Kaschrut

Kaschrut – Die jüdischen Speisevorschriften

Eine Besonderheit des Judentums, die Außenstehenden oft als Erstes auffällt, sind die Speisevorschriften, die, wie vieles andere, dem Ziel dienen, ein Leben in ritueller Reinheit zu ermöglichen.

Das hebräische Wort „Kaschruth“ כַּשְׁרוּת bedeutet „rituelle Eignung“ und stammt von dem Wort „kascher“ (jiddisch: „koscher“ כָּשֵׁר), – „erlaubt, tauglich, geeignet“ – , ab. In Bezug auf Speisen sind damit solche gemeint, die nach jüdisch-religiösen Maßstäben zum Verzehr erlaubt sind. Die diesbezüglichen Gebote und Verbote stammen größtenteils direkt aus der Thorah, der am Sinai offenbarten göttlichen Lehre. Gemäß der jüdischen Auffassung, dass der geistige und der körperliche Anteil des Menschen zusammengehören, und der Mensch nur in dieser Einheit seiner Bestimmung folgen kann1„Siddur Sefath Emeth“, Victor Goldschmidt Verlag, Basel, 1972; hierin:„Elohaj, neschamah sche-nathatha bi …“ (im Morgengebet, S. 5) (hier online), „Rachum we-chanun, chatathi …“ (im Morgengebet, S. 54) und Psalm 115, V. 17 (im Hallel, S. 204), verfolgen die jüdischen Speisevorschriften das Ziel, die rituelle Reinheit des Körpers zu bewahren und zu gewährleisten als Entsprechung für das Bemühen des Menschen, auch im geistigen Bereich rein zu sein, bzw. Läuterung zu erfahren. Dies ist die Antwort auf Gottes Geheiß

„… ihr sollt euch heilig halten, damit ihr heilig seid, denn Ich bin heilig … Ich bin der Ewige, der euch aus dem Lande Ägypten geführt hat, um euer Gott zu sein; ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig.“

(Lev 11, 44 und 45)

Alles Gewalttätige, Brutale wird abgelehnt als dem Menschenziel abträglich. Die Vergeistigung, die sittliche Verfeinerung ist das Erziehungsideal, gemäß dem Prophetenwort „Nicht durch Macht, nicht durch Kraft, allein durch Meinen Geist! – spricht der Herr der Heere.“ (Sach 4, 6)2 Israel Meïr Lau, „Wie Juden leben: Glaube, Alltag, Feste“, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 1988; hierin: S. 75 und S. 76. Und so lassen sich die jüdischen Speisegesetze, die manchen schwer verständlich erscheinen, recht zwanglos hierdurch erklären.
Man kann bei diesen Gesetzen verschiedene Bereiche unterscheiden:

Das ungesäuerte Brot

Ab der Pessach-Nacht, in der die Befreiung aus der todbringenden Sklaverei in Ägypten gefeiert wird, darf eine Woche lang nichts Gesäuertes gegessen werden. Alles Gesäuerte, das den alten, den versklavten Menschen darstellt, muss zuvor vernichtet werden. Nur ungesäuertes Brot darf gegessen werden, ist kascher (Ex 12, 15). Das Ungesäuerte ist ein Bild des neuen Zustandes nach der Befreiung.

Krankes und Totes

Das Essen vom Fleisch kranker oder verendeter Tiere (Aas) ist verboten. Jede Berührung mit Krankmachendem oder Totem bedingt rituelle Unreinheit, die überwunden werden muss (Lev 11, 24,27,31,39; Lev 13; Lev 17, 15-16; Lev 22, 17-25; Deut 14, 21).

