Creative Commons, Mischna Awot

Pirkej Awot mit dem Kommentar des Moses Maimonides > Kapitel 1

Die Übersetzung stammt von Me’ir Rawicz.

Alle Kapitel
Kapitel 1 | Kapitel 2 | Kapitel 3 | Kapitel 4 | Kapitel 5 | Kapitel 6

§ 1

Moses empfing1 die Thora vom Sinai und übergab sie dem Josua, Josua übergab sie den Ältesten, die Ältesten den Propheten, die Propheten übergaben sie den Männern der großen VerSammlung (der großen Synode, die aus 120 Mitgliedern bestand und von Esra ins Leben gerufen wurde); diese letzteren sprachen drei Dinge aus: Seid vorsichtig im Urteil2, stellet viele Schüler aus und machet einen Zaun um die Lehre3.

§ 2

Simon der Gerechte gehörte zu den letzten der Männer der großen Versammlung. Dieser sagte: Auf drei Dingen beruht die Welt: Auf Thora, auf Gottesdienst und auf Wohltätigkeit4.

§ 3

Antigonos, ein Mann aus Soche empfing (Lehren) von Simon dem Gerechten. Er sagte: Seid nicht wie Knechte, welche dem Herrn unter der Bedingung, dass sie Lohn5 erhalten, dienen, sondern seid wie Knechte, die dem Herrn ohne Bedingung, dass sie Lohn empfangen werden, dienen und es sei die Furcht vor Gott auf euch6.

§ 4

Jose b. Joëser, ein Mann aus Zaredah, und Jose b. Jochanan, ein Mann aus Jerusalem, empfingen von ihnen: Jose b. Joëser aus Zaredah sagt: Es sei dein Haus ein Sammelplatz für die Weisen7, bewirf dich mit dem Staube ihrer Füsse (d.h. wirf dich ihnen zu Füssen, so dass ihr Staub dich trifft, da die Schüler zu Füssen ihrer Lehrer sassen; so nach Levy, W.B. s. v. אבק. Der Sinn scheint jedoch zu sein: Hülle dich ganz in ihre Lehren ein und selbst das, was man nur wie Staub, wie etwas Geringfügiges ansieht, nimm von ihnen an; vgl. Raschi zu Deuter. 7, 12 מצות קלות שאדם דש בעקביו, die Gebote, welche der Mensch mit der Ferse tritt) und schlürfe mit Durst ihre Worte.

§ 5

Jose b. Jochanan, ein Mann aus Jerusalem, sagt: Es sei dein Haus weit geöffnet8 und Arme seien deine Hausleute9 (die viel in deinem Hause verkehren). Sprich nicht viel mit einer Frau, was sie (die Weisen) von der eigenen Frau sagten10 und um so mehr von der Frau des andern gilt. Deshalb sagten die Weisen: Sobald der Mensch viel mit einem Weibe schwätzt, verursacht er sich selbst Böses, unterbricht das Studium der Worte der Lehre11 und schließlich ist die Hölle sein Anteil (w. Erbteil)12.

§ 6

Josua b. Parachja und Nithai aus Arbela erhielten von ihnen die Tradition. Josua b. Parachja sagt: Schaffe dir einen Lehrer13 an und erwirb dir einen Genossen14 und beurteile einen jeden nach der besseren Seite15.

§ 7

Nithai aus Arbela sagt: Halte dich fern von einem bösen Nachbar, schließe dich nicht einem Frevler an16 und halte die Bestrafung nicht für unmöglich17 (d.h. setze auf deine Güter kein Vertrauen, denn du kannst sie leicht durch eine Strafe verlieren).

§ 8

Jehuda b. Tabai und Simon b. Schetach empfingen von ihnen. Jehuda b. Tabai pflegte zu sagen: Mache dich nicht denjenigen gleich, welche die Richter ordnen18, zum Urteil bestimmen (d.h. fungiere nicht in einer Prozesssache als Anwalt für einen Prozessierenden, trotzdem du von der Schuld deines Klienten überzeugt bist, indem du glaubst, durch Scheingründe oder Überredungskunst bei den Richtern ein für ihn günstiges Urteil zu erwirken). Und wenn die Parteien vor dir stehen, sollen sie in deinen Augen als schuldige gelten, sind sie jedoch von dir abgetreten, sollen sie in deinen Augen als unschuldig gelten, sobald sie den Richterspruch auf sich genommen (anerkannt) haben.

§ 9

Simon b. Schetach sagt: Frage gar sehr die Zeugen aus und sei vorsichtig mit deinen Worten (bei den an sie gerichteten Fragen), denn sie könnten daraus lernen, Lügen zu sagen. Schemaja und Abtaljon empfingen von ihnen. Schemaja pflegte zu sagen: Liebe die Arbeit und hasse die Herrschaft und befreunde dich nicht mit der weltlichen Obrigkeit (um durch sie Nutzen zu erlangen)19.

§ 10

Abtaljon sagt: Ihr Weisen, seid vorsichtig mit euren Worten, denn ihr könntet euch der Strafe einer Verbannung schuldig machen, dann würdet ihr nach einem Orte schlechter Gewässer20 vertrieben werden, wovon die Schüler, die nach euch kommen, trinken würden und sterben, wodurch der Name Gottes (w. des Himmels) entweiht werden wird.

§ 11

Hillel und Sammai empfingen von ihnen. Hillel pflegte zu sagen: Sei von den Schülern Aharons21, der den Frieden liebte und dem Frieden nachjagte (ihn zu erstreben suchte), der die Menschen liebte und sie der Gotteslehre näher brachte.

