Schriften, Tanach

Das Hohelied – Schir haSchirim

Die Übersetzung von Moses Mendelssohn ist erst drei Jahre nach seinem Tod, im Jahre 1789 gedruckt erschienen, mit hebräischen Buchstaben und Anmerkungen.
In lateinische Buchstaben übertragen wurde der Text von Jisrael Abraham Brakel.
Die Kommentare (als Fußnoten hier eingefügt) stammen ebenfalls von Mendelssohn und sind in der Originalausgabe in hebräischer Sprache verfasst.

Kapitel 1

​​​1. Lied der Lieder Schelomos.

2. Er küsse mich
Küsse seines Mundes;
Deine Liebe ist köstlicher als Wein.

3. Wie lieblich duften deine Salben!
Dein Name, wie Balsam ausgeschüttet!
Darum lieben Mädchen dich.

4. Zeuch mich dir nach!
O laß uns eilen!
Der König fährt in seine Zimmer mich!
So froh und freudig sind wir dein!
Gedenken deiner Liebe,
Lieblicher als Wein;
Wohlgesinte lieben dich!

5. Schwarz bin ich, doch niedlich,
Ihr Töchter Jeruschalajims!
Wie die Hütten Kedars, 1Kedar – eigentlich schwarze Haut, schwarzhäutig, von קדר, schwarz, dunkelhäutig sein) heißt ein Sohn Ismaels (1. B.M. 25,13) und der von ihm kommende Stamm arabischer Nomaden (Jes. 42,11; 60,7; Jer. 49,28; Jech. 27,21; in Jes. 21,17 steht Bnej Kedar). Die Rabbinen bezeichnen mit diesem Namen die Araber überhaupt, und laschon kedar heißt bei ihnen die arabische Sprache.
Wie Schelomos Teppiche.

6. Schauet mich nicht an,
Daß ich so schwärzlich bin;
Mich hat die Sonne so verbrannt.
Meiner Mutter Söhne zürnten mit mir,
Setzten mich zur Weinberg-Hüterin;
Und meinen Weinberg,
Meinen hab‘ ich nicht gehütet.

7. O sage mir,
Den meine Seele liebt:
Wo weidest du?
Wo ruhest du am Mittag?
Was soll ich schmachten hin und her,
Bei den Herden deiner Gesellen?

8. Weißt du das nicht?
O du der Frauen schönste!
So folge nur der Schafe Tritte,
Und weide deine Zieglein nur
Bei der Hirten Zelten.

9. Mit Roß an Parohs Prachtgespan
Vergleich‘ ich dich, mein Liebchen!

10. Schön sind in Ketlein deine Wangen,
Dein Hals in Schnüren schön!

11. Güldne Spangen machen wir für dich,
Gesprengt mit Silberpünktchen.

12. Bis in des Königs Hofgepränge
Gab meine Narde ihren Duft.

13. Mein Freund ist mir ein Myrrenbüschel, 2In den damaligen Zeiten und den dortigen Gegenden hatten die Frauen die Gewohnheit, sich mit einem Gewürzstrauß zu schmücken, anstatt dass unsere Mädchen einen Blumenstrauß vor ihrem Busen tragen. Dieses ist auch hier mit dem Myrtebüschel gemeint.
Hangend zwischen meinen Brüsten;

14. Mein Freund ist mir ein Balsamknöspchen
Aus den Gärten Engedi. 3En Gedi, die Quelle des Böckchens, ist eine kleine Stadt in der Wüste von Juda, nahe am toten Meer, reich an Palmbäumen.

15. Schön bist du, meine Schäferin!
Schön bist du!
Deine Augen, Täubchen!

16. „Schön bist du, mein Lieber!
»Wie hold bist du!«
Unser Bett ist frisches Grün,
Zedern unsres Hauses Balken,
Zypressen unsre Latten.

Kapitel 2.

1. Ich bin die Lilie Scharons,
die Rose im Blumental;

2. Wie die Rose unter Dornen,
So unter Mädchen meine Schäferin.

3. „Wie unter wildem Gehölze ein Apfelbaum,
»So unter Jünglingen, mein Lieber!«
Mir behests in seinem Schatten;
Da sitze ich nieder,
Und süß ist meinem Gaumen seine Frucht.

