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Zeiten – halachische Zeiten

Viele Elemente des jüdischen Lebens sind von bestimmten Zeiten, Zmanim זְמַנִּים‎, abhängig. Etwa, wann der Schabbat beginnt oder wann er aufhört.
Und wer regelmäßig betet, wird wissen wollen, wann es tatsächlich Zeit für das Nachmittagsgebet (Minchah) ist. So sagt etwa die Halachah, es sei besonders verdienstvoll, das Schma Jisrael des Morgengebets vor Sonnenaufgang zu sprechen und dieSchmoneh Essre nach Sonnenaufgang, wenn der Horizont schon erleuchtet ist.

Die für das Morgengebet notwendigen Tefillin dürfen aber erst getragen werden, wenn ein wenig Licht vorhanden ist.
Moderne jüdische Onlinekalender erlauben die Berechnung aller halachischen Zeiten, es gibt auch Varianten für Smartphones.

Welche Zeiten es gibt und woran sich ihre Berechnung orientiert, klärt dieser Artikel.

Viele Zeiten des Tages sind abhängig vom genauen Stand der Sonne für einen bestimmten Ort. Grundlegende Eckwerte sind Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Die Zeit dazwischen wird nicht in Stunden á 60 Minuten angegeben, sondern in einer Stunde im halachischen Sinne. Diese wird Scha’ah Zmanit genannt. Sie ist ein Zwölftel der Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, oder ein Zwölftel der Nacht.
3 halachische Stunden entsprechen also einem Viertel des Tages.
Um zu errechnen, wann die vierte Stunde des Tages beginnt, muss man also den Zeitraum von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang durch zwölf teilen, mit vier multiplizieren und auf die Zeit des Sonnenaufgangs addieren.

Ein vereinfachtes Beispiel:

Sonnenaufgang - Sonnenuntergang

An unserem fiktiven Tag geht die Sonne um 7 Uhr am Morgen auf und um 20 Uhr wieder unter. Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vergehen also 13 Stunden. Das sind 780 Minuten. Diese 780 Minuten teilt man durch zwölf Einheiten und erhält 65. Die halachische Stunde hat 65 Minuten.
Um die vierte Stunde zu errechnen, multipliziert man also die 65 Minuten mit 4 und erhält 260 Minuten. Diese Zahl addiert man dann auf 7 Uhr und erhält 11:20 Uhr. Die vierte Stunde beginnt also um 11:20 Uhr.

Der Tag

Der jüdische Tag beginnt am Abend. Deshalb beginnt der Schabbat am Freitagabend und nicht am Samstagmorgen. Dies wird mit dem 1. Buch Mosche (Vers 5) begründet: »Und es wurde Abend und es wurde Morgen, ein Tag.«

Sonnenuntergang

Sonnentuntergang Schkijat HaChamah (שְׁקִיעַת הַחַמָּה) ist genau der Zeitpunkt, an dem die Sonne unter den Horizont sinkt.
Mitzwot, die nur während des Tages durchgeführt werden können, können nun nicht mehr durchgeführt werden.
Schkijat HaChamah ist der allerletzte Zeitpunkt für das Sprechen des Minchah-Gebets.

Auf den Sonnenuntergang folgt eine Zeit, die Bein HaSchemaschot בֵּין הַשְּׁמָשׁוֹת, zwischen den Sonnen, genannt wird. Das ist die kurze Zeit zwischen Sonnenuntergang und Einbruch der Nacht.

Einbruch der Nacht

Der Einbruch der Nacht, Tzet haKochawim (צֵאת הַכּוכָבִים), wird üblicherweise als der Zeitpunkt betrachtet, an dem drei (mittelgroße) Sterne am Himmel zu sehen sind. Damit wäre die Nacht ohne Zweifel angebrochen.