§ 12

Derselbe sagte: Wer seinen Namen zu verbreiten sucht, dessen Name geht ganz unter22, wer nicht zunimmt (an Lehren), geht unter (Var. יֵּאָסֵף), und wer gar nicht lernt, ist des Todes schuldig23 und wer sich der Krone bedient (d.h. aus dem GesetzesStudium weltlichen Nutzen zieht), geht unter. (Eine andere Erklärung ist: Wer sich der Toga sc. der toga candida bedient und sich um Ämter bewirbt, geht unter24.)

§ 13

Derselbe sagte: Wenn ich nicht für mich, wer denn für mich?25 Und wenn ich nur für mich selbst (sorge), was bin ich dann?26 und wenn nicht jetzt, wann denn?27

§ 14

Sammai sagt: Mache dein Gesetzesstudium zu etwas Feststehendem28, sprich wenig und tue viel29 und empfange jeden Menschen mit freundlichem Wohlwollen[^a_8].

[^a_8] Man soll mit den Menschen mild und sanft verkehren und ihnen immer angenehme und gefällige Worte sagen.

§ 15

R. Gamaliel sagt: Schaffe dir einen Lehrer an30, halte dich fern von jeder zweifelhaften Sache (wenn du nicht weisst, ob etwas erlaubt ist oder nicht, tue es nicht) und entrichte nicht oftmals (oder: selbst nicht im reichlichen Masse) den Zehnten nach Mutmassungen.

§ 16

Dessen Sohn Simeon sagt: Mein ganzes Leben hindurch wuchs ich heran unter Weisen und fand für den Körper nichts Besseres als Schweigen. Das Forschen ist nicht die Hauptsache, sondern das Tun, jeder aber, der viel spricht, veranlasst Sünde31.

§17. R. Simon b. Gamaliel sagt: Auf drei Dingen besteht die Welt: Auf Recht, Wahrheit und Frieden, wie (Secharja 8, 16) steht: “Wahrhaft und zum Frieden sprechet Recht in euren Toren.”32


  1. Wir erklärten in der Einleitung zu diesem Werke, was eigentlich unter קבל oder קבלה zu verstehen ist und will ich hier nur die Worte der Frommen und der Überlieferer erläutern, um zur Aneignung einzelner Eigenschaften anzueifern, und zwar solcher, die von großem Nutzen sind. Hierbei wollen wir ausführlicher sein, um vor manchen Lastern zu warnen, deren Schaden groß ist. Übrigens werde ich nur die Worte erklären, ohne auf den Inhalt näher einzugehen, der mit Ausnahme von einigen wenigen Stellen klar und verständlich ist.↩︎

  2. Man soll die Urteilsfällung hinauszögern und nicht schnell eine Entscheidung treffen, damit man einsieht, es könnten manche Dinge aufgeklärt werden, die anfangs noch unklar waren.↩︎

  3. d.s. die Beschlüsse und Verordnungen der Weisen, die den Menschen von der Sünde fern halten sollen, wie Gott sagte: „Beobachtet meine Gebote“, wozu ausdrücklich bemerkt wurde: „Machet eine Beobachtung zu meiner Beobachtung.”↩︎

  4. Unter „Weisheit“ (wie man die Bildung gewöhnlich nennt) ist die Thora zu verstehen, unter „moralisch-ethischen Eigenschaften“ die Wohltätigkeit und unter „Beobachtung der Gebote der Thora“ die Opfer, wodurch der Bestand der Weltordnung und auch die Reihenfolge ihres Seins (ihrer Schöpfung) vollkommen gesichert ist.↩︎

  5. פרס heißt die Erweisung von Wohltaten an solchen, die gar keinen Anspruch darauf zu machen haben, d.h. man erweist sie aus Gnade und Barmherzigkeit, wie z. B. jemand zu seinem Knechte oder zu seinem kleinen (unmündigen) Sohne oder zu seiner Frau sagt: Tue mir dies und jenes, ich werde dir 1 oder 2 Denare dafür geben (die sie auch nicht zu beanspruchen haben und er sie ihnen freiwillig gibt), während שכר ein Lohn ist, der mit Recht gegeben werden muss (den man zu verlangen und auf den man berechtigten Anspruch zu machen hat). Und sagt dieser Fromme (Antigonos): Ihr solltet Gott nicht dienen, damit er euch wohltue und euch vergelte, und ihr immer hoffen könnt auf Belohnung und deswegen ihm dienet, sondern euer Gottesdienst soll dem Dienst von Knechten gleichen, die nicht auf etwas Gutes und auf Vergeltung des Liebesdienstes hoffen.↩︎