4. Ins Weinhaus bracht er mich,
Und sein Panier ist über mich, die Liebe.

5. O stärkt mich mit Rebensaft!
Labt mich mit Äpfelmost!
Denn ich bin liebeskrank.

6. Unter meinem Haupte seine Linke,
Seine Rechte umfaßt mich.

7. Bei den Rehen,
Bei den Hinden dieser Flur
Beschwöre ich euch, 4Der Eid geschieht bei den Feldtieren, weil sich dieses Gedicht auf einen Schäfer und eine Schäferin bezieht, welche die meiste Zeit auf den Feldern zubringen.
Töchter Jeruschalajims!
Wekt sie nicht,
Regt die Liebe nicht,
Bis es ihr gefällt!

8. Stimme meines Lieben!
Ah sieh! er kommt
Über Berge springend,
Über Hügel hüpfend.

9. Einem Rehe ist mein Lieber,
Einem jungen Hirschchen gleich.
Da steht er schohn
Hinter unsrer Wand!
Schauet durchs Geländer,
Blinkt durchs Gitter;

10. Er ruft, mein Lieber;
Spricht zu mir:
Auf, meine Schäferin!
Meine Schöne, auf!
Ah komme!

11. Der Winter ist über,
Der Regen weg, und dahin!

12. Blumen schauet man am Boden;
Die Zeit der Lieder ist da!
Der Turteltaube Stimme
Hört man auf der Flur;

13. Der Feigenbaum würzt seine Früchtlein;
Des Weinstocks junge Träubchen
Verbreiten Wohlgeruch.
Auf, meine Schäferin!
Meine Schöne, auf!
Und komme!

14. Mein Täubchen! dort im Felsenrize,
Dort in der Kluft der Steige
Laß mich sehn dein Angesicht!
Laß mich hören deine Stimme!
Süß ist deine Stimme
Schön dein Angesicht!

15. Fahet uns die Füchse,
Fahet die kleinen Füchse,
Die Weinbergsverderber!
Unser Weinberg knospt.

16. Mein Freund ist mein,
Und ich bin sein,
Der unter Rosen weidet.

17. Bis der Tag sich kühlt,
Bis die Schatten weichen,
Kehr um o Lieber!
Gleich dem muntern Rehe,
Gleich dem jungen Hirschchen,
Über Scheideberge!

Kapitel 3.

1. Nachts auf meiner Lagerstäte
Sucht‘ ich, den meine Seele liebt.
Ich suchte, fand ihn nicht.

2. Wohlan! so will ich aufstehn,
Umhergehn in der Stadt,
In den Straßen,
In den Gaßen
Suchen, den meine Seele liebt.
Ich suchte, fand ihn nicht.

3. Es fanden mich die Wächter,
Die in der Stadt umgehn.
»Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt?«

4. Kaum bin ich weg von ihnen,
Da find ich ihn, den meine Seele liebt.
Ich halt‘ ihn, laß ihn nicht,
bis ich ihn bringe
In meiner Mutter Haus,
In meiner Gebährerin Zimmer.

5. Euch beschwöhre ich,
Jeruschalajims Töchter!
Bei den Rehen,
Bei den Hinden dieser Flur:
Weckt sie nicht,
Regt die Liebe nicht,
Bis es ihr gefällt!

6. Wer ist die aus der Wüsten
Dort steiget empor?
Wie säulengrader Rauch empor?
Wohlgeruch von Myrren und Weirauch,
Duftender als Krämerwürze.

7. Sehet Schelomo sein Bett!
Sechzig Starken stehen umher
Aus den Starken Israels;

8. Alle Hand am Schwerdt,
Alle Krieges gelehrt!
Jeder an der Hüfte sein Schwerdt,
Vor mitternächtlich Grauen.

9. König Schelomo ließ sich ein Prachtbett machen,
Aus Libanons Gehölze;

10. Die Säulen macht er silbern,
Den Himmel von Gold,
Den Sitz von Purpur;
Die Mitte gepolstert mit Liebe
Zu den Töchtern Jeruschalajims.

11. Geht hin, ihr Töchter Zion’s
Schauet Schelomo, den König,
In der Krone, 5Hier wird nicht auf die königliche Krone, sondern auf einen Blumenkranz verwiesen, welcher der Liebe geweiht war.
Womit am Tage seiner Hochzeit,
Am Tage seiner Herzensfreude
Ihn seine Mutter krönte.

Kapitel 4.

