte möglichst vernehmlich und die einzelnen Buchstaben richtig aussprechen, obgleich man selbst bei Nichtbeobachtung dieser Fälle, seine Pflicht nichtsdestoweniger erfüllt hat.
9) Wie sollte man die Buchstaben richtig aussprechen? Indem man jeden Buchstaben grammatikalisch beobachte, die harten nicht weich und die weichen nicht hart ausspreche, keinen ruhenden (Schwa quiescens) zum beweglichen (Schwa mobile) und keinen beweglichen zum ruhenden mache. Weshalb auch stets zwischen zwei gleichen Buchstaben, von denen der eine ein Wort beschließt und der andere ein Wort beginnt, eine kleine Pause beobachtet werden muss, wie z. B. Bechal-lewawcha בְּכָל לְבָבְךָ, oder Weawadetem-mehera וַאֲבַדְתֶּם מְהֵרָה, oder Hakanaf-petil הַכָּנָף פְּתִיל; — auch muss das z (zajin) im Wort Tizkeru תִזְכְּרוּ weich ausgesprochen und im Worte Echad אֶחָד das D so lang gedehnt werden, dass man sich dabei die göttliche Macht über alle vier Himmelsgegenden ausgedehnt denken könne. Das Chet dagegen darf man nicht zu schnell aussprechen, damit es nicht etwa klinge, als spreche man Ei-chad.
10) Das »Höre Israel« kann in jeder, dem Sprechenden verständlichen, Sprache rezitiert werden. Doch muss dabei stets alles über die Reinheit und Grammatik der Sprache oben angeführte, ebenso gewissenhaft beobachtet werden, wie bei Rezitation jenes Spruches in der heiligen Sprache.
11) Die Verwechselung der Reihenfolge in den Versen ist als ein Fehler und pflichtwidrig anzusehen. In Hinsicht aber auf die Reihenfolge der Abschnitte פָּרָשָׁה לְפָרָשָׁה, ist meiner Meinung nach trotzdem — der Pflicht dadurch kein Abbruch geschehen, sondern derselben ohne Weiteres genügt worden, da in der Heiligen Schrift diese Abschnitte nicht unmittelbar aufeinander folgen. Einen Vers zweimal wiederholen ist unanständig, wird aber ein Wort zweimal wiederholt, z. B. Höre, Höre, — so ist dem Redenden Stillschweigen zu gebieten (weil es Aussieht, als ob er mehrere Götter anbete).
12) Das Rezitieren des »Höre Israel«, selbst mit Unterbrechungen סֵרוּגִין, genügt sogar in dem Falle, dass während der Unterbrechung das ganze Gebet hätte hergesagt werden können, jedoch muss jedenfalls die gehörige Reihenfolge berücksichtigt werden. Sollte das Rezitieren zwischen Wachen und Träumen geschehen, so genügt auch dieses, sobald nur der erste Vers bei wachem Geiste gesprochen wurde.
13) Ist Jemand in Zweifel, ob er das »Höre Israel« rezitiert, oder nicht,— so tue er es abermals, nebst den dazu gehörigen vorhergehenden und nachfolgenden Segenssprüchen. Ist er aber überzeugt, das eigentliche »Höre Israel« gesagt zu haben und zweifelt nur in Bezug auf die Segenssprüche, so wiederhole er dieselben nicht. — Macht jemand einen Fehler im Rezitativ, so fange er wieder da an, wo das Versehen geschehen. Verlor er dagegen den Faden im Abschnitt und weiß nicht, welchen der Abschnitte er beendet, oder bei welchem er wieder anfangen müsse, so beginne er von Neuem beim ersten, d. h. bei »Und du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott וְאָהַבְתָּ אֵת יי אֱלֹהֶיךָ«.
14) Geschah das Versehen in der Mitte eines Abschnitts so, dass der Rezitierende nicht ermitteln kann, wo er stehen geblieben ist, so beginne er beim Anfang des Abschnittes. War er beim Worte »schreibt וּכְתַבְתָּם« und weiß nicht, ob dieses das »schreibt« vom ersten oder vom zweiten Abschnitte gewesen ist, so nehme er an, es habe zum ersten gehört, — steigt ihm aber der Zweifel erst auf, nachdem er den Vers: »Damit Eure Tage sich mehren« gelesen, so braucht er den Abschnitt nicht wieder von vorne zu beginnen, indem er sich dann auf die unwillkürliche Gewohnheit des Rezitierens verlassen kann.