  6. d.h. man soll zwar Gott aus Liebe zu ihm dienen, wie wir im 10. Abschnitt von Sanhedrin auseinandersetzten, aber doch schließt das die Ehrfurcht vor Gott nicht aus. Darum sagte er: Wenn ihr Gott aus Liebe dienet, sollet ihr die Ehrfurcht nicht gänzlich außer acht lassen, sondern die Furcht vor Gott soll auf euch sein, denn in der Thora steht bereits das Gebot der Ehrfurcht, wie es heißt (Deut. 10, 20): „Den Ewigen deinen Gott sollst du ehrfürchten“, wozu unsere Weisen bemerken: Diene aus Liebe und aus Ehrfurcht. Sie sagen ferner: Wer Gott liebt, wird nichts vergessen von dem, was Gott ihm zu tun befohlen hat, und wer Gott fürchtet, wird nichts tun, was ihm zu tun verboten ist, denn die Furcht ist die wichtigste Bedingung für die Verbote, und um so mehr für die traditionellen Gebote. Dieser Weise (sc. Antigonos) hatte zwei Schüler, der eine hieß Zadok und der andere hieß Boëthos. Wie diese hörten, dass er (Antigonos) diesen Ausspruch tat, gingen sie von ihm fort und sagte der eine zum andern: Siehe, der Lehrer sagte ausdrücklich, dass es für den Menschen weder eine Belohnung (des Guten), noch eine Bestrafung (des Bösen), noch eine Hoffnung (auf ein besseres Jenseits) gebe; sie verstanden ihn jedoch nicht, da bestärkte der eine von ihnen den andern, auszutreten aus der Gesamtheit (des Judentums). Sie verliessen die Thora und es verband sich mit dem einen diese, mit dem andern jene Partei, welche die Weisen Sadduzäer und Boëthusäer nannten. Da sie aber die Gemeinden nicht zu dem, was sie für Glauben hielten, vereinigen konnten, denn ein solch schlechter Glaube trennt eher die Verbundenen, als dass er die Getrennten einigen sollte, neigten sie sich mehr dazu, das zu glauben, was sie bei der Menge nicht leugnen konnten; denn wenn sie es gesagt hätten, hätte man sie getötet, d.h. sie glaubten wieder an die Worte der Thora und sagte jeder zu seiner Partei: Er glaube zwar an die Thora, aber er bestreite die Tradition, die nicht wahr sei, was nur geschah, um sich von den überlieferten Geboten, Befehlen und Verordnungen (der späteren Weisen) loszusagen, da sie nicht alles, was geschrieben und überliefert ist, umstoßen konnten. Außerdem war ihnen das unbequem, eine Trennung herbeizuführen, denn nachdem der Ausgetretene nach seiner Wahl zurückkehrte, konnte jeder erleichtern resp. erschweren, wie er es nach seiner Ansicht für gut fand, da er ja in der Hauptsache nichts glaubte, und verlangten sie vielmehr (von ihren Anhängern) Dinge, die nur von einem Teil Menschen angenommen wurden. Und seitdem kamen diese schlechten (verderblichen) Sekten auf, welche in diesen, d.h. ägyptischen, Ländern Karäer genannt wurden und die bei den Weisen Sadduzäer und Boëthusäer hießen, die anfingen, gegen die Tradition Einwände zu erheben und die Verse (in der Bibel) nach Gutdünken auszulegen, ohne dass sie von Weisen darüber etwas vernahmen; so handelten sie gegen den Ausspruch Gottes (Deut. 17, 11): „Gemäß der Weisung, die sie dir geben und nach dem Rechtsspruche, den sie dir sagen, sollst du tun; nicht weiche von dem Ausspruche, den sie dir künden, rechts noch links.”↩︎

  7. Oder ein Bestimmungsort für die Weisen, d.h. du sollst dein Haus bereit halten, dass sich die Weisen beständig dort versammeln sc. es sollen Betund Lehrhäuser bei dir sein, so dass, wenn der eine zum andern sagt: Wo soll ich mit dir zusammen sein? wohin soll ich mich mit dir verabreden, zusammenzutreffen? dieser ihm erwidert: Im Hause des N. N. werden wir uns treffen.↩︎

  8. d.h. du sollst ein Tor haben, das für die Wanderer geöffnet ist, damit jeder, der Hunger oder Durst hat, sofort ins Haus kommen kann.↩︎

  9. Sie sollen dich bedienen, was besser ist, als sich Knechte zu halten, denn die Weisen verachten den, der Knechte hält und loben den, der von Armen und seinen Hausleuten alle Arbeit machen lässt.↩︎

  10. Denn das Reden mit Frauenzimmern betrifft zumeist den Beischlaf und wird der sexuelle Trieb dadurch erregt.↩︎

  11. Denn man vergeudet die Zeit mit unnützen Dingen.↩︎

  12. Statt יורש liest Maim. יורד sc. יורד לגיהנם↩︎

  13. d.h. selbst wenn er nicht verdient, dein Lehrer zu sein, mache ihn doch zum Lehrer, bis du an ihm merkst, dass er lehren kann und dadurch wird er imstande sein, Weisheit dir beizubringen; denn es ist derjenige, der aus sich selbst lernt (der ein Autodidakt ist), nicht zu vergleichen mit einem solchen, der von andern lernt. Das Selbststudium ist zwar gut, aber was man von andern lernt, behält man besser, auch ist es klarer (da man den Gegenstand besser durchspricht), selbst wenn er dem Lehrer gleich ist an Weisheit oder dieser sogar noch unter ihm steht und so erklärte man es bei der Erläuterung dieses Gebotes.↩︎

