Midrasch

Mosche (Moses) im Midrasch

Noch mehr als das Leben der Erzväter wurde das Leben Mosches (Moses) von der Geburt bis zum Tode durch die Legende reich ausgeschmückt. Philo widmete dem Leben Mosches (Moses) ein ganzes Buch (De vitaMosis). Viele Sagen über Mosche (Moses) bringt auch Flavius Josephus; sie decken sich vielfach mit den haggadischen Überlieferungen. Außer den mehr oder weniger zerstreuten Bemerkungen im Midrasch gibt es eine Reihe zusammenhängender Erzählungen über Mosche (Moses) jüngeren Charakters, so im Sefer hajaschar, Die Chronik Mosches (Diwre hajamim schel Mosche), Das Sterben Mosches (Midrasch petirat Mosche) u. a., die ebenfalls uralte Sagen aufgenommen haben.

Mosches (Moses) Geburt wurde nach der Tradition dem Pharao im Traum angezeigt, worauf dieser das Gebot erließ, die israelitischen Knaben in den Nil zu werfen (P. d. R. E. 48 u. 49.). Mosche (Moses) wurde nach der Überlieferung am 7. Adar geboren (b. Meg. 13 b); bei seiner Geburt füllte sich das Zimmer mit Licht (Schemot. R. 1,20). Er kam beschnitten zur Welt. Ebenso wie die Geburt ging seine Errettung aus dem Wasser unter vielen Wundern vor sich. Als die Tochter des Pharao das Kind berührte, wurde sie von ihrem Aussatz geheilt (b. Sota 12b). Sie nannte ihn Mosche, in Wirklichkeit aber hatte er viele andere Namen, die jedoch alle einschließlich des Namens, den die Eltern ihm gegeben hatten, in Vergessenheit gerieten. Die Tora selbst anerkannte den Namen »Mosche«, den Bitja, die Tochter Pharaos, ihm gegeben hatte, als Lohn für ihre gute Tat (Meg. 13 a.). Ausführlich werden die am Hofe des Pharao verbrachten Kindheitsjahre schon bei Philo und dann in den späteren Midraschim geschildert. In die arabische Literatur wurden diese wie die anderen Sagen aufgenommen und vielfach erweitert und geändert. Demnach riss Mosche (Moses) schon als dreijähriges Kind dem Pharao die Krone vom Haupte. Um zu erkennen, ob er aus Überlegung gehandelt oder nur ein kindliches Spiel getrieben hatte, wurden glühende Kohle und Edelsteine vor ihn hingelegt. Als Mosche (Moses) nach den Edelsteinen greifen wollte, rettete ihn der Engel Gabriel, indem er die Hand des Kindes auf die Kohle lenkte, die dieses nun zum Munde führte. So wurde Mosche (Moses) vor dem Zorn des Pharao gerettet, hatte aber seitdem einen Sprachfehler (Schemot Rabba 1,26)
Lobend wird im Midrasch hervorgehoben, dass Mosche (Moses), obwohl am Hofe des Königs erzogen, Mitgefühl mit seinen schwergeprüften Brüdern hatte. Er wollte jedem helfen (Schemot Rabba 1,26) und setzte es durch, dass den Hebräern ein Ruhetag — der Sabbat — in der Woche gewährt wurde (Schemot Rabba 1,26). Als Mosche (Moses) aus Ägypten flüchten musste, wurde er durch ein Wunder gerettet. Während er nach dem Bericht der Bibel direkt nach Midjan flüchtete, kam er nach den späteren Midraschim zuerst nach Äthiopien. Hier gelangte er wegen seiner großen Tapferkeit zu großen Ehren, wurde König und verweilte 40 Jahre, musste aber als Fremdling das Land verlassen.
Diese weit verbreitete Sage knüpft an die biblische Erzählung von Mosches kuschitischer Frau an; eine Andeutung dieser Sage findet sich schon im Pseudo-Jonatan zu Num. 12, 1; bei Jetro hatte Mosche (Moses) viel Ungemach zu erleiden. Dort kam er auch in den Besitz des Wunderstabes (Mosesstab), der in Jetros Garten eingepflanzt war. Diesen Stab, den schon Adam in Besitz gehabt hatte, hatte vor Mosche (Moses) niemand ergreifen können (P.d.R.E. 40; Sefer hajaschar). Mosche (Moses), der als Hirte bei Jetro beschäftigt war, weidete die Schafe mit so liebevoller Sorgfalt, dass er später von Gott zum Hirten Israels eingesetzt wurde (Schemot Rabba 1; b. Sukka 52a). Als Mosche (Moses) von Gott zu dem Pharao geschickt wurde, war er wenig zuversichtlich und wurde deshalb auch bestraft. Die Wunder vor Pharao, besonders die ersten drei, wurden, entsprechend der Erzählung der Bibel, zusammen mit Ahron vollführt. Die Abhängigkeit Moses‘ von Ahron wird also von Moses selbst verschuldet. Moses wird Ahron gleichgestellt (Mechilta ed. Friedmann 1 a); in der Folge tritt aber die Tätigkeit Moses‘ in den Vordergrund. Am Meere musste er mit den Elementen kämpfen; er hatte keine Macht, das Meer zu spalten, bis der Ewige seine rechte Hand auf die Hand Moses legte (Schemot Rabba 21,6).