15) Begegnet jemand beim Rezitieren des »Höre Israel« — zwischen den Abschnitten, — einer ihm Ehrfurcht einflößenden Person, z. B., seinem Vater, Lehrer, oder dergleichen, so kann er sich unterbrechen, um den Friedensgruß zu bieten, oder, falls der ihm Begegnende ein Gleichgestellter ist, — zu erwidern.
16) Findet die Begegnung aber statt, während der Rezitierende sich noch mitten im Abschnitt befindet, so unterbreche er sich, um den Friedensgruß zu bieten, nur in dem Falle, wenn die ihm begegnende Person eine solche ist, deren Macht er zu fürchten hat, z. B. ein König; — ist es aber sein Vater, Lehrer oder sonst eine ehrwürdige Person, so unterbreche er sich nur, um den Gruß zu erwidern.
17) Unter »zwischen den Abschnitten«, wird verstanden: zwischen der ersten und zweiten Segensformel vor dem »Höre Israel«, zwischen der zweiten und dem eigentlichen »Höre Israel«, — zwischen letzterem und dem »Und es wird geschehen, wenn du gehorchst«, — ferner, zwischen diesem und dem: »Und es sprach«. Zwischen allen diesen Abschnitten muss man denen, welchen man Ehrfurcht schuldig, den Friedensgruß bieten und denselben jedem Grüßenden erwidern. Zwischen »und es sprach« und dem »wahr und fest« hingegen, ist als die Mitte des Abschnittes zu betrachten (Jer. 10:10), wo es nur gegen Diejenigen gestattet ist den Friedensgruß zu bieten, deren Macht man zu fürchten hat und denselben denen, die uns Ehrfurcht einflößen, nur zu erwidern verpflichtet ist.
DRITTES KAPITEL — Was der Rezitation hinderlich ist
1) Wer das »Höre Israel« liest, hat sich vorher die Hände zu waschen (gemein ist das morgendliche נטילת ידיים) . Sollte aber um die vorgeschriebene Lesezeit (vor dem Sonnenaufgang) zufällig kein Wasser in der Nähe sein, so versäume man diese Zeit nicht, um erst Wasser zu holen, sondern wische sich mit dem ersten besten säubernden Gegenstande die Hände rein und rezitiere darauf den Spruch.
2) Das »Höre Israel« darf weder im Bad (wegen Nacktheit), noch auf einer Toilette rezitiert werden, auch wenn sich dort keine Exkremente befinden. Ebenfalls auf keinem Friedhof, oder überhaupt in der Nähe einer Leiche (wegen Unreinheit). Vier Ellen (2m) jedoch von denselben entfernt, ist das Lesen gestattet. Wer aber an einem vorschriftswidrigen Orte rezitiert, muss dasselbe an einem zulässigen wiederholen.
3) Wenn eine Toilette neu errichtet aber noch nicht benutzt wurde, kann das »Höre Israel« vor dieser gelesen werden, aber nicht darin. In einem neuen Badehaus kann das »Höre Israel« gelesen werden. Wenn eines von zwei Zimmern zur Toilette bestimmt wurde und der Besitzer sagte auf das zweite Zimmer zeigend: »Und dies וְזֶה«, so ist es zweifelhaft ob er auch dasselbe dafür bestimmte. Also sollte man das »Höre Israel« dort nicht absichtlich lesen, aber wer dies getan, hat seine Pflicht erfüllt.
Wenn der Besitzer den Satz »Dies auch וְגַם זֶה« aussprach, gelten beide Gebäude als Toiletten und das »Höre Israel« kann auch nicht gesprochen werden. Es ist erlaubt, das »Höre Israel« im Innenhof eines Badehauses zu lesen, das bedeutet, an dem Ort, an dem Menschen gekleidet sind.