1. Schön bist du, meine Schäferin!
Schön bist du!
Deine Augen Täubchen, 6Hier wird unter Täubchen zärtlich und unschuldig verstanden.
Zwischen deinen Locken;
Dein Haar wie Gemsenherde,
Hangend von dem Berge Gilead;

2. Deine Zähne Lämmerherde,
In Reihen wohlgeordnet,
Aus der Schweine steigend:
Alle zwillingträchtig,
Keines derselben fehlt;

3. Wie Rosenfaden deine Lippen,
Die Sprachgliedmaßen lieblich;
Wie am Granat der Riz,
So deine Wangen am Lockenhaar;

4. Dein Hals wie Davids Turm,
Gebaut zur Waffenburg: 7
Tausend Schilde hängen d’ran,
Aller Helden Schilde;

5. Deiner Brüste Par
Ein junges Rehepar,
Zwillinge einer Mutter
Weidend unter Rosen.

6. „Bis der Tag sich kühlt,
»Bis die Schatten weichen,
Will ich zum Myrrenberge,
Zum Weihrauchhügel gehen.«

7. Ganz bist du schön,
O meine Schäferin!
Kein Fehler ist an dir!

8. Mit mir, vom Libanon
Komm, meine Braut!
Mit mir vom Libanon!
Schau von der Höhe Amanah,
Von Schenir und Chermon 8Von diesen Bergen ist eine reizende Aussicht, von wo man eine blumen- und pflanzenreiche Flur, auch schöne Quellen sieht. weit umher;
Von der Löwen Wohnung,
Vom Leopardengebirge.

9. Du raubst mein Herz,
O Schwester, liebe Braut!
Du raubst mein Herz
Mit deiner Blicke einem,
Mit deiner Schnühre am Halse einer.

10. Wie hold ist deine Liebe,
Schwester, liebe Braut!
Wie süßer deine Liebe als Wein;
Deiner Salben Duft
Als alle Würze!
Honig trieft von deinen Lippen, Braut!
Unter deiner Zunge Milch und Honig;
Und deine Kleider duften,
Wie Libanon duftet.

12. Mein wohlverwahrter Garten
Bist du, Schwester Braut!
Verschloßner Quell bist du,
Brunnen siegelbewahrt;

13. Dein Gewächs‘ ein Paradies,
Mit Granaten, mit köstlicher Frucht,
Mit Cypern und Narden,

14. Nardus und Krokus,
Kanna und Zinnamon, 9Unter Krokus wird Safran verstanden; unter Kanna Gewürzrohr und unter Zinnamon Zimt.
Weirauchstauden allerlei;
Aloe und Myrren
Und alle edle Würze;

15. Wie Gartenbrunnen,
Quell lebendiges Wassers,
Die rieseln von Libanon. –

16. Auf Nordwind!
Südwind komme!
Durchwehe meinen Garten,
Daß seine Würze fließen,
So gehe denn mein Freund
In seinen Garten,
Und esse seine köstliche Frucht.

Kapitel 5.

1. Ich kam in meinen Garten,
Schwester, liebe Braut!
Und brach von meinen Myrren,
Von meinen Würzen ab;
Ich aß von meinem Seime, 10Seim ist Honigseim
Samt meinem Honig;
Und trank von meinem Weine,
Samt meiner Milch. –
Eßt meine Geliebten;
Trinkt ihr, meine Freunde,
Und werdet berauscht.

2. Ich schlafe,
Allein es wacht mein Herz;
Stimme meines Lieben!
Er klopft an!
»Tu mir auf, Schwester!
Meine Schäferin!
Mein Täubchen, meine Fromme!
Mir ist das Haupt voll Taues
Nachtstropfen voll die Locken.«

3. Mein Kleid ist ausgezogen,
Wie soll ich’s wieder anziehen?
Meine Füße rein gewaschen
Soll ich sie wieder besudeln?

4. Mein Lieber strekte
Durchs Gitter seine Hand;
Mein Herz schlug mitleidsvoll.

5. Da stand ich auf,
Dem Lieben aufzutun;
Meine Hände troffen Myrre, 11Weil die Myrre auch flüssig gemacht werden kann.
Nasse Myrre meine Finger,
Über die Riegel am Schloss.