  14. Hier heißt es: „Erwirb dir“, nicht „mache dir”, das ist ein edlerer Ausdruck, wie z. B. “schließe dich andern an”, weil damit gesagt werden soll, es muss der Mensch sich einen Freund erwerben, durch den seine Taten und seine Angelegenheiten geregelt werden, wie sie (die Weisen) sagten: “Entweder gesellschaftlich oder Tod”, und wenn man keinen Genossen findet, soll man mit ganzem Herzen sich darum bemühen, selbst wenn man ihn zur Liebe zwingen müsste, bis er ein Freund wird und man darf nicht ablassen, ihn stets zu umwerben, bis die Liebe erstarkt ist, wie die Moralisten sagen: Wenn du liebst, sollst du den Freund nicht nach deiner Art, sondern nach der Art des Geliebten lieben, und wenn jeder der beiden Freunde sich dessen befleissigt, so wird jeder suchen, dem Willen des andern nachzukommen und beide werden ohne Zweifel ein Herz und ein Sinn sein. Wie schön ist der Ausspruch des Aristoteles in dieser Beziehung: Der Liebende ist nur einer, aber drei Arten gibt es, weshalb man liebt. Man liebt entweder jemanden des Nutzens wegen, oder der Ruhe wegen, oder der Tugend wegen. Wer eines Nutzens wegen liebt, dafür wäre als Beispiel anzuführen die Liebe von zwei Geschäftsgenossen, oder die Liebe zum Könige und zu seinem Lager. Die Liebe wegen Ruhe ist zweifacher Art, entweder liebt man den Genuss oder das Vertrauen. Den Genuss sucht man z.B. bei der Liebe zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht u. dgl., bei der Liebe zum Vertrauen will man jemand haben, auf den man sich verlassen kann, vor dem man sich nicht in acht zu nehmen braucht in Wort und Tat, dem man alle seine Angelegenheiten kund tun kann, sowohl das Gute als auch das Schlechte, ohne fürchten zu müssen, dass man dadurch einen Schaden haben könnte, weder bei ihm selbst noch bei einem andern ausser ihm; denn wenn der Mensch Vertrauen fasst zu einem solchen Manne, wird er große Ruhe finden durch seine Worte und seine große Liebe. Wer der Tugend wegen jemand liebt, damit ist gemeint, dass beide übereinstimmend für einen Gegenstand sich begeistern, nämlich für das sittlich Gute, und jeder von beiden will den andern in der Erreichung des Guten unterstützen; das ist der Freund, den man zu erwerben empfiehlt, was Ähnlichkeit hat mit der Liebe des Lehrers zum Schüler und der Liebe des Schülers zum Lehrer.↩︎

  15. Es bedeutet: Wenn du nicht weisst, ob jemand fromm oder frevelhaft ist, du nimmst wahr, dass er etwas tut oder spricht, was du verschieden aus legen kannst, zum Guten oder zum Schlechten, so nimm das Gute an und denke nicht schlecht von ihm. Ist jemand aber als fromm bekannt und weiss man, dass er Gutes tut und es wird an ihm bemerkt, dass er etwas getan hat, was als schlecht angesehen werden muss, man kann es auch nur mit der grössten Not als gut beurteilen oder es ist vielleicht ganz ausgeschlossen, dass es so sein sollte, so sollst du es doch für gut halten, da es doch möglich ist, dass es gut sein könnte und darfst du den Mann nicht verdächtigen. Deshalb heißt es auch (Sabbath 97a): “Wer Unschuldige verdächtigt, der wird an seinem Körper bestraft.” Ebenso soll man sich von einem Frevler, dessen Handlungen als schlecht bekannt sind, wenn wir auch etwas Gutes an ihm wahrnehmen, fern halten, weil es doch eine entfernte Möglichkeit gibt, dass die Tat eine schlechte gewesen ist, so sollst du nicht glauben, dass sie gut zu nennen war, da doch die Möglichkeit vorhanden war, dass sie schlecht gewesen sein könnte, wie es (Spr. Sal. 26, 25) heißt: “Ob auch seine Stimme mild, traue ihm nicht” usw. Und wenn es nicht bekannt und die Tat nach keiner von beiden Seiten (weder nach der guten noch nach der schlechten Seite) entschieden ist, musst du gemäss der frommen Weise den Betreffenden nach der unschuldigen Seite be urteilen, welcher von zwei Endpunkten (Prinzipien) es immer sein mag (ob gut oder schlecht).↩︎

  16. In einer Art der verschiedenen Fälle von Liebe und Anschluss, damit du nicht lernst von seinen Taten und wir haben bereits in den früheren Abschnitten auseinandergesetzt, dass der Mensch in Gesellschaft von Frevlern Laster annimmt.↩︎

  17. Wenn du sündigst oder siehst einen Sünder (lange leben), sollst du nicht zuversichtlich sein und sagen, dass Gott nur im Jenseits die Sünden bestraft, sondern glauben, dass Gott bald den Sünder zur Rechenschaft ziehen wird.↩︎

  18. Unter עורכי הדיינין versteht man diejenigen, welche kundig sind der Einwände (die man in einem Prozesse machen kann) und die Gesetzesbestimmungen kennen, so dass sie die Leute, wenn sie eine Rechtssache haben, genau instruieren, wie es mit ihrem Prozesse steht; sie fassen die Fragen und Antworten ab (und sagen zu dem Prozessierenden:) wenn der Richter dich das und das fragt, so antworte ihm so darauf, und wenn die andere Partei das und das einwendet, so entgegne darauf so und so, d.h. sie tun, als ob sie den Prozess anordnen und die Parteien vor ihnen stehen würden, weshalb sie עורכי הדיינין heissen, als würden sie die Richter vor sich laden und sie verwarnen, nicht zu täuschen, d.h. nicht einer Partei einen Einwand zu sagen, der ihr im Prozesse nützlich sein könnte, und darf er nicht zu einem sagen: Sage so und so, oder leugne so und so, selbst wenn der Richter weiss, dass er der Bedrückte ist, und die Gegen partei, wie er wirklich glaubt, Lügen vorbringt, darf er dennoch nicht ihm einen Einwand beibringen, der ihn retten oder ihm irgendwie nützen könnte.↩︎