4) Nicht nur die Abschnitte des »Höre Israel«, sondern alles, was zu heiligen Dingen gehört, darf nicht in einem Badehaus oder auf einer Toilette ausgesprochen werden, selbst nicht in einer säkularen Sprache. Nicht nur das Sprechen ist verboten, sogar das stille Nachdenken über die Worte der Tora in einer Latrine, in einem Badehaus oder an einem unreinen Ort, an dem Kot oder Urin sind, ist ebenfalls verboten.
5) Weltliche Angelegenheiten dürfen in einer Latrine gesprochen werden, sogar in der heiligen (Hebräischen) Sprache. So können auch die Ausdrücke, die verwendet werden, um die göttlichen Eigenschaften auszudrücken, wie „Barmherzig“, „Gnädig“, „Treu“ usw., in einer Latrine gesagt werden. Dagegen die Namen Gottes, die nicht gelöscht werden dürfen, dürfen nicht in einer Latrine oder in einem Badehaus verwendet werden, das benutzt worden ist. Wenn es jedoch in einem Badehaus oder in einer Latrine Gelegenheit gibt seinen Nächsten von der Übertretung eines Verbotes abzuhalten, dann soll er ihn abhalten, selbst in heiliger Sprache und selbst in Angelegenheit heiliger Dinge.
6) Es ist verboten, das »Höre Israel« zu lesen, wenn der Kot von Menschen, Hunden oder Schweinen sich in der Nähe befindet, auch wenn Tierhäute (zum Gerben) in sie eingetaucht sind, oder ein anderer Schmutz, der einen ebenso üblen Geruch verbreitet wie diese. Ebenso in der Nähe von menschlichem Urin. Wo jedoch der Urin eines Tieres in der Nähe ist, darf das »Höre Israel« gelesen werden. Wenn ein Kleinkind, das eine Getreidemenge von der Größer einer Olive nicht verzehren kann, in der Zeit, in der ein Erwachsener eine Getreidemenge die drei Eiern (150 cm3) verzehrt, dann besteht keine Notwendigkeit, sich von seinem Kot oder Urin wegzubewegen (weil es noch nicht als ekelhaft gilt).
7) Wenn Kot so trocken wie Töpferware ist, ist es verboten das »Höre Israel« in seiner Nähe zu lesen. Wenn es trockener ist als Töpferware, so dass es beim Wegschleudern zerbröckelt, dann wird es als Staub angesehen und das »Höre Israel« darf in seiner Nähe gelesen werden. In der Nähe von Urin, welches der Boden aufgesaugt, und immer noch eine Hand benetzt, wenn sie den Fleck berührt, darf das »Höre Israel« nicht gelesen werden. Wird die Hand nicht benetzt, darf »Höre Israel« gelesen werden.
8) Wie weit muss man sich von Kot oder Urin entfernen, um das »Höre Israel« lesen zu dürfen? Vier Ellen (2m). Dies gilt für den Fall, dass sich diese hinter oder neben Jemandem befinden. Aber wenn sie vor ihm sind, muss er sich so weit entfernen, dass er sie nicht mehr sieht und dann darf er das »Höre Israel« lesen.
9) Diese Regel ist dann gültig, wenn er sich in einem Raum und auf derselben Ebene mit diesen Dingen befindet. Wenn es dort einen Ort gibt, der zehn Handbreit (80 cm) höher oder niedriger ist, als das Niveau der Dinge, dann kann er neben ihnen (Kot, Urin) sitzen und das »Höre Israel« lesen, weil sie als getrennt von ihm gelten. Dies gilt, vorausgesetzt, dass kein übler Geruch ihn erreicht. Wenn er den Kot oder das Urin mit einem Gefäß bedeckt hat, werden sie, obwohl sie noch im Raum sind, als begraben angesehen und das »Höre Israel« kann ungeachtet ihres Vorhandenseins gelesen werden.
10) Wenn man durch eine Glastrennung vom Kot getrennt ist, auch wenn der Kot durch das Glas noch sichtbar ist, darf das »Höre Israel« gelesen werden. Hat man ein Viertel Log (75 cm3) Wasser auf den Urin gegossen, so kann das »Höre Israel« im Abstand von vier Ellen davon rezitiert werden.