Die Wunder, die Moses am Meer vollbrachte, werden besonders hervorgehoben (Schemot Rabba 21,6; Mechilta ed. Friedmann 30 b), andererseits zeigte er sich auch hier zaghaft, und es wird ihm vorgeworfen, dass er zu lange Zeit mit Beten verbrachte, wie überhaupt seine Kraft mehr im Beten als im Handeln liegt (ebd. 21a). Beim Auszug aus Ägypten suchte Moses nach den irdischen Überresten Josefs, während die anderen nach Gold und Schätzen strebten (b. Sota 13 a, Pessikta de R. Kahana, ed. Buber 85 b, Mechilta ed. Friedmann 21a). Als Belohnung hierfür wurde Mosche später aus den Abfällen der 2 Tafeln bereichert. In den Kampf gegen Amalek zieht er nicht selbst, sondern schickt seinen Schüler Josua, was .im. I Midrasch damit motiviert wird, dass es den Nachkommen Esaus bestimmt war, den Nachkommen. Josefs ausgeliefert zu werden (Pessikta de Rabbi Kahana, ed. Buber 21b). Den später gegen. Midjan geführten Krieg machte er aus Dankbarkeit gegen dieses Land, das ihm Schutz vor seinen Verfolgern gewährt hatte, nicht mit (Schemot Rabba 24). Die Ehre, die Moses anlässlich der Gesetzgebung zuteilwurde, bedeutet den größten Aufstieg in seinem Leben.