Grausamkeit

Wenn schon Tiere ihr Leben dafür hergeben müssen, dass der Mensch von ihrem Fleisch sich ernähren kann (Gen 9, 2ff), so müssen sie in einer Weise getötet werden, die ihnen so wenig wie möglich Leid verursacht, – das ist die Grundlage der jüdischen Schlachtmethode des Schächtens. Nur das Fleisch geschächteter Tiere darf gegessen werden. Das Fleisch gerissener, d.h. auf grausame Weise umgekommener Tiere ist verboten (Lev 17, 15-16; Deut 14, 21). Der Begriff „Trefah“ bedeutet „Gerissenes“ und wird im erweiterten Sinn für alles zum Verzehr ungeeignete Fleisch verwendet. Lebende Tiere oder Teile lebender Tiere dürfen nicht gegessen werden (Gen 9, 4). Muttertiere und ihre Jungen dürfen nicht am selben Tag geschlachtet werden (Lev 22, 28; vgl. auch 2Makk 7, 4b). Jungtiere dürfen nicht in der Milch ihrer Mutter gekocht werden (Ex 23, 19; Deut 14, 21). Letztere Bestimmung führte zur generellen Trennung von Milchigem und Fleischigem, die bei einer Mahlzeit nicht zusammen gegessen werden dürfen. Diesbezüglich „neutrale“ Speisen, die also weder Milch noch Fleisch enthalten, werden als „parwe“ bezeichnet. Das Fleisch der Fische, deren Junge aus Eiern schlüpfen und nicht gesäugt werden, gilt als „neutral“ und kann mit Milchigem oder Fleischigem kombiniert werden. Das Fleisch der Vögel, die ja ihre Jungen auch nicht säugen, wird dagegen dem Säugetierfleisch gleichgesetzt, da die warmblütigen Vögel eher als die kaltblütigen Fische als seelisch leidfähig angesehen werden

Darstellung des Schächtens aus dem 15. Jahrhundert
Darstellung des Schächtens aus dem 15. Jahrhundert

Blut

Blut oder Fleisch, in dem noch Blut ist, darf nicht gegessen werden: „Iss nicht das Blut, denn das Blut ist die Seele, und du sollst nicht die Seele mit dem Fleische essen.“ (Gen 9, 4; Lev 17, 10-14; Deut 12, 23). Der Respekt vor dem Tier, dessen Fleisch wir essen wollen, gebietet es, dass wie sein Blut, seine Seele an Gott zurückgeben. Mit der Seele des Tieres sollen wir uns nicht vereinigen. Die Methode des Schächtens gewährleistet das stärkstmögliche Entbluten der geschlachteten Tiere. Fische werden nicht geschächtet; ihr Fleisch muss daher gewässert und gesalzen werden um das Blut zu entziehen.

Raubtiere und unreine Tiere

Das Fleisch von Raubtieren, Raubvögeln, Raubfischen (Lev 11, 9-19), die ihrerseits sich ernähren, indem sie andere Tiere fressen, also Tiere, die in ihrer Lebensart etwas für unsere Begriffe Grausames haben, darf nicht gegessen werden. Nur Säugetiere, die sich ausschließlich von Pflanzen ernähren und „sanft“ sind, und zwar solche, die Wiederkäuer sind und zugleich ganz gespaltene Hufe haben (Rinder, Ziegen, Schafe, Rehe), zahme Vögel (z.B. Taube, Ente, Gans), sowie Fische mit Schuppen und Flossen (z.B. Karpfen, Hering) dürfen gegessen werden (Lev 11, 3ff; Deut 14, 4,5). Tiere, die diese Bedingungen nicht erfüllen, gelten als unrein; sie dürfen nicht zur Nahrung dienen (Lev 11, 4; Lev 11, 20-25,29-31; 41), insbesondere nicht das Schwein, Nagetiere, sogenannte „Meeresfrüchte“, Insekten (Ausnahme: bestimmte Heuschrecken-Arten; auch das Produkt der Bienen, Honig, ist erlaubt). Die erlaubten Säugetiere und Vögel sind zugleich Tiere, die zur Zeit des Tempels als Opfertiere zugelassen waren.

Gottgeweihtes

Die Erstlinge von Tieren und Pflanzen sind gottgeweiht (Ex 23 ,19; Lev 23, 10,14) und mussten zur Zeit des Tempels geopfert oder ausgelöst werden. Wird Teig gemacht, muss ein kleiner Teil davon als Gabe an Gott abgetrennt werden („Challah“; Lev 23, 14), – nur dann darf der übrige Teig zu Speise verarbeitet werden. Gewisse Teile von Tieren, die zur Speise bestimmt sind, dürfen nicht gegessen werden: Das Blut (siehe oben), das Bauchhöhlen- und Nierenfett (Lev 7, 23), – sie mussten zur Zeit des Tempels geopfert werden -, außerdem die Hüftsehne (Gen 32, 33), – letzteres in Erinnerung daran, dass Jakob im Kampf mit dem Engel Gottes von diesem an seiner Hüftsehne verletzt wurde.