Ab diesem Zeitpunkt kann das Abendgebet (Ma’ariw) gebetet werden und das Schma Jisrael am Abend gesprochen werden. Omer kann ab nun ebenfalls für den neuen Tag gezählt werden. An Chanukkah könnten ab diesem Zeitpunkt die Kerzen der Chanukkiah gezündet werden.
Der Talmud (Schabbat 35b) hat festgelegt, dass dieser Zeitpunkt gekommen ist, wenn die Zeit vorüber ist, die man bräuchte, um eine Entfernung von drei Viertel Mil מיל, zu gehen. Eine Mil entspricht etwa 960 bis 1152 Meter. Drei Viertel Mil wären also ungefähr 750 Meter. Man geht für diese Distanz von einer Dauer von 12 bis 18 Minuten aus.

Der Schabbat beginnt mit dem Anzünden der Kerzen vor Sonnenuntergang. Üblicherweise werden die Kerzen 18 Minuten vor Sonnenuntergang gezündet. Rein technisch gesehen, beginnt er auch ohne das Entzünden der Kerzen mit der Zeit des Sonnenuntergangs. In Jerusalem werden die Kerzen 40 Minuten vor Sonnenuntergang gezündet. Aber: Warum?
Diese Hinzufügung von Zeit (Tosefet Schabbat), so schreibt es auch Josef Karo (1488–1575) in seinem Schulchan Aruch (Orach Chajim 261), ist eine Mitzwah. Man solle etwas von der Woche dem Schabbat hinzufügen. Rabbiner Karo schreibt auch, man sollte die Zeit hinzufügen, die man brauche, um ein Mil zu gehen. In vielen Fällen hat man sich auf 18 Minuten für diese Distanz geeinigt.
Eine andere Quelle für die Herkunft dieses zusätzlichen Zeitraums kann auch in der ursprünglichen Bekanntmachung des Schabbats liegen: Im Talmud (Schabbat 35b) wird erklärt, dass der Schabbat durch sechs Schofartöne angekündigt wurde und es zwischen einer Folge von Tönen einen Zeitraum gab, der so lange war, »wie es dauerte, einen kleinen Fisch zu rösten«.

Der Schabbat endet nicht genau zum Zeitpunkt Tzet haKochawim, sondern zu einem Zeitpunkt, an dem man drei kleine Sterne sehen könnte.

Mitternacht

Mitternacht, Chatzot haLajlah (חֲצוֹת הַלַּילָה), ist die halachische Mitternacht. Sie wird ermittelt, indem man die Zeit zwischen Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang ermittelt. Geht die Sonne um 20 Uhr unter und um 7 Uhr am Morgen auf, dann lägen zwischen diesen Zeitpunkten 11 Stunden. Um 2:30 Uhr wäre dementsprechend halachische Mitternacht.
Bis Mitternacht sollte man das Schma Jisrael am Abend gesprochen haben und an Pessach das Afikoman essen.

Morgendämmerung

Morgendämmerung, Alot HaSchachar (עֲלוֹת הַשַּׁחַר), ist der Zeitpunkt an dem die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont strahlen.
Laut Rabbiner Abraham Gombiner (1635 – 1682) und seinem Kommentar zum Schulchan Aruch, Magen Awraham, beginnt schon mit der Morgendämmerung die Kalkulation der halachischen Stunde. Er zählt jedoch bis zum Erscheinen der Sterne und nicht bis Sonnenuntergang. Das führt unter Umständen zu einer abweichenden Länge der halachischen Stunden.

Mit der Morgendämmerung beginnt das Fasten an den Fastentagen (mit Ausnahme von Jom Kippur und Tischa beAw).
Man könnte nun das Schma Jisrael sprechen. Es hat sich jedoch durchgesetzt, dass damit bis zu einem Zeitpunkt gewartet wird, an dem man »einen Bekannten aus einer Entfernung von 4 Ellen (1,90 m) erkennen kann« (Talmud, Berachot 9b). Dieser Zeitpunkt wird Zman Tzitzit weTeffilin (זמן ציצית ותפילין), Zeit für Tzitzit und Teffilin genannt.