  19. Unter רשות ist die Regierung zu verstehen. Mit allen drei Dingen, die Schemaja anführt, wird der Glaube und die Welt gefördert, denn ohne Arbeit (Beschäftigung) ist dem Menschen das Leben verleidet, er stiehlt und gibt sich der Unzucht hin. Strebt man nach Herrschaft und Gewalt, kommen viele Ver suchungen an einen, denn weil die Menschen ihn beneiden und ihm Opposition machen, büsst er seinen Glauben ein, wie es heißt: Sobald jemand auf Erden als Vorsteher einer Gesamtheit angestellt wird, wird er sündhaft nach oben (gegen Gott); ebenso ist es bezüglich der Bekanntschaft mit dem König und der Annäherung an ihn, man kann nur selten in dieser Welt davon befreit werden und es schadet dem Glauben, denn man gibt nur auf das acht, was ihm (dem Herrscher) näher bringen kann. Du kennst auch das Verhalten von Doëg (I Sam. 22 ,9 f.), obwohl der König, dem er sich näherte, ein Gesalbter Gottes war (sc. David), ein Prophet und von Gott erwählt.↩︎

  20. d.h. wo Ketzer, Sektierer wohnen; der Autor meint: Seid vorsichtig im Sprechen vor einer Menge, damit man euren Worten keinen andern Sinn unterlegen kann, denn die Ketzer würden sie in ihrem Sinne deuten, die Schüler nun, welche schon früher die Aussprüche gehört haben, würden sie dann im Sinne der Ketzer auffassen und glauben, dass es eure Ansicht sei und dadurch würde eine Entweihung des göttlichen Namens entstehen, wie es dem Antigonos mit Zadok und Boëthos ergangen ist.↩︎

  21. Wenn Aharon merkte, dass jemand im Herzen schlecht war, oder man erzählte ihm, dass jemand von Herzen schlecht sei und sündigte, so bot er ihm zuerst den Gruss an, freundete sich ihm an und suchte eine Gelegenheit, sich mit ihm zu unterhalten. Alsdann schämte sich der Betreffende vor sich selbst und sagte: Wehe mir! wenn Aharon wissen möchte, was ich im Herzen berge und wie schlecht ich handle, würde er mich nicht einmal ansehen, um so weniger mit mir sprechen, aber er hält mich für einen braven Menschen. Darum werde ich das, was er über mich denkt und was er von mir spricht, wahr machen, mich bessern und so zu seinen Schülern gehören, die von ihm lernen. Und sagte Gott, als er ihn (Aharon) wegen dieser schönen Eigenschaft lobte (Maleachi 2, 6): “In Frieden und in Redlichkeit wandelte er mit mir und viele brachte er von der Sünde zurück”; das so Bedeutungsvolle wollte Hillel mit seinem Ausspruche sagen.↩︎

  22. Wenn der Name eines Menschen sehr groß wird, wird ihm verkündet, dass er bald aufhören wird, berühmt zu sein.↩︎

  23. Wer nicht viel Bibel liest, den lässt Gott sterben, aber wer gar nicht lernt, verdient totgeschlagen zu werden.↩︎

  24. d.h. wer sich von der Thora ernährt und durch sie Nutzen zieht, geht unter. Der Ausdruck ודאשתמש will andeutungsweise sagen: Nur ein Gelehrter darf es nicht, aber ein anderer wohl, denn ein Gelehrter darf sich nur von seinen Schülern bedienen lassen, von sonst niemandem.↩︎

  25. Wenn ich nicht selbst meine Seele anrege, nach oben (zu Gott) emporzublicken (wenn ich nicht selbst für mein Seelenheil sorge), wer wird sonst die Anregung geben, da von aussen keine kommt, wie wir im zweiten Kapitel (der acht Abschnitte) auseinandersetzten. Und da es in meiner Macht steht, welche Richtung ich meiner Seele geben, welche gute Taten ich ausführen will, so gleicht es, als ob man sich selbst gering achtet.↩︎

  26. „Wenn ich nur für mich, was bin ich“, d.h. was kann von mir allein kommen, da ich doch kein vollkommenes Wesen bin, wenn ich auch das betreffende Gute getan habe.↩︎

  27. d.h. wenn ich mir nicht in der Zeit der Jugend, wo ich im Vollbesitze der Kräfte bin, Verdienste erwerbe, wann denn? Im Alter ist es zu spät, denn dann ist es schwer, von den Gewohnheiten zu lassen, weil alsdann die erworbenen und angeborenen Eigenschaften sich fest eingewurzelt und eingenistet haben, seien es Tugenden oder seien es Laster, wie der Weise sagt (Spr. Sal. 22, 6): “Übe den Knaben seinem Wandel gemäss, auch wenn er alt wird, weicht er nicht davon.”↩︎

  28. Lass das Thorastudium tief einwurzeln bei dir, und alle andern Geschäfte werden sich danach richten; gelingt es, ist es gut, wo nicht, nicht und entsteht kein Schaden, wenn man anderer irdischer Dinge ermangelt.↩︎

  29. So steht Baba Mezia 87a: Die Frommen versprechen wenig und tun viel, wie Abraham den Gästen auch nur Brot zu geben versprach, und dann brachte er Rahm, Milch, junges Rind, drei Mass feines Mehl; die Frevler aber versprechen viel und halten nicht einmal wenig, wie Efron, der dem Abraham versprach, alles (das ganze Feld zur Grabstätte für Sara) umsonst zu geben und schließlich liess er nicht einen Pfennig von dem Werte des Feldes ab.↩︎

  30. Der dir die rituellen Fragen entscheidet, wie es im jer. Talmud heißt: Bringe mir einen Gelehrten, auf den ich mich verlassen kann.↩︎