Dass es ihm vergönnt war während der Offenbarung am Sinai in die Nähe der Nebelwolke zu gelangen, war der Lohn für seine Sanftmut (Mechilta ed. Friedmann 72 a). Im Himmel angekommen, hatte er gegen die Engel zu kämpfen, die die Tora als ihren alleinigen. Besitz betrachteten (Pessikta de R. Kahana, ed. Friedmann 37). Im Himmel wurde ihm große Macht eingeräumt, ja der Ewige selbst rechnetemit dem Einfluss Mosches (Moses) (Schemot Rabba 28, 2). Es war Mosche (Moses) vergönnt, in dieser Welt die Tora zu empfangen, zu lernen und zu lehren, aber auch in der zukünftigen Welt wird er seine Tätigkeit als Lehrer fortsetzen, und die Erzväter werden ihre Jünger zu ihm schicken (Schemot Rabba II, 12)» 40 Tage weilte Mosche (Moses) am Berge Sinai, aber erst am 40. Tage blieb die Tora in seinem Gedächtnis haften (Schemot Rabba 41,18). Als er 6 Stunden später kam, als er angesagt hatte, benützte der Satan den Wankelmut des Volkes, um es irre zu führen. Er zeigte ihm Moses zwischen Himmel und Erde schwebend. Da Mosche (Moses) alle Würden nur Israels wegen zuteilwurden,. musste Mosche (Moses) von seiner Würde herabsteigen, als nun Israel gesündigt hatte (b. Ber. 32 a). Nach der Versöhnung, als Gott den Bund mit Israel erneuerte, erhielt Mosche (Moses) den Auftrag, die neuen Tafeln auszuhauen. In seinem Zelt öffnete sich ein Schacht von Saphirsteinen, die für die Tafeln benutzt wurden. Seine Haare, an denen er sein Schreibrohr abwischte, wurden davon glänzend, und es bildeten sich Strahlenhörner an seinem Kopfe. Fünfzig Pforten der Weisheit wurden in der Welt geschaffen, die, mit Ausnahme einer einzigen, Mosche (Moses) anvertraut wurden (b. R.H. 21b); er war der Vater der Weisheit und der Prophetie (b. Meg. 13 a). Nur seinetwegen war die Welt erschaffen worden (b. Sanh. 98b). Trotz seiner großen Verdienste, und gerade deswegen, musste Mosche (Moses) seinen Fehltritt hart büßen und in der Wüste sterben. Sein Tod und die Größe Josuas wurden schon früher von Eldad und Medad vorausgesagt. Als der Tag seines Todes herankam, zeigt ihm Gott, nicht nur das gelobte Land, sondern auch das. künftige Geschick des Landes (Sifre, am Ende). Mosche (Moses) wollte wenigstens persönlich — nicht in seiner Eigenschaft als Führer des Volkes — Erez Israel sehen, aber auch diese Bitte wurde ihm versagt. Als der Todesengel erschien, um seine Seele an sich zu ziehen, ergriff Mosche (Moses) den Stab, auf den der Name Gottes geschrieben war, und wollte ihn vertreiben. Gott versprach ihm darauf, ihn nicht •der Gewalt des Todesengels auszuliefern (Pessikta de Rabbi Kahana, ed. Buber 32). Mosche (Moses) verschied, indem Gott seine Seele küsste, und 12 Meilen erscholl der Ruf der Engel: „Moses ist tot!“ (Sifre Deut. § 317). Mosche (Moses) gehört zu den sechs Personen, über die der Todesengel keine Macht hatte (Abraham, Isaak, Jakob, Moses, Ahron und Mirjam; b. Baba Batra 16a). Sein Grab befindet sich in der Wüste, aber durch eine unterirdische Höhle ist es mit der Höhle Machpela verbunden (Sifre). Moses wird in der Überlieferung höher als Adam, Abraham und Jakob gestellt (Dew. R. Ende), jedoch findet sich ein weitgehender Parallelismus zwischen den Erzählungen über ihn und über Adam (s. darüber Murmelstein). Mosche (Moses) war nicht nur der Führer aus Ägypten, er wird auch der zukünftige Führer des Volkes sein.

Als Todestag Mosches (Moses) gilt ein Schabbat, und zwar der 7. Adar, der Tag, an dem er das 120. Lebensjahr vollendete (Sota 13b; Tossafot zu Men. 30a Mitte). Keiner seiner beiden Söhne war der Nachfolgerschaft würdig, doch weiß die Sage vieles von den späteren Nachkommen Moses‘ zu erzählen. Sie nehmen eine bevorzugte Stellung ein und wohnen als ein eigener Stamm bis auf den heutigen Tag jenseits des Sambatjon-Stromes. Diese Sage, die besonders in Arabien verbreitet war, wird schon im Pseudo-Jonathan zu Ex. 34, 10 angedeutet.

Personen im Midrasch: Abraham | Bitja | Hewel (Abel) | Jitzchak (Isaak) | Ja’akow (Jakob) | Josef | Königin von Saba | Mosche (Moses) | Schimschon

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Rabbiner Dr. Alexander Kristianpoller. Geboren 1884 in Lanowce, stammte aus einer Rabbinerfamilie, studierte in Wien und ging dann als Rabbiner nach Linz und Wien. Nach dem deutschen Einmarsch in Österreich wurde ihm ein Visum für die USA verwehrt. Am 18. September 1942 wurde er in Maly Trostinec bei Minsk umgebracht.