Kennt man den Zeitpunkt des Sonnenaufgangs, kann Alot haSchachar berechnet werden. Es heißt, Alot haSchachar liegt zeitlich so weit vom Sonnenaufgang entfernt, wie es dauern würde, 4 Milin (Plural von Mil) zu gehen. Wenn das Zurücklegen von einem Mil 18 Minuten dauert, würde dies etwa 72 Minuten entsprechen. Die Geschwindigkeit mit der Sonne sichtbar wird, hängt jedoch auch von dem Ort ab, an dem der Betrachter sich auf dem Globus aufhält. Deshalb könnte man die früheste Zeit für Tallit und Teffilin auch anhand des Sonnenwinkels feststellen: Für die früheste Zeit von Tallit und Teffilin hat es sich durchgesetzt, dass die Sonne in einem Winkel von 11 Grad (oder 10,2) unter dem Horizont befindet (nautische Dämmerung).

Schema der Morgendämmerung

Schema der Morgendämmerung

Sonnenaufgang

Der Sonnenaufgang, Hanetz Hachamah (הַנֵץ הַחַמָּה), ist der Zeitpunkt, an dem die Sonne über dem Horizont erscheint.
Nach vielen halachischen Autoritäten beginnt die Berechnung der halachischen Stunden um diese Zeit und man kann Schmoneh Essre sprechen.

Spätester Zeitpunkt für das Schma Jisrael

Der späteste Zeitpunkt für das Schma Jisrael, Sof Zman Krijat Schma (סוֹף זְמַן קְרִיאַת שְׁמַע), ist drei halachische Stunden nach Beginn des Tages.

Spätester Zeitpunkt für das Schmoneh Essre

Der späteste Zeitpunkt für das Schmoneh Essre, Sof Zman Teffilah (סוֹף זְמַן תְּפִלָּה), ist vier halachische Stunden nach Beginn des Tages.
Dieser Zeitpunkt ist am Tag vor Pessach der letzte Zeitpunkt, an dem man Chametz (Gesäuertes) essen sollte.

Mittag

Mittag, Chatzot haJom (חֲצוֹת הַיּוֹם), ist die halachische Mitte des Tages. Sie wird ermittelt, indem man die Zeit zwischen Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ermittelt. Wenn der Tag um 07:00 Uhr beginnt und um 20:00 endet, dann ist die halachische Mitte des Tages um 13:30 Uhr.

Minchah

Das Minchah-Gebet kann ab einer halben Stunde nach Mittag gesprochen werden. (Schulchan Aruch Orach Chajim 233,1). Die Zeit für Minchah endet mit Sonnenuntergang.

Der Nachmittag, im Bezug auf Minchah, in zwei Teile geteilt. In das Minchah Gedolah (das große Minchah מִנְחָה גְּדוֹלָה) und das Minchah Ketanah (das kleine Minchah מִנְחָה קְטַנָּה).
Minchah Gedolah ist der Zeitraum, der eine halbe halachische Stunde nach Mittag beginnt, Minchah Ketanah beginnt 3,5 halachische Stunden nach Mittag.
Plag Hamincha (פְּלַג הַמִּנְחָה) ist ein weiterer Zeitpunkt, der mit dem Minchah-Gebet in Zusammenhang steht. Plag Hamincha bedeutet wörtlich Mitte von Minchah und ist die Mitte zwischen Minchah Ketanah und Sonnenuntergang, also eineinviertel Stunden vor Sonnenuntergang. Spricht man Minchah vor diesem Zeitpunkt, kann man das Abendgebet (Ma’ariw) direkt anschließen. Wer Zeit zum Schabbat hinzufügt, dem dient Plag Hamincha als Orientierung für den frühestmöglichen Beginn des Schabbat.

Mussaf

Das zusätzliche Mussaf-Gebet am Schabbat und an Feiertagen sollte vor dem Ende der siebenten halachischen Stunde gesprochen werden.