  31. Wie der weise Salomo sagt (Spr. Sal. 10, 19): “Bei vielem Gerede entgeht man Versehen nicht.” Der Grund dafür ist, weil bei einer Fülle von Worten viel Überflüssiges und Sündhaftes zu finden ist, wie ich jetzt erklären werde, denn wenn der Mensch viel spricht, muss er sündigen, indem in seinen Reden etwas vorkommt, was nicht gesagt werden darf. Das Kennzeichen eines Weisen ist das Wenigreden und das eines Toren das Vielreden, wie es (Koheleth 5, 2) heißt: “Die Stimme der Toren kommt mit vielen Worten.” Auch sagten bereits die Weisen, dass wenn jemand wenig spricht, es ein Beweis von der Vortrefflichkeit seiner Ahnen ist, ein solcher Mensch stammt gewiss aus einer vornehmen Familie, wie Kidduschin 71b steht: Das Schweigen in Babel (d. h. wenn jemand, dem man eine Illegitimität vorwirft, sich dabei ruhig verhält) ist ein Beweis der edlen Abstammung. Ferner steht in dem Buche über die sittlichen Eigenschaften: Einer von den Weisen schien ein großer Schweiger zu sein, weil er nichts sagte, was der Rede wert gewesen wäre und nur ganz wenig sprach. Man sagte zu ihm: Was ist die Ursache deiner großen Schweigsamkeit? Er erwiderte: Ich prüfte alle Dinge und fand, dass sie sich in vier Teile zerlegen lassen: 1. Etwas, was durchaus schädlich und gar nicht nutzbringend ist, ist z. B. das Fluchen der Menschen, eine frivole Rede u. dgl., was man da sagt, ist völliger Blödsinn. 2. Etwas, was teilweise Schaden und teilweise Nutzen bringt, wenn man einen Menschen rühmt, damit dieser dadurch einen Nutzen habe, indem man durch dieses Lob den Feind kränkt, aber es schadet dem, den man lobt, und muss man dabei das Reden unterlassen wegen dieser Ursache, dass man auch darüber gar nicht sprechen soll. 3. Dinge, die gar keinen Nutzen und keinen Schaden verursache (indifferent sind), wie die meisten Gespräche der Menge sind, z. B. wie die und die Mauer gebaut wird, wie der und der Tempel gebaut wird, wenn man von der Schönheit dieses und jenes Hauses erzählt oder von den Türmen, die diese und jene Provinz hat u. dgl.; das sind Reden, die zwar erlaubt sind, aber keinen Nutzen gewähren. 4. Nützliche Reden, wie solche über Weisheit, über Tugenden, und spricht der Mensch davon in der ihm eigentümlichen Weise, was ihm eigen ist von den Dingen (was in sein Fach schlägt), woran sein Leben hängt und wovon sein Sein herrührt und davon muss er reden. Er (Simon) sagte: So oft ich reden höre, prüfe ich die Dinge und wenn ich finde, dass sie zu dieser vierten Gattung von Reden gehören, rede ich davon (nehme ich teil am Gespräch), gehören sie aber zu den übrigen drei Gattungen, so schweige ich dabei. Es sagten die Moralisten: Prüfe diesen Mann und seine Weisheit, ob ihm fehlen 8/4 Reden (Witz). Das ist die Weisheit, die gelernt werden muss. Ich aber sage, dass das Sprechen eingeteilt wird entsprechend der Verpflichtung des Thoralesens (an den Sabbathen des Jahres), in fünf Teile, den ersten Teil zu lesen, ist eine religiöse Pflicht, von dem zweiten soll man sich fern halten, der dritte ist verächtlich, der vierte beliebt und der fünfte erlaubt (irrelevant). I. “Es gibt ein religiöses Reden”, damit ist das Lesen und Studieren der Thora und das Lesen des Talmuds gemeint, was ein vorgeschriebenes, verpflichten des Gebot ist, wie es heißt: “Du sollst von ihnen (den Worten der Lehre) reden.” Dieses Gebot wiegt alle andern Gebote auf; es wurde bereits ge sprochen von der Wichtigkeit bezüglich des Studiums und in diesem Werke kann auch nicht einmal ein Teil davon aufgenommen werden. II. “Das verbotene Sprechen”, wovor man sich in acht nehmen muss, wie vor falschem Zeugnis und lügenhafter Sache, Verleumdung und Fluch. Die Worte der Lehre weisen auf diesen (zweiten) Teil hin, wozu noch unkeusche Redensarten und üble Nachrede gehören. III. “Das verachtungswerte Sprechen”, was dem Menschen keinen Nutzen gewährt für seine Seele, obwohl es weder Sünde noch Widerspenstigkeit ist, wie der grösste Teil des Volksgesprächs ist, indem man sich unterhält von dem, was passiert ist, was früher war, wie es bei dem und dem Könige im Palaste zugeht, woran der N. N. gestorben ist oder wieso der und der (so schnell) reich geworden, alles dies nennen die Weisen leeres Geschwätz und die Frommen suchen diesen Gesprächsstoff beiseite liegen zu lassen; es wird auch von Rab, dem Schüler des R. Chija, gesagt (s. Randglosse, die das Folgende von R. Eliëser und R. Jochanan b. Sackai nach Succa 25a aussagt, s.Maimonides Hilchoth Deoth 2,4, wo Rab, der Schüler des R. Jehuda ha Nassi, steht), dass er nie unnütze Reden führte, wozu auch gehört, dass jemand das Strahlende schwärzt, die Tugenden in den Staub zieht oder das Laster emporhebt (lobt), mögen es moralische oder Verstandeseigenschaften sein. IV. “Das beliebte Reden” von dem Lobe der Verstandes-(geistigen, intellektuellen) Vorzüge