6. Ich tat ihm auf, dem Lieben;
Mein Lieber war entwichen, war hin;
Entgangen war mir meine Seele,
Als er so zu mir sprach.
Nun sucht‘ ich ihn,
Und fand ihn nicht;
Ich rief ihm zu,
Keine Antwort kam zurück.

7. Mich fanden die Hüter,
Die in der Stadt umgehn;
Die schlugen mich,
Verwundeten mich; 12Die Wächter hielten sie für eine betrunkene Frau. Denn es ist nicht Gebrauch keuscher Mädchen, in der dunklen Nacht auszugehen.
Meinen Schleier nahmen,
Die Hüter auf den Mauern.

8. Ich beschwöhr‘ euch,
Töchter Jeruschalajims!
Wenn ihr meinen Lieben findet,
Ah! was werdet ihr ihm sagen?
Daß ich krank vor Liebe bin!
9. „Was ist dein Freund vor andern Freunden?
»O du der Frauen schönste!
Dass du uns so beschwörst?«

10. Mein Freund ist weiß und roht,
Von vielen Tausenden erkoren;

11. Sein Haupt 13Hier wird eigentlich der Turban gemeint. das feinste Gold,
Seine Locken kraus und wallend,
Wie Raben schwarz;

12. Seine Augen wie die Täubchen
An Wasserquellen,
In Milch gebadet,
Stehen in der Fülle;

13. Seine Wangen Würzbeetlein,
Specereien Kästchen.
Seine Lippen sind wie Rosen,
Triefen fließende Myrre;

14. Seine Hände güldene Walzen,
Besetzt mit Türkißen;
Sein Leib wie reiner Elfenbein,
Geschmückt mit Saphiren;

15. Seine Schenkel Marmorsäulen,
Auf güldnen Füßen fest;
Sein Ansehen wie der Libanon,
Wie Zedern auserlesen;

16. Sein Gaumen Süßigkeiten,
Ganz er, Lieblichkeiten.
So ist mein Lieber,
So ist mein Freund,
Töchter Jeruschalajims!

Kapitel 6.

1. „Wo ging er hin, dein Lieber?
»O du der Frauen schönste!
Wo wandte sich dein Lieber hin?
Wir suchen ihn mit dir!«

2. Mein Lieber ging hinab in seinen Garten,
Zu seinen Würzbeetlein;
Weidet in den Gärten sich,
Und sammelt Rosen ein.

3. Mein Freund, ich bin sein;
Mein Freund, er ist mein,
Der sich unter Rosen weidet!

4. Schön bist du, Schäferin!
Wie Thirzah 14Es verstehen zwar einige unter T(h)irzah eine Grazie, allein das Folgende zeigt, dass hier eine Stadt gemeint ist. schön,
Lieblich wie Jeruschalajim,
Furchtbar wie ein Kriegsheer.

5. Wende deine Augen
Weg von mir;
Sie überwältigen mich.
Dein Haar wie Gemsenherde,
Herab von Gilead hangend;

6. Deine Zähne wie Lämmerherde,
Aufsteigend aus der Schwemme,
Alle Zwillinge trächtig;
Keines derselben fehlt.

7. Wie am Granat ein Riz
So deine Wange am Lockenhaar.

8. Sechzig sind der Königinnen,
Der Nebenfrauen achtzig,
Jungfrauen ohne Zahl.
Eine, die ist meine Taube,
Meine Fromme;
Eine, ihrer Mutter Liebste,
9. Ihrer Gebährerin Teuerste.
Die Mädchen sahen sie,
Preiseten sie selig;
Sie lobten Königin und Nebenfrau. 15Chajm Guski: Im hebräischen Original steht hier eigentlich der Plural. Es ist nicht ganz klar, warum Mendelssohn sich hier für die Einzahl entschieden hat.

10. Wer ist die, die hervorblickt
Wie Morgenrot?
Lieblich wie der Mond,
Lauter wie die Sonne,
Furchtbar wie Kriegsschar?

11. »Zum Nussgarten stieg ich hinab,
Das Gesträuch im Tal zu schauen:
Ob der Weinstock treibt,
Ob Granaten blühen;

12. „Und wußte nicht daß meine Seele
Mich gesetzt zum Kriegeswagen
Meines edlen Volks.«

Kapitel 7.

1. Kehr um, kehr um, o Schulamit!
Kehr um, kehr um!
Daß wir dich schauen.
»Was wollt ihr schauen an Schulamit?«
Wie Reigentanz der Kriegsscharen.