11) Befindet sich der Kot in einer Mulde im Boden, kann man mit der Sandale die Mulde bedecken und das »Höre Israel« lesen, vorausgesetzt, die Sandale kommt nicht in Kontakt mit dem Kot. Ist der Kot winzig wie ein Tropfen, so spucke man dicken Speichel darauf, bis er bedeckt ist und lese darauf das »Höre Israel«. Befand sich ein Kotspritzer auf seiner Haut beschmiert und gab keinen schlechten Geruch von sich, weil es zu klein oder zu trocken war, dann ist das Lesen von »Höre Israel« gestattet. Befindet sich Kot am Anus, obwohl beim Stehen nicht sichtbar, dagegen sichtbar beim Sitzen, so ist das rezitieren von »Höre Israel« verboten, bis man sich gründlich gereinigt hat, weil der Kot feucht ist und einen schlechten Geruch hat.
Viele Gaonim haben entschieden, dass es verboten ist, das »Höre Israel« zu lesen, wenn die Hände unrein sind und es ist richtig dieser Entscheidung zu folgen.
12) Wo ein übelriechender Geruch von einer Substanz ausgeht, muss man sich bis zu vier Ellen weit wegbewegen und dann kann man das »Höre Israel« lesen, sofern der Geruch aufgehört hat. Wenn der Geruch noch wahrnehmbar ist, muss man sich weiter entfernen, wo er nicht mehr wahrnehmbar ist. Geht der Geruch nicht von einer Substanz aus, z.B. wer von unten Luft ablässt, dann entferne man sich von ihm, bis der Geruch aufhört. Das »Höre Israel« darf nicht vor einer Kloake oder vor einem Nachttopf rezitiert werden, auch wenn diese leer sind und keinen Geruch abgeben, trotzdem werden sie als Latrine angesehen.
13) Wenn Kot in Bewegung ist, zum Beispiel, wenn er auf der Wasseroberfläche schwimmt, ist es verboten in seiner Nähe das »Höre Israel« zu lesen. Der Mund eines Schweins gilt als sich bewegender Schmutz (weil es im Dreck suhlt), deshalb es ist verboten ihm gegenüber das »Höre Israel« zu lesen, bis man das Schwein vier Ellen weit von sich entfernt.
14) Wenn einer, während des Gehens das »Höre Israel« liest und an einen Ort gelangt, an dem sich Schmutz befindet, sollte er seine Hand nicht auf den Mund legen und weiterlesen, sondern er muss innehalten, bis er den Ort passiert hat. Stößt der Lesende Luft von unten aus, so unterbreche er bis der Gestank verhallt und setze dann sein Lesen fort. Das gleiche für die Worte der Tora. Stößt sein Nächster Luft von unten aus, so unterbreche man zwar da Lesen des »Höre Israel«, die Worte der Tora unterbreche man aber nicht.
15) Falls man beabsichtigt, das »Höre Israel« in einem Raum zu lesen und Zweifel darüber erwachen, ob Kot oder Urin darin ist oder nicht, dann darf man lesen. Wenn jemand auf einem Abfallhaufen steht und er Zweifel hat, ob dort Kot ist, darf er nicht lesen, bis er es nachgesehen hat. Die Annahme im Falle eines Abfallhaufens ist, dass es sich dabei um einen Ort handelt an dem Kot ist. Wenn es nur daran Zweifel gibt, ob dort Urin ist, kann er lesen.
16) So wie das »Höre Israel« nicht an einem Ort gelesen werden kann, an dem Kot oder Urin ist, bis man sich entfernt hat entfernt hat, ist es verboten, das »Höre Israel« in Gegenwart irgendeiner Person zu lesen, auch Nichtjude oder Kind, deren Nacktheit עֶרְוָה freigelegt ist, auch wenn eine Glastrennung sie voneinander trennt, bis er sein Gesicht abwendet. Da man in der Lage ist, es zu sehen, darf man das »Höre Israel« nicht lesen, es sei denn, man wendet sein Gesicht ab. Jeder Körperteil einer Frau gilt als Nacktheit. Daher darf man beim Lesen des »Höre Israel« nicht auf den Körper einer Frau blicken, selbst wenn es die eigene Frau ist. Und wenn eine Handbreite eines Teils ihres Körpers freigelegt wird, darf man das »Höre Israel« in ihrer Nähe nicht lesen, auch wenn man den Körperteil nicht anschaut.