Menschengewidmetes

Der zehnte Teil aller Erträge ist den Leviten, die den Tempeldienst versahen und sonst keine Einnahmequellen hatten, außerdem den Armen und Bedürftigen vorbehalten (Lev 27, 30-32; Num 18, 21; Deut 12, 17; Deut 14, 22 und 28-29). Ein Feld darf nicht vollständig abgeerntet werden, – auf das Stehengebliebene, außerdem auf heruntergefallene Ähren haben die Armen ein Anrecht (Lev 19, 9-10; Deut 24, 19).

Gebote zugunsten von Pflanzen

Die ersten Früchte eines Baumes sind drei Jahre lang für den Menschen zur Speise und sonstiger Verwertung verboten (Lev 19, 23). Der junge Baum ist, um lebenskräftig zu werden, auf die Bildung von Humus angewiesen. Sowohl die im Herbst herab fallenden Früchte als auch der Blätterfall verhelfen ihm dazu3 A.P. und A.H. Hüttermann, „Am Anfang war die Ökologie. Naturverständnis im Alten Testament“, Verlag Antje Kunstmann, München, 2002.8. Auf einem Feld dürfen nicht zweierlei Pflanzen gesät werden, – wenn doch geschehen, sind sie, bzw. ihre Früchte zur Ernte, und damit auch zur Speise verboten (Lev 19, 19; Deut 22, 9). Verschiedene Pflanzen haben verschiedene Wachstumsbedingungen; werden sie gezwungen an gleicher Stelle zu wachsen, könnten sie sich möglicherweise gegenseitig beeinträchtigen. Eine zu intensive Bodennutzung würde außerdem zu seiner Auslaugung führen.

Götzenspeise

Wein und Speisen, die für Götzendienst zubereitet wurden, sind verboten, da sie in falscher Gesinnung bereitet wurden (Ex 22, 19; bTalmud, Schabbath 17b).
Dies sind die unterscheidbaren Bereiche jüdischer Speisegesetze. Ihre Einhaltung hilft, ein gottgeweihtes und der Liebe zum Nächsten und zur Kreatur verpflichtetes Leben zu führen. Es ist ein Angebot an alle Menschen.

Quellenverzeichnis

  • -„Pentateuch mit deutscher Übersetzung von J. Wohlgemuth und J. Bleichrode“, Victor Goldschmidt Verlag, Basel, 1969
  • – „Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung“, Verlag Herder, Freiburg i.Br., 1980

Abkürzungsverzeichnis

Gen = Genesis = I.B.M. = Buch Bereschith der Thorah
Ex = Exodus = II.B.M. = Buch Schemoth der Thorah
Lev = Leviticus = III.B.M. = Buch Wa-Yiqra’ der Thorah
Num = Numeri = IV.B.M. = Buch Ba-Midbar der Thorah
Deut = Deuteronomium = V.B.M. = Buch Devarim der Thorah
Sach = Secharja = Buch des Propheten Zekharyah im TheNaKh
2Makk = 2. Makkabäerbuch
bTalmud = Babylonischer Talmud

  • 1
    „Siddur Sefath Emeth“, Victor Goldschmidt Verlag, Basel, 1972; hierin:„Elohaj, neschamah sche-nathatha bi …“ (im Morgengebet, S. 5) (hier online), „Rachum we-chanun, chatathi …“ (im Morgengebet, S. 54) und Psalm 115, V. 17 (im Hallel, S. 204)
  • 2
    Israel Meïr Lau, „Wie Juden leben: Glaube, Alltag, Feste“, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 1988; hierin: S. 75 und S. 76
  • 3
    A.P. und A.H. Hüttermann, „Am Anfang war die Ökologie. Naturverständnis im Alten Testament“, Verlag Antje Kunstmann, München, 2002.8