2. Wie schön sind in den Schuhen,
Fürstentochter, deine Tritte!
Deiner Hüften Schwingungen,
Wie Kettenwerk von Meisterhand;

3. Dein Nabel wie ein runder Becher,
Dem nimmer Maaß gebricht;
Dein Bauch ein Weizenhügel,
Umsteckt mit Rosen;

4. Deiner Brüste Par
Ein junges Rehepar,
Zwillinge einer Mutter;

5. Dein Hals ein Turm von Elfenbein;
Deine Augen Teiche zu Cheschbon,
Am Tor der großen Töchter;
Deine Nase wie auf Libanon der Turm,
Der gen Dameschek schauet.

6. Dein Haupt steht auf dir wie der Karmel;
Deines Hauptes Locken wie der Purpur
Am Königsbunde, schön geschlungen.

7. Wie schön bist du,
Wie so lieblich bist du,
O Liebe unter den Lüsten!

8. Diese deine Höhe
Gleicht dem Palmenbaum,
Den Trauben deine Brüste.

9. Ich sprach: laß mich klimmen
Auf den Palmenbaum
Ergreifen seine Zweige;
Lass deine Brüste sein
Wie am Weinstok Trauben,
Deiner Nase Hauch
Wie Äpfelduft;

10. »Dein Gaumen wie der edle Wein
Der meinem Freunde sanft einschleicht,
Und schwazhaft macht
Des Schlummernden Lippen;«

11. »Ich bin meinem Lieben, 16Ich gehöre meinem Freund an.
Und er sehnt sich nach mir.«

12. »Komm, mein Lieber!
Lass uns aufs Land hinaus!
Lass uns auf Dörfern bleiben!«

13. »Früh in die Weinberge gehen,
Schauen, ob der Weinstok ausschlägt?
Ob er die Träublein ansezt?
Ob die Granaten blühen?
Da schenk ich dir all meine Liebe!«

14. »Dudaim 17Im seinem Kommentar zum ersten Buch Mose hat Mendelssohn das Wort Dudaim erklärt: Einige sagen, es wäre die Wurzel eines Krauts, welches das Schwangerwerden fördert oder den Geschlechtstrieb weckt; auch bemerkten einige, dass die Zeit der Blüte in den Frühling fällt, welcher gerade die Zeit der Liebe ist und dieses ist auch die Etymologie des Wortes dudaim, mit einem überflüssigen Alef: von dem Wort dodai, meine Liebe, das im vorhergehenden Vers steht. Es hat deshalb ein Gelehrter das Wort dudaim deutsch durch »die Blumen der Liebe« wiedergegeben. duften schon;
Und über unsrer Tür
Edle Früchte allerlei,
Heurige und fernige,
Für dich, mein Lieber! aufbehalten.«

Kapitel 8.

1. Wer giebt dich mir,
Zum Bruder mir?
Der meiner Mutter Brust gesogen.
Ich fände draußen dich,
Und küßte dich,
Und Niemand dürft‘ es höhnen.

2. Ich führte dich,
Ich brächte dich
In meiner Mutter Haus:
Da solltest du mich lehren;
Ich, tränkte dich
Mit wohlgewürztem Weine,
Mit süßem Most von meinen Granaten, –

3. Unter meinem Haupte seine Linke,
Seine Rechte umfaßt mich;

4. Euch beschwöhre ich,
Töchter Jeruschalajims!
Was wekt ihr sie?
Was regt ihr auf, die Liebe,
Bevor es ihr gefällt?

5. Wer ist sie die dort aufsteigt
Aus der Wüsten her,
Gelehnt auf ihren Freund?
Unter’m Apfelbaume
Weckt‘ ich dich,
Wo deine Mutter dich gebahr,
Dich gebahr deine Erzeugerin.

6. Ah setze mich
Wie ein Siegel auf dein Herz!
Wie ein Siegel auf deinen Arm!
Stark ist die Liebe, wie der Tod;
Ihr Eifer wie die Hölle fest;
Ihre Glut der Blitze Glut,
Flamme des Herrn.

7. Starke Fluten
Löschen nicht die Liebe,
Ströme führen sie nicht fort;
Und gebe einer
Alles Gute in seinem Hause
Um die Liebe,
Sie verschmähen, verachten ihn.