17) Und so wie es verboten ist, das »Höre Israel« in Gegenwart der Nacktheit anderer Menschen zu lesen, so ist es jedem verboten in Gegenwart seiner eigenen Nacktheit zu lesen bis man sie bedeckt. Wenn man seine Lenden mit einem Gürtel aus Stoff, Haut oder Sackleinen bedeckt, kann man das »Höre Israel« lesen, auch wenn der Rest des Körpers unbedeckt ist, vorausgesetzt, dass die Ferse nicht seine privaten Teile berührt. Liegt er unter einer Decke und ist nackt, sollte er die Decke dicht unter sein Herz ziehen und dann das »Höre Israel« lesen (der oberen Teil des Körpers muss vom unteren Teil getrennt sein). Aber man soll es nicht um den Hals ziehen und lesen, weil sein Herz die Nacktheit sieht und er gelten würde wie Jemand, der das »Höre Israel« rezitiert, ohne einen Gürtel zu tragen.
18) Wenn zwei Personen unter einer Decke liegen, kann keine von ihnen das »Höre Israel« lesen, auch wenn man die Decke eng unter sein Herz zieht, es sei denn, die Decke ist so gemacht, dass sie die beiden voneinander trennt, so dass ihre Körper sich, von den Lenden abwärts, nicht berühren. Wenn ein Mann mit seiner Frau, kleinen Kindern oder anderen jüngeren Mitgliedern seines Haushalts schläft, sind ihre Körper wie sein Körper und er verspürt keine Erregung von ihnen. Selbst wenn sein Körper sie berührt, wendet er sich ab, zieht die Decke dicht unter sein Herz und liest dann das »Höre Israel«.
19) Bis zu welchem Alter werden sie in dieser Hinsicht als Kleinkinder betrachtet? Ein Junge in dieser Hinsicht bis zum Alter von zwölf Jahren und einem Tag; ein Mädchen, bis sie elf Jahre und einen Tag alt ist. Und nur dann, wenn sie die Spuren der Pubertät haben: Brüste und Haare am Körper (Jechezkel 16:7). In diesem Fall kann man das »Höre Israel« nicht lesen, es sei denn, sie sind durch eine Decke voneinander getrennt. Wenn sie noch nicht so körperlich entwickelt sind, kann er das »Höre Israel« lesen, auch wenn ihr Fleisch sein Fleisch berührt und es ist keine Trennung erforderlich, bis das männliche Kind das Alter von dreizehn Jahren und einem Tag erreicht hat und das weibliche Kind zwölf Jahre alt ist Jahre und einen Tag alt.
VIERTES KAPITEL — Wer von der Rezitation befreit ist
1) Frauen, Knechte und Minderjährige, sind vom Rezitieren des »Höre Israel« befreit, jedoch gewöhnt man die Kinder, es zur vorschriftsmäßigen Zeit zu rezitieren, wie auch die vorangehenden und nachfolgenden Segensformeln zu sprechen, um sie dadurch an die Erfüllung der Gebote zu gewöhnen. Diejenigen, die durch irgendetwas zerstreut und in anderweitiger dringender Pflichterfüllung zu sehr in Anspruch genommen werden, sind während dieser Zeit von allen Geboten und folglich auch vom Hersagen des »Höre Israel« befreit.
Daher ist ein Bräutigam, der eine Jungfrau geheiratet hat, vom Lesen des »Höre Israel« ausgenommen, bis er den Beischlaf vollzogen hat. Sein Geist ist solange befangen ist bis er herausgefunden ob sie eine Jungfrau sei oder nicht. Wenn jedoch der Beischlaf bis in die Nacht nach dem Schabbat nach der Hochzeit verschoben wurde, ist es seine Pflicht, das »Höre Israel« von dieser Nacht an zu lesen, da sein Geist ruhig geworden ist und er seine Braut bereits kennt.
2) Heiratet man jedoch eine Frau, die zu dieser Zeit keine Jungfrau mehr ist, ist es Pflicht, das »Höre Israel« zu lesen. Es gibt keinen besonderen Umstand, der einen ablenken könnte. Das gleiche Prinzip gilt für ähnliche Fälle.