oder der moralisch-ethischen Eigenschaften und von dem Tadel über den Mangel dieser beiden Eigenschaften (der moralischen und intellektuellen) zugleich, um die Seele anzuregen zur Aneignung von Tugenden durch Erzählungen und Gesänge und sie fernzuhalten von Lastern durch diese selbe Art, ebenso die Würdigen zu loben und ihre Vorzüge anzuerkennen, damit ihre Lebensführung in den Augen der Menschen Gefallen finde und sie in deren Wegen wandeln und dann soll man die Bösen wegen ihrer Laster schänden, damit ihre Taten und ihr Andenken verächtlich gemacht werden, die Menschen sich davon fernhalten und nicht ihnen nachahmen. Dieser Teil will sagen: Die Gewöhnung an gute und die Entfernung von schlechten Eigenschaften wird Anstand (Bildung) genannt. V. “Das erlaubte Reden”, was den Menschen eigen ist, z. B. das Sprechen vom Geschäft, von der Ernährung, vom Essen und Trinken, von Kleidung und von den übrigen Bedürfnissen, ist erlaubt, wobei weder Liebe noch Verachtung in Betracht kommt, wenn man will, darf man davon reden nach Herzenslust und wenn man nicht will, spricht man davon gar nicht. Bezüglich dieses Teils wird der Mensch gelobt, der wenig darüber (über die menschlichen Bedürfnisse) spricht und warnten die Moralisten, dabei viel Worte zu machen; das Verbotene und Verächtliche jedoch bedarf keiner Verwarnung und keines Gebotes, denn eigentlich sollte man darüber gänzlich schweigen, aber wenn der Mensch von dem, was religiös geboten wurde und was allgemein beliebt ist, während seines ganzen Lebens reden möchte, wäre es gut, nur muss er zwei Dinge beachten: 1. müssen seine Taten mit seinen Reden übereinstimmen, wie sie (die Weisen) sagten: “Schön sind die Worte, wenn sie ausgehen von solchen, die auch danach handeln”, was auch die Worte bedeuten: “Nicht das Forschen ist die Hauptsache, sondern das Tun”, indem sie sagten: die Weisen sollten sprechen zum Frommen, er soll sich an die guten Eigenschaften gewöhnen, wie es heißt (Sanhedrin 100a und Baba Bathra 75a): “Trage Schrift forschungen vor und dir ziemt es, vorzutragen”; auch sagt der Prophet (Psalmist): “Jauchzet, Gerechte, in dem Ewigen, dem Redlichen geziemt Lobgesang” (Ps. 33, 1). Ein zweites Moment ist die Kürze, man soll nämlich suchen, viele Dinge mit wenigen Worten auszudrücken, nicht umgekehrt, wie es heißt (Pessachim 3b und Chulin 63b): “Man soll die Schüler auf eine kurze Weise belehren.” Wisse auch, dass man bei Liedern, mögen sie in welcher Sprache immer abgefasst sein, den Inhalt prüfen muss, ob sie eine Art Reden enthalten, in die wir sie eingeteilt haben. Ich setze dies jedoch, obwohl es bekannt ist, deshalb auseinander, weil ich gesehen habe, dass alte, fromme Leute, die zu unsern Thorakennern gehören, wenn sie beim Weintrinken sitzen, wie z. B. bei einer Hochzeit oder dergl., und es will jemand ein Lied singen, das in arabischer Sprache abgefasst ist, wenn auch der Inhalt des Liedes die Stärke (die Enthaltsamkeit) oder die Wohltätigkeit behandelt, was zu dem beliebten Teile (IV) gehört, oder wenn es ein Loblied auf den Wein ist, das durchaus nicht dulden und es nicht für erlaubt halten, so etwas mit anzuhören. Wenn aber jemand von den hebräischen Piutim (Dichtungen) etwas singt, so hindern sie es nicht und es missfällt ihnen gar nicht, mag auch der Inhalt ein solcher sein, dass man vor ihm gewarnt hat oder gar ein hässlicher sein, was jedoch vollständige Torheit ist; denn eine Rede ist nicht verboten, oder erlaubt, nicht beifällig aufgenommen, oder verworfen, oder zu sagen geboten, weil sie in einer gewissen Sprache abgefasst ist, sondern nur des Inhalts wegen. Ist der Inhalt gut, muss man sie hersagen, in welcher Sprache es immer sei. Enthält das Lied aber Lästerliches, darf man es in keiner Sprache singen. Auch möchte ich dabei noch etwas hinzufügen. Wenn es zwei Lieder sind und beide haben einen Inhalt, der darauf abzielt, die Leidenschaft rege zu machen und sie zu verherrlichen, damit man sich daran erfreue, so ist das etwas Lasterhaftes und gehört zu den verwerflichen Reden, weil es zu etwas Hässlichem anspornt und anregt, wie wir in Teil IV auseinandersetzten. Ist nun das eine Lied von den beiden hebräisch und das andere auch hebräisch oder fremdsprachlich abgefasst, so ist das Anhören und das Sprechen des hebräischen noch weit verwerflicher von der Thora aus infolge der Erhabenheit der Sprache, deren man sich nur zu ehrwürdigen Dingen bedienen soll, um so mehr (ist es hässlich), wenn man einen Vers aus der Thora (den 5 Büchern Moses) oder aus dem Hoheliede mit hinzunimmt (zu dem Inhalte des weltlichen Liedes), dann gehört es nicht mehr zu dem hässlichen Teile der Reden, sondern zu dem verbotenen und muss man davor gewarnt werden, denn die Thora verbietet, die Prophetenorte zu weltlichem Gesang zu verwenden, der