8. Unsre Schwester ist noch klein,
Ihr Busen noch nicht reif.
Was tun wir unsrer Schwester,
Wenn Jemand um sie wirbt?

9. Ist sie eine Mauer,
So bauen wir auf ihr
Silbernen Palast;
Ist sie eine Pforte,
So machen wir sie fest
Mit Bolen Cedernholz. –

10. Eine Mauer bin ich nun,
Und meine Brüste Türme;
Jetzt bin in seinen Augen ich,
Als hätte ich Friede gefunden.

11. Ein Weinberg war dem Schelemo,
Zu Ba’al Hamon;
Er gab den Weinberg Hütern aus,
Daß jeder tausend Silberlinge
Ihm für die Früchte bringe. –

12. Mein Rebenhügel liege vor mir.
Dein sind, o Schelomo! die Tausende!
Zweihundert bleiben noch
Für die Hüter seiner Frucht,

13. Die du wohnst in den Gärten,
Laß mich hören deine Stimme!
Die Gespielen horchen d’rauf.
»Fleuch mein Geliebter!
Gleich einem Rehe,
Einem jungen Hirschchen
Auf Würzgebirgen.«

  • 1
    Kedar – eigentlich schwarze Haut, schwarzhäutig, von קדר, schwarz, dunkelhäutig sein) heißt ein Sohn Ismaels (1. B.M. 25,13) und der von ihm kommende Stamm arabischer Nomaden (Jes. 42,11; 60,7; Jer. 49,28; Jech. 27,21; in Jes. 21,17 steht Bnej Kedar). Die Rabbinen bezeichnen mit diesem Namen die Araber überhaupt, und laschon kedar heißt bei ihnen die arabische Sprache.
  • 2
    In den damaligen Zeiten und den dortigen Gegenden hatten die Frauen die Gewohnheit, sich mit einem Gewürzstrauß zu schmücken, anstatt dass unsere Mädchen einen Blumenstrauß vor ihrem Busen tragen. Dieses ist auch hier mit dem Myrtebüschel gemeint.
  • 3
    En Gedi, die Quelle des Böckchens, ist eine kleine Stadt in der Wüste von Juda, nahe am toten Meer, reich an Palmbäumen.
  • 4
    Der Eid geschieht bei den Feldtieren, weil sich dieses Gedicht auf einen Schäfer und eine Schäferin bezieht, welche die meiste Zeit auf den Feldern zubringen.
  • 5
    Hier wird nicht auf die königliche Krone, sondern auf einen Blumenkranz verwiesen, welcher der Liebe geweiht war.
  • 6
    Hier wird unter Täubchen zärtlich und unschuldig verstanden.
  • 7
  • 8
    Von diesen Bergen ist eine reizende Aussicht, von wo man eine blumen- und pflanzenreiche Flur, auch schöne Quellen sieht.
  • 9
    Unter Krokus wird Safran verstanden; unter Kanna Gewürzrohr und unter Zinnamon Zimt.
  • 10
    Seim ist Honigseim
  • 11
    Weil die Myrre auch flüssig gemacht werden kann.
  • 12
    Die Wächter hielten sie für eine betrunkene Frau. Denn es ist nicht Gebrauch keuscher Mädchen, in der dunklen Nacht auszugehen.
  • 13
    Hier wird eigentlich der Turban gemeint.
  • 14
    Es verstehen zwar einige unter T(h)irzah eine Grazie, allein das Folgende zeigt, dass hier eine Stadt gemeint ist.
  • 15
    Chajm Guski: Im hebräischen Original steht hier eigentlich der Plural. Es ist nicht ganz klar, warum Mendelssohn sich hier für die Einzahl entschieden hat.
  • 16
    Ich gehöre meinem Freund an.
  • 17
    Im seinem Kommentar zum ersten Buch Mose hat Mendelssohn das Wort Dudaim erklärt: Einige sagen, es wäre die Wurzel eines Krauts, welches das Schwangerwerden fördert oder den Geschlechtstrieb weckt; auch bemerkten einige, dass die Zeit der Blüte in den Frühling fällt, welcher gerade die Zeit der Liebe ist und dieses ist auch die Etymologie des Wortes dudaim, mit einem überflüssigen Alef: von dem Wort dodai, meine Liebe, das im vorhergehenden Vers steht. Es hat deshalb ein Gelehrter das Wort dudaim deutsch durch »die Blumen der Liebe« wiedergegeben.