3) Wer einen Toten zu beklagen hat, ist ebenfalls bis zur Beerdigung desselben vorn Rezitieren des »Höre Israel« befreit, weil sein Geist befangen ist; — hält jemand Wache bei einem Toten, sei’s selbst bei einem Fremden, so befreit ihn dies ebenfalls vom Rezitieren des »Höre Israel«. — Waren jedoch der Totenwächter zwei, — so ist ihnen gestattet, sich abwechselnd zur Rezitation von der Leiche zu entfernen. — Wer bei dem Graben einer Totengruft beschäftigt ist, wird gleichfalls vom Rezitieren befreit.
4) Die Leiche darf nicht zur Beerdigung entfernt werden, um die zur Rezitation des »Höre Israel« vorschriftsmäßig anberaumte Zeit, es sei denn, dass der Verstorbene von vornehmen Stand gewesen. Sollte aber irgendein Leichenzug sich bis zur gesetzlichen Zeit verzögert haben, so sind während letzterer, sowohl alle beim Leichenzuge beschäftigten Träger, wie auch die sie Ablösenden, sie mögen sich vor oder hinter der Bahre befinden, vom Rezitieren des »Höre Israel« befreit, — die Übrigen dagegen, haben dieser Pflicht nachzukommen.
5) Die sich bei einer Leichenrede als Zuhörer befindenden Personen, falls die Lesezeit eingetroffen und die Leiche vor ihnen liegt, haben sich einzeln zum Rezitieren des »Höre Israel« zu entfernen und dann zu den übrigen Zuhörern zurückzukehren. War die Leiche dagegen nicht vor ihnen ausgestellt, so rezitiere die ganze Versammlung. Die Leidtragenden aber sitzen schweigend, weil sie vor der Beerdigung vom Rezitieren befreit sind.
6) Kehren die Leidtragenden von der Beerdigung heim, um die Beileidsbezeigungen zu empfangen, wobei alle Anwesenden sich in Reih und Glied aufstellen, und dieses fällt um die Lesezeit, — so beginne man das Rezitieren nur in dem Falle, wenn man glaubt, noch vor der Bildung der sich aufstellenden Reihe, wenigstens einen Vers beenden zu können. Wo nicht, so statte man erst die Beileidsbezeugungen ab und rezitiere das »Höre Israel« erst nach Beendigung derselben. Sollte sich die Reihe schon gebildet haben, so sind diejenigen, die der Leidtragenden ansichtig werden können, vom Lesen befreit, die Übrigen aber dazu verpflichtet, da sie die Leidtragenden doch nicht sehen können.
7) Wer vom Rezitieren des »Höre Israel« befreit ist, darf, wenn er streng seiner Pflicht nachkommen will, solches dennoch tun, doch nur in dem Falle, dass sein Geist von aller Zerstreuung frei ist — ist Letzteres nicht der Fall, so ist ihm nicht erlaubt früher zu lesen, als bis er sich wieder gesammelt.
8) Jeder Unreine ist zum Rezitieren des »Höre Israel«, verpflichtet und hat dabei sowohl die vorangehenden, wie auch die nachfolgenden Segenssprüche im Zustande seiner Unreinheit טוּמאָה zu sprechen, obgleich er noch am selbigen Tage (durch die Mikwe) rein werden könne, so z. B. derjenige, der ein kriechendes Tier berührt, eine Frau in der Zeit der Menstruation oder Jemanden, der einen Ausfluss hatte, oder die Liege, auf der jemand von ihnen gelegen hat, usw. Esra und sein Gericht haben bestimmt, dass nur einer, der einen Ausfluss hatte – als Ausnahme unter allen unreinen Kategorien – die Worte der Tora nicht lesen könne, bis er rituell gebadet hat. Diese Verordnung wurde nicht allgemein angenommen. Die Mehrheit der Menschen konnte es nicht beachten und es kam außer Gebrauch. Dementsprechend hatten alle Israeliten den Brauch, die Tora zu lesen und das »Höre Israel« zu rezitieren, obwohl sie Ausfluss hatten; denn die Worte der Tora sind nicht empfänglich für die Unreinheit, sondern bleiben ewig rein.