lasterhafte und unschöne Dinge zum Inhalt hat. Nachdem wir die üble Nachrede in dem Teile, der von der verbotenen Rede handelt, erwähnten, sehe ich mich veranlasst, zu erklären und dabei etwas zu erwähnen, dessen bereits Erwähnung getan ist, dass die Menschen dabei mit großer Blindheit geschlagen sind und ist das die grösste Sünde, die beständig bei den Menschen anzutreffen ist, um so mehr versündigt man sich an dem, was die Weisen (Baba Bathra 164b) sagen: “Von einem Stäubchen Verleumdung (d.h. ihr Ähnlichem) ist kein Mensch täglich befreit”. Es wäre zu wünschen, dass man von Verleumdung selbst befreit sein möchte! Unter Verleumdung versteht man das Erzählen der Schlechtigkeiten der Menschen, ihre Fehler zu erwähnen und jemanden aus Israel zu schänden, auf welche Weise immer, selbst wenn der Geschändete Fehler hatte, wie wir erwähnten, dass üble Nachrede nicht heißt, wenn man (vollständig) Lügen ausstreut über einen Menschen und ihm etwas beilegt (andichtet), was er gar nicht getan hat, denn das heißt: Einen schlechten Namen über seinen Nebenmenschen ausbringen (מוציא שם רע ist von לשון הרע zu unterscheiden). Unter לשון הרע versteht man vielmehr, jemanden selbst in seinen Taten schänden, die er in Wirklichkeit getan hat, denn wer die Verleumdung ausspricht und wer sie mit anhört, sündigt, wie es (Arachin 16b) heißt: „Drei werden durch Verleumdung getötet: Wer sie ausspricht, wer sie anhört und der, von dem man sie erzählt.“ Ferner steht: „Wer die Verleumdung annimmt, sündigt noch mehr als der sie ausspricht.“ Unter אבק לשון הרע, ein Stäubchen Verleumdung (s. oben), versteht man das Erwähnen der Fehler der Menschen ohne weitere Erklärung, wie Salomo in diesem Betreff sagte, denn zuweilen zeigt derjenige, der die Fehler der Menschen ohne nähere Erklärung (wen oder was er meint) erwähnt, dass er gar keine Kenntnis hat von dem, was man aus seinen Worten entnimmt, und er etwas gar nicht beabsichtigte, und vielmehr sich etwas anderes dabei gedacht hat, wie es (Spr. Sal. 26,18, 19) heißt: „Wie einer, der zum Zeitvertreib schießt Brandgeschoss, Pfeile und Tod, so der seinen Nächsten betrog und spricht: Habe ich nicht gescherzt?“ Einst rühmte der Weiseste der Weisen (sc. R. Jehuda ha Nassi, s. Baba Bathra 164b) die Schrift eines Schreibers, die man ihm in Gegenwart vieler zeigte und tadelte er den, der den Schreiber genannt und ihn belobt hatte (das war sein Sohn R. Simon), indem er zu ihm sagte: Lass von der Verleumdung! du bewirkst nämlich, dass man den Mann (der es geschrieben hat) schändet, indem du ihn in der Menge (öffentlich) lobst, denn es befinden sich welche unter ihr, die ihm befreundet und welche, die ihm feindlich gesinnt sind. Wenn der Feind hört, dass man ihn lobt, muss er auch die Fehler und das Schlechte an ihm in Erwähnung bringen, darum soll man sich von Verleumdung fernhalten, das ist der Zweck davon. In der Mischna (Arachin 15a) heißt es: „Der böse Beschluss über unsere Vorfahren (dass sie nicht nach Israel kommen durften) wurde nur wegen der Sünde der Verleumdung gefasst“, d.h. wegen der Kundschafter, von welchen (Num. 13, 32) gesagt ist:”Sie brachten ein übles Gerücht über das Land aus.“ Sie (die Weisen), der Friede ruhe auf ihnen! sagten: Wenn schon diese (Kundschafter), die nur über Holz und Stein ein übles Gerücht verbreiteten, sich einer solchen Strafe schuldig machten, um wie viel mehr ein solcher, der von der Schande seines Nächsten spricht. In der Thosseftah steht: “Für drei Dinge wird der Mensch in dieser Welt bestraft und hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt: Götzendienst, Inzest und Mord, aber Verleumdung steht für alle drei Sünden”. In der Gemara (Arachin 15a) steht: “Beim Götzendienst steht das Wort גדול in der Einzahl, nämlich Exod. 32, 31, ebenso bei Inzest Gen. 39, 9, ebenso bei Mord Gen. 4, 13, aber bei Verleumdung steht גדול im Plural, nämlich Ps. 12, 4 לשון מדברת גדולות, wo von dieser Sünde (der Verleumdung) gesprochen wird, die noch vieles andere anregt (im Gefolge hat)”; schließlich heißt es noch: „Wer Verleumdungen erzählt, leugnet die Hauptsache (des Glaubens)“, wie (ibid. V. 5) steht:”Die da sprechen: Mit unsern Zungen bringen wir es hoch; sind unsere Lippen mit uns, wer wird unser Herr sein?“ Ich habe nur etwas von dem aufgezählt, was sie (die Weisen) über diese Sünde aussprachen, obwohl ich viel sagte, damit der Mensch, soweit er es vermag, sich davon fernhalte und zu schweigen suche, d.h. bezüglich dieses Teils des Redens.↩︎

  32. Unter דין ist das rechtliche Verhalten einer Provinz zu verstehen, wie wir bereits im vierten Abschnitt erklärten, dass die Wahrheit zu den intellektuellen und der Friede zu den ethischen Vorzügen gehört und wenn alle drei, Recht, Wahrheit und Friede vorhanden sind, ist das Dasein ohne Zweifel ein vollkommenes.↩︎